Zieht Euch warm an! Welche Temperaturen überleben Ameisen?

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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Boro
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#9 AW: Zieht Euch warm an! Welche Temperaturen überleben Ameisen?

Beitrag von Boro » 18. September 2008, 21:27

Um zu den Ameisen zurückzukehren:
Alle arboricolen Arten, die unter der Borke oder 1/2cm tief im Holz der Bäume leben, müssen mit den winterlichen Extremwerten zurechtkommen. Vor 50 Jahren und mehr hat es bei uns auch einmal Temperaturen zwischen -25° bis -30° gegeben. Die Isolierung durch so geringe Holzstärken ist minimal.
Aber auch Bodenbewohner halten einige Minusgrade aus: Irgendwo habe ich schon berichtet, dass ich vor ein paar Jahren beim Umstechen der Gemüsebeete eine gelbe Lasius-Art (vermutlich L. flavus) in einem durchgefrorenen Erdklumpen gefunden habe, obwohl immer wieder behauptet wird, dass sich Lasius-Arten "metertief" (realistisch max. 1,2m!!) zurückziehen.
Aber auch Camponotus ligniperda habe ich des öfteren bei Minusgraden unter Steinen gefunden. Sie hielten sich dort aber nur auf, weil dann die Sonne ab Mittag den Stein auch im Jänner doch ordentlich erwärmte.
Desgleichen haben bei mir Pheidole pallidula einen milden Winter (nicht geplant!!!) im Wurzelballen einer Topfpflanze im Freien überwintert. Dieser war auch einige Zeit ganz durchgefroren.
Und zuletzt: Meine Pyramica argiola aus dem Steingarten hat inzwischen nachweislich einen Extremwinter gut überstanden, wobei der Boden mindestens einen halben Meter tief durchgefroren war. Dabei heißt es, diese aus dem südlichenMittelmeerraum/Afrika stammende Art baue nur Nester mit einer Tiefe von 10-20cm!
Wie man sieht, alles ist relativ! Viele Arten haben mehr Frosttoleranz als wir vermuten. Entscheidend ist aber bei diesen speziellen Arten sicher der langsame Abkühl- und Auftauprozess.
Grüße v. Boro



Nuptial
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#10 AW: Zieht Euch warm an! Welche Temperaturen überleben Ameisen?

Beitrag von Nuptial » 18. September 2008, 21:35

Boro hat geschrieben:Irgendwo habe ich schon berichtet, dass ich vor ein paar Jahren beim Umstechen der Gemüsebeete eine gelbe Lasius-Art (vermutlich L. flavus) in einem durchgefrorenen Erdklumpen gefunden habe, obwohl immer wieder behauptet wird, dass sich Lasius-Arten "metertief" (realistisch max. 1,2m!!) zurückziehen.


Hallo Boro! Genau diese Beobachtung war es ja, die den Autor des Artikels damals zum Schreiben veranlasst hat: Er leitet ja den Artikel in den ersten Sätzen so ein: Alle sagen, dass sich die Ameisen in unseren Breiten im Winter in die Kammern im Boden zurückziehen, die unterhalb der Frostlinie liegen. Das schien damals eine weit verbreitete Ansicht zu sein. Und dass er sich da eben nicht so sicher war. Dann erzählt er, wie er 1895 im Winter mit seinem Sohn loszieht und gefrorene Erdklumpen ausgräbt, in denen nicht nur lebendige Formica sp. sondern auch noch eine Menge Parasiten und sonstige Mitbewohner wie Regenwürmer, Kellerasseln etc. zu finden waren.

Grüße v. Nuptial



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NIPIAN
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#11 AW: Zieht Euch warm an! Welche Temperaturen überleben Ameisen?

Beitrag von NIPIAN » 19. September 2008, 09:06

Hoi,

kleiner Einschub zu der Anhydrobiose:
Wie von Nuptial richtig aufgedröselt, handelt es sich um ein Lebenwesen, welches lebt, obwohl ein recht krasser Mangel an Wasser im Lebewesen herrscht.

Es ist, wie im Forum schon öfter angeführt, die Kristallisation des Wassers, bei Absenkung der Temperatur unterhalb des Gefrierpunktes, welche aufgrund der Volumenzunahme unter Bildung von spitzen Eiskristallen die Zellmembran von Tier und Pflanze irreversibel zerstört. Deshalb schmoddern Insekten nach dem Auftauen so herum, wenn sie sich auf den Tiefkühltruhen-Temperatursturz nicht haben vorbereiten können.

Die eine Art der Tiefentemperaturressistenz besteht im Auslagern von Wasser (Anhydrobiose), die andere in der Bildung von Frostschutzmitteln, wie Proteine (=Eiweiße), Lipide (=Fette), Kohlenhydrate (=Zucker)&Alkohole (=Alkohole; z.B. Glycerin, s. Nuptial's erster Beitrag) und dadurch eine Absenkung des Gefrierpunktes.

Deshalb das langsame Absenken der Temperatur für die Diapause o.ä. in der Haltung, der Organismus muss die entsprechenden Vorbereitungen im Laufe von Tagen bis Wochen treffen.



Skasi
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#12 AW: Zieht Euch warm an! Welche Temperaturen überleben Ameisen?

Beitrag von Skasi » 19. September 2008, 12:25

Das heißt also dass, wenn man Futtertiere vor dem Abkochen ein paar Stunden in den Kühlschrank stellt bevor man sie einfriert, sie nicht zu einem Breihaufen verfallen, wenn man sie auftaut (wie ich es oft lesen konnte)?

Entschuldigt bitte das Off Topic, aber das passt glaube ich gerade so gut hier her.



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NIPIAN
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#13 AW: Zieht Euch warm an! Welche Temperaturen überleben Ameisen?

Beitrag von NIPIAN » 19. September 2008, 13:32

Hoi,


@Skasi: wenn ich ein Insekt in einen Topf mit heißem Wasser werfe, dann kommt es auf die Komponente Zeit an (und auf ne geschickte Hand, um das Viech wieder herauszubekommen). Ähnlich einem Frühstücksei, welches auf unterschiedlichste Weisen zubereitet werden kann.

Bei etwa 10 -15 Sekunden werden oberflächliche Milben abgetötet, möglicherweise nur zu einem Teil. Das Innere bleibt jedoch mit Wasser angereichert. Nach der Gefriertruhenaktion: Matsch.

Bei etwa 60 Sekunden werden oberflächliche Milben abgetötet, möglicherweise nahezu alle. Das Innere ist ordentlich heiß geworden, die Proteine denaturiert ("sind fest geworden" / Eiklar wird tatsächlich Ei-weiß) und ein großer Teil des Wassers verdampft. Wenig Schmodder entsteht.

Meine persönliche Präferation für ein Frühstücksei ist "steinhart", da es länger im Magen bleibt und "satt hält". Also Das Insekt für 300 Sekunden ordentlich gekocht. Nu dürfte das meiste Wasser in Form von Wasserdampf entfleucht sein und der Schmodderanteil nach der Gefriertruhenaktion sehr gering.

Da ich ziemlich schnell geschrieben habe, bitte ich eventuelle Fehler zu entschuldigen, ich flieg nachher nochmal drüber.


Anhängsel wegen Skasis Beitrag darunter:
Das dürfte funktionieren, allerdings werden dafür wohl einige Tage herhalten müssen. Wie bei der Einwinterung unserer Zöglingen.



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#14 AW: Zieht Euch warm an! Welche Temperaturen überleben Ameisen?

Beitrag von Skasi » 19. September 2008, 16:49

Soviel ist mir schon klar.

Ich hatte nur einige male gelesen, dass Futtertiere matschig werden, weil sie eingefroren waren. Ist auch logisch - zumindest bei Obst auch häufig der Fall.
Nun war ich der Meinung, dass das ganze dadurch verursacht wird, dass die "Zellmembran irreversibel zerstört" ist.

Und jetzt war ich halt der Meinung, dass man das ganze zumindest ein wenig vermindern könnte, wenn man das Insekt dazu bringt sich auf Kälte einzustellen.



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The_Paranoid
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#15 AW: Zieht Euch warm an! Welche Temperaturen überleben Ameisen?

Beitrag von The_Paranoid » 19. September 2008, 20:53

Naja, kommt auf die Insekten an... bei einheimischen Ameisen scheint es ja zu funktionieren. Sie stellen sich auf Kälte ein, verdicken Hämolymphe um dem Frost zu trotzen... allerdings brauchen sie auch eine gewisse Zeit um sich darauf einzustellen. Ein paar Stunden werden bestimmt nicht reichen.

In wie weit andere Insekten das können? Hängt wahrscheinlich stark von den Insekten ab. Einheimische Insekten, die auch hier Frostperioden überstehen ... dort wird es funktionieren. Tiere die aus wärmeren Gefilden kommen und somit keinen Frost überstehen müssen, werden sich also auch nicht auf Frost einstellen wenn es kälter wird.



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murks
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#16 AW: Zieht Euch warm an! Welche Temperaturen überleben Ameisen?

Beitrag von murks » 20. September 2008, 14:26

Ich kann mich an ein Beispiel erinnern, da "erleidet" eine neuseeländische Höhlenschrecke, jede Nacht einmal das komplette Durchfrieren. Am nächsten Vormittag taut sie dann wieder auf. Bezieht sich aber wenn ich es recht verstanden habe "nur" auf die Übergangs Jahreszeiten wie Herbst/Frühling. Wehn es interessiert, es ist aus der Dokumentation Alien Empire Teil 2.


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