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Diskussion: Ein Ameisenvolk ist keine Monarchie

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chrizzy
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#1 Diskussion: Ein Ameisenvolk ist keine Monarchie

Beitrag von chrizzy » 26. April 2007, 12:58

Diskussionsthread zum Thema Ein Ameisenvolk ist keine Monarchie


Meinungen, Fragen, Anmerkungen, Hinweise und konstruktive Kritik sind hier erwünscht!

lg, chrizzy



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NIPIAN
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#2 AW: Diskussion: Ein Ameisenvolk ist keine Monarchie

Beitrag von NIPIAN » 26. April 2007, 20:31

Interessant finde ich den Abschnitt der Pheromone (Reizaussendung bei Eiern etc.). Was genau ist bisher an Pheromonen bekannt? Name, ihre Wirkung etc...

Wie genau ist dieses Themengebiet im Seifert angeschnitten?



Sahal
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#3 AW: Diskussion: Ein Ameisenvolk ist keine Monarchie

Beitrag von Sahal » 26. April 2007, 20:57

Hola,

die Reizaussendung bei Eiern ist wohl eher passiver Natur, dh die Eier sind fuer die Ameisen extrem "interessant" und fuehren bei Kontakt immer sofort zum Eintragen ins Nest.

Eier und Pheromone:
zur Zeit habe ich durch nen Rechnerabsturz keinen Zugang zu den gespeicherten Arbeiten, also aus dem Gedächtnis (wie alle gegebenen Hinweise zu diesem Text): Endler et al. (2004) [EDIT, fast getroffen :D Link siehe unten] haben bei Camponotus floridanus (?) gezeigt, das ein "königliches" Pheromon in den Eiern den Arbeiterinnen die Anwesenheit einer fertilen Königin anzeigt, sowie diese Eier als "königliche" Brut kennzeichnet. Im Gegensatz zu Arbeiterinnen-Eiern werden hier auch Männchen nicht diskriminiert. Weiterhin: eine weisellose Teilkolonie konnte an der Eiablage gehindert werden, wenn diese immer mit königlicher Brut versorgt wurde.
Ich meine mich zu erinnern, das diese Arbeit hier im Forum bereits erwähnt wurde.
Bitte beachten: diese Arbeit handelt NUR von Camponotus floridanus, Ruechschluesse auf andere Arten/Gattungen sind mit Vorsicht zu genießen!


Welche Pheromone bereits bekannt sind?
Oha, diese Frage ist so wohl nicht so leicht zu beantworten, denn Pheromone sind meist sehr Art- oder Gattungsspezifisch, werden auch noch sehr speziell eingesetzt und zeigen dann obendrein noch unterschiedliche Wirkungen auf die einzelnen Kasten, zu allem Ueberfluss auch noch unterschiedliche Reaktionen bei unterschiedlicher Mischung mit anderen Pheromonen. Bei Oecophylla zB löst ein Alarm-Pheromon bei den Majors einen Angriff aus, bei den Minors aber Flucht. Bei anderen Arten dann sogar Unterschiede in einer Kaste: je nach Entfernung, Konzentration, Lage zum Nest, Erregungszustand der Ameise und bevorzugter Aufgabe reagiert die Arbeiterin mit Flucht, Brutrettung, Deckung suchen, Angriff oder Strickliesel rauskramen. Dazu kommt dann auch noch Alter und Konzentration der Pheromone...


[EDIT]Hier der Link zur Arbeit ueber Campontus floridanus Endler et al. 2004:
http://www.pnas.org/cgi/reprint/101/9/2945.pdf

Und den Forenlink noch gleich dazu:
http://ameisenforum.de/neues-aus-medien-wissenschaft/28276-ameisen-eier-der-koenigin-machen-untertaninnen-unfruchtbar.html
(Oder Suchfunktion: "floridanus")


Wenn die Flinte ins Korn gefallen ist, nicht gleich das Kind in den Brunnen werfen, auch wenn das der Tropfen ist, der dem Fass die Krone ins Gesicht schlägt!

chrizzy
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#4 AW: Diskussion: Ein Ameisenvolk ist keine Monarchie

Beitrag von chrizzy » 29. April 2007, 21:22

Könnte jemand vom Team den Thread festpinnen? ;)



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Antastisch
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#5 AW: Diskussion: Ein Ameisenvolk ist keine Monarchie

Beitrag von Antastisch » 29. April 2007, 22:39

Done, ich werde den Thread aber bald im FAQ verlinken.



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Joachim

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#6 AW: Diskussion: Ein Ameisenvolk ist keine Monarchie

Beitrag von Joachim » 14. April 2009, 07:54

Hmm, als Großes und Ganzes ist der Text okay zum einlesen, allerdings gefällt mir das Wort "Mehrheitsbeschluss" nicht. So individuell, dass eine Arbeiterin ein komplett anderes Futter "lecker" findet als die anderen der Kolonie, sind Ameisen nicht.

Auch kann man das Thema schlecht verallgemeinern, weshalb es mich wundert, dass es aufgebracht wurde. Bei Ameisen, die noch viele ursprüngliche Merkmale beibehalten haben, weil sie in ihrer Nische im Laufe der Zeit keine starke Konkurrenz hatten (Ponerinen, Myrmecia ect.), ist der Kolonieaufbau und -zusammenhalt nur sehr schwer mit dem einer mitteleuropäischen Plagiolepis oder Myrmica zu vergleichen. Ich könnte letztere jetzt als "moderne" Ameisen bezeichnen, aber der Begriff ist unglücklich, sind doch alle rezenten Ameisenarten "modern", egal ob ursprüngliche Merkmale oder nicht.

Nach der Abspaltung von den Wespen haben Ameisen einen langen Weg zurückgelegt. Es gibt Arten, deren Arbeiter und Königin anatomisch eher an solitäre Jäger erinnern, als an staatenbildende Insekten. Die Größe dieser Kolonien ist oft klein bis moderat, und die Struktur dieser Kolonien ist von Gattung zu Gattung so verschieden, dass man sie nicht in einen Topf werfen kann. Auf der Reise von Myrmecia über Harpegnathos bis Diacamma sieht man derart viele Staatenformen und unterschiedliche Ausprägungen der fertilen und nicht fertilen Weibchen, dass man über jede einzelne einen eigenen Thread schreiben müsste, um dem Thema "Monarchie bei Ameisen" gerecht zu werden.

Der Einfachheit halber beschränke ich meinen Punkt mal auf einige unserer häufigsten mitteleuropäischen Arten. Nehmen wir Myrmica rubra. Eine einzige Arbeiterin reicht aus, um eine Duftspur zu legen, der hunderte weitere blind folgen. Eine einzige Arbeiterin reicht aus, um die ganze Kolonie zu einem Umzug zu bewegen. Und sie ist in guter Gesellschaft: Selbst bei vielen Ameisen, die mehr auf individuelle Leistungen setzen, kann ein Tier das Schicksal der ganzen Kolonie lenken. Das wirksamste Beispiel hierfür habe ich bei Formica fusca erlebt, wo eine einzige Arbeiterin eine ganze Kolonie von über hundert Tieren und mehreren Königinnen an einen neuen Nistplatz geschleppt hat. Ameise für Ameise. Es hat Stunden gedauert, aber funktioniert. Nichts mit Mehrheitsbeschluss. Und hätte einer einzigen Arbeiterin dieser Kolonie der Nistplatz nicht "gefallen", hätte sie alleine theoretisch die ganze Kolonie wieder an einen anderen Platz bringen können.

Was will ich damit sagen? Mit menschlichen Maßstäben die Sache zu verbildlichen ist okay, kann man für den Einstieg machen. Aber letzten Endes funktionieren Ameisenvölker auf Wegen, die man nicht mit Begriffen aus menschlicher Politik oder dem Sozialwesen beschreiben kann.


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#7 AW: Diskussion: Ein Ameisenvolk ist keine Monarchie

Beitrag von chrizzy » 14. April 2009, 10:09

Hallo,

danke für deine Gedanken zu dem Thema ;)

Natürlich gibt es auch "wenig entwickelte" Ameisen, ich habe sogar einen Film gesehen, in dem die Arbeiterinnen einer solchen gegeneinander Ringkämpfe austrugen, um eine interne "Rangordnung" (Hierarchie) zu erstellen. Der Thread bezieht sich aber auf den großen Teil der Arten, die weiter entwickelt sind - darauf werde ich noch entsprechend hinweisen, danke für deine Anmerkung.

Zum Thema "Mehrheitsbeshluss" - da muss man jetzt den Begriff genauer definieren. Für mich bedeutet es nicht, wie viele über ein Thema entscheiden, sondern dass die Merheit über ein Thema entscheidet - und wenn diese Mehrheit nur eine einzelne Formica fusca bildet, weil es keine "Gegenstimme" gibt, dann war das mMn auch schon ein Mehrheitsbeschluss ;)

Ein anderes Beispiel: Ein paar Arbeiterinnen tragen ein Futtertier in die eine Richtung, ein paar Arbeiterinnen in die andere (so letztens beobachtet bei meinen Formica cinerea). Es hat sich die Seite durchgesetzt, die aus mehr Arbeiterinnen bestand. - Mehrheitsbeschluss
Oder es trägt eine Arbeiterin Substrat/Futter ins Nest ein, eine andere Ameise trägt es wieder hinaus (so schon öfter in den Foren gelesen). Wenn dann weitere Arbeiterinnen helfen, wird sich auch jene Seite durchsetzen, die mehr Mitglieder hat - also auch wieder ein Mehrheitsentscheid.
Oder ich kann mich an einen Versuch in einem Beitrag auf den "Ryk-DVD's" erinnern, in dem eine Nahrungsquelle mit 2 verschieden langen Wegen zu erreichen war. Anfangs haben die einzelnen Arbeiterinnen beide Wege in zufälliger Anzahl belaufen, weil sie auch zufällig gefunden worden sind, auf die Dauer hat sich aber der kürzere Weg durchgesetzt, weil er von mehr Arbeiterinnen belaufen wurde und deshalb stärker nach "Hey, da gibts was zum Futtern" geduftet hat. Also auch ein Mehrheitsbeschluss.

Aber natürlich wird es Art- und Situationsspezifische Unterschiede geben... da auf alles einzugehen ist im Rahmen eines solchen Beitrags nicht möglich. ;)

lg, chrizzy



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Joachim

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#8 AW: Diskussion: Ein Ameisenvolk ist keine Monarchie

Beitrag von Joachim » 14. April 2009, 12:22

Ja, das ist ziemlich haaresträubend :) In meiner Abi Arbeit über Blattschneiderameisen hatten wir auch einen Teil, in dem wir das Staatensystem der Ameisen mit dem Menschen verglichen haben (auf Wunsch unseres Seminarleiters). Der Text wurde am Ende so lang, dass ein Mitglied unseres Teams sich am Ende ausschließlich damit befasst hat. Und trotzdem stand da in meinen Augen noch lange nicht genug drin.

Auch ein Stolperstein ist es, jemandem das Thema nahe zu bringen, der nichts von Ameisen weiß. Ich muss mich jedes Mal zurückhalten, bei der Frage "Ist die Königin in der Kolonie wirklich der Chef?" nicht in Monologe zu verfallen. Mittlerweile spult einfach das Band ab und meine Lippen sagen auf sowas automatisch "Nö. Nur die Fabrik für neue Eier." oder "Nö. Das ist...halt eben anders da geregelt. Lass uns Shisha rauchen."

Naja, du hast natürlich völlig Recht Chrizzy: Egal wie man es dreht, wendet, begründet, wie man argumentiert oder welche Sichtweisen man hat: Ein Ameisenvolk ist definitiv keine Monarchie. Wer das aus dem Thread mitnimmt, ist auf jeden Fall eine Ecke weiser und hat was zu erzählen. Denn die Missverständnisse, die die Bezeichnung "Königin" mit sich bringen, werden wohl nie ganz aus der Welt verschwinden :)


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