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Was macht die Haltung exotischer Ameisenarten "schwer"?

Allgemeine Fragen und Themen über exotische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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Nymphe
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#1 Was macht die Haltung exotischer Ameisenarten "schwer"?

Beitrag von Nymphe » 14. Juli 2009, 02:32

Hallo allerseits,

über eines bin ich als Anfänger in der Ameisenhaltung hier im Forum immer wieder gestolpert: Dass nur einheimische Ameisenarten für Anfänger empfohlen werden.

Ich kenne aus anderen Bereichen der Terraristik und vor allem der Haltung von Wirbellosen, dass gerade viele Exoten als "leicht" zu halten gelten: Heizen/Lampe am Tage falls überhaupt nötig, Nachtabsenkung oft auf Zimmertemperatur, feuchtigkeitsspeicherndes Substrat und Sprühen zur Regulierung der LF, und das immer gleich das ganze Jahr über - und dann gibt es eben Arten, deren Haltungsbedingungen sehr stark von Zimmertemperatur und -luftfeuchte abweichen und die sich auch nur innerhalb sehr enger Parameter wohlfühlen und damit schwerer zu halten sind als solche, die im natürlichen Lebensraum 22°C und 50% RLF haben und zudem größere Abweichungen von ihren Idealbedingungen problemlos hinnehmen.
Während aber von vergleichbaren einheimische Arten insbesondere aufgrund der Diapause meist eher abgeraten wird.

Mal von Ameisenarten abgesehen, die Schädlingspotenzial haben, oder die nach kurzer Zeit einen privat kaum machbaren Platzbedarf entwickeln: was macht exotische Ameisen eigentlich grundsätzlich schwer zu halten? Mal vorausgesetzt es ist Erfahrung in der Klimakontrolle von Terrarien vorhanden.

(Ich persönlich bin übrigens durchaus glücklich damit, meinen beiden selbstgesammelten Lasius-Gynen beim Gründen zuzuschauen und habe nicht die Absicht, mir in absehbarer Zeit andere Ameisen anzuschaffen. Die Frage ergibt sich also aus purer Neugierde. Wobei ich deshalb darauf gekommen bin, weil meine Wohnung voll ist mit diversen Wirbellosen, und zwar fast ausschließlich "Anfängerarten", die ich teilweise seit Jahren halte und vermehre, weil's so schön einfach und frustfrei ist. Alles Exoten. Diese Ameisen sind jetzt tatsächlich die allerersten einheimischen Wirbellosen, die ich seit den Weinbergschneckenzuchten meiner Kindheit halte. Was u.a. die Sache für mich gerade interessant macht.)

Gruß,
Nymphe



Gaster
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#2 AW: Was macht die Haltung exotischer Ameisenarten "schwer"?

Beitrag von Gaster » 14. Juli 2009, 03:07

Hallo Nymphe,

schön, dass du dies einmal hinterfragst.

Ich möchte zu dem Thema meine subjektive Meinung äußern, die mit Sicherheit von der anderer abweicht.

Für mich erscheint die Haltung von Exoten nicht wesentlich schwerer als die Haltung einheimischer Arten. Sicher, ich bin schon einige Jahre dabei, doch sollte es auch für einen Einsteiger nicht all zu schwer sein, für geeignete Bedingungen zu sorgen. Vor allem, wenn er schon länger in der Terraristik im Allgemeinen aktiv ist.

Ich sehe das Problem viel mehr darin, dass Ameisen im Gegensatz zu anderen Terrarientieren sehr viel kleiner sind und oftmals ein höheres Invasionspotential haben und darüber hinaus im Haus des Halters sesshaft werden können. Die Kombination von Klein und hohem invasivem Potential ist wohl die fatalste Kombination, die man sich vorstellen kann. Tiere können leicht entkommen und finden anschließend in vielen Ecken unserer Häuser perfekte Bedingungen, sich zu vermehren.
Da stellt sich die Frage, weshalb dann einheimische Arten eine bessere Wahl für den Anfang sind. Diese können doch genau so leicht ausbrechen.
Dieser Gedanke ist auch richtig. Ob Lasius oder Monomorium, alle Ameisen können einmal ausbrechen.
Der Unterschied liegt in den Folgen. Bricht eine Lasius brunneus aus, so kann sich diese im Gebälk des Hauses ansiedeln. Aus diesem Grund wird von der Haltung dieser Art - gerade in der Anfangsphase - abgeraten. Entkommt einem eine Lasius niger Kolonie, so wird diese entweder selbstständig den Weg nach draußen finden, in der Wohnung verenden oder aber leicht durch Gift zu bekämpfen sein.
Bei vielen Exoten kommt zu dem Potential, sich in der Wohnung einzunisten jedoch noch ein entscheidender Faktor hinzu: Sie können sich, wie bereits erwähnt, in der heimischen Natur einnisten und eine eigene Population aufbauen. Sie verdrengen einheimische Arten und dezimieren die Artenvielfalt. Nicht nur bei Ameisen, sondern auch bei Schildkröten, Kröten, Vögeln u.v.m. zu beobachten.
Und wieder stellt sich eine neue Frage: Warum halten dann erfahrene Halter Exoten?
Wenn man davon absieht, dass die sinnvollste Lösung wohl eine komplette Vermeidung der Haltung von Exoten wäre, so lässt sich diese Frage sehr leicht beantworten.
Fängt man mit der Art mit dem geringsten Risiko im Falle eines Ausbruchs an, so macht es wenig bis gar nichts aus, wenn diese einmal entkommen. Die Lücke im Ausbruchschutz wird gesucht, bald gefunden und die Ameisen sind wieder in ihrem Terrarium. Solange es Tiere aus der eigenen Umgebung sind, welche keine Holzschädlinge sind, hat ein solcher Ausbruch - mal abgesehen von den Reaktionen der Eltern/Partner/Mitmenschen - keine ernsthaften Folgen. Nicht nur, dass kein Risiko für Haus und Umwelt besteht, es ist nicht einmal schlimm, falls die ganze Kolonie dabei stirbt oder abhaut. Einheimische Arten sind einfach billiger. Sie verzeihen nicht nur die meisten Fehler was die Umweltbedingungen angeht - es ist auch egal, wenn doch gravierende Fehler gemacht werden.
Aus diesem Grund sollten meiner Meinung nach vor dem Beginn mit Exoten zunächst Erfahrungen mit einheimischen Arten gesammelt werden. Das Thema Ausbruchschutz soll nur ein Beispiel sein. Ameisen haben in vielerlei Hinsicht ihre Eigenarten und bedürfen eines mit der Zeit erlernten Handlings.


Ich hoffe, ich konnte dir meine Sicht der Dinge verständlich schildern.



LG Jan


PS: Die meisten von euch sollten wissen, dass ich dennoch begeisterter Exotenhalter bin. :verrueckt:



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Myrmecophaga tridactyla
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#3 AW: Was macht die Haltung exotischer Ameisenarten "schwer"?

Beitrag von Myrmecophaga tridactyla » 14. Juli 2009, 12:33


Bei vielen Exoten kommt zu dem Potential, sich in der Wohnung einzunisten jedoch noch ein entscheidender Faktor hinzu: Sie können sich, wie bereits erwähnt, in der heimischen Natur einnisten und eine eigene Population aufbauen.


Klar, wer hält aber schon Linepithema humile?

Das Problem hätte man dann bei Odontoptera transversa nicht.
Also, absolut 'anfängergeprüft'.

MfG


Sic transit gloria mundi

Gaster
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#4 AW: Was macht die Haltung exotischer Ameisenarten "schwer"?

Beitrag von Gaster » 14. Juli 2009, 12:49

Darf ich fragen, woher du die Information nimmst, dass diese kleine Ponerinenart kein invasives Potential besitzt? Ich schätze, Pachycondyla chinensis ist demnach auch nicht invasiv?


MfG Jan



donbilbo
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#5 AW: Was macht die Haltung exotischer Ameisenarten "schwer"?

Beitrag von donbilbo » 14. Juli 2009, 12:49

Man lernt bei der Ameisenhaltung viel durch Ausprobieren und Fehler. Egal ob man vorher schon ein Spinnenprofi ist oder anderes Getier hält.
Neben den schon von dir selbst und Gaster angeführten Punkten kann man natürlich noch monetäre Beweggründe nenne. Erstens braucht man zum Beheizen und Einrichten von exotischen Formicarien etwas mehr Geld und zweitens weiss man ja noch garnicht, ob einem die Ameisenhaltung wirklich liegt. Immer wieder liest man zB. von Beginnern, dass über Nacht auf mysteriöse Weise Arbeiter verschwinden (ausbrechen) bis nur noch die Königin da sitzt. Ein Fehler der zu Beginn jedem passieren kann, besser mit einer 5 Euro Lasius niger Kolonie als mit einer 80 Euro Odontoponera transversa würde ich sagen, oder ;)
Absolute Profi-Theoretiker wie Myrmecophaga tridactyla können natürlich mit jeder erdenklichen Art beginnen aber wir sollten ihn eher als Ikone der Ameisenhaltung sehen, eine direkte Nachahmung seiner Lehren ist für Einsteiger nicht geeignet.



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The_Paranoid
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#6 AW: Was macht die Haltung exotischer Ameisenarten "schwer"?

Beitrag von The_Paranoid » 14. Juli 2009, 12:53

Ist Profi-Theoretiker jetzt das neue Wort für Forentroll?

Sehe das ähnlich wie Gaster, dass Exoten nicht umbedingt schwieriger zu halten sind. Besser gesagt gibt es auch einfach zu haltende Exoten, genauso wie es schwerer zu haltende Einheimische gibt ...
Aber bei Exoten kommt eben immer das Thema Ausbruch hinzu. Wenn einem aus Unerfahrenheit die Lasius niger durch die Bude rennen kräht kein Hahn nach. Bei Exoten darf so etwas nicht passieren.



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eastgate
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#7 AW: Was macht die Haltung exotischer Ameisenarten "schwer"?

Beitrag von eastgate » 14. Juli 2009, 12:59

Zitat:
Bei vielen Exoten kommt zu dem Potential, sich in der Wohnung einzunisten jedoch noch ein entscheidender Faktor hinzu: Sie können sich, wie bereits erwähnt, in der heimischen Natur einnisten und eine eigene Population aufbauen.
Klar, wer hält aber schon Linepithema humile?

Naja, es geht dabei ja nicht nur Linepithema humile. Es gibt ja auch einen großen Haufen weiterer Ameisen, die invasiv werden können.
Und, ja, es gibt halter in Deutschland, die Linepithema humile halten!
Ansonsten:
Dont feed the Troll's!!! (Vor allem an die, die gerade vor mir gepostet haben ^^)



Aber um mal zum eigentlichen Thema zu kommen, es stimmt schon, es gibt einige exotische Arten, die eigentlich nicht viel schwerer zu halten sind, als einheimische Arten. Aber das "wie schwer sind die zu halten" ist ja auch eine Definitionssache. Man muss sich mal überlegen, dass eigentlich alle exotischen Ameisenarten bestimmte Ansprüche auf Temperatur und auf Luftfeuchte haben. Unsere einheimischen Pfleglinge benötigen ein Becken und Sand/Erde, mehr nicht. Eine exot. Camponotus benötigt da schon eine extra Wärmlampe, dazu noch einen Deckel und Kenntnisse von der Luftfeuchteregulierung bzw. etwas Feingefühl, wann man sprüht, wann man lüftet und wie man Schimmel vermeidet.
Manche exot. Arten sind nicht schwieriger zu halten, aber sie verlangen dem Halter ein gewisses Feingefühl ab. Und diese Feingefühl muss man unbedingt erlernen!
Wie kann ich am verhalten der Ameisen erkennen, ob es ihnen gut geht? Woran erkenne ich, ob sie mehr oder weniger Feuchte brauchen. Ist es ihnen jetzt zu warm?
Und genau dieses Feingefühl, diese Erfahrung, sollte man sich vorher auf jeden Fall antrainieren! Und das geht eben am besten mit unseren einheimischen Arten. Wir halten immerhin Lebewesen! Nur weil in einer Artbeschreibung steht: "Temperatur ca. 26 Grad und LF ca. 70%" muss es auf keinen Fall so sein, dass die Angaben den Ameisen zusprechen. Man muss es halt erkennen können!

Man muss natürlich dazu sagen, dass es Arten gibt, von denen sollte jeder Anfänger unbedingt die Finger lassen. Die sind eben in der Haltung so kompliziert! Sie brauchen ganz fein definierte Haltungsbedingungen, einen Tag- Nacht Zyklus, bestimmtes Futter, ein bestimmtes Nest usw. usw.

Wenn die erfahrenen Halter sagen: "Halt doch erstmal 2 oder 3 einheimische Arten, bevor du dir die Exoten zu legst", sagen sie es ja nicht, weil sie es einem nicht gönnen oder weil sie böse kleine Besserwisser sind, sondern eben aus einem bestimmten Grund.

Gruß

EastGate



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TRIA
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#8 AW: Was macht die Haltung exotischer Ameisenarten "schwer"?

Beitrag von TRIA » 14. Juli 2009, 13:24

Erstmal großes lob für die sachlichen Texte der Vorredner, so soll es sein :) Ich würd es mal auf eine einfach Formel bringen, seh es wie mit einem Trapetzkünstler, der würde auch seine ersten Versuche nicht ohne Netz starten. Wenn ich dran denke wie viele mir am Anfang abgehauen waren weil ich dachte, so ist ok :andiewand: und wenn ich das mal weiterspinne, bin ich mega froh das ich das nur mit Heimischen hatte. Es ist wirklich so das man am Anfang garnicht so blöd denken kann, wie es passiert :D Ich komme auch aus der Terristik, ich hab Jahre in dieser Brange gearbeitet, aber ich muß sagen das Ameisenhaltung wirklich etwas anderes ist. Das größte Problerm ist wirklich die Ausbruchssicherheit, die kommt erst wirklich mit der Erfahrung, wenn man die "Tricks" der Kleinen kennt ;)


Eines Tages wird sich die Sonne zum roten Riesen aufblähen, die Erde verschlingen und das Universum wird über uns herzlich lachen.

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