Moin,

ich möchte hier mal das Thema Aussetzen der Winterruhe ansprechen. Mir ist klar, dass bei einheimischen Arten, die einen endogenen Rhytmus haben, eigentlich stark davon abzuraten ist.

Zum Ursprung meines Interesses zu diesem Thema:
Ich habe im Sommer eine Lasius niger Gyne eingesammelt und gründen lassen. Sie hat aktuell 4 Arbeiterinnen, 2 Puppen und einige Larven & Eier.
Eigentlich wollte ich alles richtig machen, und sie zeitgemäß in die Winterruhe schicken. Da ich aber die Temperatur nicht rechtzeitig abgesenkt habe und sich immer wieder Larven verpuppen, ist dies bisher nicht geschehen. Nun bin ich am überlegen, ob ich sie überhaupt noch in Winterruhe schicke. Was hab ich schon zu verlieren, im schlimmsten Fall eine Jungkolonie Lasius niger aber die lässt sich ersetzen (klingt gemein aber gibt schlimmeres).
Ich dachte mir, mach ich halt ein "Experiment" draus, und schaue wie sie sich ohne Winterruhe entwickeln.
Ich denke mal irgendwann wird der endogene Rhytmus durchkommen und die Entwicklung gerät ins Stocken. Wann ich damit zu rechnen habe weiß ich nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass es sich erst relativ spät bemerkbar macht. Dass sie durch die fehlende Winterruhe sterben denke ich nicht, sie kommen halt aus dem Rhytmus und gut wird ihnen das wahrscheinlich nicht tun. Die Frage ist, wie sehr ich das Koloniewachstum bzw. die Entwicklung dadurch beeinträchtige oder ob sie sich evtl. wider Erwarten gut entwickeln.

Wenn jemand Erfahrungen mit ausgesetzter oder stark verkürzter Winterruhe bei einer mitteleuropäischen Art hat, wäre ich über Infos erfreut. Auch Links zu Informationen zB. Erfahrungsberichten zum Thema dürft ihr mir gerne zukommen lassen.

Dieser Thread dient der Diskussion. Ich bin selbst noch unschlüssig, ob ich die Winterruhe tatsächlich ganz aussetze, oder ich sie verspätet einwintere und die Winterruhe dann evtl. entsprechend verkürze.
Ich möchte niemandem zum Aussetzen der Winterruhe raten. Wenn man nur das beste für seine Kolonie will, hält man sich an den Natürlichen Rhytmus, an den sie seit Millionen von Jahren gewohnt sind.
Mich interessiert nur, ob sie sich auch ein Jahr oder gar dauerhaft ohne absenken der Temperatur im Winter halbwegs gut entwickeln.

Ich hoffe auf eine konstruktive Diskussion.

LG Number

Da gab es natürlich schon div. Versuche und Erfahrungen

Falls du noch nicht kennst wäre z.B. hier ein Bericht von Erne:
https://ameiseninfos.de/html/lasius_o__winterruhe.html

Eine von mehreren Diskussionen dazu:
lasius-niger-ohne-winterruhe-t57310.html

Aussetzen der Winterruhe und mögliche Folgen lässt sich noch ergänzen mit Haltung einheimischer Arten und mögliche Folgen.
Die Art Lasius niger, vielfach als robust und einfach zu halten beschrieben.
Andererseits Berichte wo nicht mal die Gründung funktioniert hat oder nach 2 Jahren keine hundert Arbeiterinnen vorhanden waren.
Wer beurteilt oder kann beurteilen ob beschriebene Entwicklungen von Lasius niger in der Haltung gut verlaufen, auch mit dem Hintergrund das sich gute Zuwachsraten ergeben und Winterruhen eingehalten wurden?
Möglichweise bekommt diese Art in der Natur noch viel mehr hin und die Haltung ist demnach doch nicht so gut/optimal wie sie bewertet wird.
Als Anhaltspunkt ein Denkansatz.
Lasius niger ziehen bei guter Haltung, nach ein paar Jahren Jungköniginnen auf, wo das nicht der Fall ist sind die Haltungsbedingungen nicht passend und die Entwicklung nicht optimal.
Davon ist in Haltungsberichten so gut wie nichts nach zu lesen.

Weiter kommt hinzu, das Lasius niger selten bis gar nicht so lange gehalten werden, um Spätentwicklungen beobachten zu können.

Wie werden überhaupt Entwicklungen eingeschätzt, kommen dabei nicht die unterschiedlichsten Bewertungskriterien zum Tragen, stark beeinflusst durch den Erfahrungsgrad der Halter?

Für mich ist es nicht mal möglich, vernünftige Bewertungen von einheimischen Arten nach zu lesen, wo versucht wird diese mit passenden Winterruhen zu halten, zu unterschiedlich Haltungen und Beschreibungen.

Grüße Wolfgang

Moin,

danke für die Infos, vor allem der Bericht von Erne war sehr aufschlussreich. Ich mache eine mögliche Winterruhe jetzt von Ihrer Entwicklung abhängig. Bisher sind sie im Sommermodus, mal schauen wie lange noch.

LG

Diesbezüglich läuft schon ein Großversuch namens Klimawandel
Im letzten Winter hatten wir hier in Potsdam keine Minusgrade und nicht eine Schneeflocke. Ich konnte auch zwischen Dezember und Februar immer mal eine furagierende Ameise (Lasius niger) und jede Menge (Futter-)Insekten sehen.

Vielleicht hast du eher Erfolg, wenn du die Winterruhe nicht komplett auslässt, sondern sie mit jedem Jahr etwas verringerst, damit sie sich allmählich anpassen können.

Lacy hat geschrieben: ↑

3. November 2020, 10:15

Vielleicht hast du eher Erfolg, wenn du die Winterruhe nicht komplett auslässt, sondern sie mit jedem Jahr etwas verringerst, damit sie sich allmählich anpassen können.

Die Anpassung einer Population an bestimmte Standortbedingungen (nicht zu verwechseln mit Akklimatisation) sind genetisch festgeschrieben bzw. entstehen durch natürliche Mutation und Selektion - also über viele Generationen. Du kannst mitnichten eine Kolonie an den Wegfall der Winterruhe "gewöhnen".

Stimmt, hast recht
Ich war in Gedanken bei Süßwasseralgen, die ich an Brackwasser gewöhnt habe.

Bei so einfach gestrickten Organismen geht das sicher. Rapide Zellteilung und andersartige Organellen ermöglichen so etwas.