Oder "was tun die Ameisen, wenn sie untätig im Nest bzw. in der Arena herum hocken?

Das Thema kommt in verschiedenen Ameisenforen immer wieder mal hoch. Eine kurze Suche fördert allein hier im AF eine Reihe von Threads zutage, siehe unten.

Ein Gesichtspunkt, den ich jetzt bei rascher Durchsicht der Beiträge nicht gefunden, vermutlich aber bereits mehrfach zur Sprache gebracht habe:
Sind „ruhende“, still sitzende Ameisen bei normaler Betriebstemperatur (also nicht bei Winterruhe-Temperatur) tatsächlich nur faul, untätig, und „ruhen sich aus“, sind sie im „Energiespar-Modus“?

Die Antwort: Man sieht es zwar nicht von außen, aber „im Inneren“ der Ameise laufen auch bei äußerlich untätigen Tieren wichtige Stoffwechsel-Aktivitäten: Verdauung, Auf- und Abbau von Reservestoffen, Synthese z. B. von Futtersekreten, Proteinen für die Eibildung, Wehrsekreten, Pheromonen usw.. Das alles sind Energie verbrauchende „Tätigkeiten“ des Organismus. Und wenn die Ameisen dann im Formikarium gelegentlich sogar außerhalb des Nestes „ruhen“, sich evtl. im Bereich von Wärme-Einstrahlung aufhalten, dann dürfte das vielfach nur anzeigen, dass sie „innerlich“, bei erhöhter Temperatur, sogar besonders aktiven Stoffwechsel betreiben!

Vielleicht weiß einer der User mehr bzw. Neues zum Thema, weshalb ich es hier mal wieder in Erinnerung bringe.

http://www.ameisenforum.de/ameisenforum-2001-2005-archiv/regeneration-bei-ameisen.html

http://www.ameisenforum.de/ameisenforum-2001-2005-archiv/wie-ruhen-sich-ameisen-aus.html
Hier: http://www.ameisenforum.de/97668-post18.html Schlaf der Bienen.

http://www.ameisenforum.de/einsteigerfragen/schlafen-ameisen-und-wozu-so-viele-kammern-wenn-nicht.html

http://www.ameisenforum.de/neues-aus-medien-wissenschaft/schlaf-bei-insekten-artikel-zu-schlafstadien-bei-bienen.html

Kaiser, W. J. (1988). Busy bees need rest, too. J. Comp. Physiol. A 163,565 -584.

Kaiser, W. and Steiner-Kaiser, J. (1983). Neuronal correlates of sleep, wakefulness and arousal in a diurnal insect. Nature 301,707 -709.

MfG,
Merkur

Hinweis: Eine kritische Darstellung zum Thema findet sich hier: http://www.ameisenwiki.de/index.php/Schlafen_Ameisen%3F

Hallo,

ich füge hier mal noch den Link zur aktuellen Diskussion "Schlafen Ameisen?" aus dem "Eusozial-Forum" hinzu:

http://www.eusozial.de/viewtopic.php?f=26&t=2514&sid=5329eb04e4ddee0c29a90d8a72284f8e

Grüße

Diffeomorphismus

Und ich füge mal noch den Link zum Video zur Arbeit von D.L. Cassill an:

http://news.bbc.co.uk/earth/hi/earth_news/newsid_8100000/8100876.stm

Hallo,

wo wir beim Thema sind: Mich würde erst einmal allgemein interessieren, wie "Schlafen" bei Insekten überhaupt definiert ist. Wie sieht es hier im Vergleich zum "menschlichen" Schlaf aus? Benötigen Insekten "Schlaf"? Gibt es Untersuchungen, ob ein Ausbleiben dieser Ruhephasen negative Auswirkungen hat?

Grüße

Diffeomorphismus

Nabend und frohes Neues!

Habe ja etwas Zeit für mich gehabt und nicht geschrieben.
Habe aber natürlich trotzdem so gut es ging, mitgelesen.

Zum Thema:
Ich finde das sehr interessant. Werde es definitiv in meine Beobachtungen meiner Lasius niger Kolonie ab April einfließen lassen. Finde den Beitrag von Eusozial sehr interessant, vor allem das Video von Erne, dessen Kanal ich abonniert habe!

Auch die Texte finde ich faszinierend. Zeigt doch einfach einmal mehr, wie toll diese kleinen Lebewesen doch sind!

Freue mich sehr auf das Ende meiner ersten Winterruhe - also nicht meiner, sondern meiner Ameisen!

Hallo,
danke nach nebenan und an Merkur für das Anstoßen dieser wiederkehrenden, interessanten Diskussion.
Mir scheint das ein Feld zu sein das weitgehend unbeleuchtet ist, vorwiegend mangels technischer Möglichkeiten in den letzten Jahrzehnten/-hunderten (Hirnaktivitäten von Ameisen/Hymenopteren live messen ohne versehrenden Eingriff - können wir das heutzutage? Wenn ja wer bezahlt's? Bei Bienen vielleicht?). So halte ich es dann auch für möglich, dass sich hier noch einige große Überraschungen verbergen. (Werkzeugbenutzung bei Tieren? Unmöglich! )

Diffeomorphismus hat geschrieben:Benötigen Insekten "Schlaf"? Gibt es Untersuchungen, ob ein Ausbleiben dieser Ruhephasen negative Auswirkungen hat?

Soweit ich mich erinnern kann ja und ja, Bienen mit Schlafentzug litten unter allerlei Problemchen. Kann gut sein dass das in einer der oben erwähnten Studien steht, kann gerade nicht nachsehen. Wie Merkur oben schrieb kann man aus der äußeren Ruhe auch nicht unbedingt auf die, hm, innere Ruhe (Stoffwechsel-) schließen. Auch bei uns laufen im Schlaf viele Prozesse weiter bzw. erst recht.

Das in der Studie von Cassill et al. beschriebene Verhalten ("tiefer Schlaf" bzw. "Dösen") wird hier im Forum immer wieder mal beschrieben, auch ich konnte das bei verschiedenen Arten beobachten: Lange ausgehärtete Arbeiterinnen, die wie "zusammengefaltet" im Nest herumhocken/-liegen oder das gepflegte Nichtstun gewürzt mit einer Dosis Fühlergrooven. Wenn man diese Tiere mit nestfremden Gegenständen - auf die sie eigentlich sofort feindlich reagieren - anschubst benötigen sie einige Sekunden bis sie "wieder da" sind, und danach bleibt die erwartete Feindreaktion aus. Wo sie vorher waren? Ja, eine gute Frage.

Noch eine Einfügung aus dem o. g. Thema zu Schlafstadien bei Bienen, dort hat ein Forenmitglied netterweise eine Forschungsarbeit auf Deutsch zusammengefasst:

peerteer hat geschrieben:"Honigbienen gehören zu den ersten Invertebraten für die ein Schlafverhalten beschrieben wurde.Sammlerinnen (typischerweise älter als 21 Tage) zeigen einen deutlichen cirkadianen Rhythmus; unter Tags sind sie aktiv und nachts schlafen sie.
Wir untersuchten, ob junge Bienen (ca. 3 Tage alt), die typischerweise ohne cirkadianen Rhythmus rund um die Uhr aktiv sind, ebenfalls Schlafverhalten aufweisen.
Wir kombinierten 24-Stunden Videoaufzeichnungen, genau Verhaltensbeobachtungen und die Analyse der Reizschwellen auf einen Lichtimpuls bei einzelnen Bienen in verschiedenen „arousal“ (Vigilanz/Erweckbarkeit oder Erregbarkeit des ZNS)- Zuständen.
Wir charakterisierten bei Sammlerinnen je nach Körperhaltung, Tätigkeitsdauer (bout duration -> „We defined a ‘bout’ as a continuous episode in the same behavioral state“), Antennenbewegung und Weckschwelle drei verschiedene Schlafstadien.
Junge Bienen zeigten ein Schlafverhalten mit den gleichen drei Schlafstadien wie die Sammlerinnen.
Der Schlaf wurde durch kleine Weckreaktionen unterbrochen, die bei den jungen Bienen genauso häufig waren wie bei den Sammlerinnen.
Neben diesen Ähnlichkeiten, fanden wir Unterschiede in der Schlafarchitektur zwischen den jungen Bienen und den Sammlerinnen.
Die jungen Bienen zeigten häufigere Wechsel zwischen den drei Schlafstadien und verweilten länger im leichteren Schlafstadium als die Sammlerinnen.
Diese Unterschiede in der Schlafarchitektur könnten auf Veränderungen im neuronalen Netzwerk, das für den Schlaf der Bienen verantwortlich, ist hinweisen. Diese Veränderungen könnten durch die Entwicklung oder auf Grund von Umweltfaktoren ausgelöst werden.
Nach unserem Wissen ist dies der erste Hinweis auf eine Plastizität (Formbarkeit/Veränderlichkeit) des Schlafverhaltens bei Insekten."

PS, Tonreg: Dir auch!

Offtopic ausgelagert.

Hallo,

danke DmdM für die ausführliche Antwort (und das Aufräumen). Ja, das Problem wird wohl sein, dass man von "Außen" nicht genau feststellen kann, ob eine Ameise "schläft". Selbst beim Menschen ist ja so einiges bezüglich des Schlafens noch unerforscht. (Ob Ameisen wohl träumen? )

Wenn ja wer bezahlt's?

Gibt es denn keine wohlhabenden Menschen auf diesem Planeten, die ameisenbegeistert sind? Da muss die Myrmekologenlobby wohl einiges an Arbeit leisten.

Grüße

Diffeomorphismus

Ja, ich stimme dir zu, wir bräuchten dringend einen Herrn Gates o. Ä. der eine Ameisenstiftung eröffnet.

Und ein kurzer Nachtrag:

DermitderMeise hat geschrieben:Mir scheint das ein Feld zu sein das weitgehend unbeleuchtet ist, vorwiegend mangels technischer Möglichkeiten in den letzten Jahrzehnten/-hunderten (Hirnaktivitäten von Ameisen/Hymenopteren live messen ohne versehrenden Eingriff - können wir das heutzutage? Wenn ja wer bezahlt's? Bei Bienen vielleicht?).

Auf einige dieser Fragen habe ich gerade eine Antwort gefunden, in einem Interview mit D. Mersch auf das Streaker netterweise verlinkt hat. Sie sagt dort gg. Ende auf die Frage warum sie nach ihrer Dissertation zur Fliege wechselt:

Bei der Fliege kann man das Gehirn studieren und ich würde gerne wissen wie das bei der Ameise funktioniert - was versteht sie wirklich wenn sie kommuniziert - aber das ist leider noch nicht machbar, wir können noch nicht in einer Ameise Gehirnzellen ein- und ausschalten.

Bei der Fliege (wohl Drosophila?) wurde diese Fleiß- und Frickelarbeit demnach schon erledigt, bei der Ameise nicht; also warten wir geduldig...