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Ameisengäste (Myrmekophile) - Untermieter in einem Ameisenvolk

Inhaltsverzeichnis:

2.12.1 Allgemeines
2.12.2 Beispiele für Ameisengäste


2.12.1 Allgemeines
Ameisengäste (Myrmekophile) sind, wie der Name schon erklärt, "Gäste" vom Stamm der Arthropoden (Insekten, Spinnentiere...) in den Bauten von Ameisen,
die zumindest einen Teil ihres Lebens im oder in der unmittelbaren Nähe des Nestes verbringen.
Sie werden von den Ameisen geduldet, teilweise sogar gefüttert und geschützt, wofür sie verschiedenste Mechanismen entwickelt haben.
Viele sind friedliche Mitbewohner, die die Ameisen nicht besonders negativ beeinträchtigen, einige jedoch richten auch leichten bis schweren Schaden in dem Ameisenvolk an.
Somit gibt es symbiotisch, parasitär, sozialparasitär und räuberisch lebende Ameisengäste.

Ameisengäste werden meist in 3 Gruppen eingeteilt (Parasiten werden i.d.R. nicht als Ameisengäste angesehen).
Die folgenden Informationen dürfen aufgrund der Vielzahl von verschiedenen Ameisengästen und der daraus resultierenden Varietät
von Verhaltens- und Ernährungsweisen nicht zu eng gesehen werden und sollen lediglich einen kurzen Überblick über die Thematik bieten.

a) Synökie (Synöken)
Synöken sind Untermieter, die den Ameisen keinen besonderen Schaden zufügen.
Meist nutzen sie Nahrungsquellen, die für die Ameisen als solche keinerlei Bedeutung haben - Abfälle oder verrottendes Nestmaterial stehen beispielsweise auf dem Speiseplan.
Sie werden als "Untermieter" mehr oder weniger geduldet und meist nicht verfolgt.
Sie genießen durch ihre Lebensweise somit den Schutz des Ameisennestes.

Synechthrie (Synechthren)

Synechthren sind Räuber, die sich (neben Abfällen) auch an der Brut der Ameisen und teilweise lebenden Imagines zu Ernährungszwecken vergreifen
und ihnen somit großen Schaden zufügen können.
Sie sind durch bestimmte Eigenschaften häufig unangreifbar für die Ameisen (beispielsweise einen Schutzpanzer aus Kot).

c) Symphilie (Symphilen)

Auch Symphilen fügen den Ameisen Schaden zu, beispielsweise durch das Fressen der Brut.
Anders als Synechthren haben sie aber Mechanismen entwickelt, die sie nicht nur unangreifbar oder machen - die Ameisen werden durch für sie schmackhafte Drüsensekrete sogar dazu gebracht, die "Untermieter" zu pflegen, zu beschützen und zu füttern!


2.12.2 Beispiele für Ameisengäste

Im Folgenden sollen ein paar der bekannteren Ameisengäste näher vorgestellt werden.

Ameisenassel (Platyarthrus hoffmannseggii)

Die Ameisenassel Platyarthrus hoffmannseggii ist ein sehr häufiger Gast in Nestern verschiedener Gattungen und Arten von im Boden lebender Ameisen.
Die Assel ist blind und ernährt sich von Abfällen und Kot der Ameisen.
(Quelle Ameisenhaltung.de)

Ameisenfischchen (Atelura formicaria)

Auch das Ameisenfischchen Atelura formicaria ist häufig in Ameisennestern bei vielen Gattungen (z. B. Camponotus und Lasius) anzutreffen.
Es ähnlicht sehr dem allgemein bekannten Silberfischchen und unterscheidet sich im Aussehen vor allem durch die auffallend goldgelbe Farbe.
Es wird vermutet, dass es sich von den Abfällen ernährt.
Auch soll das Ameisenfischchen beim Futteraustausch der Ameisen mit naschen.
Das Fischchen ist beschuppt und entzieht sich dem Zugriff der Ameisen durch das Abstreifen der Schuppen.
(Quelle AmeisenWiki)

Ameisengrille (Myrmecophilus acervorum)

Die Ameisengrille Myrmecophilus acervorum lebt bei verschiedenen Ameisengattungen.
Sie erlangt durch direkten Kontakt mit den Wirtsameisen eine duftliche Angleichung und nimmt an der Trophallaxis teil, wobei sie durch Reize Flüssignahrung erbettelt.
Außerdem ernährt sich von Hautausscheidungen und Brut der Wirtsameisen.
Myrmecophilus acervorum passt sich in ihrer Körpergröße den Wirtsameisenarten an,
indem die ersten Larvenstadien bei Lasius und Tetramorium und die Endstadien bei Formica, Myrmica und Camponotus leben.
(Quelle Seifert 2007)

Käfer (Coleoptera)

Der Kurzflügelkäfer Oxypoda vittata lebt überwiegend bei Lasius fuliginosus.
Er läuft im Nest und auf den Straßen zwischen den Wirtsameisen frei herum und wird in der Regel nicht angegriffen.
Sollte es dennoch zu einem Angriff kommen, bieten sie den Ameisen offensichtlich Wehr- und Befriedungssubstanzen an, indem sie ihnen ihren Hinterleib entgegenstrecken.

Ähnliches Verhalten zeigt der überwiegend bei Formica rufa lebende Kurzflügler Thiasophila angulata.
Beide Käferarten sind harmlose Nutzer der Abfälle und Nestmaterialien der Ameisen oder erbeuten andere Ameisengäste.

Lomechusoides strumosa ist ein weiterer Kurzflügelkäfer, der bei Formica sanguinea lebt.
Bei dieser Art kommunizieren die ausgewachsenen Käfer und die Larven chemisch und mechanisch mit den Wirtsameisen.
Sie werden von diesen geschützt und gefüttert.
Die Käferlarven erhalten sogar mehr Futter als die Ameisenlarven, weil sie intensiver betteln.
Lomechusoides strumosa ist so sehr an das Leben bei den Ameisen angepasst, dass er im Beisein der Ameisen deren Brut fressen kann, ohne dass diese ihn daran hindern.

Der Glanzkäfer Amphotis marginata bettelt nachts an Straßen von Lasius fuliginosus die Arbeiterinnen um Futter an.
Ein Futteraustausch findet in der Regel auch statt, aber bald merkt die Ameise diesen Trickbetrug und greift den Käfer an.
Dieser zieht Fühler und Beine unter seinen schildförmigen Körper und presst sich an den Untergrund.
Dabei ermöglichen ihn spezielle Haftborsten an den Beinen ein festes und fugenfreies Anheften, dass es den Ameisen nicht gelingt, ihn zu verletzten oder umzubringen.

Die Larve des Blattkäfers Clytra quadripunctata entwickelt sich getarnt in einer Ummantelung aus Kot in Nestern der Formica rufa -Gruppe.
Bei Gefahr zieht sie sich in die Kothülle zurück und verschließt diese mit ihrer Kopfkapsel.
Sie ernährt sich von Nahrungsresten der Ameisen und manchmal von deren Eiern.
(Quelle: Seifert 2007)

Zitat:
Einige Lomechusa -Arten sind 'Schmarotzer' und zeichnen sich durch einen Wirtswechsel aus.
Nach dem Schlüpfen in einer Formica Kolonie, Serviformica oder Formica s. str. suchen die adulten Käfer eine Myrmica -Art auf (Adoption durch chemische Tricks),
wo sie sich auch den Winter über durchfressen, indem sie ihre Wirte anbetteln und sich füttern lassen oder deren Brut fressen.
Myrmica überwintert ja mit Brut, während dies bei Formica nicht der Fall ist.
Der Käfer müsste also hier darben, da im Formica Volk die sozialen Futterströme erlöschen.
Im Frühjahr sind die Käfer geschlechtsreif geworden, paaren sich noch bei Myrmica und begeben sich dann zu Formica, wo sie Larven zur Welt bringen (Viviparie).
Die Formica Arbeiterinnen füttern die Lomechusa Larven wie ihre eigenen, ja bevorzugen sie sogar bei der Pflege.
Daneben ernähren sich besonders die jungen Lomechusa Larven von Ameisenbrut.
Glückerweise – für die Ameisen – sind sie auch kannibalisch, was den Schaden begrenzt.
Ihre bevorzugte Behandlung verdanken die Lomechusa Larven Hautsekreten, die wohl Imitate der Attraktantien der Formica Larven sind."

(Quelle: Gerhard Heller, Beitrag aus der Ameisenschutzwarte (Klick!) entnommen im Mai 2010, inhaltlich leicht abgeändert).

Schwebfliegen der Gattung Microdon

Auch Schwebfliegenlarven der Gattung Microdon findet man bei Ameisenarten.
Sie sind halbkugelige Gebilde, die an Schildläuse erinnern.
Die Schwebfliegenlarven ernähren sich von Ameisenbrut und ziehen diese dabei ganz unter ihren Körper, bis sie ganz bedeckt werden.
Manchmal gelingt es den Arbeiterinnen, Brut noch rechtzeitig wegzuziehen.
Die jungen Microdon Larven, die noch nicht über so einen guten Schutzpanzer wie die älteren verfügen, überleben wohl nur, indem sie die Ameisenbrut chemisch und von der Gestalt her ähneln.

(Quelle Seifert 2007)

Bläulinge (Lycaenidae)

Bläulinge (Lycaenidae) machen etwa 30 % aller bekannten Tagfalterarten aus.
Die Raupen von 75 % aller in Europa und Nordwestafrika untersuchten Bläulingsarten stehen in irgendeiner Beziehung zu Ameisen.
Diese Beziehungen können relativ schwach sein und bis hin zur totalen Abhängigkeit reichen.

Die Raupen der meisten Bläulingsarten haben eine mit kleinen Drüsen reich besetzte Kutikula (Haut) und auf der Oberseite des 7. Abdominalsegmentes ist ein besonders großes Drüsenorgan ausgebildet, welches die Ameisen magisch anzieht.
Obwohl auch andere Stellen der Körperoberfläche der Raupen von den Ameisen gern betrillert und geleckt werden, gilt ihr Hauptinteresse dem Sekret des großen Drüsenorgans.

Eine Bläulingsraupe steckt viel Energie in die Produktion von Drüsensekret.
Dass sich diese Investition lohnt, zeigt das Beispiel einer untersuchten Symbiose zwischen amerikanischen Bläulingen und Ameisen:
Wenn in einem Freilandexperiment Formica altipetens von den Raupen der Bläulingsart Glaucopsyche hygdamus ferngehalten wird, sinkt die Verpuppungsrate der sonst von den Ameisen betreuten Raupen auf 12 - 25 %.
Es zeigte sich, dass die Ameisen einen besonderen Schutz gegen parasitoide Wespen (Braconiden) gewährten.
Die Braconiden konnten niemals Eier an den ständig von Ameisen bewachten Raupen ablegen und wurden manchmal sogar von ihnen erbeutet.
Bei manchen tropischen Bläulingsarten steigt die Sterberate durch Raubfeinde und Parasitoide auf nahezu 100 %, wenn die Raupen experimentell ihres Schutzes durch die Ameisen beraubt werden.

Durch die enge Bindung an Ameisen haben Bläulinge sich einen Raum mit wenig Feinden gesichert.
Auch nimmt die Konkurrenz ab, denn wo es viele Ameisen gibt, werden andere nicht angepasste Schmetterlinge im stärkeren Maße erbeutet.

Die Beziehungen von Bläulingen der Gattung Maculinea zu Arten der Ameisengattung Myrmica sind relativ artspezifisch.
Jede parasitierende Bläulingsart ist an eine bestimmte Hauptwirtsart angepasst, die allerdings geographisch variieren kann.
Hinzu kommt, dass von den meisten Maculinea Arten regional auch Nebenwirtsarten genutzt werden.
Die Raupen dieser Arten ernähren sich die ersten drei Larvenstadien von Futterpflanzen.
Im vierten Larvenstadium lassen sie sich kurz nach der Häutung zu Boden fallen und warten darauf, dass sie von einer Ameise gefunden werden.
Werden sie von einer falschen Ameisenart entdeckt, werden sie erbeutet.
Findet jedoch eine artspezifische Wirtsameise die Raupen, laufen sehr verschiedene Verhaltensmuster ab.

Die Raupen der Arten Maculinea arion und M. teleius sondern aus dem Drüsenorgan Sekrettropfen ab, die von der erregten Ameise aufgenommen werden.
Die Ameise kriecht über die Raupe und „melkt“ diese.
Dieser Vorgang kann von einer halben bis zu vier Stunden dauern.
Am Ende krümmt sich die Raupe zu einem S, indem sie sich plötzlich auf ihre Bauchfüße erhebt und ihre vorderen Segmente aufbläht.
Dadurch imitiert sie eine Ameisenlarve und wird von der Ameise aufgenommen und ins Nest transportiert.

Die Raupen der Arten Maculinea rebeli und M. alcon werden hingegen von den Ameisen nur oberflächlich begutachtet und innerhalb von Sekunden akzeptiert.
Diese Adoption wird durch die Nachahmung der Duftsignale mit denen einer Ameisenlarve erreicht.

Die Entwicklungsstrategien der Maculinea Arten unterscheiden sich im Nest der Wirtsameisen drastisch von einander.
Die Raupen von Maculinea rebeli und M. alcon werden zur Ameisenbrut gelegt, sorgfältig beleckt, gepflegt und gefüttert.
Insbesondere ist es für die Raupen wichtig, dass sie durch die Ameisen von ihrem Kot gereinigt werden.
Nur ausnahmsweise in einer Hungersituation vergreifen sie sich an Eiern oder jungen Larven der Ameisen. Es handelt sich bei diesen Ameisenbläulingen um Futterparasiten, die der Wirtskolonie nur einen begrenzten Schaden zufügen.
Kritisch wird es für die Raupen, wenn ihre Größe die der Ameisenlarven erheblich überschreitet.
Sollten die Raupen von einer falschen Myrmica Art ins Nest getragen worden sein,
wird sie ab während der nächsten 10 – 22 Monate (letzteres bei zweimaliger Überwinterung im Ameisennest) jetzt mehr und mehr angegriffen und vernachlässigt.

Reine Bruträuber hingegen sind die Raupen von Maculinea arion und M. teleius.
Sie sind weit weniger in den chemischen Informationsfluss in der Ameisenkolonie integriert, ruhen oft abseits der Brutkammern und schädigen ihren Wirt durch zuweilen völliges Wegfressen der Brut.

Die Verpuppung der Maculinea Arten erfolgt im Frühsommer nahe der Nestoberfläche.
Der Schlupf der erwachsenen Falter findet nach 2 – 3 Wochen statt.
Im Falle der Nahrungsparasiten Maculinea rebeli und M. alcon sind das oft mehr als fünf Falter pro Nest, während sich bei den Bruträubern Maculinea arion und M. teleius selten mehr als ein Falter in einer Wirtskolonie entwickeln kann.

(Quelle Seifert 2007)


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Autor: Smaug, teilw. chrizzy

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