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Artenvielfalt

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Scherge
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#1 Artenvielfalt

Beitrag von Scherge » 16. Juni 2006, 02:20

Schwund der Schmetterlinge

Von Rafaela von Bredow und Liane Rothenberger

Quelle : spiegel-online

Viele Schmetterlingsarten sind vom Aussterben bedroht. In Deutschland haben die Tiere nur eine kleine Lobby, die EnglĂ€nder hingegen sind ganz verrĂŒckt aufs FlĂŒgelzĂ€hlen.

Josef Settele geht auf Tour: mit Frau und Tochter, einmal pro Woche, einen Kilometer. Drei Augenpaare suchen die Umgebung ab, die KĂ€scher sind gezĂŒckt. Endlich ein Kohlweißling. "Vier verschiedene Weißlingsarten haben wir bereits gesichtet. Die sind noch relativ hĂ€ufig, weil sie leicht Nahrung finden", sagt Settele. Er und seine Familie nehmen im zweiten Jahr an der bundesweiten TagfalterzĂ€hlung teil.

Knapp 500 Freiwillige haben sich dazu bereiterklÀrt, einmal wöchentlich auf einem kleinen Terrain die wirbellosen Flattertiere zu zÀhlen. Jeder kann sich an der Aktion beteiligen. Das "Tagfalter-Monitoring" lÀuft alljÀhrlich von April bis September, organisiert wird es vom Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle (UFZ).

Dort arbeitet Settele als Agrarbiologe und BiodiversitÀtsforscher und ist gespannt auf die ersten Vergleichsergebnisse. Wirklich umfassende ZÀhlungen - wie sie beispielsweise die Vogelkundler schon lange vornehmen - gab es in Deutschland nÀmlich noch nie.

Dabei tut eine Erfassung Not, und zwar dringend. Denn die Schmetterlinge schwinden, das zeigen Stichproben und Beobachtungen von Experten. Die Falter mĂŒssen systematisch gezĂ€hlt, ihre BestĂ€nde jedes Jahr wieder an denselben Orten ĂŒberprĂŒft werden - nur so lĂ€sst sich herausfinden, welche Arten im Niedergang begriffen sind. Vor allem: Wo genau? Und warum?

Dem leicht an seinen namensgebenden FlĂŒgelenden erkennbaren Schwalbenschwanz werden die SchmetterlingszĂ€hler beim Monitoring wohl hĂ€ufiger begegnen - er ist einer der wenigen Falter, deren Population derzeit leicht zugenommen hat, was ihm den Titel "Schmetterling des Jahres" eintrug. "Er hat davon profitiert, dass in den GĂ€rten weniger gespritzt wird", erklĂ€rt Settele. "Die Raupen fressen nĂ€mlich am liebsten MöhrengrĂŒn und Dill."

Zwei Drittel der in Deutschland heimischen Tagfalterarten allerdings stehen auf der Roten Liste. Die mit zarten Tupfenreihen geschmĂŒckten AmeisenblĂ€ulinge etwa oder die in prĂ€chtigem Orange, Schwarz und Hellgelb gezeichneten Maivögel taumeln dem Beobachter schon lange nicht mehr alltĂ€glich durchs Blickfeld.

Der Schwund der Schmetterlinge ist ein umfassendes PhÀnomen, das beweist nun die erste europaweite Erfassung: 576 Tagfalterarten kommen in Europa vor - doch aus einem von zehn Gebieten, in denen sie irgendwann wÀhrend der letzten 25 Jahre noch flogen, sind sie heute getilgt. Bei Faltern, die offenes Grasland zum Leben brauchen, sind es gar zwei von zehn Gebieten, in denen sie inzwischen fehlen.

Forscher werteten schon vor zwei Jahren im Wissenschaftsmagazin "Science" den Niedergang der Schmetterlinge als Indiz dafĂŒr, dass die sechste weltweite Aussterbewelle der Erdgeschichte bereits angerollt sei. "Das ist eine sehr plakative Formulierung", sagt Settele, "aber angesichts des drastischen RĂŒckgangs binnen wirklich kurzer Zeit durchaus gerechtfertigt."

Auslöser fĂŒr die dĂŒstere Prognose war eine britische Studie, die nachgewiesen hatte, dass innerhalb von 20 Jahren die Verbreitung von beinahe drei Vierteln aller in Großbritannien heimischen Tagfalterarten abgenommen hatte.

"Das sind brisante Zahlen", sagt Reinart Feldmann, ebenfalls Wissenschaftler am UFZ. "Es geht ja nicht nur um die Schmetterlinge selbst, sondern darum, dass sie ein Indikator fĂŒr die Artenvielfalt insgesamt sind." Will heißen: Wo es die Tagfalter dahinrafft, geht es auch mit anderen Insekten bergab; ganze Lebensgemeinschaften aus Pflanzen und Tieren sind damit im Begriff, sich unwiderruflich aufzulösen. Und andersherum: Wer Schmetterlinge schĂŒtzt, erhĂ€lt damit indirekt auch all die anderen Arten, die Ă€hnliche AnsprĂŒche an ihren Lebensraum stellen.

Besonders gefĂ€hrdet sind jene Tagfalter, die sich auf Moore und Marschlandschaften, Trockenrasen oder WaldrĂ€nder spezialisiert haben - ihre Habitate existieren kaum mehr: Feuchtgebiete wurden trockengelegt, Knicks und GebĂŒsche aus der Agrarlandschaft verbannt, WĂ€lder und Wiesen wichen Monokulturen, Wacholder- und Zwergstrauchheiden verbuschen, weil sich die Beweidung nicht mehr lohnt.

Traurige VolkszĂ€hlung: Tagfalter in DĂŒsseldorf
Bild

Jede LĂŒcke auf der Tafel, die das Aussterben der Schmetterlinge etwa in DĂŒsseldorf dokumentiert (siehe Grafik), symbolisiert einen fĂŒr die jeweilige Art letztlich tödlichen Eingriff des Menschen. So fehlen dort die weißgebĂ€nderten Eisvögel ebenso wie die gesamte Reihe der gepardenartig getupften Perlmutterfalter, deren Raupen sich auf Veilchen spezialisiert haben. "Sie brauchen naturgemĂ€ĂŸ gestufte, artenreiche WaldrĂ€nder", sagt Feldmann. Solche Habitate fehlen nicht nur in den StĂ€dten. "Fast ĂŒberall gehen Felder oder Wiesen abrupt ĂŒber in eine Wand aus hohen Fichten oder Buchen."

Auch töten die Insektizide der Landwirte die Falter, Unkrautvernichtungsmittel rauben den Raupen ihre Futterpflanzen und den Schmetterlingen die Nektarquellen. Zudem verĂ€ndern DĂŒnger nachhaltig die Flora, und Abgase aus Industrie und dem stetig zunehmenden Straßenverkehr erhöhen ĂŒberall den Stickstoffeintrag aus der Luft. "Diese unfreiwillige ZusatzdĂŒngung entspricht einer Menge, wie sie frĂŒher als VolldĂŒngung fĂŒr Kartoffelkulturen ausgebracht wurde", rechnet Feldmann vor.

Es wuchern dann schnellwĂŒchsige, stickstoffliebende Pflanzen - die Brennnessel zum Beispiel. Von ihr ernĂ€hren sich zwar die Raupen des Kleinen Fuchses und des Tagpfauenauges. Aber die mageren, nĂ€hrstoffarmen Wiesen mit ihrer fĂŒr viele Schmetterlinge kostbaren Flora werden zum Ă€ußerst raren Biotop. Mit ihnen schwindet zum Beispiel der auffĂ€llige Schachbrettfalter.

Generell gilt: Verlierer sind die Spezialisten unter den Tagfaltern, solche, deren Raupen nur auf eine einzige Pflanzenart als Futterquelle angewiesen sind. So wie zwei Spezies der AmeisenblĂ€ulinge, die ohne den Großen Wiesenknopf nicht ĂŒberleben, ein GewĂ€chs mit blutroten Köpfchen. MĂ€ht der Bauer zu frĂŒh, vernichtet er mit den BlĂŒten auch den BlĂ€uling.

Doch der hat eine noch prekĂ€rere Biologie: Die Raupen lassen sich irgendwann von der Wiesenblume zu Boden plumpsen und sondern ein Sekret ab. Das sĂŒĂŸe Zeug schmeckt einer ganz bestimmten Ameisenart so lecker, dass deren Mitglieder die Larve adoptieren - sie schleppen das Tier in ihr Nest und laben sich an dem Saft. Im Gegenzug frisst die Raupe sich satt an deren Brut. Alsdann verpuppt sie sich und muss schließlich nur noch eine brenzlige Situation ĂŒberstehen: nach dem SchlĂŒpfen mit noch knittrigen FlĂŒgeln heil aus dem Erdbau zu krabbeln.

Stimmt eine der Voraussetzungen nicht mehr, verschwindet etwa die Ameise, weil ihr das Mikroklima am Boden nicht mehr passt, ist es auch um den AmeisenblÀuling geschehen.

Bis 2010 will die EuropĂ€ische Union den Artenschwund gestoppt haben. Doch wer will das kontrollieren, wenn, wie bisher in Deutschland, die Daten fehlen? Großbritannien zĂ€hlt seine BuntflĂŒgler schon seit 30 Jahren, die Niederlande sind seit 16 Jahren dabei. Weshalb wurden die deutschen Institutionen nicht sofort aktiv, als die erschreckenden Befunde aus Großbritannien vorlagen? "Uns fehlte einfach die Manpower", meint Reinart Feldmann.

Nun aber hoffen die UFZ-Mitarbeiter, bald jene tausend freiwilligen ZĂ€hler fĂŒr die Tagfalter-Inventur begeistern zu können, die nötig wĂ€ren fĂŒr eine solide Datenbasis. So viele Beobachter machten in England schon vor 30 Jahren mit beim Monitoring.

Im Gegensatz zu Deutschland, wo immerhin 185 Tagfalterarten heimisch sind, haben die Briten knapp 60 - aber eine weitaus grĂ¶ĂŸere Schmetterlingslobby. Die Schmetterlingsschutzorganisation "Butterfly Conservation" ist mit rund 12.000 Mitgliedern die grĂ¶ĂŸte ihrer Art in Europa und hat mit Sir David Attenborough, einem britischen Dokumentarfilmer, einen PrĂ€sidenten mit hohem Bekanntheitsgrad und viel Einfluss.

"Bei uns gibt es einen Ă€hnlich massiven RĂŒckgang wie in Großbritannien", vermutet Settele, "aber die Briten hatten im Gegensatz zu uns immer schon ein ausgeprĂ€gtes Faible fĂŒr die Naturbeobachtung."

Die Butterfly Conservation, die eng mit der Behörde fĂŒr Artenvielfalt zusammenarbeitet, beteiligt sich sogar an der Verleihung eines Preises, des "Marsh Lepidoptera Conservation Award". Der PreistrĂ€ger des vergangenen Jahres war - das Verteidigungsministerium in London. Die StreitkrĂ€fte hatten Teile von TruppenĂŒbungsplĂ€tzen fĂŒr Panzer und Soldaten gesperrt, mit KrĂ€utern und GrĂ€sern bepflanzt und somit als Schutzgebiet fĂŒr Schmetterlinge eingerichtet. In Deutschland undenkbar?

Immerhin könne jeder im Kleinen etwas fĂŒr die Vielfalt der Tagfalter tun, sagt Biologe Feldmann: "Weg mit dem englischen Rasen im Garten, eine bunte Blumenwiese als Nektarquelle wachsen lassen, nicht dĂŒngen, nicht spritzen und statt Thuja-Hecken oder Ă€hnlichen Exoten am besten heimische Pflanzen setzen."



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Darius
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#2 RE: Artenvielfalt

Beitrag von Darius » 16. Juni 2006, 10:28

Ich glaube nicht, dass der Artenschwund bis 2010 gestoppt wird. Schon alleine die Politik neigt sich stark in eine andere Richtung. So sollen in nĂ€chster Zeit noch mehr genmanipulierte Pflanzen angebaut werden, was starke SchĂ€den in der Flora Deutschlands und damit auch fĂŒr die Schmetterlinge verursachen wird. Die genmanipulierten Pflanzen sollen nicht so anfĂ€llig auf ihre natĂŒrlichen Fressfeinde sein und dadurch höhere ErtrĂ€ge einbringen. Doch ĂŒber die FolgeschĂ€den machen sich die wenigsten Politiker einen Kopf. Die Pflanzen breiten sich nun ungehindert aus, nicht nur auf den Äckern, auch an anderen Orten werden sie dank ihrer schĂŒtzenden Genmanipulation heimisch. So verfĂ€lschen sie durch ihre Ausbreitung auf lange sicht die Flora Deutschlands und verdrĂ€ngen andere Arten, die fĂŒr Tiere wie die extrem empfindlichen Schmertterlinge ĂŒberlebenswichtig sind. Das ist sicher nur ein trauriges Beispiel dafĂŒr, dass es nicht wirklich vorangehen wird. Man sollte bedenken, dass nicht nur in Deutschland genmanipulierte Pflanzen angebaut werden und diese auch in anderen LĂ€ndern große SchĂ€den anrichten.

GrĂŒsse, Darius



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MainMan
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#3

Beitrag von MainMan » 16. Juni 2006, 20:12

Wer noch mehr ĂŒber Schmetterlinge und ihre Raupen wissen möchte und vielleicht gerne wissen möchte was aus einer gefundenen Raupe fĂŒr ein schöner Falter wird, der kann sich auf dieser Seite mehr InfoÂŽs holen!

http://www.schmetterling-raupe.de


Gruß MainMan



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Attafive
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#4 Auch Ameisen . . .

Beitrag von Attafive » 2. Juli 2006, 13:10

Hallo zusammen !!!

Zu diesem interessanten Beitrag von Scherge (Danke Dir dafĂŒr !) kann vielleicht noch ergĂ€nzt werden, dass es gerade die EnglĂ€nder waren, die schon vor einiger Zeit auch auf das BlĂ€ulings-Problem aufmerksam gemacht hatten. Inzwischen erkannte man ja auch in Deutrschland dieses Problem. Und eine Gruppe um die Uni Dresden befasst sich in einer gross angelegten Studie mit diesem Thema in Deutschland.

Uebrigens hat bereits Xylo am 09-11-2004 unter dem Titel "BlÀulinge und Ameisen" auf einen lesenswerten wichtigen Beitrag zu diesem Thema bekannt gemacht, der im Original von Markus Kappeler verfasst, in der WWF Conservationb Stamp Collection, Groth AG in UnterÀgeri (Schweiz) erschien. Nachzulesen ist der Beitrag unter: www.markuskappeler.ch

Aber auch Ameisen sind bedroht !

Bereits 1996 veröffentlichte Gerd Bauschmann (Wetzlar) et al. (darunter auch Prof. A. Buschinger !) eine "Rote Liste der Ameisen Hessens", herausgegeben vom Hessischen Ministerium des Innern fĂŒr Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, Referat Presse und Oeffentlichkeitsarbeit, Friedrich- Ebert-Allee 12, 65185 Wiesbaden.

Schon damals wurden Epimyrma ravouxi und Lasius bicornis als ausgestorben oder verschollen gemeldet.

Vom "Aussterben bedroht" wurden damals bereits zehn Ameisenarten registriert ! Es sind dies:

Messor structor, Lepothorax tuberointerruptus, Harpagoxenus sublaevis, Dolichoderus quadripunctatus, Plagioleps vindobonensis, Camponotus vagus, C. falax, C. piceus, C. truncatus und Polyergus rufescens.

Und weitere zwölf Arten werden als "stark gefÀhrdet" aufgelistet !

Hinweis: Insbesondere durch den "neuen" SEIFERT (1996) mĂŒssen die Ă€lteren Bestimmungs-SchlĂŒssel, die bei der Bearbeitung der "Roten Liste" zu Grunde lagen, zumindest als "teilweise unbrauchbar" angesehen werden. Ich werde versuchen, bei Zeit und Gelegenheit eine Revision der hier aufgelisteten Arten nach Bolton zu erarbeiten.

GefÀhrdungsursachen bei den Ameisen:

Neben den sozialparasitischen Ameisen, die ja bekanntlich meist höhere ökologische AnsprĂŒche stellen, sind vor allem solche Ameisenarten gefĂ€hrdet, die sowohl auf sogenannt feuchte Standorte, wie beispielsweise Hoch- und Niedermoore, oder auch trockene Standorte, wie Trocken- und Halbtrockenrasen, angewiesen sind.

Hier spielt neben der vorsÀtzlichen Biotopzerstörung auch die zunehmende Eutrophierung ("Verschmutzung";) aus der Luft eine nicht unwesentiche Rolle. Aber auch sehr gravierend wirkt sich die Vernichtung von sogenannten Kleinstrukturen, wie Hecken, AltholzbestÀnden usw. auf die Ameisen aus, da damit reale und potentielle Nistmöglichkeiten und damit auch LebensstÀtten verloren gehen.

Bei den derzeit wenig gefÀhrdeten Ameisenarten handelt es sich um solche, die sich durch ein hohes Anpassungsspektrum charaktersieren lassen.

Edit: In der "Roten Listen" von Bauschman et al. werden fĂŒr Hessen 83 Ameisenarten aufgelistet. Im Seifert dagegen sind nur 79 Arten vermerkt, davon wird allerdings fĂŒr 10 Arten zwar ein Vorkommen als "sehr wahrscheinlich" erklĂ€rt, aber noch lag ihm 1996 kein Nachweis dafĂŒr vor.

Soweit meine ErgÀnzung zum Thema, das uns meines Erachtens fast so interessieren sollte wie die Ameisenhaltung im Formikar !!!

Schöne GrĂŒsse

Ryk



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