2 Kolonien = Krieg?

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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sOn1c
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#1 2 Kolonien = Krieg?

Beitrag von sOn1c » 31. Januar 2012, 02:35

Hallo,

vorweg möchte ich sagen, dass ich sowas NICHT (!!!) vorhabe.

Man stelle sich vor man hätte 2 richtig große Kolonien zweier verschiedener oder von der selben Ameisenart. Beide haben ihre eigenen Nester und leben getrennt von einander.

Jetzt stellt man eine "allgemeine" Arena, die mit beiden Formicarien der Kolonien verbunden wird, sodass sich die Krabbler dort treffen würden, zur Verfügung.

Ich denke, dass sich die Ameisen dort angreifen würden (vorallem wenn nur dort Futter angeboten wird) steht fest. Würden die Völker jedoch versuchen wollen das jeweils andere Nest zu zerstören oder denken die nicht so weit?

Würde nicht das zahlreichere oder stärkere Volk allein überleben, da es die Arbeiterinnen die Futter suchen töten würde und diese dadurch keine Nahrung mehr bekommen?



Was denkt ihr würde da passieren?



(ich wiederhole nur: Ich möchte sowas nicht testen, da es für mich wie ein Hundekampf o.ä. wäre. Aber die theoretischen Szenarien interessieren mich trotzdem)


http://www.StayPam.de für gute Musik ;)

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Wolfi
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#2 AW: 2 Kolonien = Krieg?

Beitrag von Wolfi » 31. Januar 2012, 09:07

Es würde darauf ankommen, um welche Arten es sich handelt.
Jede Art agiert anders.

Enige Arten würden sich bis zur Vernichtung bekämpfen, während wieder andere Arten sich aus dem Weg gehen.

So eine Frage ist schwer zu beantworten.



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Ossein
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#3 AW: 2 Kolonien = Krieg?

Beitrag von Ossein » 31. Januar 2012, 10:10

Das Miteinander verschiedener Ameisenspezies wird von der sog. Dominanzhierarchie geprägt. Diese gibt an, welche Spezies, i.d.R., bei der Ausbeutung der Nahrungsquellen, und der Verteidigung derselben, die Oberhand in bestimmten ökologischen Systemen gewinnt.
Hier[/url] schreibt Boro von seinen Beobachtungen, der ganze Thread ist hier nachzulesen (SuFu/Dominanzhierarchie).

Es ist zu beachten, dass eine ganze Menge Faktoren eine Rolle spielen, so dass man eine allgemein gültige Rangliste nicht erstellen kann.
Zu den ausschlaggebenden Faktoren gehören Verhaltensformen, Effektivität der "Waffen", Ernährungsstand, Koloniegröße und klimatische Bedingungen. So kommt es durchaus auch immer wieder dazu, dass eigentlich unterlegene Völker alleine aufgrund der raschen Rekrutierung u.U. individuell stärkere Ameisenspezies in die Flucht jagen können.

In den abgeschlossenen Welten unserer Formikarien aber funktioniert das Verhaltensrepertoire nur sehr unvollständig. Z.B. ist an Flucht kaum zu denken.
Wenn Lasius niger eine gewisse Koloniegröße erreicht hat, dann wird sie schlichtweg jede erreichbare andere Kolonie finden und, nach Möglichkeit, vernichten.
Während Temnothorax sp. sich duckt und wartet, bis die größeren Spezies aus dem Weg ist und jede Konfrontation vermeidet.

In der Regel wird es, ab einer gewissen Koloniegröße und bei Überschneidung der Lebensräume/Nahrungsquellen, sowie mit zunehmender Nestnähe, einen Kampf geben. Und dieser wird i.d.R. (in den Formikarien) bis zum bitteren Ende ausgefochten, denn weder haben die unterlegenen Völker die Möglichkeit umzuziehen und sich somit dem Zugriff zu entziehen, noch haben sie meist die Möglichkeit im Formikarium gänzlich getrennte Wege zu gehen.

In der Natur kommt es natürlich zu viel komplexeren Verhaltensformen: So hangeln sich in Asien Oecophylla sp. aus den Ästen über Treiberameisenstraßen und pflücken sich ab und an eine Arbeiterin zur Nahrung. (Im Übrigen vermeiden die dortigen Treiberameisen i.d.T. jeden Nestgeruch der Oecophylla sp., was dazu führt, dass ihre riesigen Heerestraßen von nichts aufgehalten werden, aber ein kleines herabgefallenes Oecophylla Nestblatt, mit vergleichsweise nur wenigen Arbeiterinnen, sie zu panischer Flucht animiert. Who dominates?)

Immer wieder gibt es auch das Verhalten, dass eigentlich dominanteren Ameisenspezies die bitter erkämpfte Beute auf dem Transport ins Heimatnest abspenstig gemacht wird. Die Dominanz ist zwar klar, aber was nutzt sie?

Dass die Vergesellschaftung von Ameisenspezies für eine gewisse Zeit lang gelingen kann, v.a. wenn denn verschiedene Lebensräume besetzt werden (bei ausreichend hohen Formikarien z.B. eine im Boden, eine in den Ästen nistende Art), ist richtig. Oder es gibt z.B. Arten, die beim Hervorrecken des Hinterteils ein Pheromontröpfchen wedeln, welches andere Arten abschreckt (wie bei Meranoplus sp.) - ab einer bestimmten, von den Rahmenbedingungen abhängigen, Koloniegröße kommt es auch hier zum Kampf um die Ressourcen.

Und dann dauert es nicht lang, bis die "gegnerische" Kolonie als Ressource wahrgenommen wird.

LG, Ossein.



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Wiseman
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#4 AW: 2 Kolonien = Krieg?

Beitrag von Wiseman » 31. Januar 2012, 10:40

Im Falle zweier annähernd gleich großer Kolonien derselben oder ähnlich dominanter Arten, würde es wohl bei Rangeleien innerhalb der hypothetischen Gemeinschafts-Arena bleiben. Ameisen sind durchaus in der Lage Kosten-Nutzen-Rechnungen aufzustellen, wenn auch nur unbewusst und rein instinktiv.

Liegt die Stärke der feindlichen Kolonie in einem ähnlichen Bereich wie die eigene, "wissen" die Ameisen, dass ein Vernichtungsfeldzug so verlustreich wäre, dass das Überleben der eigenen Kolonie nicht mehr gewährleistet ist.

Die Stärke der fremden Kolonie wird durch deren Duftkonzentration (z.B. entlang der Belaufwege) bzw. bei einigen Arten auch durch sogenannte Kommentkämpfe abgeschätzt.

Ist der Gegner hingegen weitgehend unterlegen oder weniger kampfstark, ist die Wahrscheinlichkeit eines Vernichtungsfeldzuges sehr hoch.

Viele Grüße,

Wiseman



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daskollektiv
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#5 AW: 2 Kolonien = Krieg?

Beitrag von daskollektiv » 31. Januar 2012, 12:47

Ganz passend hierzu vielleicht; ein Ausschnitt aus "Life in the undergrowth" über Polyrhachis sokolova
http://www.youtube.com/watch?v=1JIZyFJAdcc
(ab 1.37)

MfG Mateo


I REMEMBER WHEN ALL THIS WILL BE AGAIN ---"We call it ground-breaking equipment. That's because, quite often it hits the ground - and breaks" Martin Dohrn

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Institor
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#6 AW: 2 Kolonien = Krieg?

Beitrag von Institor » 31. Januar 2012, 15:19

Das Gesetz der Natur besagt, dass sich meist alle Lebewesen aus dem Weg gehen, wenn wirklich genug Platz und Nahrung vorhanden ist.



Gilthanaz
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#7 AW: 2 Kolonien = Krieg?

Beitrag von Gilthanaz » 31. Januar 2012, 15:45

Institor hat geschrieben:Das Gesetz der Natur besagt, dass sich meist alle Lebewesen aus dem Weg gehen, wenn wirklich genug Platz und Nahrung vorhanden ist.


Das ist aber leider Unsinn. Es gibt kein "Gesetz der Natur" in dieser Art. Lasius niger im speziellen werden jede Kolonie, der sie gewachsen sind, auslöschen - egal ob sie die Ressourcen brauchen, oder nicht. Das kann man in jedem Garten beobachten, wo die Tiere mit anderen Arten zusammen vorkommen. Es gibt zwar immer wieder Ausnahmen (so habe ich schon öfter Lasius cf. flavus in Lasius cf. niger Nestern gefunden, die nicht angegriffen wurden), aber deswegen ist die Ausnahme noch lange kein Naturgesetz.

Es gibt genug Tiere, die auch einfach aus Grausamkeit oder sogar Spaß töten - dazu muß man noch nicht mal den Menschen als Beispiel anführen. Schimpansenhorden können regelrecht Krieg gegeneinander führen (inkl. Nah- und Fernkampfwaffen, also Steine und Knüppel), ohne das es dafür um Ressourcen gehen müsste. Orcas töten öfter aus Spaß an der Jagd, sogar Delphine wurden schon bei sinnlosen Tötungen beobachtet (wenn ich mich richtig erinnere, waren die Opfer damals andere Zwergwale - finde aber leider die Quelle nicht mehr).Delphine greifen auch Menschen und Boote an, wenn sie schlechte Laune haben, ohne weiteren ersichtlichen Grund. Hauskatzen mit Freilauf, die zuhause zusätzlich gefüttert werden, leben auch dann ihren Jagdtrieb aus, wenn sie nicht hungrig sind - und "spielen" dann ihre "Beute" tot. Marder und Füchse, die z.B. in einen Hühnerstall eindringen, verfallen in einen "Blutrausch" und töten um den Faktor 50 mehr Beute, als sie überhaupt fressen könnten. Genug Beispiele :)

Leider ist die Natur und Natürlichkeit nicht annäherend so romantisch, wie manche Menschen sie gerne sehen bzw. hätten. Und Naturgesetz gibt es sowieso nur eines: Man lebt oder stirbt.

lg,
- G



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Wiseman
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#8 AW: 2 Kolonien = Krieg?

Beitrag von Wiseman » 31. Januar 2012, 16:10

Ob die von Dir genannten Tiere tatsächlich aus Spaß töten, weiß man nicht, denn bisher war niemand in der Lage, sie diesbezüglich zu interviewen.
Dass das beobachtete Tötungsverhalten in unseren Augen als sinnlos und auch als grausam anzusehen ist, heißt nicht, dass es keinen tieferen Sinn hat.

Das Spielen der Orcas mit ihrer Beute dient oft dem Jagdtraining der Jungtiere. Es wurden sogar Fälle beobachtet, bei denen die Orcamütter, nachdem das Jungtier die Lektion begriffen hatte, die arg gebeutelten aber zumeist nur leicht verletzten Seelöwen wieder zurück an den Strand brachten, weil sie bereits satt waren.

Dieses Verhalten passt nicht so recht in die Theorie von Grausamkeit und sinnlosem Töten. Letztlich müssen wir uns stark davor hüten, menschliche Verhaltens- und Denkweisen auf Tiere zu übertragen und uns klar darüber werden, dass wir in Bezug auf die Verhaltensbiologie bei den meisten Spezies gerade mal an der Oberfläche kratzen.

Das soll nicht heißen, ich würde bezweifeln, dass Tiere zu ähnlich motivierten Grausamkeiten wie der Mensch fähig wären. Möglich ist das durchaus, letztlich unterscheidet uns ja nicht wirklich viel von unseren tierischen Verwandten, aber wir wissen es einfach nicht.

Das Töten von Schweinswalen durch Große Tümmler und andere Delfinarten ist in unseren Augen äußerst grausam, zumal die sehr kleinen und niedlichen Schweinswale unseren Beschützerinstinkt ansprechen. Aus der Sicht der Delfine aber könnte es einfach nur das Ausschalten von Nahrungskonkurrenz sein.

Auch das Spielen unserer verwöhnten Stubentiger mit ihrer Beute erfüllt einen tieferen Sinn, nämlich den Abbau der während der Jagd aufgebauten Körperspannung, quasi Stressbewältigung.
Dass dabei Mäuse, Eichhörnchen und vor allem Singvögel zumeist einen sinnlosen Tod sterben, weil sie danach von dem wohlgenährten Kätzchen einfach liegen gelassen werden, ist in unseren Augen nicht nachvollziehbar. Allerdings weiß ich nicht, ob sich eine Katze Gedanken über Sinnhaftigkeit oder Sinnlosigkeit ihrer Handlungen macht.
Wahrscheinlich betrachtet sie das Treiben ihrer menschlichen Hausdiener auch als größtenteils sinnlos (abgesehen von den Streicheleinheiten und dem Öffnen der Futterdose).

Also Vorsicht damit tierisches Verhalten mit menschlichen Emotionen und Wertvorstellungen zu überfrachten.

Viele Grüße,

Wiseman



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