Frage zur Winterruhe von Camponotus ligniperdus

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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syafon
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#1 Frage zur Winterruhe von Camponotus ligniperdus

Beitrag von syafon » 22. August 2010, 23:18

Hallo!

Ich habe die letzten 3 Wochen etwas sehr (für mich!) seltsames bei meiner Kolonie beobachten können. Dazu werfe ich mal eine kleine Frage in den Raum. ;)

Ich habe derzeit eine Camponotus ligniperdus Kolonie in der Gründungsphase (derzeit 10 Imagines, 1 Puppe, und ca. 15 kleine Larven im Afangsstadium). Die Gyne ist ein Eigenfang vom 25. Mai 2010.

Die Gründungsphase verlief ausgezeichnet, zuerst wurden die 10 Imagines groß gezogen, nachdem da alle geschlüpft waren, wurde eine weitere Larve aus dem zweiten Brutschub (es waren etwa 5 - 10 Larven im ersten Stadium). Diese verpuppte sich plangemäß letzte Woche Donnerstag. Allerdings haben sie seit fast 3 Wochen keine Proteinhaltige Nahrung mehr angenommen. Also großziehen tun sie wie gesagt schon länger nicht mehr effektiv. Die eine Larve werden sie wohl noch aus den Reserven groß gezogen haben. Mitte August ist schon noch etwas früh, wenns draußen noch 32 Grad hat im Normalfall!? -> Wenn ich mich da irre, bitte aufklären, normalerweise blühen sie doch bei den Bedingungen erst richtig auf!

Es hat bei uns seit dem 4. August fast durchgeregnet mit insgesamt 3 - 4 Sonnentagen. An den meisten Tagen war es kühl mit Temperaturen um die 10 (!) bis 15 Grad. Über 25 Grad hatten wir nur 2 mal glaub ich. Das ist deshalb wichig, weil ich sie unter relativ stark schwankenden Bedingungen halte. Sie stehen über der Garage, in einem unbeheizten Zimmer, aber wenns draußen 15 Grad hat, dann kanns da drin schon ganz schon kühl werden ^^
Ich so natürliche Bedingungen wie möglich schaffen.
Kann es sein, dass dieser Temperatursturz Anfang August sie dann noch "husch husch" eine Larve aufzuziehen mit den Reserven, aber den Außenbetrieb komplett einstellen? Die letzten beiden Tage war es wieder extrem warm und schwül, aber sie haben immernoch nichts eingetragen und bewegen sich auch träge. Außerdem kann man eine Traubenbildung sehen, die Königin mit geneigtem Kopf, bewegt sich kaum. (Sie lebt auf jeden Fall ^^)
Davor konnte ich sie in der Nacht, bevor ich schlafen ging, fast jeden Abend beobachten, wie eine Arbeiterin draußen war und Honig geholt hat. Die Stechmücken wurden gierig genommen, teilweise sogar 2 - 3 in einer Nacht. Auch Fliegen dazwischen immer wieder gerne. Beim Honig habe ich sie auch öfters beobachten können. Hat also alles gestimmt, es ging ihnen gut.

Das war dazu noch eine frühe Gyne, die am 25. Mai geschwärmt ist. Das war der erste warme Tag nach längerer Regenzeit. Das richtige Schwärmen ging dann aber erst am 1. Juni über die Bühne. Könnte das einen Einfluss auf ihre innere Uhr haben? Zusätzlich mit den Temperaturen?

Sorgen mach ich mir keine, denen geht es gut, die sind vollgefressen, die Larven sind sehr fein zusammen getragen, die Arbeiterinnen schauen mal wieder raus, wenn ich sie anschau ^^

Was mich interessiert wäre folgendes:

Soll ich sie in die Winterruhe schicken? Soll ich mit dem Temperaturniveau runter gehen? Ich könnte sie bei etwa konstanten 15 Grad lagern (Naturkeller, der etwa Erdtemperatur aufweist) oder ich lasse sie den Bedingungen ausgesetzt? Wie gesagt, 2 Wochen 15 Grad, jetzt 3 Tage 32 Grad, dann wieder 4 Tage Regen. Stört das ihren biologischen Rhytmus nachhaltig? (kann ich mir eher weniger vorstellen)

Danke schonmal für die Meinungen dazu! :)

Zum Abschluss noch ein paar Bilder der Kolonie. ;)
Bild Bild Bild

\\Edit: Ziemlich komisch... heute nachmittag bei heißen 32 Grad hat sich die Königin fast kaum bewegt, vor 2 Minuten konnte ich gerade eine Arbeiterin beobachten, wie sie eine angebotene Raube (Pflaumenwickler) eingetragen hat. Bilder hab ich natürlich auch gemacht, werden nachgereicht. Das erste mal seit 3 Wochen, wie schon beschrieben. Bin mal gespannt wies weiter geht... Wenn sie jetzt, nach fast 2 Wochen Ruhepause wieder aktiv werden, könnts spät in die Winterpause gehen!?

Übrigens: Diese Raupe befällt fast den gesamten Pflaumenbaum. Kann ich empfehlen, wer Zugang zu ungespritzten Zwetschgen hat. Der Vorteil daran ist, wenn die aus der Pflaume herausen sind, dann leben sie ja weier, haben aber keine Nahrung mehr. Dann spinnen sie sich ein und versuchen sich zu verpuppen. So kann man ihnen die Raupe lebend geben, und man sieht sogar, wie die kleine Arbeiterin sie erlegt im Futternapf. Die spinnt sich da ein, bewegt sich nicht, und lebt munter vor sich hin. Wie lange kann ich noch nicht sagen, muss ich mal ausprobieren (Oder kann das wer beantworten?). Eigentlich recht gut für Gründerkolonien, den Eindruck, was ich bisher gewonnen habe.

Frage an einen Experten: Spricht irgendwas gegen die Verfütterung von Pflaumenwicklerraupen (Cydia funebrana)? (\\edit: Wurde eingetragen, und 5 minuten später entsorgt)

lg
syafon


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Sahal
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#2 AW: Frage zu Camponotus ligniperdus - Winterruhe?

Beitrag von Sahal » 23. August 2010, 08:31

Hey Syafon,

Dein Völkchen wird ziemlich unbeeindruckt bleiben, was auch immer Du jetzt machen wirst!
Eine der Besonderheiten an Campontus ligniperdus und C. herculeanus ist der enfogene Jahresrhythmus, das heisst die Jahreszeit und damit verbunden Brutaufzucht, Gelege Winterruhe und Sommergeschäft, werden durch die innere Uhr bestimmt.
Zwar besitzen alle Arten eine innere Uhr, jedoch dient diese bei den meisten Arten nur als Anhaltspunkt bzw steuert lediglichh die Stimmung und Bereitschaft des Volkes. C. ligniperda und C. herculeanus jedoch gehen unaufhaltsam in die Winterruhe, wenn es die Uhr anzeigt... und sei es auch 31°C!


Machen kannst Du jetzt eine Menge, nützen wird es absolut nichts!
Aus Sicht der Ameisen ist das Sommergeschäft wohl erledigt, ene weitere Aufzucht von Larven wird zu spät in den Oktober hineinreichen... und bei den niedrigen Durchschnittstemperaturen im Herbst würde die Entwicklung ja noch länger dauern. Also wird das Volk auf eine weitere Aufzucht verzichten, oder ein paar Larven nur noch ins nächste Stadium bringen.

Bei beiden Arten sind 2 - 3 Brutschübe normal, ebenso eine partielle Aufzucht der geschlüpften Larven. So werden nach GRündung nie alle Larven auf einmal aufgezogen, sondern je nach Ernährung und Reserven nur ein Teil der Larven zeitlich versetzt. "Haben X Larven das nächste Stadium erreicht, kann der nächste Schwung angefüttert werden."
Der letzte Brutschub wird dann nicht mehr voll aufgezogen, sondern zur engoge gefühlten Winterruhe hin eingemottet und überwintert.

Was kannst Du jetzt machen?
Nüscht!
Du solltest jetzt auch nicht mit den Temperaturen variiren, sondern das Volk einfach unverändert stehen lassen, normal versorgen und beobachten! So wie das Volk in die tatsächliche Winterruhe geht, wirst Du beobachten können, dass die Larven schrumpfen, etwas schrumpeliger aussehen und eine gelbliche Farbe annehmen. Dann bleibt es Dir überlassen, ob Du sie einwinterst oder nicht... dem Volk ist es egal!

Im Gegensatz zu C. herculeanus furagiert C. ligniperda auch in der Winterruhe und nimmt Nahrung auf, wenn sie Hunger haben. C. herculeanus aber verschließt das Nest obligatorich und nimmt keine Nahrung mehr an.

Und zum Herbst hin fressen sich die Imagines noch mal richtig voll, um genug Reserven zu haben. So ist die Nahrungsaufnahme auch kein wirklicher Hinweis auf bevorstehende Winterruhe oder Larvenaufzucht!


Wenn die Flinte ins Korn gefallen ist, nicht gleich das Kind in den Brunnen werfen, auch wenn das der Tropfen ist, der dem Fass die Krone ins Gesicht schlägt!

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syafon
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#3 AW: Frage zu Camponotus ligniperdus - Winterruhe?

Beitrag von syafon » 23. August 2010, 15:45

Hallo Sahal!

Danke für die ausführliche Antwort!

Gemacht hätte ich sowieso nichts, mir ist bewusst, dass die Art nach ihrer inneren Uhr tickt (und auch die Puppe sagte mir, dass sie noch nicht ganz fertig sind), ich war mir nur nicht bewusst, dass sie wirklich so extrem davon getrieben werden, und sich nicht mal durch optimale Außenbedingungen beeinflussen lassen.

Bedeutet das, dass ich die Kolonie eigentlich das ganze Jahr im Zimmer stehen lassen kann bei 20 °C und es ändert sich nichts? Denn du hast geschrieben:

Dann bleibt es Dir überlassen, ob Du sie einwinterst oder nicht... dem Volk ist es egal!


Nehmen sie durch die fehlende Temperaturabsenkung keinen Schaden? auch die Kolonie in ihrer Entwicklung nicht?

ich werde sie auf jeden Fall weiter füttern und beobachten, mal schauen, wanns dann tatsächlich soweit ist, inzwischen sind heute mit neuem Flair erwacht. wer weiß, was morgen kommt!? ^^

Danke!
lg
syafon


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#4 AW: Frage zu Camponotus ligniperdus - Winterruhe?

Beitrag von Imago » 23. August 2010, 16:22

Hallo syafon!

Bedeutet das, dass ich die Kolonie eigentlich das ganze Jahr im Zimmer stehen lassen kann bei 20 °C und es ändert sich nichts?
Einheimische Ameisen halten Winterruhe, auch Dein Camponotus ligniperdus Volk.

Welche (Langzeit-) Folgen eine Winterruhe mit warmen Temperaturen mit sich bringt, kann man nicht abschätzen.

Fakt ist, sie werden definitiv inaktiv bleiben und Du hast demnach auch nichts von der Kolonie.

Die Brutstadien verraten Dir ebenefalls, wann es für die Kolonie Zeit ist, kühlere Temperaturen zu vertragen. Die Einleitung der Winterruhe bei dieser Art unter der Berrücksichtung der bekannten Indikatoren, ist zu dieser Jahreszeit druchaus nicht ungewöhnlich.

Eine naturnahe Winterruhe sollte demnach nichts im Wege stehen.

LG Imago



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syafon
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#5 AW: Frage zur Winterruhe von Camponotus ligniperdus

Beitrag von syafon » 23. August 2010, 17:05

Danke Imago!

Mit der endogenen Winterruhe habe ich mich auseinandergesetzt, war mir aber vorher noch nicht ganz im Klaren, wie es sich dann tatsächlich äußert.

Danke für die hilfreichen Beiträge!

lg
syafon


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Sahal
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#6 AW: Frage zur Winterruhe von Camponotus ligniperdus

Beitrag von Sahal » 23. August 2010, 20:33

ReHola,

im Prinzip hast Du Recht, Gaster. Aber die ein oder andere Ecke...
Wohlhgemerkt reden wir hier nur von Camponotus ligniperdus und C. herculeanus!, Rückschlüsse auf andere Arten sind nicht zulässig!

Einheimische Ameisen halten Winterruhe, auch Dein Camponotus ligniperdus Volk.
Jup, der Unterschied ist nur, wann und mit welchen Auslösern sie in die Winterruhe gehen, und in wie weit sie eine warme Winterruhe vertragen!

Welche (Langzeit-) Folgen eine Winterruhe mit warmen Temperaturen mit sich bringt, kann man nicht abschätzen.
Mit ausreichend Völkern habe ich etwas über 3 Jahre eine warme Überwinterung mit C. herculeanus und C. ligniperda getestet.
Beide Arten hatten weder signifikant rückläufige Gelegestärken noch eine auffällige Mortalitätsrate.
Bei C. herculeanus gab es einen auffälligen Larvenschwund ab ca Mitte der Winterruhe bis max 30% der Larven, C. ligniperdus jedoch hatte keine auffälligen Verluste zu verzeichnen.

So kann ich zumindest sagen, dass bei 4 aufeinanderfolgenden warmen Überwinterrungen keine sichtbaren Schäden oder Nachteile bei C. ligniperdus zu erwarten sind.
Jedoch liegt die Vermutung nahe, dass die Arbeiterinnen schneller ihr biologisches Ende erreichen, da ihre Lebens-/Aktivitätszeit schneller verbraucht wird!


Fakt ist, sie werden definitiv inaktiv bleiben und Du hast demnach auch nichts von der Kolonie.
Det ist jetzt nicht so wirklich Wirklich Wahr, nicht wahr?
Beide Arten schummeln im Nest herum und führen Arbeiten aus wie Reinigung, Körperpflege und Larvenpflege. Die Larven erhalten auch regelmäßig Erhaltungsfutter, ohne jedoch den Zustand der physiologischen Winterruhe zu verlassen.
C. herculeanus verschließt obligatorisch das Nest, es wird auch nicht geöffnet, wenn das Volk hungert! Hier sehe ich die höhere Mortalität der Larven... denn das Volk kann nur eine gewisse Menge an Nährstoffen speichern, die in der Natur gerade zur Überwinterung + Anlaufzeit im Frühjahr reichen... bei warmer Überwinterung jedoch verbrauchen Larven und Imagines recht große Energiemengen und die Reserven reichen nicht mal über die halbe Zeit. Schmachtend wird zum Hallali auf die Larven geblasen und im Rahmen eines Wintersonnenwende-Grillfestes einige Larven geschlachtet und verfüttert.
C. ligniperda jedoch verschließt das Nest nicht obligatorisch, sondern geht durchaus furagieren, wenn sich Hunger einstellt, das Nest gereinigt wird oder der Kot raus muss. Ausserdem scharwenzelt man gerne in der Nähe des Einganges herum und hält Wache.
So lassen ich die Imagines zusätzlich zur Nestaktivität immer wieder in der Arena beoachten.

Unbestreitbar ist wesentlich weniger los... aber es ist eben nicht völlig tote Hose! Zudem hat man nicht ein leeres Becken herumstehen, und wie schon geschrieben sehen C. ligniperdus auch in Winterruhe noch beeindruckend aus.

Für mich stellt C. ligniperdus somit eine nette Alternative zu Exoten dar.
Aber ich bin wohl nicht ganz objektiv, da ich C. ligniperdus einfach nur Megageil und hochinteressant finde.
Ich wäre froh, wieder ein Volk in Haltung haben zu können... poore me:furchtbartraurig:


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Imago
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#7 AW: Frage zur Winterruhe von Camponotus ligniperdus

Beitrag von Imago » 23. August 2010, 21:47

Hi Sahal.

Das Thema mit der Winterruhe auch von C. ligniperdus wird so oft diskutiert. Ich bin eigentlich froh, wenn allgemein verstanden wird, dass heimische Arten auch in die Winterruhe geschickt werden.

Es werden grundsätzlich bei unseren heimischen Camponotusarten zwei Dinge vermischt:

Ja, sie haben einen Endogenen Rhythmus und nein, ich würde sie nicht warm überwintern lassen.

Der endogene Rhythmus ist in meinen Augen kein Wegweiser für eine warme Überwinterung. Ich kann mir einfach schwer vorstellen, dass dies Vorteile haben kann.

Det ist jetzt nicht so wirklich Wirklich Wahr, nicht wahr?
:)

Ja aber natürlich zeigt Camponotus ligniperdus auch Aktivität, irgendwann bewegt sich jede Ameise mal, auch wenn sie nur mal die Antennen in die Luft hält.

Hier ist denke ich die Größe der Kolonie entscheident, was die Außenaktivität angeht.

Ich denke allgemein wurde schon verstanden was ich ausdrücken wollte.

Mit ausreichend Völkern habe ich etwas über 3 Jahre eine warme Überwinterung mit C. herculeanus und C. ligniperda getestet.
Jetzt bin ich neugierig was "ausreichend" heißt, eine Zahl wäre schon interessant und ob alle Gynen vom gleichen Schwarmflug waren, sprich aus dem gleichen Jahr, gleiches Gebiet?

Jedoch liegt die Vermutung nahe, dass die Arbeiterinnen schneller ihr biologisches Ende erreichen, da ihre Lebens-/Aktivitätszeit schneller verbraucht wird!
Demnach werden die Kolonien kleiner?

Sprich das Volkswachstum stellt sich eher ein, weniger Individuen?

Aber so ist die Ameisenhaltung, man erhält eine Antwort und schon kommen die nächsten Fragen auf.

Danke für das Vertiefen meines Beitrages Sahal, wollte eigentlich bei dem Thema gar nicht so tief ins Detail gehen, aber gut das Du es gemacht hast, man lernt ja nie aus.

LG Imago



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#8 AW: Frage zur Winterruhe von Camponotus ligniperdus

Beitrag von Sahal » 23. August 2010, 23:06

Hola,

Ja, sie haben einen Endogenen Rhythmus und nein, ich würde sie nicht warm überwintern lassen.

Der endogene Rhythmus ist in meinen Augen kein Wegweiser für eine warme Überwinterung. Ich kann mir einfach schwer vorstellen, dass dies Vorteile haben kann.
Soweit richtig, aber Du zäumst den Schuh falsch herum auf:
nicht der endogene Jahresrhythmus ist ein Hinweis auf eine mögliche warme Winterruhe... sondern die warme physiologische Winterruhe war der wissenschaftliche Beweis für den endogenen Jahresrhythmus. Nur so wird ein Pferd daraus!

Es gilt als hier wichtigster Faktor, dass die Larven tatsächlich alle Merkmale einer physiologischen Winterruhe zeigen und somit klar ist, das Völker dieser beiden Arten in eine tatsächliche, physiologische Winterruhe gehen!
Weiterhin stoppt die Gyne ihre Eiproduktion, die Ovarien sind "geparkt".
Die Imagines verhalten sich exakt so, wie Imagines anderer Völker in kalter Überwinterung... nur eben schneller :D
Ergo: das Volk ist tatsächlich in Winterruhe!

Auf Biegen und Erbrechen, mit den leckersten Leckereien und sonnigsten Sonnenstrahlen lassen sich die Faulpelze nicht "erwecken"! Auch ein kurzfristiges Abkühlen und Auftauen stört sie nicht im geringsten. Erst nach einer typischen deutschen Winterruhe erwachten die Kleinen nach ca. 5 Monaten aus Ihrem Dornhöschen-Schlaf, überraschenderweise sogar ziemlich zeitgleich trotz Ausschaltung natürlicher Richtweiser!


Jetzt bin ich neugierig was "ausreichend" heißt...
Leider nur aus dem schwächelnden Gedächtnis die groben Daten: etwa je 10 Völker beider Arten in warmer und kalter Winterruhe, je 5 Völker 2 Monate warm dann 3 Monate kalt. Die meisten Völker aus einem Jahr, Völker gleicher Herunft wurden in alle Gruppen gemischt.

Demnach werden die Kolonien kleiner?
Ich schrieb ein paar Sätze darüber expliziet:Beide Arten hatten weder signifikant rückläufige Gelegestärken noch eine auffällige Mortalitätsrate.
Ich vermute lediglich, dass die Arbeiterinnen etwas früher als normal sterben könnten, da ihre Lebenszeit schneller verbraucht ist.
Beide Arten haben jedoch eine satte Vermehrungsrate, so dass dieses spielend zu verschmerzen wäre.
Von einem Schrumpfen der Völker war ich in meinen Versuchen weit entfernt! Wer die Arten in der 2. Saison hält, der weiß um die reichliche Brut und den satten Zuwachs.


Ich kann mir einfach schwer vorstellen, dass dies Vorteile haben kann.
Vorteil... Vorteil des endogenen Jahresrhythmus für die Ameisen, oder warme Überwinterung für den Halter?

Nehmen sie durch die fehlende Temperaturabsenkung keinen Schaden?
Generell ist die Temperatur für die physiologischen Vorgänge der Winterruhe nicht notwendig, ich vermute wohl bei keiner Art!
ABER: die Ameisen nutzen die Temperatur als Indikator für die Jahreszeit und haben sie fest in Ihren Jahresrhythmus eingebaut!
Ist ein Volk am Ende des Sommergeschäftes endogen in Stimmung zur Winterruhe, dann stellt es langsam das Brutgeschäft ein und wartet auf die Kälte. Erst wenn es Rattenkalt wird und die Temperaturen eine bestimmte Grenze dauerhaft unterschreiten, begeben sich die Völker in die Winterruhe und beenden erst nach einer gewissen Zeit diese Stimmung/Bereitschaft.
Fehlt diese Kälte, können die Völker ihre Stimmung zur Winterruhe nicht beenden und bleiben in Warteposition!
- die Gyne stoppt gegen Ende des Sommers ihr Eiproduktion und mottet ihre Ovarien ein... erst die gefühlte Kälte über einen gewissen, artspezifischen Zeitraum veranlasst die Gyne wieder zur Eiproduktion.
- Eingekellerte Larven können sich im Frühjahr erst weiterentwickeln oder leichter zu Geschlechtstieren werden, wenn sie und die Imagines vorher eine Kälteperiode bestimmter Länge erfahren haben und so bereit dazu sind.
- Imagines sind erst wieder zur Brutfütterung bereit, wenn sie eine bestimmte Länge Kälte erfahren haben.


Zusammengefasst: die Kälte selbst ist sicherlich entbehrlich, aber ihre Funktion als "Taktgeber" (und damit verbundene biochemische Vorgänge) für das Volk ist unentbehrlich!
Camponotus mit endogenem Jahresrhythmus nun verzichten auf diesen Taktgeber und haben andere (zweifelsfrei komplizierte) Regelkreise zur Zeitbestimmung und Taktgebung entwickelt.

Camponotus? Jupp, es scheint so, als wenn hier und da in der Gattung Camponotus endogener Jahresrhythmus auftaucht. So ist bei u.a. bei Camponotus gigas ein Paarungszyklus beobachtet, welcher sich in homogenen Abständen (?) 3x im Jahr (?) Klima- und Jahreszeitunabhängig zeigt. Auch hier entkoppelt sehr wahrscheinlich ein endogener Taktgeber die Ameisen von Klima und Jahreszeit.


Wenn die Flinte ins Korn gefallen ist, nicht gleich das Kind in den Brunnen werfen, auch wenn das der Tropfen ist, der dem Fass die Krone ins Gesicht schlägt!

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