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Formica pratensis beobachten u. erkennen - Fotobericht

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Boro
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#1 Formica pratensis beobachten u. erkennen - Fotobericht

Beitrag von Boro » 8. März 2010, 16:51

Formica pratensis, beobachten und erkennen.
Diese Waldameise kann man bei entsprechender Witterung bereits ab Ende Jänner auf ihren Hügeln bei Reparaturarbeiten am Nest oder beim Sonnen entdecken. Sie ist jene Formica-Art, die man relativ leicht erkennen kann. In den Niederungen gilt sie neben Formica rufa und Formica polyctena als häufigste Art.
F. pratensis kommt in zwei Ökomorphen vor, die ursprünglich als verschiedene Arten betrachtet wurden: F. pratensis und die stärker behaarte und noch stärker thermophile F. nigricans (SEIFERT 2007, S. 308).

Relative Bestimmungsmerkmale v. F. pratensis mit Abgrenzungen vor allem zu F. rufa u. F. polyctena:
1. Die Arbeiterinnen zeigen dorsal am Pronotum und Mesonotum deutliche und ausgedehnte schwarze Flecken, die an ihren Rändern relativ scharf gegen die seitlichen, roten Thoraxbereiche abgegrenzt erscheinen. In die Beobachtung sollte man aber immer mehrere Nestbewohnerinnen einbeziehen, um ein einigermaßen sicheres Ergebnis zu bekommen. Von der Minor- bis zur Major-Arbeiterin wird eine Länge von 4-9mm angebeben.
2. Die Königinnen zeigen eine ähnliche rot-schwarz-Verteilung der Pigmentierung wie F. rufa und F. polyctena. Auch vom Habitus her gesehen würde man sie wohl kaum von diesen unterscheiden können. Infolge deutlicher Pubeszenz wirken die schwarz gefärbten Partien eher matt im Vergleich zu den glänzend schwarzen Körperteilen bei F. rufa u. F. polyctena. Die Königinnen erreichen eine Körperlänge von 10 bis fast 12mm und sind damit oft noch etwas größer als jene von F. rufa (9-11mm)und F. polyctena (9-10mm) (nach Gößwald, Die Waldameise 1989).
Bei F. rufa und F. polyctena weisen Scutellum und Gaster eine lackartig, hochglänzend schwarze Färbung auf(bei F. rufa noch deutlicher als bei F.polyctena).
3. Habitat: Bevorzugte Lebensräume sind offene Flächen, bebuschte südwärts geneigte Hänge, Trockenwiesen mit verstreuten Bäumen, Straßenränder, selten an Waldrändern oder in Waldlichtungen eindringend. Die typische „Wiesen-Waldameise“ ist deutlich thermophiler als die zwei Vergleichsarten.
4. Die zu Dauernahrungsplätzen führenden Ameisenstraßen werden oft jahrelang genützt und sind nur ein paar cm breit. Sie sind regelmäßig stark belaufen und werden von allen Hindernissen, wie Steinchen, Pflanzenteilen, Gräsern etc. befreit. Dabei wird der Verkehrsweg mit der Zeit auch in den Boden eingetieft, sodass mitunter „Hohlwege“ entstehen.
5. Die Hügelbauten sind deutlich flacher gebaut als jene der vergleichbaren Waldameisen-Arten u. werden in der Regel aus zerstückelten Pflanzenteilchen und ein wenig Erdmaterial aufgebaut. An den Rändern wachsen Grasbüschel, die schließlich das Nest ringförmig umgeben.
6. F. pratensis ist die einzige Formica-Art, die bei günstigen klimatischen Bedingungen 2 Geschlechtstiergenerationen innerhalb eines Jahres aufziehen kann (SEIFERT 2007). Hauptschwärmzeiten sind demnach der Frühling (später als F. rufa u. F. polyctena) und dann eventuell der Spätsommer (Aug.Sept.)
Bild 1: F. pratensis auf der Nestoberfläche:
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Bild 2: F. pratensis vergrößert: Die typische schwarze Zeichnung auf Pronotum und Mesonotum ist hier besonders gut ausgeprägt.
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Bild 3: F. pratensis ist in der Regel geringer behaart. Hier haben wir ein sehr stark behaartes Exemplar, möglicherweise die Ökomorphe nigricans.
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Bild 4: Das ist eine Formica rufa (od. polyctena)-Arbeiterin. Man sieht, die Unterschiede sind insgesamt gering: Die schwarze Pigmentierung auf Pronotum/Mesonotum ist hier - wie üblich- deutlich schwächer ausgeprägt und die Ränder zum rot gefärbten Thorax sind deutlich verschwommen.
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Bild 5: Gyne v. F. pratensis vor dem Schwärmen:
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Bild 6: Die schwarzen Körperpartien sind bei F. pratensis durchwegs matter erscheinend als bei F. rufa/F. polyctena. Das hat mit gut sichtbarer Pubeszenz und einer Mikroskulptur der Körperoberfläche zu tun.

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Bild 7: Zum Vergleich:Eine Gyne v. F. rufa od. F. polyctena. Gut sichtbar sind der Glanz auf Scutellum u. Gaster
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Bild 8: Nach einem Wiesenbrand zerstörte Nestoberfläche v. F. pratensis
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Bild 9: Nach einem Monat sah man Anzeichen des Wiederaufbaus:
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#2 AW: Formica pratensis beobachten u. erkennen - Fotobericht

Beitrag von Boro » 11. Juni 2010, 11:55

Nachtrag: Das Schwärmen der Art findet später statt als bei Formica polyctena und Formica rufa (in dieser Reihenfolge!). Neben den beiden jetzt genannten Arten ist Formica pratensis die häufigste Art in den Niederungen.
Die Königin wurde Anfang Juni vom Nest einer Formica rufibaris-Kolonie weggefangen und später an anderer Stelle wieder freigelassen. Die sozialparasitische Gründung bei F. rufibarbis hätte sowieso kaum Erfolg gehabt!
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#3 AW: Formica pratensis beobachten u. erkennen - Fotobericht

Beitrag von Boro » 5. August 2011, 14:47

Formica pratensis var. nigricans, N-Morphe?

Vorgestern lief mir eine auffallend dunkle dealate Gyne v. F. pratensis über den Weg. Ich habe schon unzählige Gynen dieser Art gesehen, aber diese hier ist deutlich dunkler als die Stammform.
Tag u. Uhrzeit:
3. Aug. 2011
Wetter:
Stark bewölkt, 28° und >56% LF
Ort:
Hügelland nördl. v. Klagenfurt/Kärnten, in 550m Seehöhe
Habitat:
Ruderalfläche Südhang, Trockenrasen auf Grundmoräne
Bemerkung:
In dieser Gegend sind mir etliche Nester v. F. pratensis bekannt. Jetzt geht es darum, ein Nest der Art mit deutlich dunkleren Arbeiterinnen zu finden, die zudem deutlich stärker behaart sein sollen.
1. Sicht v. oben (dorsal):
Bild

2. Zum Vergleich: Ähnlicher Blickwinkel f. die Stammform:
Bild

3. Seitenansicht (lateral):
Bild

4. Schräge Ansicht v. d. Seite/oben (dorsolateral): Nur die Hüften rötlich, die Innenseiten der Schenkel dunkelrot/dunkel. Pronotum u. seitl. Teile des Thorax teilw. dunkel
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5. Zum Vergleich wieder die Stammform:
Bild

6. Frontale Ansicht d. dunklen Variante:Mandibeln, Clypeus u. Stirndreieck sind hier vorwiegend dunkel. Die Rotfärbung d. Wangen ist deutlich kleiner.
Bild

7. Zum Vergleich: Frontale Ansicht der Stammform:
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#4 AW: Formica pratensis beobachten u. erkennen - Fotobericht

Beitrag von Ameisenstephan » 5. August 2011, 15:09

Kurze Frage: Wenn sie deutlich dunkler ist kommt mir folgendes in den Sinn:
Wo hört eine Art auf und wo fängt eine neue an?
Gibt es Unterarten von Formica pratensis?
Oder ist Formica pratensis mehrere Arten?
Wie werden Ameisenarten definiert?

Weil ich frag mich immer wieder ob es nicht doch viel mehr heimische Arten gibt, die momentan noch nicht als eigene Arten gelten.
Immerhin hat Linnaeus damals nur 5 heimische Arten bestimmt.


Mfg, Stephan

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#5 AW: Formica pratensis beobachten u. erkennen - Fotobericht

Beitrag von Boro » 5. August 2011, 20:34

Formica nigricans wurde einmal als eigenständige Art betrachtet, SEIFERT hat diese 1992 als Ökomorphe v. F. pratensis eingestuft u. mit dieser Art synonymisiert (also quasi gleichgesetzt). Die Arbeit v. SEIFERT ist hier einzusehen: http://antbase.org/ants/publications/2560/2560.pdf
Es gibt ja immer wieder Änderungen, so wie etwa derzeit bei Tetramorium spp. Die neue Forschung hat heute bessere Methoden zur Hand. Eine Zeitlang waren z. B. Formica rufa u. F. polyctena "vereint".
Ein anderes Problem ist auch die Eingliederung v. Camponotus (Colobopsis) truncatus in die Gattung Camponotus, denn Colobopsis truncatus unterscheidet sich nicht nur in manchen Lebensgewohnheiten v. Camponotus, sondern besitzt als einzige mitteleur. Ameise eine eigene Soldatenkaste und hat im Gegensatz zu Camponotus sp. Nacktpuppen!
Da gäbe es noch etliche Beispiele. Aber letztlich müssen die Wissenschaftler entsprechende Begründungen vorlegen u. dann entscheiden.
L.G.Boro



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#6 AW: Formica pratensis beobachten u. erkennen - Fotobericht

Beitrag von Boro » 20. August 2011, 15:27

Vorgestern konnte ich ein relativ dunkles Exemplar einer F. pratensis kurzfristig in die Box befördern und fotografieren:

1. Die dunklen Flecken auf Pronotum u. Mesonotum sind recht groß ausgefallen und die Begrenzung zu den roten Seitenteilen ist hier nicht (wie üblich) scharf begrenzt.
Bild

2. Hier sieht man die dunklen Flecken noch besser. Auch auf dem Propodeum befindet sich eine Ansammlung dunkler Pigmente ohne deutliche Abgrenzung zu Rot.
Bild

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#7 AW: Formica pratensis beobachten u. erkennen - Fotobericht

Beitrag von Boro » 5. August 2012, 15:25

Formica pratensis var. nigricans
So, diesmal hab ich sie wohl gefunden! Während die oben dargestellte Gyne unsicherer Zuordnung ist, wird es sich bei dem folgenden Fund um die Okomorphe nigricans handeln. KUTTER (S. 273) betont die Auffälligkeit, dass zwar die Arbeiterinnen v. F. pratensis mehr od. weniger stark behaart, deren Gynen jedoch "kaum abstehend behaart" sind. Die Gyne der Ökomorphe nigricans sollte aber stärker behaart sein und das ist auf Grund der Bildqualität nicht zu erkennen.
SEIFERT (S. 308) spricht vom Vorkommen "phänotypisch gemischter Nester" ,dass also Individuen der beiden Ökomorphen pratensis und nigricans auch in den selben Nestern vorkommen. Die Morphe nigrigans gilt als stärker thermophil und ist stärker behaart.
Fundort: Nordöstl. Einrahmung des Klagenfurter Beckens in 880 m Höhe (Kärnten).
Habitat: Südseit. Hang, Straßenböschung.
Nestform: Flacher Hügel aus organ. Material (vor allem Fichtennadeln), Durchmesser etwa 75 cm.
Bemerkungen: Auffällig war sofort die ungewöhnlich dunkle Färbung der Individuen. Eine sofortige Identifikation war ohne Lupe nicht möglich. Außerdem war die ganz überwiegende Zahl der Arbeiterinnen auffallend klein, spätere Messungen ergaben 6 mm bis 7 mm, nicht größer als die Bewohner durchschnittlicher Serviformica-Kolonien. Die wenigen großen Exemplare hatten eine Länge von bis zu 8 - 9 mm. Das Verhalten der Tiere entsprach aber jenem der größeren Waldameisen Species.
Auch Coptoformica exsecta hat durchwegs kleinere Arbeiterinnen, die sind aber alle mehr od. weniger gleich groß, anders gefärbt und haben andere Nestformen.

1. Ich zitiere STITZ (S. 343): "Die dunklen Flecke auf dem Rücken weiter ausgedehnt bis auf die Seiten hin, bei kleinen Stücken oft das ganze Pronotum dunkel bis auf schmale Stellen an seinem Rand. Die dunkle Färbung setzt sich zuweilen noch fort auf die obere Kante des Epinotums, auf den Oberrand der Schuppe und einen Teil der vorderfläche, auch auf die Hinterfläche, die gänzlich dunkel sein kann. Hüften bräunlich-rot. Beine schwärzlichbraun.
Bild

2. Ein anderes Exemplar mit rötlichem Epinotum. Länge knapp 6 mm.
Bild

3. Eines der raren größeren Exemplare. Der Anteil der roten Flächen auf der Körperoberfläche ist ausgedehnter und nähert sich der "normalen" pratensis-Morphe:
Bild

4. Kopf einer großen Arbeiterin (8 mm): Der Clypeus ist bis auf einen schmalen Außensaum dunkel (vgl. STITZ S. 343). Sehr schön ist das glänzende Stirndreieck zu sehen:
Bild

5. Die obigen Bilder wurden mit einer Canon 60 D aufgenommen. Dieses Bild mit einer Sony 550 A, der Qualitätsunterschied wird klar: Das Bild ist "grießelig".
Bild
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P.S.: Ich hoffe, ihr bekommt durch Anklicken Bild 4 in die richtige Form (wie ich)! Das "Herausschneiden" d. Kopfes war etwas schwierig, ich musste das Bild zuerst drehen. Wenn es Schwierigkeiten geben sollte, stelle ich ein anderes Bild ein!



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#8 AW: Formica pratensis beobachten u. erkennen - Fotobericht

Beitrag von Boro » 18. August 2013, 10:32

Am 16. 8. 2013 habe ich diese farblich besonders schöne dealate Gyne anlässlich der Suche nach einem Wirtsnest gefunden (Hügelland nördl. v. Klagenfurt/Kärnten, auf einem Feldweg. 16:00, heiter bei ca. 26° C). Sie entspricht zwar fast jenem Exemplar, das am 11. 06. 2010 abgebildet wurde, aber der Rotton gleicht weniger dem üblichen "ziegelrot" als vielmehr orangerot. Der späte Schwarmtermin kommt bei F. pratensis häufig vor, nur bei dieser Formica-Art wird eine zweite Generation an Geschlechtstieren aufgezogen.
1. Blick v. oben:
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2. Seitliche Sicht:
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3. Drohgebärde:
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