Formikariumbau Leitfaden

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Toblin
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#9 AW: Formikariumbau Leitfaden

Beitrag von Toblin » 20. März 2009, 08:41

4.1.5Reagenzglasnest

Reagenzgläser (oft mit RG abgekürzt) eignen sich hauptsächlich als Transportbehälter für Königinnen oder kleine Völker. Sie sind praktisch um zur Schwarmflugzeit eine begattete Königin einzusammeln und sie darin gründen zu lassen. Der Versandhandel nutzt Reagenzgläser um Ameisen auf dem Postweg zu versenden.

Bezugsquelle:Ameisenhandel, Apotheke

Aufbau:
Das Reagenzglas wird zu einem Drittel oder bis zur Hälfte mit Leitungswasser gefüllt und anschließend ein fest zusammengedrückter Wattebausch bis zur Wasserlinie geschoben. Die Watte muss den Wassertank gut verschließen, es darf kein Wasser austreten, wenn das RG für einige Minuten auf dem Kopf steht. Der Wasservorrat reicht, je nach Größe und äußeren Bedingungen, für 3 bis 6 Monate. In dem verbleibenden Raum wird die Königin gesetzt und die Öffnung mit einem weiteren Wattebausch locker verschlossen. Es reicht, wenn die Kammer etwas größer ist als die Königin selbst.

Nach einiger Zeit können dunkle Verfärbungen an dem Wassertankverschluss auftreten. Meistens handelt es sich dabei um Ameisenkot oder andere Verunreinigungen und nicht um Schimmel.

Obwohl sich ein Reagenzglas aufgrund seiner Form und Größe nicht optimal als dauerhaftes Nest eignet, ist es in der Ameisenhaltung durchaus üblich, die Kolonie solange im RG zu belassen bis diese selbständig in ein „richtiges“ Nest umzieht.




Hinweis zur oft im Reagenzglas stattfindenden Gründungsphase:
  • Bei claustral gründenden Arten wie z.B. Lasius niger , wird das Reagenzglas erst wieder geöffnet, wenn die ersten Arbeiterinnen vorhanden sind. Die Königin benötigt in der Gründungsphase keinerlei Nahrung.
  • Semiclaustral gründende Arten, wie z.B. Myrmica rubra gehen während der Gründungsphase auf Nahrungssuche. Das geöffnete RG muss dementsprechend in einer Arena liegen, in der Kohlehydrate (Honig) und Proteine (Insekten) angeboten werden.
Futter sollte nie direkt in das (Reagenzglas) Nest gelegt werden. Für die Ameisen bedeutet das nur unnötigen Stress und die Schimmelgefahr steigt erheblich!


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#10 AW: Formikariumbau Leitfaden

Beitrag von Toblin » 20. März 2009, 08:44

4.2 Nestaufbau

Alle Nester lassen sich liegend (horizontal) oder stehend (vertikal) ausführen. Hier kann der Halter nach persönlichem Geschmack entscheiden.
  • Vertikalnester stehen meist mit einer Seite direkt an der Frontscheibe des Formikariums. Die Gesamtwirkung des Formikariums leidet darunter ein wenig, da hinter dem Nest oft ein toter Raum entsteht, der nur schwer einzusehen ist. Dafür lässt sich das Treiben im Nest bequem beobachten, besonders wenn der direkte Blick von oben durch eine Deckel versperrt wird. Mit etwas Geschick lässt sich ein Vertikalnest aber auch gut in die Landschaft integrieren.

  • Horizontalnester wirken in einem Formikarium etwas dezenter und unauffälliger. Das Volk verteilt sich auch eine größere Grundfläche, wirkt somit größer und lässt sich besser beobachten (besonders bei Formikarien mit einem Glasdeckel). Da die Beleuchtung meistens von oben scheint ist das Nest immer gut ausgeleuchtet. Auf eine hochwertige rote oder gar lichtundurchlässige Folie sollte man daher nicht verzichten. Auch die durchschnittlichen Temperaturen im Nest sollte man ermitteln bevor die Ameisen unter der künstlichen Sonne verbrennen.
4.2.1Kammergröße(bei statischen Nestern)

Für den Anfang genügen drei Kammern. Eine davon sollte nur so groß sein, das sich die gründende Königin gerade noch darin drehen kann. Die anderen Kammern können etwas größer ausgelegt werden. Eine schmale, längliche Form ist zu bevorzugen. Wenn man sich nicht sicher ist ob die Nestgröße auch für die nächsten Jahre ausreichend ist, kann man vorsichtshalber ein bis zwei Kammern mehr vorsehen und die Zugänge mit etwas Sand / Lehmgemisch verschließen.
Ein Riesennest mit unzähligen Kammern, wie es viele Halter anlegen, ist für eine gute Entwicklung eher hinderlich! Die Tiere fühlen sich nicht wohl und überschüssige Kammern werden gerne als Müllhalde genutzt. Hinzu kommt, dass bei fast allen Nestvarianten Schimmel und Verunreinigungen an der Jahresordnung sind! Auch Geschmack und Erfahrung des Halters ändern sich im Laufe der Zeit und lassen den Wunsch nach einem neuen Formikarium aufkommen. Es macht also in der Regel wenig Sinn, ein Nest für mehr als 2-3 Jahre auszulegen, auch wenn die Kammerzugänge mit Sand verschlossen werden.

4.2.2Frontscheibe

Bezugsquelle:Baumarkt, Glaser, Bastelgeschäft

Ein Nest sollte immer eine eigene Frontscheibe besitzen und nicht bloß an eine Scheibe des Formikariums gestellt werden. Nur so lässt es sich zur Winterruhe oder in einem Notfall entnehmen. Als Material eignet sich Glas oder Plexiglas.

Bei der Befestigung der Scheibe sollte man darauf achten, dass diese eben aber mit einem kleinen Luftspalt (weniger als 0,5mm) auf dem Nestkörper aufliegt. Der Spalt sorgt für eine ausreichende Nestbelüftung und beugt Schimmelbefall vor, auch wenn er von den Ameisen wieder verschlossen wird. Bei liegenden Farmen sorgt der Spalt drüber hinaus für klare Sicht ins Nestinnere.

Plexiglasscheiben lassen sich gut durchbohren und mit rostfreien Schrauben am Nest anbringen. Glasscheiben können mit kleinen Nägeln fixiert oder mit einem schmalen Silikonrand links und rechts angeklebt werden. Bei liegenden Nestern genügt eine lose Auflage mit formschlüssiger Halterung. Noch schneller und einfacher, aber nicht unbedingt schöner, geht es mit zwei Gummibändern. Ein großflächiges Ankleben ist eher ungünstig, es schmiert, sieht nicht gut aus und verhindert, dass das Nest „atmen“ kann!

Ytong und Gips besitzen keine hohe Festigkeit und können bei der Schraubvariante schnell brechen oder ausreißen. Auch der Haftgrund für eine Klebeverbindung ist nicht herausragend. Daher empfiehlt es sich bei der Bearbeitung und im späteren Umgang mit dem Nest vorsichtig zu sein.


4.2.3Rote Folie

Bezugsquelle:Bastelgeschäft, Ameisenhandel

Das Nest sollte immer mit roter Folie verdunkelt werden, da Ameisen weitestgehend rotblind sind. Auf diese Weise können die Tiere in subjektiver Dunkelheit gehalten werden, sind aber trotzdem gut zu beobachten. Besonders bei Ameisenfarmen sollte man auf hochwertige und ausreichend dunkle Folie achten. Scheint zuviel Licht durch, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Ameisen direkt an der Frontscheibe eingraben.

Bei einem Vertikalnest, dass direkt an einer Scheibe steht, kann die Folie außen am Formikarium mit einem Streifen Tesafilm befestigt werden. Auf diese Weise lässt sie sich zur genaueren Beobachtung einfach wegklappen. Alternativ lässt sich die Folie auch mit ein paar Tropfen Wasser an die Außenscheibe „kleben“.


4.2.4Der Wassertank

Als Wassertank wird eine Mulde im Nestkörper bezeichnet, in die das Wasser zur Nestbefeuchtung geschüttet wird. Das Wasser wird von saugenden Materialien wie Ytong oder Gips schnell aufgenommen und zieht sich nach und nach durch das gesamte Nest.

Der Wassertank sollte nach Möglichkeit nicht mittig sondern an einer Seite angebracht werden, so dass im Nest ein Feuchtigkeitsgefälle entstehen kann. Außen herum bleiben mind. 2-3 cm Wandstärke stehen, damit das Wasser nicht zu schnell durchsickert.

Der Tank wird mit verzinkter Stahl-, Edelstahl-, Alu- oder Kunststoffgaze verschlossen. Von Füllstoffen wie Seramis oder Watte sollte man absehen. Es ist widersinnig einen Tank zu schaffen und ihn anschließend mit saugendem Material zu füllen. Weiterhin verkriechen sich die Ameisen gerne in den Seramis- und Wattespalten (oder legen sogar ihr Nest dort an) und ertrinken beim nächsten Bewässern.


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#11 AW: Formikariumbau Leitfaden

Beitrag von Toblin » 20. März 2009, 08:50

5 Die Arena

Die Arena dient als Revier und Jagdgebiet für die Ameisen. Sie ist grundsätzlich für alle Arten und Haltungsformen erforderlich und sollte lieber zu groß als zu klein gewählt werden. Eine Grundfläche von mind. 20cm x 30cm ist für eine kleines Volk in der ersten Saison angebracht. Größer ist besser! Spätestens mit wachsender Anzahl an Tieren sollte auch mehr Auslauffläche angeboten werden. Dies kann durch ein größeres oder zusätzliche Becken geschehen, die mit Schläuchen untereinander verbunden werden. Einige exotische Gattungen wie z.B. Atta oder Cataglyphis benötigen enorme Flächen und Wege um ansatzweise artgerecht gehalten werden zu können. Ist das Arenasystem zu klein kann es zu tödlichen Verhaltensstörungen kommen.

Ein Formikarium bzw. die Arena sollte möglichst einfach gestaltet werden. Am günstigsten ist es, wenn alle Komponenten leicht zu entnehmen sind. So kann z.B. das Nest im Winter problemlos an einem kühlen Ort untergebracht werden und Optimierungen lassen sich einfacher vornehmen. Im Notfall hat man überall guten Zugriff. Nester im Sand zu vergraben oder Deko an die Scheiben zu kleben ist auf Dauer sehr ungünstig! Spalten und (potentielle) Hohlräume jeglicher Art sollte man unbedingt vermeiden, denn sie werden von den Ameisen gerne als Nest genutzt.

Natürlich lassen sich auch ausgefallene Ideen realisieren, doch erfahrungsgemäß wachsen die Probleme quadratisch zum Aufwand. Je mehr Technik und „Schnickschnack“ desto schneller wird was daneben gehen. Ameisen sind im Aufspüren von Mängeln gnadenlos!


5.1 Bodengrund

Ein guter Arenaboden ist stets natürlich, trocken, rutschfest, lässt sich leicht säubern und bietet einen guten Farbkontrast. Grober Sand oder (Aquarien-)Kies vereint einige der genannten Eigenschaften. Futterreste sind gut zu erkennen, das Becken ist leicht zu säubern und die Tiere lassen sich bestens beobachten. Auch andere Materialien wie z.B. Gips, Ytong, Styrodur sind zur Bodengestaltung denkbar. Allesamt sind jedoch nicht sehr natürlich. Naturnahe Substrate wie z.B. Waldboden oder Rindenmulch erhöhen die Grundfläche die nach Nahrung abgesucht werden kann und bieten den Ameisen gute Versteckmöglichkeiten. Allerdings wird die Beobachtung von dunkel gefärbten Ameisen durch den dunklen Untergrund zusätzlich erschwert undFutterreste sind schlecht zu erkennen.

Nur nicht jedes Material ist für ein Formikarium geeignet. Vogelsand z.B. ist viel zu fein. Die Ameisen finden darauf kaum halt und rutschen schnell aus. Weiterhin enthält er oft Parfüme und Zusatzstoffe gegen Vogelparasiten. Die können auch den Ameisen schaden!

Wie man sich auch entscheidet, am wichtigsten ist, dass ein streufähiges Bodenmaterial immer trocken bleibt, damit die Ameisen sich nicht eingraben können. Ein feuchtes Nest sollte daher niemals direkten Kontakt zum Bodensubstrat haben. Besser ist es das Nest auf eine Scheibe zu stellen oder die entsprechenden Außenbereiche am Nest mit Aquariensilikon einzustreichen.


5.2 Landschaftsgestaltung

Bei der Einrichtung der Arena genießt man sehr viel künstlerische Freiheit, solange man nicht grundlegend gegen die Bedürfnisse der Ameisen verstößt. Ob künstliche Felsen aus Styrodur, Fliesenkleber und Gips oder echte Steine, Hölzer, Äste und Moos, jeder Halter hat eigene Vorlieben. Hier kann man sich als Bastler austoben, solange man auf potentiell giftige Materialen, Farben, Klebstoffe, usw.verzichtet.


5.3 Pflanzen

Echte Pflanzen sind nur schwer in einem Formikarium zu integrieren, da sie in der Regel feuchte Erde und Sonnenlicht benötigen. Beides versucht man bei der Ameisenhaltung eher zu vermeiden.
  • Feuchte Erde wird von Ameisen meist allen anderen Nestarten gegenüber bevorzugt. Sie graben sich lieber unter die Pflanzen, anstatt in das vorgesehene Nest einzuziehen. Man kann versuchen die Erde mit Kies abzudecken oder die Wurzelballen mit Gase zu sichern. Die Aussichten auf Erfolg sind jedoch eher gering. Auch Tongranulat (Seramis) bietet oft genügend Spalten und Lücken für eine Koloniegründung.

  • Pflanzen benötigen Sonnenlicht, welches jedoch die Temperaturen im Becken schnell und unkontrollierbar in tödliche Bereiche treibt.
Erfahrungsgemäß gehen Pflanzen nach wenigen Wochen oder Monaten ein (wenn man nicht gerade einen grünen Daumen hat). Viele Halter setzen auf Kunstpflanzen, Tillandsien oder getrocknete Bonsaibäume. Wenn man von Anfang an ein Erdnest vorsieht und den Ameisen vielleicht noch die Wahl Wahl des Neststandortes überlässt, ist es um einiges leichter echte Pflanzen im Formikarium zu integrieren.

Besonders bei Pflanzendekoration ist darauf zu achten, dass sie nicht an den Rand des Formikariums oder darüber ragt bzw. wächst. Es besteht Ausbruchgefahr!


5.4 Bachlauf / Wasserfall

Ein Bachlauf oder ein Wasserfall ist schwer zu realisieren und bietet mehr Nach- als Vorteile. Kabel oder Schläuche müssen ausbruchsicher verlegt werden. Der Untergrund muss dauerhaft wasserdicht sein, das Bodensubstrat darf nicht nass werden. Der große Wasseranteil im Becken treibt die Luftfeuchtigkeit in die Höhe! Die Scheiben beschlagen schnell, der Ausbruchsschutz leidet oder wird sogar unbrauchbar. Im schlimmsten Fall wird das fließende Wasser sogar zur tödliche Falle für die Ameisen! Auch die Pflege und Wartung ist aufwändig. Das Wasser muss regelmäßig getauscht und gereinigt werden um Schmutz, Futterreste und tote Ameisen zu beseitigen.

So schön und verlockend fließendes Wasser im Formikarium auch sein mag, so sehr steht es auch im Widerspruch mit den am Anfang erwähnten Richtlinien auf dem Weg zu einem guten Formikarium. Sicher, Artgerecht, Flexibel!


5.5 Belüftung

Eine aktive Belüftung des Formikariums durch einen kleinen Ventilator ist im Allgemeinen nicht notwendig. Für die Sauerstoffversorgung der Ameisen ist sie sogar absolut überflüssig. Lediglich bei sehr feucht gehaltenen Becken kann ein Lüfter vielleicht ab und an dienlich sein, um Scheiben von Kondenswasser zu befreien. Dabei sollte der Lüfter weit entfernt vom Nest angebracht werden, denn die Vibrationen können Stress für die Ameisen bedeuten. Am besten funktioniert es, wenn der Lüfter die feuchte Luft raus befördert anstatt Frischluft reinzublasen. Bei Arten die eine hohe Luftfeuchtigkeit benötigen ist natürlich Vorsicht geboten!


5.6 Deko abbacken

Grundsätzlich gilt: Alles was aus einer gesunden Umgebung entnommen wird, kann ohne weiteres ins Formikarium gelegt werden. Waldboden enthält z.B. eine Menge Mirkoorganismen, die Futterreste verwerten und Schimmel vorbeugen. Insbesondere Holz sollte man unbehandelt lassen, da es nach dem Backen sehr schnell anfängt zu schimmeln! Falls man sich bei der Herkunft der Deko nicht sicher ist, kann es nicht schaden dies in den Ofen zu schieben (Vorsicht bei Kunststoffen u.ä.).

Heißluftsterilisation (Quelle Wikipedia):
-180 °C mindestens 30 min,
-170 °C mindestens 60 min,
-160 °C mindestens 120 min.


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#12 AW: Formikariumbau Leitfaden

Beitrag von Toblin » 20. März 2009, 08:55

6 Ausbruchschutz

Ein vernünftiger Ausbruchsschutz hilft nicht nur die Wohnung und die heimische Natur zu schützen, sondern auch skeptischen Eltern, Partnern oder Besuchern von diesem tollen Hobby zu überzeugen. Ein doppelt wirkendes System ist dafür zwingend erforderlich. In der ersten Abwehrreihe werden die Ameisen durch ein unüberwindbares Hindernis (Rutschmittel) aufgehalten. So können sie gar nicht erst das zweite Sicherheitssystem (Deckel) erobern. Dieser hält dann zur Schwarmzeit auch die fliegenden Geschlechtstiere auf, kann ansonsten aber gefahrlos geöffnet werden, um im Becken zu hantieren.

Weiterhin kann es nicht schaden, wenn man sich auch für den „Super-Gau“, ein komplett zerstörtes Becken, einen Plan zurechtlegt. Auch wenn dieser Fall wirklich sehr unwahrscheinlich ist. Ein leicht entnehmbares Nest und ein griffbereiter ausbruchsicherer Behälter (zweites Becken) können den Schaden schon massiv eindämmen. Im Extremfall hilft sogar griffbereites Insektenspray um schlimmeres zu verhindern!


6.1 Deckel

Der Ameisenhandel bietet zu den Formikarien auch passgenaue Deckel an. Benutzt man für die Haltung ein Aquarium muss ein Deckel meistens selbst angefertigt werden.

Besonders für Exoten, Hausameisen und Ameisen die nicht aus der unmittelbaren Umgebung stammen ist ein Deckel Pflicht! Damit dieser auch mal abgenommen werden kann, ohne das Ameisen entkommen können, muss ein zusätzliches Rutschmittel (PTFE, Talkum, Öl...) auf den oberen Rand des Beckens aufgebracht werden!

Arten mit kleinen Arbeitern (besonders Pheidole, Temnothorax, usw.) haben naturgemäß keine Probleme mit winzigen Spalten. Falls der Deckel nicht 100% passgenau sitzt, kann man mit Dichtklebeband (selbstklebendes Schaumgummi) nachhelfen. Da ein Dichtungsband schnell zerbissen ist, muss es regelmäßig und sorgfältig kontrolliert werden. Soll der Deckel besonders sicher sein, kann man den Beckenrand mit einer Lage Frischhaltefolie verkleiden. Diese wird dann sorgfältig mit Spülmittel eingeschmiert. In den Deckelrand gibt man eine dicke Silikonwurst, anschließend setzt man den Deckel auf das Becken und lässt das Silikon trocknen. Nach dem Entfernen der Folie und einer gründlichen Säuberung erhält man einen sehr passgenauen Deckel.


6.2 PFTE

Bezugsquelle:Ameisenhandel (ausschließlich)

PTFE ist ein sehr hochwertiger Ausbruchsschutz! Er kann allerdings nur an einem unbewohnten Becken richtig aufgetragen werden.

Eine detaillierte Beschreibung dazu findet sich im Tutorial PFTE – Richtige Verwendung.

Teflonband, Teflonöl, Kettenspray oder sonstige Produkte mit Teflonzusätzen [color=Black]sind nicht[/color] geeignet und bieten keinen Ausbruchsschutz!


6.3 Talkum

Bezugsquelle:Ameisenhandel, Apotheke, Baumarkt

Das Talkum wird mit Wasser zu einer dickflüssigen Masse angerührt und mit einem Pinsel so dünn wie möglich aufgetragen. Nach dem Trocknen fährt man noch mal vorsichtig mit dem Finger oder einem trockenen, weichen Pinsel über die Oberfläche, um sie anzurauhen.

Leider neigt die Talkumschicht zum abplatzen und die Brocken landen direkt im Formikarium. Das sieht nicht schön aus. Bei hoher Luftfeuchtigkeit kann Talkum seine Eigenschaft als Ausbruchsschutz verlieren.


6.4 Paraffinöl

Bezugsquelle:Ameisenhandel, Apotheke, Baumarkt

Das Paraffinöl ist sehr schnell und einfach aufzubringen, auch an Becken die bereits bewohnt sind. DochVorsicht: Trägt man zu viel auf, läuft es die Scheiben hinunter. Versucht man die Sauerei wegzuwischen macht man alles nur noch schlimmer. Das Paraffinölwird mit einem Stück Küchenrolle hauchdünn auf die oberen cm am Beckenrand aufgetragen und bietet sofort einen sehr guten Schutz gegen Ausbruchversuche. Allerdings sollte man die Ölschicht ab und zu erneuern.


6.5 Wassergraben / Insel

Bei der Inselhaltung wird in der Regel auf ein herkömmliches Becken verzichtet. Ein Wassergraben um eine flache Schale (Arena) soll dafür sorgen, dass die Ameisen nicht flüchten können. Die Oberflächenspannung des Wassers kann jedoch ausreichen, um eine Ameise bis ans andere Ufer zu tragen. Ein Tropfen Spülmittel zerstört zwar die Oberflächenspannung, sorgt aber gleichzeitig dafür, dass ahnungslos fouragierende Ameisen leicht ertrinken. Ein abgeschrägter Rand kann den Tieren helfen sich zurück ans Ufer zu retten. Da der Wassergraben auch als Trinkwasserquelle genutzt wird, ist der Einsatz von Spülmittelnsogarbedenklich!

Dieser Ausbruchschutz ist nicht zuverlässig! Sobald das Wasser unbemerkt verdunstet, haben die Ameisen freie Bahn. Geflügelte Geschlechtstiere lassen sich gar nicht aufhalten.
Eine Insel sollte nur kurzzeitig angeschlossen werden um z.B. besser beobachten oder fotografieren zu können. Als dauerhafte Arena ist sie ungeeignet! Wer Wert auf ein gut aussehenden Becken legt wird ohnehin auf eine Insellösung verzichten, denn Futterreste, tote Ameisen und Algen lassen den Wassergraben schnell unansehnlich und wartungsintensiv werden.


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#13 AW: Formikariumbau Leitfaden

Beitrag von Toblin » 20. März 2009, 08:57

7 Heizung und Licht

In der Natur können sich Ameisen an heißen Tagen in kühlere Erdschichten zurückziehen. An kühlen Tagen lagern sie ihre Brut unter sonnengewärmten Steinen. In der Haltung sind die Temperaturen meistens konstant (zu hoch). In einem Aquarium mit integrierter Beleuchtung werden es schnell 25 Grad und mehr. Lasius niger stört das sicher nicht so sehr, aber Arten mit endogenem Jahresrhythmus wie die heimischen Camponotus ligniperda, erfüllen ihr Jahrespensum bei so einem Temperaturniveau sehr schnell. Sie beenden ihre Sommergeschäfte ein bis zwei Monate früher und gehen in die Winterruhe. Grundsätzlich ist für heimische Arten keine Heizung erforderlich und in vielen Fällen sogar eher nachteilig.

Trotzdem: Eine zeitweise Erwärmung eines Teilbereichs wird von vielen Arten gerne zum Wärme tanken genutzt. Da die meisten Formikarien allerdings verhältnismäßig klein sind und schon ein kleiner Strahler sehr viel Energie abgibt, wird aus einem lokalen „Hotspot“ schnell eine Zentralheizung für das ganze Becken. Mit Dimmer, Zeitschaltuhr und dem richtigen Beleuchtungsabstand lässt sich jedoch meistens ein annehmbares Ergebnis erzielen. Wichtig dabei: ein Thermometer und viel Zeit. Es kann nach jeder Anpassung ein paar Stunden dauern, bis sich das Wärmeniveau im Becken einpendelt. Auch unterschiedliche Außentemperaturen (je nach Wetterlage, Tages- und Jahreszeit) sollte man dabei bedenken.

Hält man eine Art, die eine verhältnismäßig warme Umgebung braucht, hat mal die Qual der Wahl: UV-Lampen, Keramik- und Infrarotstrahler, Heizmatten, Heizkabel, Heizsteine, Sonnenlicht, Schreibtischlampen, usw..In der Natur kann Wärme von oben (Sonnenlicht) oder unten (sonnengewärmter Stein) strahlen. Das ließe sich mit verschiedenen Wärmequellen relativ naturnah simulieren, die Ameisen würde dieser Unterschied jedoch kaum interessieren. Hier sollte man als Halter praktisch denken. Während sich Heizmatten noch äußerlich am Becken anbringen lassen, müssen Heizkabel oder -steine samt Stromkabel ins Becken gebracht werden. Und zwar Ausbruchsicher! Der Aufwand rechtfertigt kaum den Gewinn, zumal sich eine externe Heizung mit der Beleuchtung realisieren lässt und wesentlich einfacher umsetzen ist.

Soll das Becken auch zu später Stunde beleuchtet werden, um natürliches nächtliches Verhalten beobachten zu können, empfiehlt sich eine rote Beleuchtung. Die Ameisen sollten sich damit in relativer Dunkelheit fühlen, lassen sich aber trotzdem gut beobachten. Auf blaue Mondlicht-LEDs oder Nightglow-Lampen kann man als Ameisenhalter verzichten. Sie haben keinen besonderen Nutzen.


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#14 AW: Formikariumbau Leitfaden

Beitrag von Toblin » 20. März 2009, 08:58

8 Materialkunde
  • Gips
    Für alle Gipsarbeiten verwendet man am besten Modelliergips (z.B. Moltofill innen). Er lässt sich ohne weiteres eine halbe Stunde lang verarbeiten, während normaler Gips schon nach wenigen Minuten beginnt auszuhärten. Dies ist ein chemischer Prozess, der sich nicht wesentlich beschleunigen lässt. Trocknet der Gips zu schnell, z.B.
    im Backofen oder auf der Heizung, können Risse entstehen.

  • Klebstoff
    Für fast alle Klebearbeiten ist Aquariensilikon bestens geeignet. Es klebt so gut wie alle Werkstoffe, ist wasserfest und ungiftig! Alternativ kann man auch Küchensilikon benutzen. Das gibt es in den meisten Baumärkten in einem kleinen Spender. Normales Silikon enthält unter anderem Fungizide und ist weniger geeignet.

  • Styropor/Styrodur
    Beides lässt sich im Formicarienbau verwenden und wird nur sehr selten angeknabbert. Styrodur lässt sich wesentlich besser und sauberer bearbeiten als Styropor.

  • Gaze
    Ein feinmaschiges Gitter aus verzinktem Stahl, Edelstahl, Aluminium oder Kunststoff bekommt man als Meterware im Ameisen oder Terraristikzubehör.
    Für kleine Stücke kann man auch ein Sieb oder ein Spritzschutz für Bratpfannen zerschneiden. Normales Fliegengitter kann von den Ameisen zerbissen werden und ist daher nicht geeignet.

  • Glas
    Glas ist sehr kratzfest, und garantiert einen dauerhaft klaren Durchblick. Allerdings erfordert die Bearbeitung spezielles Werkzeug. Eine gute und günstige Glasquelle sind rahmenlose Bilderrahmen!

  • Plexiglas
    lässt sich auch mit einfachen Mitteln gut bearbeiten (siehe Plexiglas scheiden) ist jedoch sehr anfällig für Kratzer und feine Schleifspuren die sogar von den Ameisen verursacht werden können. Weiterhin verzieht sich Plexiglas unter Wärme und Aufnahme von Feuchtigkeit. Für den Bau eines Deckels oder eines ganzen Formikariums ist es daher nicht sehr geeignet.

  • AbtönfarbeZur farblichen Gestaltung von künstlichen Landschaften eignet sich Abtönfarbe. Je nach Hersteller ist sie sogar emissionsarm, lösemittelfrei und weichmacherfrei. Eine Garantie auf Verträglichkeit ist das natürlich nicht, aber bisher ist kein Fall bekannt, bei dem ein Volk durch vollständig getrocknete Abtönfarbe im Formikarium umgekommen ist.


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