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Eine feine Hochzeitsgesellschaft...

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Frank Mattheis
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#1 Eine feine Hochzeitsgesellschaft...

Beitrag von Frank Mattheis » 22. April 2004, 19:28

Ich glaube, ich sollte ein paar Zeilen zu meinen Cataglyphis-Aktivitäten schreiben. Einige haben mich gefragt, ob die Cataglyphis-Geschlechtstiere aus eigener Zucht stammen und ob sie tatsächlich kopuliert haben.
Die Männchen und Weibchen stammen nur bedingt aus eigener Zucht, ich habe sie Ende März als Larven und Puppen aus ihrer Heimat mitgebracht. Zu Hause angekommen, gab ich die Geschlechtstierbrut meiner viaticus-Kolonie hinzu. Die Kolonie nahm die Brut sehr gut an, auch, als die jungen Geschlechtstiere schlüpften, wurden diese bereitwillig gepflegt. Dieser Zeitpunkt kann sehr heikel sein, ist die Kolonie nicht stark genug oder befindet sie sich aus irgend einen anderen Grund nicht in einem Zustand, der es ihr geraten erscheinen lässt, Geschlechtstiere aufzuziehen, kann es dazu kommen, dass schlüpfende Geschlechtstiere getötet werden. Ein weiterer Grund kann z. B. die Nichteinhaltung des Jahreszyklus sein, deswegen bemühte ich mich bei meiner Kolonie darum, sie im etwa gleichen Zeitraum wie die freilebenden Kolonien in die Frühjahrsaktivität zu versetzen. Das war nicht so übermässig schwierig, fast täglich kann man in den heute-Nachrichten die Wetterlage in Nordafrika sehen. Rückschlüsse von der Wetterkarte auf die Temperaturen erlaubten mir meine Erfahrungen von Besuchen in den Frühjahrsmonaten der letzten Jahre. Auch konnte ich anhand dieser Erfahrungen abschätzen, wie weit die freilebenden Kolonien in ihrer Brutentwicklung sein dürften. So genügte ein Kurzurlaub, um genügend Brut zu sammeln. Schwierig war jedoch, eine genügende Anzahl beider Geschlechter zu sammeln, bei den Puppen war dies kein Problem, die Puppen der Männchen sind etwas kleiner, da ich aber meist nur Larven fand, war dies schon Glückssache.
Innerhalb von etwa zwei Wochen schlüpften alle Geschlechtstiere, bereits in der dritten Woche begannen sie mit dem Schwärmen. Nun verfrachtete ich die gesamte Kolonie in ein grösseres Becken, ich war mir sicher, dass sie hier ihren „Hochzeitsflug“ veranstalten würden. Bei schwärmenden Cataglyphis in Spanien hatte ich beobachtet, dass die jungen Weibchen das Nest mit grosser Behendigkeit verlassen, dann wechselnd kurze Flüge unternehmen und weitere Strecken zu „Fuss“ zurücklegen. Dies alles mit ungeheurer Schnelligkeit, so dass es schwierig ist, die Tiere zu verfolgen. Stiessen die Geschlechter aufeinander, kam es zur sofortigen Kopulation, dies immer auf den Boden oder in der niedrigen Strauchschicht.
Merkwürdigerweise wollten meine Cataglyphis mir den Gefallen nicht tun. Nach mehreren erfolglosen Tagen, in denen die Tiere zwar heftig im Terrarium schwärmten und dabei von den aufgeregten Arbeiterinnen eskortiert wurden, fiel mir endlich der Groschen. Die Weibchen mussten die heimatlichen Gefilde der Mutterkolonie verlassen, um in Paarungsstimmung zu kommen! Den schamlosen Kerlen war dies egal, sie versuchten immer wieder aufzusteigen, wurden aber in der Nähe des Nestes brüsk abgeworfen.
Ich entschloss mich zu einem gewagten Versuch, ich fing ein Weibchen und zwei Männchen aus dem Terrarium ein und setzte die drei in das Terrarium der Myrmeciinen. Dieses Becken ist grösser, bepflanzt und verfügt über ordentliches künstliches Licht, seine Innentemperatur beträgt ca. 28 Grad, all dies günstige Voraussetzungen. Wichtiger war jedoch die nun durchgeführte physische Trennung zur Heimatkolonie. Die Myrmecia waren ziemlich verdutzt, all die aufgeregten Cataglyphis-Männchen wiederholt an ihren Nesteingang vorbeirannten… Um verlustreichen Zwischenfällen für die schwärmenden Cataglyphis vorzubeugen, verschloss ich lieber erst mal den Eingang der Myrmecia-Kolonie. Tatsächlich zeigte die Cataglyphis-Jungkönigin nun bald ein neues Verhalten, nachdem sie gemeinsam mit den Männchen eine Zeitlang durchs Terrarium gerannt und geflattert ist, verharrte sie nach etwa zehn Minuten auf einen exponierten Ast und liess eines der Männchen aufsteigen und schüttelte ihn nun tatsächlich nicht mehr ab. Die eigentliche Kopulation dauerte etwa zwei Minuten, dann begann das Weibchen, sich nach unten und vorn krümmend, das Männchen wegzubeissen. Nach wenigen Sekunden liess der Liebhaber von ihr ab.
Erstaunlicherweise hatte die Anstrengung den kleinen Athleten nur wenig mitgenommen, sofort setzte er seine Suche nach weiteren Weibchen fort. Also setzte ich zwei weitere Weibchen hinzu, die prompt ebenfalls begattet wurden. Eine von ihnen wurde von dem Männchen begattet, das kurz zuvor schon einmal erfolgreich kopuliert hatte. Beide Männchen setzte ich nun zurück in die Mutterkolonie, wo sie sich bis zum nächsten Tag erholten. Zumindest für diese wie sicher auch für andere Arten ist es also nicht zutreffend, dass die Männchen nach der ersten Kopulation sterben müssen. Sie sterben in der freien Natur meist an Entkräftung, fallen Raubfeinden zum Opfer und/oder verhungern. Dies sollte meinen beiden Helden natürlich nicht passieren.
Nun hatte ich also drei begattete Jungköniginnen. Kurz nach der Kopulation begannen alle drei tatsächlich, unter mühevollen Verrenkungen die Flügel abzuwerfen. Diese Prozedur scheint anstrengend zu sein und dauerte alles in allem eine gute halbe Stunde. Einige der nun nicht mehr jungfräulichen Damen liessen es bei diesem Unterfangen an der nötigen Sorgfalt fehlen, so tragen einige noch einen oder zwei Flügel. Junge und begattete Weibchen mit Resten der Beflügelung findet man jedoch auch im Freiland von Zeit zu Zeit. Wichtig für den Nachweis einer erfolgreichen Begattung ist das Bestreben der jungen Weibchen nach der Kopulation, sich ihrer „Takelage“ zu entledigen. Möglicherweise liess ich den Weibchen auch nicht genügend Zeit, als sie diese Verwandlung vom stolzen Flieger zum erdgebundenen Insekt durchmachten. Denn natürlich fing ich die Weibchen nach Ablauf der kurzen „Schonzeit“ ungeduldig ein und setzte sie in seperate Gefässe. Jede von ihnen bekam einige Arbeiterinnenpuppen und alle begannen sofort mit den „Nestbau“ und trugen die Puppen ein. Sie hatten nun also andere Sorgen als sich ihrer restlichen Flügel zu entledigen.
Bis ich alle Jungköniginnen auf diesen Weg zu einer glücklichen Begattung mit den Männchen geführt habe, werden einige Tage vergehen. Dummerweise und irgendwie nachvollziehbar geraten die Tiere immer dann in die entsprechende Stimmung, wenn die Sonne kräftig scheint, so gegen neun Uhr vormittags und zu dieser Zeit muss ich natürlich arbeiten. Also bat ich meinen Arbeitgeber um zwei Wochen unbezahlten Urlaub, denn natürlich will ich allen Königinnen auf diesem Weg die Chancen einer Koloniegründung eröffnen. Der Versuch, gleich etwa zehn der Königinnen mit entsprechend vielen Männchen auf die geschilderte Weise zu verpaaren, schlug fehl. Sind zu viele der Cataglyphis-Geschlechtstiere im Terrarium, scheint der Effekt einzutreten, dass die Weibchen nun wieder vermuten, noch in Nestnähe der Mutterkolonie zu sein aufgrund der vielen Begegnungen mit „Bekannten“. Das Resultat ist, dass sie sich widerborstig gegenüber den Bemühungen der Männchen zeigen. Das hat natürlich seinen Grund, ist sozusagen eine Art Lebensversicherung, als unbegattete Weibchen erhalten sie wieder Zutritt ins heimatliche Nest, als begattete würden sei bei diesen Versuch vertrieben, vielleicht sogar getötet. Insofern sind sie nicht frigide, sondern nur vorsichtig und auf ihr weiteres Leben bedacht.
Frühere Versuche mit einer anderen Art, die den Cataglyphis verwandtschaftlich recht nahe stehen dürfte, zeigten ganz ähnliche Ergebnisse, auch hier war eine Verpaarung in Gefangenschaft möglich. Jedoch musste ich hier für völlig andere Rahmenbedingungen sorgen. So liessen sich diese Erfahrungen nicht ohne weiteres übertragen, zudem handelte es sich um einen Sozialparasiten, Polyergus rufescens. Die Weibchen dieser Art kopulieren immerhin in Nestnähe und treiben sich dann oft für eine Zeitlang weiter in Nestnähe herum. Angeblich schliessen sie sich später den Raubzügen der Poyergus-Arbeiterinnen an. Dies konnte ich bei meinen begatteten Polyergus-Weibchen überhaupt nicht beobachten, augenblicklich nach der Begattung wurden sie zu Furien und griffen alle Tiere der Mutterkolonie an, auf die sie trafen. Immer musste ich Weibchen dieser Art sofort nach der Kopulation von der Mutterkolonie trennen.
Die Verpaarung von Ameisen ist in Gefangenschaft sicher bei einer Reihe weiterer Arten möglich, der hochinteressante Harpagoxenus z.B. hat sich in einem meiner Terrarien um Weihnachten 1991 erfolgreich verpaart. Es handelte sich um die geflügelte Weibchenform, Herkunft Hohe Tatra, Slowakei. Prompt hatte ich ein Problem mit dem nötigen Nachschub an Leptothorax-Brut, ich hatte dummerweise nicht ausreichend vorgesorgt. Gerade jene Arten, deren junge Weibchen sterzeln, verpaaren sich bereitwilliger. Männchen werden von den sterzelnden Weibchen angelockt und verpaaren sich meist sofort nach dem Anflug mit den willigen Weibchen.
Hoffentlich hab ich Euch mit meinem Geschreibsel nicht allzu sehr gelangweilt.
Grüsse, Frank.


PS: Ich stelle morgen noch ein paar Bilder von den begatteten Jungköniginnen ins Forum.



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#2 Betrifft deine Beobachtungen der Kopular bei Cataglyphis

Beitrag von Michael Schoen » 22. April 2004, 20:23

Hallo Frank wurden den schon von den 2 Jungköniginnen schon Eier gelegt ?: ? Es wäre schön zu wissen ob die Begattung auch erfolgreich war , hierzu müsstest du alllerdings eine deiner Königin opfern und an Hr.Buschinger schicken !
Danke für deine interessante Beschreibung deiner Beobachtung ;) :] :-) !

Grüsse Michael Schön


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#3

Beitrag von Frank Mattheis » 22. April 2004, 21:06

Micha, um Gottes willen...!!! Was meinst, sezieren? Niemals! Ich bin hundertprozentig sicher, dass sie begattet sind, sie haben ihr Verhalten, und das ist typisch für Ameisenköniginnen nach der Begattung völlig geändert.
Ey, Antastisch, wie meinst'n das??? Du wünschst mir "Erfolg bei der weiteren Begattung" meiner Königinnen??? Wie soll ich denn das hinkriegen? Das überlass ich doch lieber den Ameisenmännchen...
Danke fürs Lob!!! Frank.



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#4

Beitrag von Michael Schoen » 22. April 2004, 21:33

Nun wäre doch mal schön gewesen dies " wissenschaftlich " bestätigen zulassen ;) :] , nun ich selber bin auch nicht ein Fan solcher Methoden ;( !
Vielleicht wartest du noch auf einen weiteren Überschuss an begatteten Weibchen und bringst es dann vielleicht übers Herz , dich von einer zu trennen , schwerfallen würde mir persönlich es immer ;) ;( .

Grüsse Michael Schön


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#5

Beitrag von Frank Mattheis » 24. April 2004, 21:32

Heut haben sich wieder zwei der Cataglyphis-Damen der fleischlichen Lust hingegeben... Gestern und auch vorgestern wollte es nicht klappen, den grössten Erfolg hatte ich am Mittwoch. Da waren es vier der Damen, die dem Werben der Männchen nachgaben.
Alles in allem gestaltet sich die Sache dann doch mühsamer, als nach anfänglichen Erfolgen zu erwarten war. Es ist nicht immer nachvollziehbar, warum es an diesem Tag funktioniert, an jenem nicht. An den Männchen liegt es nicht, auch sind die Bedingungen, selbst das Wetter, konstant.
Dumm ist nur, dass die Männchen natürlich eine relativ kurze Lebenserwartung haben, jeden Tag segnen einige das Zeitliche. Zwar setze ich alle Tiere (ausser nat. die begatteten Weibchen) nach dem Begattungsflug zurück ins Mutternest, wo ihnen dann immer wieder die aufopferungsvolle Pflege der Arbeiterinnen zuteil wird und sie sich jeden Tag erholen können, trotzdem ist der Zeitpunkt absehbar, an dem die Männchen verschwunden sein werden. Das ist einigermassen betrüblich, denn einige Weibchen werden dann nicht mehr in den Genuss kommen. Frank.



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#6

Beitrag von Stefan » 25. April 2004, 19:20

Auch meine Königin trägt ordentlich "Nestmaterialen" zum Nestbau ein. Ich habe ihnen ein bisschen trockenes Moos zur Verfügung gestellt.
Auch hat die Königin gerade eben einen Flügel ab bekommen. Sie versucht jetzt noch den anderen "abzubeißen"!
Auch hat sie die Brut versorgt und ins Nest getragen. Die frischgeschlüpften Arbeiterinnen werden auch ständig geputzt!

Ich denke schon, dass sie begattet ist! Sie zeigt jedenfalls das Verhalten einer begatteten Köngin. Wollen wir's mal hoffen. :-)

Weiterhin viel Erfolg Frank!



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#7

Beitrag von Frank Mattheis » 25. April 2004, 21:22

Keine Sorge, Stefan, die ist auf jeden Fall "besamt"! Dieses komplexe Brutpflegeverhalten zeigt nur eine begattete Königin, einfacheres Brutpflegeverh. zeigen sicher auch unbegattete Königinnen, jedoch nie anhaltend und umfassend. D.h., auch die tragen schon mal 'ne Puppe umher und füttern eine Larve, sie zeigen dieses Verhalten aber nie ausgeprägt und länger anhaltend. Dabei gibt es natürlich Unterschiede zwischen den Arten, bei manchen "primitiveren" Arten wie etwa Myrmica rubra u.ä. können unbegattete Königinnen zu funktionellen Arbeiterinnen werden und dann deren Aufgaben übernehmen und dann natürlich ebenso anhaltend diverse Arbeiten verrichten. Dies kommt bei dieser Art so aber nicht vor, unbegattete Königinnen werden nach einiger Zeit aus dem Nest der Mutterkolonie vertrieben. Dass meine Kolonie die unbegatteten Königinnen und die Männchen immer wieder aufnimmt, funktioniert nur mit einigen Tricks.
Viel Spass, Frank.



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