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Trivialnomenklatur oder über Hyänenameisen & Co.

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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#1 Trivialnomenklatur oder über Hyänenameisen & Co.

Beitrag von Gast » 8. Oktober 2010, 14:29

Barristan, der tapfere Held aus einer Traumwelt, hat wieder einmal zugeschlagen:
http://www.eusozial.de/viewtopic.php?f=26&t=945&sid=39e9dd0c674d67ac4213223b127ad824
Titel: "Braunschwarze Rossameise" ein Marketingbegriff?“
Bezogen auf diesen Thread: http://www.ameisenforum.de/europ-ische-ameisenarten-allgemeines/alle-camponotus-ligniperda-halter-15-t34702.html Post # 148.

Der Thread im echt-sozial ist nur als Lachnummer zu empfehlen, macht aber auf ein Problem aufmerksam, zu dem ich – wieder einmal – ein paar Worte verlieren möchte.

Dort hat sich also eine lebhafte Auseinandersetzung über den Trivialnamen „Braunschwarze Rossameise“ für Camponotus ligniperdus entwickelt, mit den in jenem Forum ja nicht unüblichen persönlichen Attacken. Der selbsternannte Botschafter des echt-sozialen Forums hier im AF meldet sich dann dort auch umfangreich zum Thema.

Was den Herrschaften offenbar unbekannt ist: Trivialnamen haben ohnehin keine Bedeutung, und jeder „neue“ Trivialname vergrößert nur die Unsicherheit unter den Laien und schafft zusätzliche Verständigungsprobleme.
Wenn nach Meinung von „Imago“ C. ligniperdus die diversen Namen „berechtigt trägt“, so ist das richtig.
Nur ist es leider sinnlos, und ebenso sinnlos, darüber zu debattieren. Es gibt keine verbindliche Regelung für Erfindung und Gebrauch von Trivialnamen. So etwas existiert nur für die wissenschaftlichen Namen in Form der „Internationalen Regeln für die zoologische Nomenklatur“, nach der jede Art einen einzigartigen, weltweit gültigen, lateinischen Namen hat, also z.B. Camponotus ligniperdus.

Dr. B. Seifert verzichtet in seinem Buch völlig auf Trivialnamen, und er tut gut daran.
Seit das Internet existiert und sich immer mehr Laien mit Tier- und Pflanzenarten beschäftigen (im Prinzip ja eine gute und schöne Sache!) treibt die Trivialnomenklatur üppig wuchernde Blüten. Und das nicht nur im deutschen Sprachraum: Natürlich wollen auch die Franzosen, Engländer, Italiener, Spanier, Chinesen, Japaner, … ihre Organismen mit Namen in ihrer jeweiligen Sprache belegen. Wozu auch international verständlich bleiben?

Ein paar solcher Blüten wurden bereits wiederholt aufgespießt. Die „Hyänenameise“ gehört dazu (aus Schwenke 1985: Ameisen, der duftgelenkte Staat), und auch Steinheils Wurst-Kannibalenameise (Sphinctomyrmex steinheili, engl. für die Gattung: „Sausage cannibal ants“; aus Andersen 2002: Common names for Australian ants).

Der ziemlich neue Name “Schwarzbraune Rossameise” ist jedenfalls erst nach 2000 aufgetaucht, nach Gründung des ersten und größten Ameisenladens der Welt, und in der früheren Literatur m.W. nirgends verzeichnet (für ältere Nachweise wäre ich dankbar!). Schwenke (1985) der alle damals gebräuchlichen deutschen Namen verwendet und weitere hinzu erfunden hat, nennt die beiden großen Rossameisenarten jedenfalls nur zusammen unter dem einen Namen „Riesenameisen“. Noch was zum Merken für Liebhaber von Trivialnamen!:)

MfG
Merkur

Edit: Hier steht noch etwas mehr: http://www.ameisenschutzwarte.de/forum/ ... .php?t=220



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#2 AW: Trivialnomenklatur, oder über Hyänenameisen & Co.

Beitrag von Wiseman » 8. Oktober 2010, 14:49

Schon Karl Gößwald hat im Buch "Organisation und Leben der Ameisen" kritisiert, dass Camponotus ligniperdus "Holzzerstörende Rossmeise" und Camponotus herculeanus "Große Rossameise" heißt. Beide Bezeichnungen sind nämlich erst recht sehr irreführend, denn zum einen nistet Camponotus ligniperdus in sehr vielen Fällen auch einfach unter Steinen bzw. nur in Totholz, während C. herculeanus nahezu ausschließlich lebende Bäume befällt (ausgewiesener Forstschädling), zum anderen ist C. ligniperdus üblicherweise etwas größer als C. herculeanus. Wenn überhaupt müsste man sowohl die wissenschaftlichen als auch die Trivialnamen vertauschen, um eindeutige Bezeichnungen der beiden Arten zu erhalten.

Viele GrĂĽĂźe,

Wiseman



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#3 AW: Trivialnomenklatur, oder über Hyänenameisen & Co.

Beitrag von PHiL » 8. Oktober 2010, 15:07

Hallo,

mir missfällt es, dass wir hier getrennt über Foren sprechen, möchte ich anmerken.

Eine Anmerkung @Wiseman: Ich habe Camponotus herculeanus sowohl in Totholz als auch unter Steinen in kompletten Erdnestern gefunden. Und ich denke, dass waren keine Ausnahmen! Ich hoffe, das Beweisbild reicht (habe keine weiteren), man erkennt die Erde, die auch von dem Stein abgeflacht war;
Bild

GrĂĽĂźe, Phil



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Wiseman
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#4 AW: Trivialnomenklatur, oder über Hyänenameisen & Co.

Beitrag von Wiseman » 8. Oktober 2010, 15:41

Hallo PHiL,

klar kommen auch Erdnester vor, dann aber meist als Ausläufer von Holznestern in nahegelegenen Bäumen. Im Totholz nisten sie auch ab und an (besonders, wenn es Verbindung zum Boden hat), die Mehrzahl der Nester dürfte aber dennoch in lebenden Bäumen (besonders in Fichte) liegen.

Auf Deinem Bild sind nur Puppen und Arbeiterinnen zu erkennen. Möglich, dass die Tiere die Kammern unter dem Stein wegen der höheren Temperaturen einfach als Puppenlager verwenden.

Viele GrĂĽĂźe,

Wiseman



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#5 AW: Trivialnomenklatur, oder über Hyänenameisen & Co.

Beitrag von Gast » 8. Oktober 2010, 16:44

@ PHiL:
„mir missfällt es, dass wir hier getrennt über Foren sprechen, möchte ich anmerken.“
Den Stiefel muss ich mir ja diesmal wohl nicht anziehen. Barristan war mal hier im AF, Imago ist es noch.
Ich finde allerdings auch nichts dabei, wenn man Themen aus anderen Foren hier anspricht, und umgekehrt: Es dient doch zweifellos dem Informationsaustausch!
Die Alternative wäre eine gegenseitige Abschottung, man würde sich selbst Scheuklappen anlegen.

@ Wiseman:
Ein Namenstausch zwischen C. herculeanus und C. ligniperdus ist zum GlĂĽck ausgeschlossen, vgl. Int. Nomenklaturregeln, zumindest mit der BegrĂĽndung, dass diese wissenschaftlichen Namen nicht ganz zur Lebensweise der beiden Arten passen.

Mir geht es hier aber ausschließlich um Trivialnamen, mit denen buchstäblich JEDER absolut unsinnige Begriffsverwirrung stiften kann.
Ich kann nur mahnen, das möglichst bleiben zu lassen, und zwar im ureigensten Interesse aller derer, die mit Ameisen zu tun haben. Verbieten kann es niemand, man kann nur empfehlen, den gesunden Menschenverstand walten zu lassen.

Ich will jetzt auch keine Diskussion darum führen, dass es selbstverständlich deutsche Namen für viele Tiere und Pflanzen gibt, die auch unangefochten bleiben sollen: Nachtigall und Gänseblümchen, Hausrotschwanz und Waldkiefer (die allerdings schon gemeinhin als „Kiefer“ bezeichnet wird), und viele andere.
Schwierig wird es für meine begrenzte Gehirnleistung schon, wenn es um „Rote Waldameisen“ geht: Kleine Waldameise, Kleine Rote Waldameise, Kahlrückige Waldameise, Rote Waldameise, Große Rote Waldameise, Stark beborstete Gebirgswaldameise, Wiesenameise, Wiesen-Waldameise, usw.. Bei den Kerbameisen (Untergattung Coptoformica) trägt gerade mal die häufigste, C. exsecta, einen Trivialnamen, „Große Kerbameise“, wurde aber auch schon als „Buchtenkopf-Waldameise“ bezeichnet. Bei den übrigen vier Arten beschränkt man sich weise auf die lateinischen Namen.
Das ist aber wohl historisch bedingt, und auch die von der DASW vorgeschlagenen deutschen Namen sind eben nicht bindend. In der Zeit, die ich mich mit Ameisen beschäftige, gab es schon mehrfach Änderungen.

Gerade sah ich, dass es zum Thema auch im AWiki bereits einen Beitrag gibt:
http://www.ameisenwiki.de/index.php/Deutsche_Bedeutung_der_Speziesnamen

Es tut mir Leid, aber bei diesem Thema kann ich einfach nicht ernst bleiben. :fettgrins:
mfG,
Merkur



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#6 AW: Trivialnomenklatur, oder über Hyänenameisen & Co.

Beitrag von Wiseman » 8. Oktober 2010, 19:13

Hallo Merkur,

vollkommen klar, dass der Wildwuchs von Trivialnamen gerade bei Ameisen verwirrt und zu Missverständnissen führt.
Aber zumindest beim Thema "Braunschwarze Rossameise" bleibe ich in Bezug auf den Eintrag innerhalb der Homepage der Ameisenschutzwarte Sachsen ausnahmsweise mal stur, auch wenn es unwissenschaftlich ist. :D

Der Grund? Ganz einfach: "Holzzerstörende Rossameise" hat schon von vornherein einen mit Vorurteilen beladenen Klang. Ich sehe die Aufgabe der DASW darin, dem Otto-Normal-Bürger die Wichtigkeit und Faszination ALLER einheimischen Ameisenarten (nicht nur die der Waldameisen) nahe zu bringen. Ein derartiger Trivialname wäre diesem Ziel wohl eher abträglich.

Man könnte zwar auch gänzlich auf Trivialnamen verzichten, doch das würde die meisten, wenig wissenschaftlich bewanderten Leute eher abschrecken. Dann lieber ein Trivialname, unter dem sich jeder etwas vorstellen kann, auch wenn er den Fachleuten sauer aufstößt. Allerdings halten diese sich doch sowieso vor allem an die eindeutigen, wissenschaftlichen Namen der Tiere.

Das ist meine Meinung.

Viele GrĂĽĂźe,

Wiseman



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#7 AW: Trivialnomenklatur oder über Hyänenameisen & Co.

Beitrag von Gast » 17. Februar 2013, 12:31

In Reanimation dieses etwas betagten Threads will ich hier mal etwas „Neues“ beitragen, hauptsächlich mit Blick auf die m. E. ziemlich lächerlichen Debatten um Trivialnamen, die doch immer wieder mal hochkochen.
Im Blog von Alex Wild wird nach einem Trivialnamen fĂĽr eine triviale amerikanische Ameise gesucht, Forelius pruinosus:
http://myrmecos.net/2013/02/15/a-common-name-for-a-common-ant/
Man muss etwas Englisch verstehen; alles zu übersetzen geht nicht („Zeit ist Geld“).

Wie aus dem Beginn dieses Threads hervorgeht, bin ich kein Freund von Trivialnamen („deutschen“ Namen), mit Ausnahme einiger wirklich „aus dem Volk“ kommender, traditioneller Bezeichnugnen wie Nachtigall, Kleiber oder Rote Waldameisen.
Es gibt eine Veröffentlichung, in der man versucht hat, für australische Ameisen Trivalnamen zu konstruieren: Andersen A. N. 2002. Common names for Australian ants. Australian Journal of Entomology 41, 285-293.
Jetzt fand ich im Internet eine Liste dieser Namen:
http://www.terc.csiro.au/antnames.asp

Einige Kostproben, die natürlich ihr Aroma erst entfalten, wenn man English versteht und sie übersetzen kann: Mir gefallen z. B. : “Topless cannibal ants”, “Sausage cannibal ants”, “Beauty ants”, “Giant beaked furnace ants”, “Smiling mono ants” (warum nicht gleich “Mona Lisa ants?”), “Michelin ants”, “Genial killer ants” usw.. Man kann in der Liste versuchen, ihre lateinischen Namen herauszufinden. ;)

Ich habe einmal über eine australische Sphinctomyrmex-Art publiziert. Der Trivialname der Gattung soll „Sausage cannibal ants“ lauten, „Wurst-Kannibalen-Ameisen“, und „meine“ Art wäre dann auf Deutsch „Steinheils Wurst-Kannibalen- Ameise“ :D. - Da ist mir das schlichte "Sphinctomyrmex steinheili" im Titel doch ehrlich lieber.

„Mono ants“ ist eine vorgeschlagene Bezeichnung für die Gattung Monomorium. Bei der o. g. „Lächelnden Mono-Ameise“ assoziiere ich immer die Mona Lisa. Es handelt sich um die Monomorium rothsteini-Gruppe. „Der geschwungene Rand des Clypeus verleiht ihnen ein lächelndes Aussehen“ – das ist die Erklärung für das „lächelnde“. „Mono“ ist nur eine Abkürzung für Monomorium.

Viel SpaĂź! :fettgrins:
Merkur



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