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Polyergus rufescens Koloniegründungen freisetzen?

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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#1 Polyergus rufescens Koloniegründungen freisetzen?

Beitrag von Gast » 5. März 2010, 10:05

Im Schwester-Forum "eusozial“ ist zu lesen, dass ein user die in Deutschland vom Aussterben bedrohte (RL Kat. 1) Amazonenameise Polyergus rufescens in Haltung hat und im Sommer aussetzen will. Laut seinen Einträgen hat er das neu gegründete Völkchen bereits im Februar ausgewintert und hat seit dem Wochenende 28. Februar erste Polyergus-Puppen.
Die Tiere werden dann bei Aussetzung um 2 bis 3 Monate im Jahreszyklus gegenüber dem natürlichen Jahresverlauf versetzt sein.

Ich selbst habe keine Erfahrung mit der Haltung von Polyergus, frage mich aber, ob jemand etwas weiß, welche Auswirkungen eine solche Zeitverschiebung im Freiland auf die Tiere hat (bitte nur Wissen, keine Spekulationen!).
Nach meinem Wissen über Sklaven haltende Ameisen werden Raubzüge dann veranstaltet, wenn es sich lohnt, d.h., wenn Arbeiterinnenpuppen in den Wirtsart-Nestern zu erwarten sind. Das ist natürlich die Zeit, in der die Sklavenhalter selbst auch eigene Puppen in ihren Nestern haben.

Weiterhin frage ich: Machen Polyergus-Arbeiterinnen im ersten Jahr bereits Raubzüge? - Bei Harpagoxenus haben wir mit markierten Tieren festgestellt, dass nur solche Tiere als "scouts" aktiv waren, die mindestens eine Überwinterung als Imagines hinter sich hatten. Auch wurden hauptsächlich ältere Harpagoxenus-Arbeiterinnen rekrutiert und kaum welche, die erst wenige Tage oder Wochen zuvor geschlüpft waren. Wie das bei Polyergus aussieht, weiß ich nicht.

Ich schreibe dies übrigens hier im AF, da über Polyergus in diesem Forum bereits viel zu lesen ist, und da wir in boro (> Seitenblick :)) einen im Umgang mit Polyergus sehr erfahrenen User haben, der wahrscheinlich etwas zu dem Thema sagen kann.

MfG
Merkur



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Boro
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#2 AW: Polyergus rufescens Koloniegründungen freisetzen?

Beitrag von Boro » 5. März 2010, 17:47

Hallo Merkur!
Ich bin sicher,dass man hier zuerst eine Trennung zwischen einer natürlichen Nestgründung und einer künstlichen Gründung in der Haltung vornehmen muss:
1. In der Natur erfolgt die Nestgründung etwa von Mitte Juli bis Ende August (Schwärmzeit). (Jahr 1 der Nestgründung) Man muss davon ausgehen, dass unter mitteleurop. Klimabedingungen erst im darauffolgenden Frühjahr mit der Eiablage begonnen wird (Jahr 2 d. Nestgründung). Im Sommer werden dann je nach Pflege/Fütterung durch die Hilfsameisen in der Regel nur 200-300 Amazonen aufgezogen. Diese Zahl erscheint gering, könnte bei sehr volksstarken Serviformica-Nestern vielleicht etwas höher sein.
Bisher konnte ich nicht feststellen, dass sozusagen im Gründungsjahr der Kolonie (Jahr 2 d. Nestgründung) gleich die Raubzüge stattfinden. Als Kundschafterinnen kommen auch hier nur ältere Tiere zum Einsatz, die man dann oft an der geringeren Größe ("Minor-Arbeiterin") und dunkleren Färbung erkennt. Ohne Ausmarsch erfahrener Kundschafterinnen und der durch sie durchgeführten Ortung von Zielnestern (Serviformica sp.) kann es keine Raubzüge geben. Daraus folgt, dass ähnlich wie bei Harpagoxenus frühestens einjährige Tiere als scouts in Frage kommen. Im darauffolgenden Jahr (Jahr 3. der Nestgründung) erfolgen also die Raubzüge mit einjährigen Amazonen. Dazu reichen die oben erwähnten 200-300 Tiere.
Da Polyergus ähnlich wie die Serviformica-Arten zuerst die Geschlechtstierbrut heranzieht (bei Polyergus dauert dieser Vorgang auch gut 1-2 Wochen länger, ebenso das Ausreifen alater Geschlechtstiere), treten frühestens im August junge Arbeiterinnen in Erscheinung, die wegen der fortgeschrittenen Jahreszeit nur mehr in geringem Ausmaß bei Raubzügen zum Einsatz kommen. Der Rest der noch schlüpfenden Brut geht praktisch anschließend gleich in die für Polyergus typische, inaktive Phase über (ab Anf. Sept.)
2. In der Haltung scheinen die Uhren etwas anders zu laufen. Es wird davon berichtet, dass die Königin noch im Gründungsjahr mit der Eiablage beginnt (z. B. ZWAHLEN, H.: Erfolgreiche Gründung einer Amazonenameisen-Königin im Gips-Beobachtungsnest. Ameisenschutz aktuell, 2/04). Wie sich hier die durch die Zeitverschiebung geänderten Verhältnisse auf eine eventuelle Freisetzung in die Natur auswirken könnten, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Das selbe gilt für das oben angeführte Beispiel. Dort scheinen zumindest die Hilfsameisen sehr gut "im Futter" zu stehen. Ich werde mich aber schon deswegen beim Verfasser erkundigen, ob sich diese optimalen Verhältnisse etwa auf die Zahl der aufgezogenen Amazonen-Brut auswirken.
Ich habe derzeit wieder 2 Polyergus-Nester mit Formica cunicularia als Hilfsameisen vorbereitet. Die Nester befinden sich noch in Winterruhe, weil ich die Zustände in der Natur so weit wie möglich nachvollziehen will. Für mich ist Polyergus r. zu wertvoll, um mich da auf irgendwelche Versuche einzulassen. Da Amazonen in Gefangenschaft oft kurz nach dem Schlüpfen von den Hilfsameisen getötet werden, erfolgt bei mir die spätere Freisetzung bereits zeitgerecht vor dem Schlüpfen der Amazonen, um diesbezüglich jedes Risiko auszuschalten. Die Freisetzung an sich ist dann eine weitere Hürde, die man nur mit einiger Erfahrung meistern kann.
L.G.Boro



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jkiefer
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#3 AW: Polyergus rufescens Koloniegründungen freisetzen?

Beitrag von jkiefer » 5. März 2010, 19:00

Hallo,

hab zwar kein Wissen, aber Fragen zu dem Thema, ich hoffe es ist mir gestattet diese hier zu stellen!

Und zwar, wo liegt der Vorteil darin erst im 3.Jahr der Nestgründung (wie Boro beschrieben hat) mit den Raubzügen zu beginnen?
Soweit ich glaube verstanden zu haben, hängt die Anzahl der Amazonen ja direkt von der Anzahl der Hilfsameisen ab. Solange also die Anzahl der Hilfsameisen nicht steigt, können auch keine weiteren Amazonen aufgezogen werden.
Das bedeutet doch dann, das bis zum Sommer des 3.Nestgründungsjahres und damit bis zum 1. erfolgreichen Raubzug praktisch die Koloniegröße nur abnehmen kann, da ja immer mal wieder Hilfsameisen verloren gehen (also sterben) und die Winterruhe wird wohl auch für das eine oder andere Opfer sorgen!
Wäre es da nicht schlauer mit den ersten aufgezogenen Amazonen im Spätsommer des 2.Nestgründungsjahres die ersten Raubzüge zu unternehmen? Denn die Anzahl der Amazonen sollte wenn ichs richtig verstanden habe ja dann schon mindestens etwa so hoch sein wie sie im 3.Nestgründungsjahr sein wird und auch bereits ausreichend sein?

Und die zweite Frage.
Boro hat ja geschildert das Polyergus rufescens dann Geschlechtstiere aufzieht wenn auch die Serviformica-Arten diese aufziehen. Ich denke mal nicht das in dieser Zeit Raubzüge veranstaltet werden, sonst würde ja hauptsächlich Geschlechtstierbrut erbeutet werden, seh ich das richtig?
Nun stellt sich mir die Frage ob das in Form der Jahreszeit bei den Polyergus rufescens verankert ist, also immer nur Raubzüge im August z.b., oder ob das davon abhängig ist wann der wievielte Brutschub durch ist... (zur Verdeutlichung, wie es z.b. bei Camponotus ligniperda der Fall ist, die jedes Jahr so und so viele Brutschübe aufziehen bevor sie dann endogen in Winterruhe gehen).
Ich denke in letzterem Fall könnte eine zu frühe Auswinterung doch dann dazu führen das ein Amazonenvolk zu früh mit den Raubzügen beginnt und dann sinnloserweise Nester angreift wo in dieser Zeit noch größtenteils Geschlechtstiere aufgezogen werden und dann in die inaktive Phase übergehen wenn eigentlich gerade die perfekte Zeit für die Raubzüge wäre?

Ich weiß nicht, vielleicht sind die Fragen ja dämlich, habe mich bisher nie genauer mit dieser interessanten Art beschäftigt... wenn ja dann will ich mich schonmal im Vorraus entschuldigen!

MFG


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#4 AW: Polyergus rufescens Koloniegründungen freisetzen?

Beitrag von Boro » 5. März 2010, 19:42

Hallo jkiefer!
Ich kann jetzt - wie oben ausgeführt - nur von Freilandbeobachtungen reden, denn meine Kunstnest-Gründungungen verlaufen zwar alle zeitlich ziemlich parallel zu jenen im Freien. Aber das muss sicher nicht in jedem Fall so sein....
1. Ein Ausmarsch im 2. Jahr nach der Gründung (im vorangegangenen Sommer/Spätsommer) kann eigentlich schon aus zeitlichen Gründen nicht stattfinden: Die Aufzucht der Amazonenbrut erfolgt ja sukzessive, also schlüpfen die Jungtiere nach und nach, vielleicht irgendwann Ende Juni, Anfang Juli beginnend und im August gibt es dann vielleicht 200 Amazonen und Anfang Sept. 300. Das heißt, die Jungtiere und vor allem die wichtigen Kundschafterinnen müssten sozusagen vom Fleck weg ausmarschieren. Ich würde sagen, dass geschätzte 250-300 Amazonen notwendig sind, um erfolgreich auf Brutraub zu gehen.
Warum es bei Polyergus relativ (im Vergleich zu einigen Serviformica-Arten) wenig Brut gibt, ist eine andere Frage. So viel ich weiß, wurde dies im Speziellen bisher nicht untersucht. Auch die spätere Zahl der Geschlechtstiere ist gemessen an oft etlichen tausend Hilfsameisen immer bescheiden. Möglicherweise ist das eine "ökonomische" Sache, es wird nur so viel "produziert" wie man für die Erhaltung der Art benötigt. Hier ergibt sich vielleicht auch ein Zusammenhang mit dem häufigen Auftreten von ergatoiden Weibchen, also flügellosen Zwischenformen zw. Arbeiterin und Gyne. Vielleicht ist es "ökonomisch" sinnlos in die Produktion von Flugmuskulatur zu investieren, wenn die Begattung (auch der echten Gynen) sowieso häufig im engeren Nestbereich stattfindet.
2. Das ist eine interessante Frage, die möglicherweise den Kern des zuerst v. Merkur aufgezeigten Problems tangiert: In der Natur ist es so, dass die Raubsaison erst nach Aufzucht und Schwärmen der Geschlechtstiere der Serviformica-Arten beginnt. Schon vorher, aber vorwiegend ab diesem Zeitraum investieren die Serviformica-Populationen all ihre Energie in die Aufzucht von Arbeiterinnen. Jetzt können die Amazonen aus dem Vollen schöpfen.
Ob der Zeitpunkt der Raubsaison praktisch instinktmäßig bei Polyergus verankert ist oder ob sie aus dem Fortschreiten der eigenen Brutentwicklung zum Ausrücken animiert werden, bleibt inzwischen ein Geheimnis. Als letzte Möglichkeit kämen die scouts ins Spiel: Diese rücken aus, um Wirtsnester zu finden und versuchen dabei sehr oft, einzeln(!!) in die Serviformica-Nester einzudringen. Ein zweifellos lebensgefährliches Wagnis. Neuere Forschungen aus Italien belegen aber, dass hier quasi Abwehrbereitschaft, Nestgröße und die zu erwartende Beute ausspioniert wird und so unglaublich es fast klingt, die später rekrutierte Truppenstärke soll an die von der Kundschafterin "heimgebrachte" Information angepasst werden.
Bei den Amazonen kann man also ohne weiteres von militärischer Strategie sprechen: Spionage-Meldung-Rekrutieren der entsprechenden Truppenstärke-geordneter Ausmarsch (durch Pheromone wird die Marschordnung gestrafft)-Markierung der Strecke-Überfall-Einsatz von chem. Kampfstoffen-Raub-rasche Rückkehr auf der Duftspur.
Irgendwie erinnert mich das fast an die Auswüchse organisierter Kriminalität, unter der wir in Mitteleuropa sein einigen Jahren leiden.
Jedenfalls weißt du jetzt, warum mich gerade diese Art so fasziniert....
L.G.Boro



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#5 AW: Polyergus rufescens Koloniegründungen freisetzen?

Beitrag von Gast » 5. März 2010, 20:36

Hallo boro,

Vielen Dank für diese gut begründeten Informationen.
Zwahlen in ASa 2/2004 hat ja seine Koloniegründung offenbar „warm durchgepflegt“, zumindest schreibt er von den ersten 4 geschlüpften Amazonen am 6. Oktober, und von ca. 150 Anfang April.
Was er dann mit der Kolonie gemacht hat, wissen wir nicht.
Dr. G. Heller hat P. rufescens ebenfalls aufgezogen und in seinem (geeigneten!) Garten ausgesetzt. Ich denke, dazu steht etwas im Forum der DASW (ist im Moment nicht zugänglich).
Daraus entstand im Freiland auch ein Ergatander, s. http://www.ameisenforum.de/ameisenforum-2001-2005-archiv/gynander-von-polyergus.html
und Heller, G. 1999: Beobachtungen an einem Ergatander der Amazonenameise Polyergus rufescens Ameisenschutz aktuell 13.

Ich habe ja anlässlich meines Review-Artikels über Sozialparasitismus sehr viel auch über Polyergus gelesen, habe aber die künstlichen Koloniegründungen ausgelassen: Jeder bietet andere Bedingungen, so dass für die natürliche Lebensweise nicht viele brauchbare Erkenntnisse erzielt werden.

Zu jkiefer:
In Erinnerung ist mir noch, dass bei einer der Arten die in Nestnähe begatteten Jungköniginnen sich den Raubzügen anschließen und dann die geschwächten Wirtsvölker für die eigene Koloniegründung nutzen. Dann sind aber auch keine Wirts-Geschlechtstierpuppen mehr im Nest; es ist eine sehr gute Synchronisation! Über die jahreszeitliche Steuerung der Raubzüge kann man – zumindest bei Polyergus – bisher wohl nur spekulieren.
Bei Harpagoxenus habe ich ein paar einschlägige Versuche gemacht. Da kann man ja die Völker ganz einfach in unterschiedlichen Jahreszyklen halten. Harpagoxenusvölker, die nur Larven im Nest hatten (Frühjahr, Herbst), waren niemals dazu zu bringen, ein Wirtsvolk in Sommerphase (mit reichlich Arbeiterinpuppen) anzugreifen. Es gab einfach kein scouting.
Man kann das natürlich nicht 1:1 auf Polyergus übertragen, aber man kann die Hypothese aufstellen, dass es bei diesen vielleicht ähnlich aussieht.
Zur Begründung der Sklavenraubzüge erst im 3. Jahr hat boro ja bereits das Richtige gesagt.

Zu boro (#4):
„Hier ergibt sich vielleicht auch ein Zusammenhang mit dem häufigen Auftreten von ergatoiden Weibchen, also flügellosen Zwischenformen zw. Arbeiterin und Gyne.“ - Das ist eine Frage, die inzwischen ziemlich vom Thema Sozialparasitismus „abgelöst“ gesehen wird: Solche intermorphe Königinnen kommen auch bei einer Vielzahl von selbständigen Arten vor. Entscheidend ist wohl, ob die Ausbreitungsstrategie einer Art geflügelte Königinnen erfordert, oder ob flügellose bessere Koloniegründungs-Chancen haben. Bei inzwischen vielen Arten hat sich ein Königinnen-Polymorphismus entwickelt, so auch bei Polyergus rufescens (anscheinend ist das bei deren amerikanischen Verwandten anders!).
Manchmal ist es besser in der bewährten Umgebung zu bleiben, wo man aufgewachsen ist, unter anderen Bedingungen zieht man lieber in eine ungewisse Zukunft (Ameisen: fliegt weg). – Eine Doppelstrategie, die ja auch uns Menschen nicht ganz fremd ist :)

MfG,
Merkur



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#6 AW: Polyergus rufescens Koloniegründungen freisetzen?

Beitrag von Boro » 13. April 2010, 16:10

Der oben geführten Diskussion können neue Aspekte hinzugefügt werden:

A. Herr Dr. Heller hat mir mitgeteilt, dass anlässlich eines Versuches mit Nestgründungen von Polyergus rufescens bereits im Jahr nach der Gründung die ersten Raubzüge stattfanden. Bis auf die künstliche Anweiselung bei Formica fusca wurde das Nest unter natürlichen Bedingungen gehalten: Freisetzung noch im September, natürliche Überwinterung und anschließend wurde folgende Entwicklung festgestellt:
1. Eiablage im Frühjahr,
2. Schlüpfen der ersten Amazonen im Juni,
3. Erste Raubzüge im Juli. Zu diesem Zeitpunkt können die ältesten scouts bestenfalls 4-5Wochen alt gewesen sein.
Heller weist darauf hin, dass vielleicht wirklich klimatische Faktoren eine Rolle spielen. Es kann sich auch um ein besonders günstiges Jahr gehandelt haben.
Meine langjährigen Beobachtungen für den alpin-collinen Bereich wurden oben zusammengefasst.
Jedenfalls lässt sich aus der Mitteilung ableiten, dass etwa im mediterranen Bereich die Entwicklung rascher vor sich geht und die Raubzüge generell im 2. Jahr nach der Nestgründung möglich sind. In der Literatur habe ich in dieser Hinsicht bisher keine Erläuterungen finden können.
Es besteht auch die Möglichkeit, dass die im ersten Beitrag angesprochene Zeitverschiebung bei der Brutentwicklung dazu führen könnte, dass die Amazonen nach einer eventuellen Freisetzung im Mai/Juni noch im gleichen Jahr mit Raubzügen beginnen
B.Eine interessante Information betreffend die Reproduktionsfähigkeit bei Polyergus r.:
Die Königin in gemischten Nestern mit P. rufescens scheint ausschließlich für die Produktion von Arbeiterinnen, Gynen (und Ergatogynen) verantwortlich zu sein. Die Autoren der unten genannten Publikation haben festgestellt, dass die Produktion von Männchen so gut wie ausschließlich auf von Amazonen (Arbeiterinnen) gelegte Eier zurückgeht. Das entspricht einer "Arbeitsteilung" im Brutgeschäft.
BRUNNER E., A. TRINDL, K. H. FALK, J. HEINZE u. P. D´ ETTORRE (2005): Reproductive conflict in social Insects: Male production by workers in a slave-making ant. Evolution 59(11): 2480-2482.
L.G.Boro



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#7 AW: Polyergus rufescens Koloniegründungen freisetzen?

Beitrag von Boro » 1. August 2011, 23:01

Update zum Beginn der Raubzüge unserer Amazonen!

Eigentlich steht alles hier drinnen: http://www.ameisenforum.de/europ-ische-arten/polyergus-rufescens-aufzucht-haltungserfahrungen-t29852.html

Auf dieser Seite (oben) habe ich zuletzt die Erfahrungen v. Dr. Heller wiedergegeben und ich kann sie jetzt aus eigener Erfahrung bestätigen:

Bei den 2 am 28. Mai dieses Jahres freigesetzten Polyergus-Nestern waren zu diesem Zeitpunkt Larven u. Puppen vorhanden. Das ist etwas früher als im Freien, weil die Gyne v. Polyergus später mit der Eiablage beginnt als ihre Serviformica-Verwandtschaft.
Bei sehr günstigen Bedingungen in Mitteleuropa und speziell im Mittelmeerraum können die Raubzüge im Jahr der Eiablage (das ist im Jahr nach der sozialparasitischen Gründung im Sommer/Spätsommer) stattfinden und es sind weder erfahrene Scouts (1 Jahr alt) notwendig, noch ist eine höhere Anzahl v. Räuberinnen erforderlich.

Eines ist aber auch klar: Wenn so ein kleiner Trupp mit max. 60 Angreiferinnen an ein starkes Formica rufibarbis-Nest gerät, dann sind die meisten Angreifer mausetot!

L.G.Boro



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#8 AW: Polyergus rufescens Koloniegründungen freisetzen?

Beitrag von Sahal » 2. August 2011, 04:05

sawasdee krub

stellt sich aus früheren Beobachtungen (Vorsicht: als taxonomische Nulpe könnte ich auch ein Känguruh-Angriff auf Bandwürmer von Blauwalen beobachtet haben) nicht die Frage, ob angegriffene Völker überhaupt wissen Schrägstrich einschätzen, welche Macht Ihnen gegenüber steht? Ist es nicht so, dass alleine die Präsenz der Angreifer ausreicht?


Wenn die Flinte ins Korn gefallen ist, nicht gleich das Kind in den Brunnen werfen, auch wenn das der Tropfen ist, der dem Fass die Krone ins Gesicht schlägt!

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