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Beobachtungen im Zusammenleben von Temnothorax cf. nylanderi und Myrmica cf. rubra

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Isi
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#1 Beobachtungen im Zusammenleben von Temnothorax cf. nylanderi und Myrmica cf. rubra

Beitrag von Isi » 20. Mai 2010, 15:08

Meine Kolonie Myrmica cf. rubra habe ich am ersten warmen Tag dieses Jahres gefunden. Danach wurde es bei uns wieder richtig kühl. In der Natur ausreichend Fliegen,Spinnen usw. für die Fütterung der Ameisen zu bekommen ist nicht möglich gewesen.
Es gibt hier viele Eichen-Wälder, die noch nicht von Wildschweinen heimgesucht werden. Auf dem Waldboden liegen daher viele Eicheln, sowohl aus 2009 als auch aus vorherigen Jahren. Besonders in nicht ausgekeimten jüngeren Eicheln habe ich häufig einen Eichenschädling gefunden, wahrscheinlich die Raupe des Eichenwicklers-Cydia splendana (siehe bei Wikipedia).
Die Raupen haben in dieser „Notzeit“ eine hervorragendes Futter für die Ameisen abgegeben. Ich habe also immer 20-30 Eicheln auf Vorrat gesammelt und bei Bedarf geöffnet. So ca. jede vierte Eichel war auch mit einer Raupe besetzt.
10 dieser Eicheln beherbergten aber Kolonien von Temnothorax cf. nylanderi. Nachdem ich im Forum den Bericht von bettwurst über die Temnothorax-Kolonie bei seinen Camponotus ligniperda gelesen hatte, kam mir die Idee eine Kolonie der Temnothorax cf. nylanderi in eine Arena der Myrmica cf. rubra zu legen und ihr Zusammenleben zu beobachten. Die restlichen Kolonien habe ich wieder am Fundort ausgesetzt.
Vorweg kann ich schon mal sagen, daß sich die beiden Arten bei mir gut vertragen, obwohl meine zwei Arenen relativ klein sind.
Folgende Beobachtungen beim Zusammentreffen der Arten konnte ich machen:


a. Die Kleinen (Temnothorax cf. nylanderi) treffen auf die Großen (Myrmica cf. rubra):
  • an den Futterschalen nähern sich die Kleinen der Nahrung immer sehr vorsichtig und umrunden die Schalen häufig, bevor sie sich ins Zentrum vorwagen. Dabei bewegen sie sich langsam und halten oft inne, um alles, was vor ihnen liegt, ausgiebig mit den Fühlern zu untersuchen. Treffen sie auf eine Große, weichen sie blitzartig zurück und verstecken sich kurz unter der Schale (Gewölbtes Uhrglas). Erst nach einer kurzen Pause starten sie einen neuen Versuch. Die Großen bemerken die Berührung durch die Fühler in den meisten Fällen nicht und nehmen weiter Futter auf. Wenn sie einmal doch darauf reagieren, drehen sie sich nur kurz um, untersuchen die Stelle mit den Fühlern, um sich dann wieder ihrem Futter zu widmen.
  • Bei zufälligen Kontakten während des Fouragierens, verhalten sie sich ähnlich.Sie drehen sich blitzartig um und verstecken sich kurz. Treffen sie jedoch beim Klettern (Wände der Arena usw ...) auf die Großen lassen sie sich einfach zu Boden fallen.
b. Die Großen treffen auf die Kleinen:
  • am Futter verhalten sich die Großen aggressiv, öffnen die Mandibeln und springen nach vorne. Falls sie die Kleinen erwischen, werden diese fixiert und mit den Fühlern untersucht. Die Kleinen drücken sich dabei dicht an den Boden. Noch nie konnte ich dabei beobachten, daß die Großen versuchten ihren Stachel einzusetzen. Immer werden die Kleinen nach kurzer Zeit wieder freigegeben und danach ignoriert. Die Kleinen machen sich dann schleunigst aus dem Staub.
    Nicht immer gelingt den Großen die beschriebene Aktion. Dann versuchen sie die Kleinen zu verfolgen, scheitern dabei aber jedes mal.
  • Bei sonstigen Zusammentreffen werden die Kleinen auch oft einfach überlaufen, ohne von den Großen bemerkt zu werden. Immer pressen sich die Kleinen dabei dicht an den Untergrund. Bei einem Kontakt während des Kletterns, lassen sich auch in diesem Fall die Kleinen sofort zu Boden fallen.
Kontakte beim Passieren des Verbindungsschlauchs zwischen den Arenen vermeiden die Kleinen, indem sie sich oben am Schlauch entlang bewegen, während die Großen unten entlang laufen.
Die Eichel der Kleinen befindet sich am Rand der Arena, welche von den Großen als Abfallplatz gewählt worden ist. Anfangs haben die Großen die winzigen Eingänge zur Kolonie der Kleinen belagert und versucht die Eingänge zu erweitern. Zur Zeit wird die Eichel von den Großen aber ignoriert. Inwieweit der Friede mit dem hohen Sättigungsgrad der Kolonien zu tun hat, könnte noch geklärt werden (mehrere Tage kein Futter reichen!). Solange im Nest von Myrmica cf. rubra die Brut der weisellosen Arbeiterinnen (http://www.ameisenforum.de/europ-ische- ... 39412.html) aufgezogen wird, werde ich auf derartige Versuche aber verzichten. Die Gefahr, daß es sonst zu Brutfraß kommt, ist mir zu groß.
Bettwurst berichtet (http://www.ameisenforum.de/europ-ische- ... 38542.html# Nr. 4), daß die Arbeiterinnen von Temnothorax cf. nylanderi kaum an Proteine kommen können, weil seine Camponotus ligniperda dargereichte Futtertiere sehr schnell eintragen, auch wenn die Kolonie eigentlich gesättigt ist. Das verhält sich bei meinen Kolonien genauso. Heimchen oder größere Fliegen werden von den winzigen Temnothorax-Arbeiterinnen sowieso (sind zu groß?) ignoriert. Hunger zu leiden brauchen die Kleinen allerdings nicht, da in der Arena genügend zerkleinerter Abfall der Großen liegt. Kleine Teile davon werden eingetragen und verwertet.


Abschließend möchte ich das Forum noch zu einer Vermutung von mir befragen. Da es ja bisher nie zu ernsthaften Kämpfen zwischen den Arbeiterinnen der beiden Arten gekommen ist, könnte es ja sein, daß die Arbeiterinnen von Temnothorax cf. nylanderi über einen Duftstoff (Pheromon), ähnlich der Repellentsubstanz von Solenopsis fugax (siehe im Seifert 2007 S. 73), verfügen, welcher die Arbeiterinnen anderer Ameisenarten abschreckt oder deren Aggressionen herunterfährt. Daher meine Frage an Euch, ob ihr darüber schon mal etwas gelesen oder gehört habt.


Gruß, Isi
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