Polyergus rufescens Arbeiterin versucht Beute zu zerlegen

[Boro]

Hallo Sajiki!
Zur Verteidigung tritt Polyergus sehr wohl an: das ist neben dem Brutraub die einzige soziale Aktivität:
1. Ich konnte einmal die Folgen der Übernahme eines Unter-Steinnestes von Polyergus durch Camponotus ligniperdus beobachten. Die Amazonen haben geg. die Majoren v. Camp. keine Chance, da reicht ein kräftiger Biss und die Amazone ist "hinüber". Über die Hälfte der Amazonen wurde vernichtet, gleichzeitig erfolgte die Nestverlagerung (Flucht) d. Amazonen u. Hilfsameisen.
2. C. ligniperdus scheint es überhaupt auf die Amazonen abesehen zu haben. Schon des öfteren konnte ich beobachten, wie herumlaufende Amazonen (z. B. vor dem Ausmarsch) von einzelnen Camponotus attackiert wurden.
3. Zu den absolut heftigsten Abwehrkämpfen kommt es bei einem intraspezifischen Überfall, siehe hier:http://www.ameisenforum.de/beobachtunge ... 21747.html
4. Nur anlässlich der Niederlage der Amazonen bei einem starken F. rufibarbis-Nest musste ich damals erstaunt feststellen, dass die Amazonen nicht nur geflüchtet sind, sondern auch das Polyergus-Nest von den Formicas besetzt wurde und sich weder eine der zahllosen Hilfsameisen noch eine der übrigen Amazonen zur Wehr setzte: http://www.ameisenforum.de/beobachtunge ... 21747.html
5. Einen direkten Überfall von Lasius niger (durchaus möglich!) konnte ich bisher nicht feststellen, wohl aber den zunehmenden Druck eines sehr nahen Nestes v. Lasius emarginatus; das hätte sich u. U. zu einem Überfall entwickeln können. Ehrlich gesagt habe ich damals diese Gefahr durch mehrmaliges Stören d. Lasius-Nestes vereitelt.
6. Hin und wieder kommen die Amazonen bei ihren Feldzügen in Kontakt mit Tetramorium sp., das ist ein unangenehmer Gegner, dem die Amazonen tunlichst ausweichen.
Bei einigen Überfällen kamen sie in Kontakt mit dem Kleptobionten Solenopsis fugax; ein extrem unangenehmer Gegner, gegen die geballte Abwehrkraft dieser Winzlinge hat keine Art eine Chance, schon gar nicht die großen Camponotus-Majoren.
Meiner Meinung nach wird die "Kampfkraft" der Amazonen übertrieben dargestellt. Was ich bisher noch nicht sehen konnte u. mich daher besonders interessiert, wäre der Überfall von Raptiformica auf ein Polyergus-Serviformica-Nest. Das gäbe sicher eine interessante Entwicklung mit mehreren Varianten:
a) Stellen die Raptiformicas den Angriff ein, wenn sie "feststellen", dass nicht nur Serviformica sp. im Nest sind.
b) Wenn nicht, wie entwickelt sich die Schlacht? Die Raptiformica sind jedenfalls gleichwertige Gegner.
c) Ich vermute, dass es hier von der Stärke der jeweiligen Mannschaften abhängen dürfte, wie sich das Kampfgeschehen entwickelt. Was passiert aber, wenn die Serviformicas die Flucht ergreifen (wie üblich) und die Amazonen kämpfen? Dann würden viell. viele Amazonen "übrig" bleiben und zwar tatsächlich, weil sie nicht in der Lage sind, eine Nestverlagerung selbständig zu bewältigen; in solchen Fällen werden die "Herrschaften" immer getragen!
Fragen, die einer Klärung bedürfen. So viel ich weiß, hat das überhaupt noch niemand beobachten können. Viell. hab ich einmal Glück, ich kenne ein paar Stellen, wo Amazonen und "Raptis" nicht weit voneinander hausen........
L.G.Boro

[Sajikii]

Und da soll noch einer sagen, die heimischen Ameisen sind weniger interessant oder sogar fad! Wenn man solche Berichte wie die von Boro liest, wird man ja ganz euphorisch und fasziniert!

Lieber Boro! Herzlichen Dank für deine ausführliche, Inforeiche Antwort.

Ich bekam damit viele neue Puzzleteile dazu, und verstehe die Amazonen nun noch besser als vorher. All deine Einblicke bzgl. Camponotus, Tetramorium, Solenopsis und Raptiformica öffneten ohne Zweifel neue Türen.

Ich konnte schon oft (im Verhältnis) Amazonen beobachten, jetzt weiß ich das sie auch in Konkurenz zu anderen Ameisen schwere Arbeit leisten müssen.

Danke!