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Aus dem Leben zweier Amazonenvölker

Berichte, Erfahrungen, Beobachtungen aus der Natur
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Hoffer
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#1 Aus dem Leben zweier Amazonenvölker

Beitrag von Hoffer » 13. August 2010, 13:23

Aus dem Leben zweier Amazonenvölker.

Vorwort:
Dies soll sowas ähnliches wie ein Tagebuch zweier, von mir ständig beobachteter, Polyergus rufescens Völker werden, die mir sehr ans Herz gewachsen sind. Ich werde allerdings nicht täglich berichten, sondern nur wenn es was Interessantes zu berichten gibt.

Vorgeschichte:
Seit rund 3 Jahren wohne ich jetzt in Wien in meiner neuen Wohnung. Was ich anfangs nicht wusste, dass ich, was Ameisen betrifft, ein Glückspilz bin. Gegenüber von meiner Wohnanlage ist ein "Grüner Streifen" zwischen einem Bahndamm und der Donaupromenade, an manchen Stellen keine 10 Meter breit. Am Anfang hatten es mir vor allem die Camponotus vagus Kolonien angetan, von denen es mehrere Nester entlang eines stillgelegten Gleises gibt. Doch eines schönen Sommertages im letzten Jahr huschte zwischen den Grashalmen eine rotbraune Ameise umher und mir ist sofort "Amazonenameise!" in den Kopf geschossen. Ich hatte diese erst einmal zuvor in meinem Leben in Natura gesehen. Ich habe die Ameise kurz eingefangen um sicher zu gehen, und tatsächlich, an den sichelförmigen Mandibeln unverkennbar, Polyergus rufescens! Meine Freude war riesig. Es dauerte zwei Tage, dann habe ich endlich das Nest gefunden. An dieser Stelle möchte ich dieser Kolonie den Namen "Zion" geben. Seit damals habe ich schon dutzende Raubzüge beobachtet. Einfach genial!

Nun zur Geschichte der zweiten Kolonie.
Es war auch im Sommer 2009. Ich fuhr mit dem Auto raus aus Wien, Richtung Norden. Ich war eigentlich auf der Suche nach Erde, Sand und Steine für unseren Balkon. Da kam ich nach rund 20 km an einer Sand-/Kiesgrube vorbei, bei der ich anhielt. Zum Gelände der Grube gehörte auch eine schöne Trockenrasenwiese mit Zufahrtsweg. Ich ging keine 50 Schritte und da war es, genau in der Mitte des Weges zwischen den beiden Spurrinnen, ein Amazonennest. Von da an kam ich alle paar Wochen hierher um sie bei ihren Raubzügen zu beobachten, bis in den Herbst hinein. Als ich dann heuer wieder nach dem Rechten schauen wollte, Schock! Die halbe Wiese samt dem Weg waren weg! Bis zu einem Meter tief abgegraben, die Kolonie ausradiert. Die aufgeschütteten Erdhügel habe ich abgesucht, allerdings ohne Erfolg. Enttäuscht und traurig machte ich mich auf den Weg zum Auto und ging über die noch übriggebliebene Wiese. Und was für ein Glück! Ich fand eine weitere Kolonie Polyergus rufescens, rund 100 Meter vom alten Nest entfernt. Noch auf der Heimfahrt habe ich den Entschluss gefasst, diese Kolonie zu retten und somit umzusiedeln. Ich holte mir Tipps von Boro, bei dem ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken möchte, und versuchte mit dem Betreiber der Grube Kontakt aufzunehmen und ihn von meinem Vorhaben zu informieren. Allerdings wurde ich nur belächelt. Das war mir aber natürlich egal! Doch zwei Tage vor meinem Urlaub hatte ich einen Arbeitsunfall und verletzte mich schwer an der Hand. An einer Umsiedelung war nicht zu denken. Nach drei Wochen Krankenstand war es aber letztes Wochenende endlich soweit. Ausgerüstet mit Spaten, kleinen Schaufeln, zwei Plastikboxen mit Talkum als Ausbruchschutz, und und und... fuhr ich zur Grube. Es dauerte zwei Tage, bis ich mich mit den kleinen Schaufeln zur Königin vorgearbeitet hatte. Vorsichtig sammelte ich die Königin und so viel wie möglich ihrer Untertanen und Sklaven ein. Es war im Endeffekt doch um einiges mühsamer als ich es mir vorher vorgestellt hatte. Die Kolonie war riesig, das Loch war ungefähr einen Meter tief und hatte einen Durchmesser von ebenfalls einem guten Meter. Was noch hinzukam, die Kleinen waren sehr wehrhaft und aggressiv. Vor allem die Amazonen mit ihren spitzen Mandibeln konnten höllisch zwicken, manchmal sogar so fest und tief, dass ich zu bluten begann. Was auch unsere Tochter zu spüren bekam, die mir beim Ausgraben wirklich sehr geholfen hat und bei der ich mich auch sehr herzlich bedanken möchte, Danke Hannah!! Danach waren sie für zwei Tage meine Gäste in unserer Wohnung. In der Zwischenzeit suchte ich einen geeigneten Platz für sie zum Aussetzen. Diesen fand ich dann in dem oben erwähnten "Grünen Streifen" etwa 150-200 Meter von der anderen Amazonenkolonie entfernt. Am Montag dieser Woche gab ich ihnen ihre Freiheit wieder zurück. Am Anfang etwas schüchtern in ihrer neuen Umgebung haben sie gestern von ihrem neuen, selbst angelegten Nest, das erste mal "Angst und Schrecken" unter den benachbarten Serviformikavölkern verbreitet, ihr erster Raubzug. Es war ein herrliches Gefühl das zu beobachten. Ich hoffe, dass es so weiter geht mit der Entwicklung und sie in ihrer neuen Heimat überleben. Dieser Kolonie gebe ich den Namen "Advenae".

Ziele:
Wie bereits einleitend erwähnt, soll das hier eine Art Tagebuch werden, für mich und für Euch, das das Leben dieser zwei Kolonien dokumentiert. Ich werde versuchen, ständig mit neuen Einträgen und Fotos (werden auch zu obenstehenden Text nachgereicht) auf dem Laufenden zu bleiben.

Ich hoffe auch Ihr, liebe Forenmitglieder, werdet Spaß und Freude an den Berichten haben.

Wünsche, Beschwerden, Anregungen usw. bitte hier http://www.ameisenforum.de/meinungen-fr ... post264241 posten! Danke!

Mit freundlichen Grüßen,
Hoffer.


"Denen, die der Ruhe pflegen, kommen manche ungelegen." - Wilhelm Busch

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#2 AW: Aus dem Leben zweier Amazonenvölker

Beitrag von Hoffer » 16. August 2010, 16:41

Update vom Wochenende:
Als ich am Freitagnachmittag nach der Arbeit zu den Meisen ging, war die Advenae Kolonie in das Nest umgesiedelt, das sie am Vortag überfallen hatten.

Leider gibt es auch etwas weniger gute Nachrichten. Das ganze Wochenende über gab es schwere Unwetter über Wien, das hatte zur Folge, dass es bei den Umzugsboxen den Schutz gegen die Witterungen schwer beschädigt hat und somit konnte es in die Boxen hineinregnen. Als der ganze Spuk dann gestern vorbei war, bin ich gleich zu ihnen gegangen. Gott sei Dank waren kaum noch Ameisen in den Boxen und zum zweiten sah es von außen schlimmer aus als es dann wirklich war. Die Erde war zwar sehr nass, aber es stand kein Wasser, dass sie ertrinken hätten können. Dann bin ich allerdings kurz sehr erschrocken. In einer der Boxen kroch eine Gyne ohne Flügel sehr schwerfällig und ziemlich verstört herum. Bei näherer Betrachtung fand ich auch noch drei weitere (leider tote) Gynen ohne Flügel. Das klingt zwar jetzt komisch, aber ich war doch etwas erleichtert, denn somit war für mich klar, dass es sich wahrscheinlich um Gynen handelte, die ich mit umgesiedelt hatte. Weiters konnte ich danach beobachten, dass Servifomicas mit der einen noch lebenden Gyne sehr unsanft umgingen, sie zerrten an ihren Beinen und attackierten sie. Meiner Meinung nach, sind die Arbeiterinnen für den Tod der Gynen verantwortlich.
Ihr neues Nest, das sie "erobert" hatten, war auch schwer in Mitleidenschaft gezogen, wobei sie aber schon begonnen hatten die Schäden zu reparieren. Ich hoffe vor allem, dass es der Königin gut geht...

Bei der Zion Kolonie war alles nicht ganz so dramatisch, da diese ihr Nest etwas erhöht angelegt haben.

Mal sehen, wies weitergeht, ich bleibe optimistisch,

Hoffer.


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#3 AW: Aus dem Leben zweier Amazonenvölker

Beitrag von Hoffer » 17. August 2010, 16:46

Bild Bild Bild
So, habe es nun endlich geschafft, die ersten Bilder hochzuladen. Auf diesen hier ist die nähere Umgebung des Nestes vor der Umsiedelung. Auf dem letzten Foto sieht man wie nahe die Baumaschinen schon waren.

Bild Bild
Nesteingang

Bild Bild Bild
Diese Boxen waren für zwei Tage ihr zu Hause. Der weiße Rand ist Talkum, das sich sehr bewährt hat, keine Ameise ist entwischt. Die Dinger in der Mitte der Boxen sind Torftöpfe, die als Unterschlupf dienen sollten und ebenfalls sehr gut angenommen wurden. Was ich vielleicht noch erwehnen sollte an dieser Stelle, um die Ameisen nicht einzeln mit den Fingern oder einer Pinzette einfangen zu müssen, verwendete ich eine etwas größere Feder (von einer Krähe) mit der ich die Meisen gereizt habe und sie diese attakiert haben und somit konnte ich immer 10-15 Ameisen auf einmal einsammeln und über den Boxen abstreifen, was auch gut funktioniert hat.

Bild
God save the Queen!

Bild Bild
So sah es aus, das "Gebilde" zur Freiheit. Die zwei Boxen habe ich Mittels Schlauch verbunden und übereinander gestellt. Um ins Freie zu gelangen habe ich den Ameisen in die untere Box einen Schlauch montiert, den man am zweiten Bild erkennen kann (grün, rechts unten). Das Ganze habe ich dann mit einer Schachtel abgedeckt. Oben drauf habe ich noch eine kleine Box gestellt und verbunden um ihnen Bienendrohnenlarven und Honigwasser zu reichen, ebenfalls mit einer kleinen Schachtel abgedeckt.

Bild Bild
Und zum Schluss noch zwei Bilder von ihrem ersten Raubzug.

LG Hoffer.


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#4 AW: Aus dem Leben zweier Amazonenvölker

Beitrag von Hoffer » 26. August 2010, 10:10

Im Prinzip gibt es nicht viel Neues zu berichten, die umgesiedelte Kolonie hat sich gut eingelebt in ihrer neuen Heimat und sie unternehmen auch täglich ihre Raubzüge. Allerdings habe ich gestern einige sonderbare Beobachtungen gemacht. Serviformicas haben Puppen aus dem Nest gebracht und sie auf die Müllhalde gelegt, die wenig später von anderen Serviformicas wieder ins Nest zurück gebracht wurden. Weiters konnte ich einige male beobachten, wie vereinzelt Amazonen von ihren Untertanen relativ unsanft an Fühlern und Beinen aus dem Nest und an der Nestoberfläche gezerrt haben. Es war immer nur eine Sklavin, die an einer Amazone gezerrt hat, ich kann nicht sagen, ob es immer die selbe Sklavin und Amazone war. Die Amazone hat sich dabei sehr defensiv verhalten und hat das Ganze ohne große Gegenwehr über sich ergehen lassen. Andere Sklavenameisen griffen nicht ein. Wenn ich die beiden mit dem Finger leicht berührt habe, hat die Serviformica auch sofort losgelassen. Nun frage ich mich was das zu bedeuten hat, zerfällt etwa der "Vielvölkerstaat"?! Ich werde weiter beobachten und versuchen Fotos von solchen Vorfällen zu machen.

MfG. Hoffer.


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#5 AW: Aus dem Leben zweier Amazonenvölker

Beitrag von Hoffer » 8. September 2010, 12:08

Die Saison neigt sich dem Ende und daher gibt es auch nichts aufregendes mehr zu berichten, außer dass die umgesiedelte Advenae- Kolonie noch einmal einen Nestwechsel vollzogen hat, rund 2 Meter vom letzten Standort entfernt.
LG Hoffer.


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#6 AW: Aus dem Leben zweier Amazonenvölker

Beitrag von Boro » 8. September 2010, 14:07

Ich denke auch, dass die heurige Aktivitätsphase der Amazonen vorbei ist. Das Wetter ist bei uns seit einer Woche nicht mehr für Raubzüge geeignet. Der Boden ist durch tiefere Temperaturen und wiederholten Regen abgekühlt, die Amazonen ziehen sich bereits in die Tiefe des Nestbaus zurück und frönen dem süßen Nichtstun und zwar gleich bis zum Juni nächsten Jahres.
Die braven Hilfsameisen sind aber weiterhin aktiv, es muss noch reichlich Nahrung eingetragen werden, um die Fettreserven aller Bewohnerinnen aufzufüllen. Auch die Amazonen müssen wie Babys gefüttert werden, sie sind dazu selbst nicht in der Lage.
Ich hab mich von meinen schönen rotbraunen/rotorangen Freundinnen schon verabschiedet und ihnen einen schönen Urlaub inklusive angenehmer Winterruhe gewünscht. Aus der Ferne mach ich das natürlich auch für Hoffer´s Schützlinge.......
L.G.Boro



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#7 AW: Aus dem Leben zweier Amazonenvölker

Beitrag von Hoffer » 10. September 2010, 10:22

Danke Boro!
Dem ist nichts hinzuzufügen...

LG Hoffer


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#8 AW: Aus dem Leben zweier Amazonenvölker

Beitrag von Hoffer » 3. April 2011, 22:18

Hallo Zusammen!
Auch in Wien hat der Frühling dieses Wochenende voll Einzug gehalten, mit knapp über 20 °C.
Das habe ich mir natürlich nicht entgehen lassen und habe meine zwei Amazonenvölker besucht.
Dem ersten Anschein nach, sind beide Völker gut über den Winter gekommen. Es herrschte an beiden Nestern recht viel Aktivität und an beiden Nestern konnte ich auch vereinzelt Amazonen sichten. Natürlich habe ich ihnen als Willkommensgeschenk auch was mitgebracht. Es gab Honigwasser und Bienendrohnen- Larven, auf die sie sich gierig gestürzt haben. Beim Volk Advenae, das ich im letzten Jahr umgesiedelt habe, könnte es allerdings zu Problemen kommen. Ihr Nest wird ziemlich stark von Lasius niger bedrängt, es wird von zwei Seiten richtig belagert. Leider musste ich auch mit ansehen, wie sie eine Amazonenkriegerin zur Strecke gebracht haben. Was sagen die Experten unter euch, soll ich, bzw. kann ich überhaupt etwas gegen diese Belagerung machen, oder soll ich der Natur freien Lauf lassen, was mir natürlich sehr schwer fallen würde, sollte es zu ernsthaften Auseinandersetzungen kommen, da ich doch sehr viel Zeit und Energie in dieses Volk gesteckt habe und sie mir einfach sehr viel bedeuten.
Bilder konnte ich leider noch keine machen, da meine Kamera gestreikt hat (leerer Akku).

Also, bis zum nächsten Update,
LG Hoffer.


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