(Dieser Thread ist sehr Allgemein gehalten und spiegelt nur grob die hochkomplexen Verhaltensmuster eines Ameisenvolkes wieder, bitte lasst Euch nicht zu unzulässigen Verallgemeinerungen hinreißen und beachtet die eingebundenen Hinweise: wie immer bei den Ameisen gibt es zu jedem Beispiel und fast jeder Aussage auch wieder Ausnahmen und Gegensätze, so kann und soll dieser Thread keine allumfassenden Infos geben, sondern nur die Richtung weisen.)
Ich würde euch bitten, hier nicht zu diskutieren, sondern hier:
Diskussion: Ein Ameisenvolk ist keine Monarchie Die Tatsache, dass wir bei den reproduktiven (= weibliche Nachkommen produzierenden) Weibchen in einem Ameisenstaat von „
Königinnen“ reden, scheint zu erklären, wer die lenkende Instanz in einem Ameisenvolk ist. Mit dem Begriff „König“ oder „
Königin“ verbinden wir Menschen einen Herrscher, der über seine Untertanen regiert und für Ordnung im Chaos sorgt. Er allein entscheidet über Krieg oder Frieden, und alle wichtigen Entscheidungen werden von ihm getroffen.
Unser Bild von einem solchen Herrscher auf die Ameisen zu übertragen geht allerdings völlig an der Realität vorbei.
Der Begriff
Königin stammt noch aus einer Zeit, in der die Myrmekologie in den Kinderschuhen steckte und eine ganze Batterie an Missverständnissen das Bild prägte... einige dieser Missverständnisse haben sich leider bis heute gehalten, vor allem in Halterkreisen gestützt durch die grottenschlechten, unveränderten Neuauflagen der kleinen Ameisenheftchen aus den 50ern, die von einigen Shops als Leckerbissen des Wissens angepriesen werden.
Die tatsächlichen Aufgaben der
Königin sind nach bisherigen Erkenntnissen eng umrissen: Nachkommen produzieren, indirekte Steuerung der Brutpflege - damit verbunden teilweise Kastendetermination, und natürlich eine der Grundlagen einer eusozialen Kolonie schaffen: die Arbeiterinnen an der Produktion eigener Nachkommen hindern bzw durch Pheromonausschüttung die Arbeiterinnen zur Unterlassung der Reproduktion anregen.
Die
Königinnen spielen somit in einem Ameisenstaat eine unbestritten wichtige Rolle, v.a. durch die Reproduktion. Stirbt die
Königin, stirbt auch die Kolonie (sofern sie nicht
sekundär Polygyn ist).
Das Sterben der Kolonie hat aber absolut nichts mit einer Desorientierung oder Verlust der vermeintlichen "Führerin" zu tun! Der Grund ist eher banal und liegt offensichtlich auf der Hand: die
Königinnen sind (mit sehr wenigen Ausnahmen, s.u.a.
Thelytokie) die einzigen begatteten Tiere in der Kolonie, somit können auch nur sie weibliche Nachkommen ( Arbeiterinnen oder Gynen) produzieren, s.a.
Haplodiploidie. Ohne
Königinnen stirbt ein Volk also einfach aus, weil durch Alter, Unfall oder Fraß gestorbene Arbeiterinnen nicht ersetzt werden können.
Die Kolonie wird auch nicht auseinanderbrechen, vielmehr bleiben alle Strukturen und Verhaltensmuster vorhanden,
Brut wird weiter aufgezogen und gepflegt (solange vorhanden), auch die Nahrungsversorgung wird weiterhin erledigt. (
s. a. AWiki - weisellose Völker)
Das fast unbeirrte Verhalten einer weisellosen Kolonie zeigt uns so recht eindrucksvoll, dass die
Königin kaum Einfluss auf das normale Tagesgeschäft einer Kolonie als Ganzes und deren Arbeiterinnen im Einzelnen hat.
Des Weiteren ist die
Königin oft Metertief im Boden eingegraben bzw sitzt gut geschützt tief im Nest verborgen, und deshalb über bestimmte Vorgänge (vor allem jene außerhalb des Nestes) uninformiert. Es wäre in Situationen wie "Nahrungsfund" oder "Hunger signalisierende
Larve" viel zu umständlich und zeitaufwändig, jedes Mal einen Boten zur
Königin zu schicken, um Anweisungen zu erhalten. Im Falle eines Umzuges grenzt es gar an Selbstmord, wenn die
Königin das neue Nest erst inspizieren müsste. Man muss nur logisch nachdenken: Ein großes Ameisenvolk hat durchaus zehntausende, hunderttausende oder gar mehrere Millionen Arbeiterinnen. Nun würden viele von ihnen im Laufe eines Tages auf einige Probleme stoßen und auf Anweisungen der
Königin warten müssen. Alltägliche Dinge, die in einer Ameisenkolonie vorkommen können, würden extrem Verlangsamt und das ganze Zusammenleben stark erschwert werden.
Wie soll auch eine einzelne Ameise, deren Gehirn nur ca.1mm³ klein ist (das Gehirn eines Menschen ist ca. 1,4 Mio. Mal so groß), für all das gezielte Anweisungen geben? Dazu kommt noch, dass das Gehirn einer Ameisenkönigin vor allem in den Bereichen, die für das Sozialverhalten zuständig sind, weniger entwickelt ist als das einer Arbeiterin. (KIRCHNER "Die Ameisen") Also kann man auch hier wieder ausschließen, dass der Ameisenstaat eine Monarchie ist.
Aber nun stellt sich die Frage: Wer oder was ist dann verantwortlich für das sinnvolle Zusammenleben der Ameisen, und wie werden die oft erstaunlich präzisen Nestbauten und teils militärisch straff organisierten Vorgänge einer Kolonie gesteuert?