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Diskussion über die Arbeitsleistung bzw. Arbeitspotential bei Ameisen

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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chrizzy
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#1 Diskussion über die Arbeitsleistung bzw. Arbeitspotential bei Ameisen

Beitrag von chrizzy » 27. November 2008, 18:55

Hallo Leute,

in letzter Zeit habe ich öfter das Argumente wie die Folgenden gelesen:

Zitat Schildkroet:
Ausserdem gehe ich davon aus, das oblivion eine relativ kleine Kolonie in diesem Nest halten wird, da er zu den Einsteigern gehört. Wenige Arbeiterinnen bedeuten auch ein geringeres Arbeitspotenzial, welches in einem noch nicht vorhandenen Nest zum Teil in den Aushub gesteckt werden muss! Es ist mir schon klar, dass die Larven teilweise bestimmter Arten z.B. auch durch Botenstoffe auf sich aufmerksam machen, aber dennoch ist eine höhere Anzahl von Arbeiterinnen zur Brutpflege und Nahrungsbeschaffung verfügbar, wenn das Nest bereits fertig ist!

Zitat Swagman:

Ich finde ja Möglichkeit 5 am aller besten, da brauchen die Ameisen nur noch die Suppe aufschlürfen und haben keine Arbeit mehr. Da können sie richtig Energie sparen und sich mehr um die Brut kümmern.

Zwischen den Zeilen kommt für mich dabei heraus: Die Halter wollen den Ameisen scheinbar das Leben erleichtern bzw. machen sich "Sorgen", dass die Ameisen ihr Arbeitspotential für "unwichtigere Dinge" verschwende, wenn sie es in wichtigeres stecken könnten.

Meine Meinung zu diesem Thema: Lasst die Ameisen machen! ;)

Ich denke, die Ameisen - selbst kleine Kolonien - können recht gut selbst entscheiden, wann sie wofür wie viel Arbeitskraft von ihrem gesampten Arbeitspotential aufbringen. Ich denke, hier sollte sich keiner Sorgen machen müssen, dass die Brut unterversorgt oder schlechter versorgt wird, nur weil zB die Arbeiterinnen mit dem Zerlegen von Beute oder dem Ausbau eines Nestes beschäftigt sind.

Das gesamte Arbeitspotential teilt sich ja auf verschiedene Aufgaben auf, für jede dieser Aufgaben wird also eine gewisse Arbeitskraft eingesetzt, die jedoch nicht immer gleich ist, sonder stark varriert. Deshalb haben die Ameisen hier eine recht wirksame Strategie: Je nachdem, wie dringend etwas gerade gebraucht wird, so wird dann die Arbeitskraft eingesetzt (deshalb sind wenn die Kolonie Hunger hat, ja mehr Arbeiterinnen auf Nahrungssuche, als wenn die Kolonie satt ist).


...
Wie aus den Beispielen gut zu erkennen ist, werden alle Verhaltensmuster in einer Ameisenkolonie durch Reize und Reizschwellen gesteuert. Reize kann praktisch jedes Individuum in einer Kolonie aussenden, sei es Larve, Puppe, Königin oder Arbeiterin. Selbst Eier senden Reize aus, auch wenn es wohl nur der fixe Reiz "Leck mich und bring mich in die Eierkammer" ist.
Die Reize werden dann wiederum von jeder Ameise ausgewertet und bewertet, und erst bei Ãœberschreiten der eigenen, individuellen Reizschwelle, die wiederum von anderen Reizen und auch der gerade bevorzugten Aufgabe beeinflusst/verschoben ist, entscheidet dich die Ameise direkt zu agieren, den Reiz weiterzuleiten oder gar nichts zu machen.
Nehmen wir als Beispiel die Reize "Larve füttern" und "Futter suchen". Nehmen wir ein fiktives Punktesystem an mit 0 bis 10, welches für die Reizschwelle steht. ( Reizschwelle 0=wird automatisch erledigt, Reizschwelle 10= wird erst bei extrem großen Reiz erledigt).
Die Larvenpflegerinnen haben jetzt bei Reiz "Futter suchen" eine Schwelle von 10, bei "Larven füttern" von 0, denn die sind ja primär fuer die Brutpflege zuständig, nicht fuer den Außendienst. Die Aussendienstlerinnen jedoch haben ihre Reizschwellen dazu konträr. Wird jetzt eine Larvenpflegerin von 1 Arbeiterin (=1Punkt) zum Futtereintragen beworben, wird sie der Werberin was husten, denn Ihre individuelle Schwelle ist nicht erreicht. Wenn sie aber jetzt von 10 Arbeiterinnen angenörgelt wird, weil keine anderen Arbeiterinnen zur Verfügung stehen, wird sie diese Aufgabe sofort erledigen, denn ihre Reizschwelle ist erreicht. Außendienstlerinnen jedoch werden der Werbung einer einzelnen Arbeiterin folgen, jedoch erstmal eine bettelnde Larve zur Seite schieben... ganz nach ihrer eigenen Reizschwelle.


Noch etwas vereinfacht und geändert (mit anschließender Frage): Eine kleine Lasius niger Kolonie hat 10 Arbeiterinnen (diese stellen das gesamte vorhandene Arbeitspotential dar), und zur Vereinfachung 3 Aufgaben zu erledigen: Nahrungsbeschaffung- und Aufnahme, Pflege von Brut und Königin und Ausbau des neuen Nestes. "Normalerweise" sind 2 Arbeiterinnen mit der Nahrung beschäftigt, 3 Arbeiterinnen bauen das Nest aus und 3 Arbeiterinnen kümmern sich um die Brut, während 2 ihrer Schwestern ruhen.
Je nachdem, wie dringend eine Aufgabe jetzt erledigt werden muss (müssen jetzt dringend die Puppen umgelagert werden, will die Königin ein Eis am Stiel, hat die Kolonie Hunger oder muss jetzt endlich das neue Nest fertig werden) wird die Arbeitskraft von den Arbeiterinnen so hin und her verschoben, das alle Aufgaben erledigt werden können.

Jetzt eine interessante Frage: Wenn eine dieser Aufgaben wegfällt, wird die Arbeitskraft dann automatisch für eine andere Aufgabe verwendet? Wird (jetzt sind wir wieder beim ersten Beispiel mit den Reizen) die für das Futter beauftragte Arbeiterin nur, weil da gerade nix zu machen ist, deshalb die Brut pflegen?

Fall 1): Ja, das wäre denkbar. Und da sehe ich das Problem des "Überpflegens". Die Brut braucht nicht mehr Pflege, als durch die Innendienstarbeiterinnen, die sowieso schon zuständig sind, ausgeführt werden kann (wenn doch, dann werden eben Arbeiterinnen aus dem Außendienst dafür abgezogen). Ob es so förderlich ist, wenn jetzt deutlich mehr Arbeiterinnen "nix zu tun" (gefährliche Formulierung, aber ich lasse sie jetzt mal so stehen) haben und deshalb zusätzlich an der Brut bzw. der Königin rumzerren?

Der User Sahal hat beispielsweise berichtet, das durch zu kurze Futterwege und eine Unterbeschäftigung der Tiere, die Könignnen sowie die Arbeiterinnen "überpflegt" wurden, was negative Auswirkungen (Brutausfall? Kann mich nicht mehr erinnern) zur Folge hat. Ich suche gerade verzweifelt mithilfe der Suchfunktion entsprechende Beiträge von ihm -.-

Das eine "überpflege" positive Effekte hat, wage ich zu bezweifeln. Wenn die Larve nicht mehr braucht, als sowieso schon erledigt wird (wie schon gesagt: wenn mehr Arbeitskraft benötigt werden würde, würde diese von anderen Aufgaben abgezogen), wird dadurch meiner Auffassung nach kaum ein positiver Effekt eintreten (Beispiel: Wenn man eine Körperstelle vor einem Nadelstich mit ausreichend Desinfektionsmittel bestreicht, so dass alle bösartigen Bakterien tot sind, ist es sinnlos, die Körperstelle noch ein zweites Mal mit Desinfektionsmittel zu bestreichen - die Bakterien sind ja schon tot, doppelt hält hier nicht besser, sondern maximal gleich^^. Blödes Beispiel, aber ist mir spontan eingefallen^^)

Fall 2): Selbst wenn die Arbeiterinnen nicht direkt ihre Arbeitskraft in die Brut steckt tritt kein positiver/negativer Effekt auf, die Arbeiterin macht halt "nix" (wieder diese gefählriche Formulierung^^) in der Richtung.


Fazit meiner langen und abschweifenden Ausführungen: Man sollte sich mMn keine Sorgen darüber machen, das die Ameisen der Arbeit nicht hinterher kommen od. ein positiver Effekt eintritt, wenn sie es nicht müssen. Von Natur aus müssen die Tierchen selbst bei kleineren Kolonien die anfallenden Aufgaben (die vermutlich sowieso schon mehr Arbeitskraft benötigen als in der Haltung) alle bestmöglich erledigen können, und scheinbar können sie das auch. Ich sehe viel eher die Gefahr einer Unterbeschäftigung und damit einer eventuellen überpflege der Brut/Königin.

Tja, wie seht ihr das? Mich würden zu diesem Thema auch Quellenhinweise, die meine Ausführungen widerlegen (bzw. die ganz oben im Thread verlinkten Aussagen bestätigen), interessieren...

lg, chrizzy



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Schildkroet
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#2 AW: Diskussion über die Arbeitsleistung bzw. Arbeitspotential bei Ameisen

Beitrag von Schildkroet » 27. November 2008, 19:49

Nabend!

Da ich hier zitiert wurde, möchte ich mich entsprechend auch zu Wort melden:
In der Ameisenhaltung versucht man im Prinzip eine Kolonie zum optimalen Wachstum zu führen, denn ansonsten könnte man ihnen einen Klumpen Erde vorsetzen und sie machen lassen, denn gewissermaßen sind sie ja ohnehin Überlebenskünster!

Die Geschichte mit dem Arbeitspotential greift in meinen Augen am ehesten bei kleinen Kolonien, welche beispielsweise gerne einmal den Müll im Nest lassen, da es "wichtigeres" zu tun gibt oder der zuviel Platz vorhanden ist, und es leichter fällt den Müll nicht weit von Nest weg zu tragen.

Geht man von deinem Punkt aus, "Lasst die Ameisen machen", dürfte kein Nest vorgefertigt werden, kein Insekt fertig abgekocht und zerschnitten angeboten werden und keine Hilfestellungen bei Problemen die in der Kolonie auftreten (Milbenbefall, extremes Brutsterben, etc.).

Meine Meinung: Man muss das Ganze in Relation betrachten! Man kann dieses Thema in zwei Richtungen überspitzen. Das eine Prinzip ist die "Ameisen machen alles alleine", das andere das "wir helfen ihnen" Prinzip. Wer welches davon wann überwiegen lässt, ist gewissermaßen Eigeneinschätzung, doch bin ich der Meinung das das Beispiel eines nochnicht gefertigten Nestes aus dem Thema aus welchem ich zitiert wurde, in welchem Fall der Bau eines Nestes unnötig Arbeitspotenzial verbraucht, ungeeignet ist.
Ich denke alle Ameisenhalter wissen, dass die Tierchen fertige Nester durchaus zu schätzen wissen, weshalb sie ja auch umziehen, aber das gleichzusetzen mit einer Kolonie, die ihre Brut und Königin überpflegt weil es keine Aufgaben mehr gibt, ist in meinen Augen überspitzt!
Wie gesagt, es ist Eigeneinschätzung bei welchen Hürden man den Ameisen hilft und bei welchen nicht, denn man kann sich inetwa vorstellen welches Arbeitspotenzial in einer Kolonie steckt! Eine Kolonie mit 5 Individuen, vielleicht noch Pygmäen, lasse ich persönlich ungerne ein Nest ausheben, während die Königin bereits Eier legt und schon Larven vorhanden sind. Es kommt beispielweise bei einer Kolonie Gründung nicht ohne Grund zur Ausbildung der Pygmäen! Hier ist einfach nochnicht genug Arbeitspotenzial vorhanden, als das die Brut im eigentlichen Sinne versorgt werden kann!

Ich halte es auch für unnötig, hierbei Quellen aufzuzeigen ;) Ist in diesem Falle meine Meinung und in meinen Augen eine logische Schlussfolgerung, die nichts mit "Verhätscheln" oder "Arbeitsberaubung" einer Kolonie zutun hat! Es muss eben der Situation angepasst sein!

Wer anders Schlussfolgert, mag dieses gerne tun!
Ich möchte mit meinen Aussagen niemanden beleidigen oder als unschlau bezeichnen, weil er anderer Meinung ist!
Es ist einfach meine Eigeneinschätzung in Bezug auf das Arbeitspotential!

Freue mich aber das solche Themen zur Diskusion geführt werden, und nicht gleich in Form von schlechten Bewertungen denunziert werden!


___Schildkroet


<Eine eigene Meinung ist gut, sie weiter entwickeln zu können, ist besser>
eusozial.de

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#3 AW: Diskussion über die Arbeitsleistung bzw. Arbeitspotential bei Ameisen

Beitrag von Imago » 27. November 2008, 20:52

Hi chrizzy!

Ich habe in irgend einem Beitrag dieses "Problem" einmal erwähnt. Einige Zeit später hatte ich in einem Thread wieder darauf aufmerksam gemacht. Ich weiß nicht ob ich derjenige war, der nun diesen Stein ins Rollen gebracht hat, denn plötzlich hab ich es hier im Forum des öfteren gelesen! Jedoch habe ich mir folgendes bei dieser Aussage gedacht:

Meine Kolonie Camponotus ligniperda ist noch sehr klein Gründung in diesem Jahr, Gyne + 5 Arbeiterinnen (Pygmäen).

Dem zufolge bestreiten wir gerade den ihre erste Winterruhe, also muss ich aufgrund keiner praktische Erfahrungen mit etwaigen Verlusten rechnen.

Eventuelle Ausgangssituation:
Angenommen die Gyne bekommt nach der Winterruhe nur noch Unterstützung von 2 Pygmäen, da die Anderen es nicht geschafft haben durch die Winterruhe zu kommen, aus welchen Gründen auch immer. Ein paar Larven haben mit überwintert und haben auch den Frühling erreicht. Das Nest jedoch lässt nach der Winterruhe zu wünschen übrig, nehmen wir an das Nest muss z.B. aus hygienischen Gründen schnellst möglich aufgegeben werden, da es nicht mehr überlebensfördernd ist. Also muss zügig nach einem neuen Nest furagiert werden, Nahrung muss beschaffen werden, die Larven müssen bespeichelt werden und gefüttert, zu dem muss noch (da der Halter die Tiere "naturnah" halten möchte und im Formicarium keine andere Nestvariante zu erschließen ist) ein YTong-Nest voll Sand ausgeschachtet werden. Das Überleben der Königin ist natürlich auch noch zu sichern!

Ich fasse einmal zusammen:

1) Eine neue Nestmöglichkeit muss erschlossen werden!
Nach Nest furagieren

2) Nahrung muss beschaffen werden!
Nach Nahrung furagieren

3) Brutpflege!
Larven bespeicheln, Larven umlegen, Larven füttern

4) YTong ausschachten!
Neue Nestmöglichkeit erschließen

5) Überleben der Königin sichern!
Putzen, füttern etc.

Diese fünf Aufgaben sind direkt nach der Winterruhe zu erledigen, von 2 Pygmäen und einer Königin. Es sind alles übrlebensabhängige Aufgaben, die mit Sicherheit auch von der kleinen Kolonie bewältigt werden können, jedoch schadet meiner Meinung nach in solch einem Fall die Überlegung nicht, Vorkehrungen zu treffen, die diesen Prozess der Aufgabenbewältigung und dem verbundenen Stress (schließlich geht es ja um die Verantwortung und Gewährleistung, das Leben der Kolonie zu sichern) etwas zu verkürzen, oder zu erleichtern!

Ich denke man muss hier ganz klar unterscheiden, ob ich eine Kolonie halten, oder zu Grunde pflegen möchte.

Jede Münze hat ja bekanntlich zwei Seiten.

Gerade das Leben in einem Formicarium kann ich mir für die fleißigen Tiere durch aus bequem, langweilig sogar unterfordernt vorstellen, jedoch gibt es Hilfestellung zu den einfach ein gewisses Fingerspitzengefühl gehört.

Es ist einfach nur ein begrenztes Energiepotential vorhanden/abzurufen, welches es von den Tieren nun einmal geschickt gilt einzusetzen, ja sogar durch etwaige Hilfestellungen des Halters zu steuern gelingt!

Wenn ich das Gefühl habe, das Arbeitspotential übersteigt das Energiepotential der Kolonie und es müssen Opfer erbracht werden um diese Kolonie zu retten, wird dies mit Sicherheit duch den Verlust der Arbeiterinnen durch Stress entstehen. Die Brut wird (davon gehe ich aus) bis zum Stresstot der Arbeiterinnen gepfelgt!

Wenn ich ein 1000 Arbeiterinnen starkes Volk hab, sind diese Überlegungen hinfällig, einzelne Todesfälle, tut mir leid dieses jetzt mal so platt zu schreiben, fallen aber was das Energiepotential angeht, dann einfach nicht mehr auf.

Ich für mich weiß warum ich meine Nester bei einer jungen Kolonie vorfertige. Gerad bei Camponotus ligniperda bei denen es bei schlechten Bedingungen auch mal bis zu 3 Monate dauern kann, vom Ei bis zur Imago, da steckt eine Menge Energie dahinter die Aufgebracht werden musste!

FAZIT: Wenn das nötige Arbeitspotential langfristig höher ist als das vorhande Energiepotential hat die Kolonie keine Überlebenschance, oder mit Verlusten zu rechnen!

Eine Arbeiterin wird nicht an einem Nest bauen, wenn es gilt die Brut zu pflegen und diese vor z.B dem Austrocknungstot oder dem Hungertot zu bewahren, jedoch wird sie auch nicht die Brut pflegen, wenn es gilt das Nest aufgrund hygienischer Umstände schnellst möglich aufzugeben, tut sie es doch wird sie sterben, und somit evtl. die kleine Kolonie. Schimmeltot im RG!

LG Imago



chrizzy
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#4 AW: Diskussion über die Arbeitsleistung bzw. Arbeitspotential bei Ameisen

Beitrag von chrizzy » 30. November 2008, 21:53

Hallo,

sorry dass ich erst jetzt Antworte, aber hab im Moment wenig Zeit ;)

Freue mich aber das solche Themen zur Diskusion geführt werden, und nicht gleich in Form von schlechten Bewertungen denunziert werden!


Solche Sachen diskutiere ich generell aus, da ich mir nicht die Freiheit herausnehme, einfach zu behaupten, ich hätte recht und was der andere schreibt ist Müll ;). Insbesondere wenn ich sowas öfter von verschiedenen Haltern lese, muss ja irgendein Gedanke dahinter stecken. Auserdem macht mir diskutieren in dieser Art und Weise einfach zu viel Spaß *grins*

Ich arbeite mich mal einfach von vorne nach hinten durch, zuerst zu Schildkroet:


Die Geschichte mit dem Arbeitspotential greift in meinen Augen am ehesten bei kleinen Kolonien, welche beispielsweise gerne einmal den Müll im Nest lassen, da es "wichtigeres" zu tun gibt oder der zuviel Platz vorhanden ist, und es leichter fällt den Müll nicht weit von Nest weg zu tragen.


Wobei ich mir hier nicht sicher bin: Tragen sie den Müll nicht so weit weg, weil die Strecke zu weit ist, oder schlicht deshalb, weil sie den Teil (noch) nicht als Nest akzeptieren? Ich persönlich bin von letzterem überzeugt. In der Natur ist es idR ja auch so, dass die Ameisen das Nest selbst bauen, und es deshalb den Platzansprüchen besser gerecht wird als die gut gemeinten, aber sich hier wohl eher negativ auswirkenden XXXL-Nester der Halter.


Geht man von deinem Punkt aus, "Lasst die Ameisen machen", dürfte kein Nest vorgefertigt werden, kein Insekt fertig abgekocht und zerschnitten angeboten werden und keine Hilfestellungen bei Problemen die in der Kolonie auftreten (Milbenbefall, extremes Brutsterben, etc.).

Joa, das war auch eher auf die normalen Tätigkeiten bezogen. Zugegeben, war auch ein sehr unglücklich formulierter Satz. Das bei Problemen abhilfe geleistet werden sollten, ist für mich klar ;)


Meine Meinung: Man muss das Ganze in Relation betrachten! Man kann dieses Thema in zwei Richtungen überspitzen. Das eine Prinzip ist die "Ameisen machen alles alleine", das andere das "wir helfen ihnen" Prinzip. Wer welches davon wann überwiegen lässt, ist gewissermaßen Eigeneinschätzung, doch bin ich der Meinung das das Beispiel eines nochnicht gefertigten Nestes aus dem Thema aus welchem ich zitiert wurde, in welchem Fall der Bau eines Nestes unnötig Arbeitspotenzial verbraucht, ungeeignet ist.
Ich denke alle Ameisenhalter wissen, dass die Tierchen fertige Nester durchaus zu schätzen wissen, weshalb sie ja auch umziehen, aber das gleichzusetzen mit einer Kolonie, die ihre Brut und Königin überpflegt weil es keine Aufgaben mehr gibt, ist in meinen Augen überspitzt!

Ob Ameisen die Nester tatsächlich zu schätzen zu wissen, oder sie nur das geringere Übel wählen, ist auch eine interessante Frage *gg*. Es ziehen ja öfter Ameisen unter irgendwelche Deko-Elemente oder in Holzdeko ein, anstatt in das als solches geplante Nest^^

Hier möchte ich auch darauf hinweisen, das kleine Kolonien ("klein" ist ja auch sehr ungenau formuliert) sowieso kaum umziehen, auch Nester werden bei Kolonien die ~10 Arbeiterinnen haben, wohl kaum gebaut... bei meiner Lasius niger Kolonie waren ca. 20 Arbeiterinnen vorhanden, ehe sie anfingen das Nest zu bauen.
Könnte eine Bestätigung für die Aussage sein, dass die Ameisen ihre Arbeitskraft so verschieben, dass alle Aufgaben bestmöglich erledigt werden können. Wenn zu wenige Arbeiterinnen vorhanden sind, werden "unwichtigere" Aufgaben vlt. gar von selbst eingestellt bzw. gar nicht erst aufgenommen?

Wie schon gesagt, dass es "unnötiges Arbeitspotential verbraucht" sehe ich persönlich anders. Stellung genommen habe ich dazu ja schon in meinem ersten Post.


Wie gesagt, es ist Eigeneinschätzung bei welchen Hürden man den Ameisen hilft und bei welchen nicht, denn man kann sich inetwa vorstellen welches Arbeitspotenzial in einer Kolonie steckt! Eine Kolonie mit 5 Individuen, vielleicht noch Pygmäen, lasse ich persönlich ungerne ein Nest ausheben, während die Königin bereits Eier legt und schon Larven vorhanden sind. Es kommt beispielweise bei einer Kolonie Gründung nicht ohne Grund zur Ausbildung der Pygmäen! Hier ist einfach nochnicht genug Arbeitspotenzial vorhanden, als das die Brut im eigentlichen Sinne versorgt werden kann!

Wie schon gesagt frage ich mich hier, ob das Nest überhaupt ausgehoben wird bei so kleinen Kolonien, die im Gründungsnest wohl noch genug Platz haben. Wenn ja, dann bin ich persönlich davon überzeugt, dass das nicht auf Kosten der Brut geschieht, ausser in Notfällen!

Warum es überhaupt zur Pygmäen-Bildung kommt ist wissenschaftlich nicht gesichert und kann deshalb hier kaum als Argument verwendet werden. Weitere Infos hierzu gibts hier: Pygmäen - AmeisenWiki

Wenn es tatsächlich das wenige Arbeitspotential ist, sehe ich auch nicht, inwiefern das hier als Argument gilt, denn immerhin wird die erste Brut ja großteils von der Königin allein betreut. Mithilfe der Pygmäen werden dann größere Arbeiterinnen herangezogen. Wenn nur die Königin allein da ist, ist es klar, das nicht das gleiche Arbeitspotential da ist ;)


So, jetzt zu Imagos Post:

Joa, bei deinem Beispiel mit den 2 Arbeiterinnen sieht die Sache natürlich auch anders aus. Zwar wird aus Sicht der Ameisen die Entscheidung, die sie Treffen (eventuell das Opfern eines Teils der Brut, damit die Kolonie als Ganzes überlebt?) sehr sinnvoll sein, (mensch, schon wieder so eine schwammige Formulierung... inwiefern Ameisen wohl "entscheiden" können?) aber aus der Sicht des Halters sind hier vlt. bessere Lösungen möglich (Standardprozedur bei Schimmel ist ja das Anbieten eines schon vorgefertigten Nestes und den Ameisen das Gefühl zu geben, sie würdne nur innerhalb eines Nestes die Kammer geben... dann ist ein Umzug wahrscheinlicher. Häufig werden in dieser Situation ja auch Zwangsumzüge durchgeführt...).

Ich möchte hier nochmal darauf hinweisen, dass mein erster Post nicht auf kritische Situationen oder Notfälle beziehen, habe ich vlt. nicht deutlich gemacht. Hier sehe ich eine "Hilfestellung" des Halters als sinnvoll, und würde (und habe) es selbst nicht anders machen!



FAZIT: Wenn das nötige Arbeitspotential langfristig höher ist als das vorhande Energiepotential hat die Kolonie keine Überlebenschance, oder mit Verlusten zu rechnen!


Das ist wohl richtig, aber wie du schon anmerkst: Wenn es gilt, die Brut vor dem nahenden Hungertod zu bewahren, werden unwichtigere Tätigkeiten eingestellt. Die Ameisen scheinen die aufgebrachte Leistung ja auch je nachdem, wie wichtig eine Aufgabe gerade ist, zu verteilen.

Und wie schon gesagt, auch hier zielt meine Argumentation auch eher auf "problemlose" Vorgänge einer kleinen Kolonie ab. Bei kleinen Kolonien, denen der Tod droht, würde ich auch eingreifen ;)

lg, chrizzy



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#5 AW: Diskussion über die Arbeitsleistung bzw. Arbeitspotential bei Ameisen

Beitrag von Sahal » 12. Dezember 2008, 16:33

Hola,

in dieser Diskussion fehlen mir ein paar Aspekte.

1. ist eine Ameise in der Haltung wohl niemals ausgelastet. Selbst eine einzelne Arbeiterin schafft es, die Brut und Gyne eines Gründungsvolkes zu versorgen und zusätzlich noch das Nest zu verbessern und Abfall beiseite zu schaffen.

2. benötigen Larven ein vielfaches weniger an Pflege als allgemein angenommen. Bitte nicht vergessen, dass Larven einmalig die Menge X an Futter erhalten, und dann einen bis einige Tage zur Verdauung benötigen und keine Nahrung mehr erbetteln.

3. erhalten Larven trotz angezeigtem Hunger keine Nahrung, sterben sie nicht etwa gleich! Vielmehr gehen sie (bei allen oder bei vielen Arten?) schlicht in eine Ruhephase und stagnieren in Wachstum und Entwicklung. Erhalten sie dann wieder Futter, entwickeln sie sich normal weiter...

4. auch eine Gyne benötigt "sehr wenig" Pflege. Zur Nahrung: die Gyne eines Gründungsvolkes wird noch gewisse Reserven haben, ebenso Gynen aus ehemals "gut versorgten" Völkern. Nachdem die Flugmuskulatur abgebaut wurde, bietet der entstandene Hohlraum (mal platt formuliert) reichlich Fettkörpern unterschlupf. Und wenn es dann mal zum absoluten Nahrungsmangel kommt, stellt auch sie die Produktion von Nachwuchs ein. (Vorsicht bei plötzlichem Nahrungsmangel durch Verlust eines Großteil des Volkes in GROßEN Völkern und entsprechend reproduktiven Gynen.)
Die eigentliche "Arbeit" zur Versorgung der Gyne besteht also nicht aus der Pflege und Fütterung derselben, sondern vielmehr aus der Produktion der Futtersäfte. Zu beachten hierbei: eine Gyne schaffte es schlichtweg nicht, alle erforderlichen Zutaten zur Produktion der Eier selbst zu bilden... so ist sie auf die Zulieferung "vorgefertigter Bausteine" durch die Arbeiterinnen angewiesen.

5. Nestbau-Aktivitäten: auch hier gilt, im Normalfall lässt sich das Volk eben entsprechend Zeit, bis das Nest einzugsfertig ist! Eine Arbeiterin malocht auch nicht endlos weiter, sondern hat ihre Energie-Reserven gut im Gefühl und kehrt rechtzeitig ins Nest zurück oder furagiert und kehrt dann mit der gefundenen Nahrung ins Nest zurück.


Sops, nun die Kehrseite einer Arbeitserleichterung durch den Halter!
Es ist nach meiner Meinung richtig, dass Ameisen ein gewisses "Bewegungs- oder Arbeitspotential" haben. Jedoch wird dieses in der Haltung IMMER hoffnungslos unterschritten!!!
Die Folge davon wird überpflegte Brut sein. Gut erkennbar zB an häufig verbeulten oder verstümmelten Imagines... weil die Larven während der Brutpflege zu barsch oder hektisch gegriffen werden. Sehr eindrucksvoll konnte ich dieses unter versch. Bedingungen bei Polyrhachis dives sehen...
Ebenso besteht die Möglichkeit, dass die Gyne schlicht kaputtgeputzt wird.

Fazit: lasst die Ameisen das tun, wofür sie seit Millionen von Jahren gebaut wurden, nämlich ARBEITEN und LANGE Wege laufen!
Erleichtert ihnen gar nichts, sondern versucht im Gegenteil möglichst viele Schikanen einzubauen. Aber det ist keine Hilfestellung, sondern vielmehr eine stümperhafte Nachbildung des natürlichen Lebens!


Wenn die Flinte ins Korn gefallen ist, nicht gleich das Kind in den Brunnen werfen, auch wenn das der Tropfen ist, der dem Fass die Krone ins Gesicht schlägt!

cokezero
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#6 AW: Diskussion über die Arbeitsleistung bzw. Arbeitspotential bei Ameisen

Beitrag von cokezero » 13. August 2010, 14:46

Ich dachte, man soll naturnah halten. In der Natur ist doch auch keine Ãœberplege.



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