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Kokonpuppen und Nacktpuppen

Berichte, Erfahrungen, Beobachtungen aus der Natur
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Boro
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#9 AW: Kokonpuppen und Nacktpuppen

Beitrag von Boro » 17. Juli 2012, 14:28

Danke fĂŒr den Hinweis auf den tollen Fotobericht!
Die Bilder zeigen, dass solche Nacktpuppen in Formica fusca-Nestern tatsÀchlich hÀufig vorkommen.
Ich vermute du beziehst dich auf Bild Nr. 17, das Bild lĂ€sst sich nur wenig vergrĂ¶ĂŸern, kannst du viell. noch einen vergrĂ¶ĂŸertenn Ausschnitt hier einfĂŒgen, der deutlich zeigt, dass es sich um Nacktpuppen v. Geschlechtstieren handelt? Denn darum geht es ja bei "diese Nacktpuppen"!
L.G.Boro



PHiL
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#10 AW: Kokonpuppen und Nacktpuppen

Beitrag von PHiL » 17. Juli 2012, 19:22

Hallo Boro,

ich habe auch ein paar Anmerkungen zu dem Thema. Warum manche Arten Nacktpuppen hervorbringen, und andere nicht, ist ein großes RĂ€tsel.
Alle Dolichoderinen und Myrmicinen besitzen Nacktpuppen, mir ist da keine einzige Ausnahme bekannt. Die Formicinen sind besonders interessant, weil es Arten gibt, die scheinbar ausschließlich Kokonpuppen produzieren, andere die ausschließlich Nacktpuppen besitzen und wiederum einige bei denen Beides auftritt.
GrundsÀtzlich wichtig ist die Frage, ob die Larven einfach das Bespinnen sein lassen und nie einen Kokon gehabt haben, oder ob der Kokon erst spÀter von Arbeiterinnen entfernt wird.

Wie schon genannt wurde sind bei Serviformica Nacktpuppen fast schon die Regel. Übrigens nicht nur bei Formica fusca, auch in den meisten Nestern von F. rufibarbis und F. cunicularia hier in meiner Gegend finde ich Nacktpuppen. Bei Lasius sind Nacktpuppen sehr selten, und treten meinen bisherigen Erfahrungen fast nur in der Haltung auf. Ich kann mich nur an ein einziges Lasius-Nest mit Nacktpuppen in der Natur erinnern, ich glaube es hat sich um Lasius psammophilus gehandelt. In dem besagten Nest gab es soweit ich mich erinnere nur Nacktpuppen. Hier ein Bild:

Bild


Zu den Formicinen, wo gar keine Nacktpuppen existieren, gehört z.B. Oecophylla smaragdina, außerdem habe ich in Thailand eine hĂŒbsche Polyrhachis sp. gefunden, die auch nur Nacktpuppen besaß:

Bild

Außerdem gibt es bei einigen Camponotus-Arten auch Nacktpuppen. Beispielsweise bei Camponotus truncatus, bei der ich noch nie Kokonpuppen aufgefunden habe. Übrigens auch sehr interessant, Pseudomyrmecinen besitzen Nacktpuppen, ihre Verwandten der Myrmeciinae hingegen ausschließlich Nacktpuppen. Andreas Schulz hat mir gegenĂŒber mal die Theorie geĂ€ußert, dass Nacktpuppen in den beschrĂ€nkten Lebensraum in kleinen Ästen u.Ă€. praktischer zu hĂ€ndeln sind als Kokonpuppen, und daher arboricol lebende Arten eher Nacktpuppen haben. Es gibt allerdings auch diverse Beispiele wo das nicht der Fall ist (wobei diese hingegen wieder evolutionsbiologisch gesehen möglicherweise erst seit einem kĂŒrzeren Zeitraum auf BĂ€umen leben).

Jedenfalls erscheint es mir, gibt es fĂŒr die Ameisen wohl keinen entscheidenden Unterschied bzw. nur einen minimalen zwischen Kokon- und Nacktpuppen, sonst hĂ€tte ein Selektionsdruck schon lĂ€ngst fĂŒr eine eindeutigere "Aufteilung" gesorgt.

GrĂŒĂŸe, Phil



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Boro
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#11 AW: Kokonpuppen und Nacktpuppen

Beitrag von Boro » 17. Juli 2012, 21:22

Hallo PHiL!
Danke fĂŒr deine Stellungnahme u. die Bilder! Bei Lasius spp. hab ich bis heute noch nie Nacktpuppen gesehen (das erste Bild oben ist da eine Ausnahme, Stichwort Plastikrohr!!). Bei L. psammophilus, mit denen ich mich gerade in einem Thread auseinandergesetzt habe, konnte ich trotz inzw. zahlloser (vorsichtig) geöffneter Nester noch nie Nacktpuppen feststellen. Aber Ausnahmen bestĂ€tigen eben die Regel....
Dass deine geliebten Camponotus truncatus Nacktpuppen besitzen, ist eine bekannte Ausnahme. Das ist einer der GrĂŒnde, warum es auch Fachleute gibt, die Colobopsis als eigene Gattung sehen.
Bei deiner Poyarchis sp. mit Nacktpuppen mĂŒsste man auch erst nachprĂŒfen, ob nur das eine Nest diese Puppenform hatte od. ob viell. die Art an sich Nacktpuppen aufweist. Das ist ein weiteres Beispiel, dass bei den Formicinae mitunter Nacktpuppen vorkommen können.
Das Argument, dass möglicherweise arboricole Arten eher zu Nacktpuppen neigen, klingt interessant, ja, wenn es nicht so viele Gegenbeispiele gÀbe!
Ich sehe bisher nur folgende GesetzmĂ€ĂŸigkeiten:
1. Die Myrmicinae besitzen als reife Larven offensichtlich nicht die FÀhigkeit (viell. fehlen die Voraussetzungen dazu) SpinnfÀden zu produzieren.
2. Die Larven der Formicinae besitzen in der Regel die "techn." Voraussetzungen fĂŒr die Produktion von SpinnfĂ€den fĂŒr die Kokonbildung. In den allermeisten FĂ€llen setzen die Larven diese FĂ€higkeit auch ein. Unter gewissen UmstĂ€nden (Temp., Feuchtigkeit...?) verzichten die Larven bei nur wenigen Arten (temporĂ€r?) auf das Einspinnen.

Ob jetzt evolutionsbiologisch zuerst der Kokon stand und sich erst spĂ€ter die FĂ€higkeit zur Einspinnung zurĂŒckgebildet hat od. ob es genau umgekehrt war, weiß ich nicht. Ob die als Urameisen geltenden Ponerinae irgendwelche RĂŒckschlĂŒsse zulassen?

Nicht uninteressant erscheint hier die Tatsache, dass unsere sozialen Wespen als Verwandte der Ameisen mit gemeinsamen Wurzeln alle ĂŒber die FĂ€higkeit des Einspinnens verfĂŒgen; auch wenn sie nur den Zelldeckel spinnen.
L.G.Boro



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Boro
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#12 AW: Kokonpuppen und Nacktpuppen

Beitrag von Boro » 19. Juli 2012, 10:28

Ein Experte hat mir jetzt eine Klarstellung zu unserem Problem gepostet, die ich hier kurz zusammenfasse:
1. Spinnvermögen und Kokonbildung gelten bei Ameisen phylogenetisch als urspr. Zustand.
2. Formicinen gelten daher als ursprĂŒnglicher im Vergleich zu Dolichoderinen und Myrmicinen. Letztere haben nie Kokons!
3. Die Ursachen fĂŒr den Verlust der Kokonbildung sind nicht eindeutig geklĂ€rt.
4. Ob es in der Natur bei Serviformica spp. auch Nacktpuppen v. Geschlechtstieren gibt, ist nicht geklÀrt!

Kommentar v. Boro:
a. Die bereits weiter oben angedeutet, könnte ich mir vorstellen, dass die Einsprarung v. Kokons einer Energieersparnis gleichkommt. Kokons scheinen fĂŒr am Boden bzw. im Holz lebende Arten nicht unbedint notwendig.
b. Kokons v. Geschlechtieren der Serviformica spp. sind meines Wissens bislang in der Natur nicht bewiesen.
L.G.Boro



chekucherapasq
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#13 AW: Kokonpuppen und Nacktpuppen

Beitrag von chekucherapasq » 1. August 2012, 22:08

Boro hat geschrieben:Jeder Halter freut sich, wenn bei der Brut seiner Ameisen endlich das Verpuppungsstadium eintritt; dann sind die gröbsten Schwierigkeiten ĂŒberstanden und man darf bald auf Nachwuchs hoffen!
Als Faustregel gilt, dass Myrmicinae (Knotenameisen) und Dolichoderinae (DrĂŒsenameisen) bei der Verpuppung keinen Kokon ausbilden, aber die reifen Larven der Formicinae (Schuppenameisen) einen Kokon spinnen. Die Larven ĂŒbernehmen das Einspinnen selbsttĂ€tig mit Hilfe eines Spinnfadens aus der MandibulardrĂŒse. Besonders schön kann man einen Ă€hnlichen Vorgang ĂŒbrigens bei den verwandten Wespen studieren: Der Zelldeckel wird ebenfalls mit einem Spinnfaden gesponnen.
Man muss davon ausgehen, dass die FÀhigkeit bzw. UnfÀhigkeit einen Kokon zu spinnen genetisch festgelegt ist. Prinzipiell scheint ein vorhandener Kokon ein relativ guter Schutz gegen Verletzungen, Parasiten und Pilzbefall zu sein.
In der Haltung (vor allem im Reagenzglas) wird öfter berichtet, dass bei Arten, die normalerweise einen Kokon ausbilden, dieser gĂ€nzlich od. teilweise fehlt. Dieser Umstand wird auf das Fehlen eines geeigneten, feinkörnigen Bodensubstrates zurĂŒckgefĂŒhrt, an dem die Larven ihr Gespinst "anhaften" können. Aber auch im Freien kann dieser Zustand mitunter auftreten, wie ich vor einigen Jahren (noch mit der alten Kamera) dokumentieren konnte:
1. Ein Lasius niger-Nest befand sich im Hohlraum eines Plastikrohres, wo das notwendige Substrat als Voraussetzung fĂŒr die Verspinnung weitgehend fehlte. Einige fast reife Nacktpuppen sind zu erkennen:
Bild

2. Bei Serviformica spp. kommen neben den obligaten Kokonpuppen auch Nacktpuppen im gleichen Nest vor. Insbesondere bei Formica fusca ist das hĂ€ufig, man kann fast sagen, dass es die Regel ist. Hier sehen wir ein Nest mit ganz ĂŒberwiegend Nacktpuppen;
Bild

3. In 1 m Entfernung ein Nest mit vorwiegend Kokonpuppen. Auffallend ist auch die fast immer stattfindende Trennung: Nacktpuppen und Larven werden von Kokonpuppen seperiert. Einen Sinn dieser Maßnahme kann man nicht erkennen, es handelt sich um die selbe Nistkammer. Unterschiedliche AnsprĂŒche an Temperatur, Nest- od. Luftfeuchtigkeit sind in diesem Fall auszuschließen.
Bild

4. Wieder in geringer Distanz ein kleines Nest unter einem flachen Stein: Hier sind Nacktpuppen u. Kokonpuppen nicht getrennt. Es kann auch an den beengten rÀumlichen VerhÀltnissen liegen.
Bild

5. Im Lauf der Jahre habe ich unzĂ€hlige Nester v. F. fusca (vorsichtig) geöffnet, aber noch nie ein Geschlechtstier als Nacktpuppe gesehen. Die Geschlechtstiere sind damit offensichtlich "besser" geschĂŒtzt.
Bild

FĂŒr mich bleiben 2 Fragen offen:
1. Wieso gibt es bei Geschlechtstieren nie Nacktpuppen?
2. Wieso treten bei F. fusca (Formicinae!) hÀufig auch Nacktpuppen auf? Liegt hier ein genetischer Defekt vor? Hat im Zuge der Evolution die "Umstellung" etwa von Nacktpuppen auf Kokonpuppen nicht funktioniert
(oder umgekehrt)?
Die oben gezeigten Bilder stammen alle aus dem selben Habitat, die gleichen BodenverhÀltnisse, das gleiche Klima und Mikroklima! Die AbstÀnde zw. den Nestern betragen jeweils nur einige Meter od. weniger.

Auch bei Formica s. str. sollen hin und wieder Nacktpuppen vorkommen. Zum Abschluss zeige ich noch ein jĂŒngeres Formica (Raptiformica) sanguinea X F. fusca-Nest. Es handelt sich um ein Unter-Stein-Nest aus einer anderen Gegend. Es gibt nur Kokonpuppen. Auch das Vorhandensein von Formica fusca-Puppen ist als Folge eines Raubzuges v. F. sanguinea nicht auszuschließen:
Bild

Es könnte sich hier auch eine Diskussion ergeben....
L.G.Boro

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