Die Geschichte der Ameisenhaltung

Alle Themen, die in kein anderes Unterforum passen.
Neues Thema Antworten
Benutzeravatar
Ossein
Halter
Offline
Beiträge: 1605
Registriert: 11. September 2010, 23:32
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 2 Mal

#1 Die Geschichte der Ameisenhaltung

Beitrag von Ossein » 7. Februar 2011, 23:39

Manchmal vermisse ich einen Topic "Geschichte der Ameisenhaltung" oder "Altes aus Medien und Wissenschaft", weil ich glaube, dass man aus der Erinnerung und Verarbeitung der Vergangenheit die Gegenwart besser verstehen lernt.
Ein Beispiel aus dem Jahre 1905, hier 1908 veröffentlicht, verdeutlicht, mit wie wenigen Mitteln man die Ameisenhaltung betreiben kann und lässt einen manch einen Schnickschnack, den es zuhauf in den einschlägigen Läden zu kaufen gibt, noch mehr in Zweifel ziehen.
Das soll keinerlei Kritik darstellen an den z.T sehr aesthetischen Formikarien, wie sie von vielen hier im Forum gebaut und gezeigt werden, sondern lediglich eine Anregung sich Gedanken darum zu machen, was wirklich zum Wohl der Ameisen notwendig ist, und was wohl eher den Neigungen der Halter entspringt.

In neuester Zeit ist es namentlich in England Mode geworden, künstliche Ameisennester in Häusern zu halten, um diese reizenden Tierchen in ihrem Leben zu beobachten - meist eine müßige Spielerei. Wen aber wirkliches Interesse zum Studium dieser Tierchen hintreibt, der muß sich ein Beobachtungsnest, oder vielmehr mehrere solcher anlegen, um sie eingehend studieren zu können. Eine sehr praktische und einfache Einrichtung hiezu beschreibt M. Dankler in "Natur und Kultur", 2. Jahrgang (1905), Seite 287 f. Man nimmt eine flache, starkwandige Kiste, die man mit Torfplatten rundum auskleidet und innerhalb in verschiedene Wohnungen einteilt (Fig. 21). Jede Abteilung erhält oben einen gesonderten Glasdeckel, den man leicht abheben kann, damit bei genauerer Untersuchung der


Bild
Fig.21 Künstliches Ameisennest im Glaskasten. Nach M. Dankler.
a) Hauptnest. b) Nebennest. c)Vornest. d) Abfallnest. e)Futterplatz.
f) Gänge (Röhren).



einen Kammer, die Bewohner der anderen Kammern unbehelligt bleiben. Mit Drahtgaze versehene Luftlöcher sorgen für stets frische Luft. Die Torfplatten sind möglichst dick zu nehmen; sie dienen teils als Baumaterial der Ameisen, teils zum Aufsaugen aller Feuchtigkeit, welche den Ameisen besonders lästig ist. Ueber den Glasdeckeln kommt eine Decke zu liegen, am besten wieder aus Torfplatten; die Ameisen scheuen das Licht. Das gesammelte Nestmaterial legt man einfach in die eigentlichen Wohnräume; die Ameisen sorgen selber für die beste Ordnung darin. Als Boden der Futterkammer nehme man eine poröse Schieferplatte; zur Nahrung lege man etwas Honig, Teilchen von süßem Obst, Zucker, Insektenleichen oder auch etwas Fleisch hinein. Im Sommer sorge man dafür, daß der Kasten nicht erhitzt werde, im Winter bringe man ihn in einen frostfreien Raum (Keller) und überlasse man die Tierchen ungestört dem Winterschlafe.
- Uebrigens kann man sich auch Ameisen in jeder kleinen oder großen Kiste mit Glasdeckel halten, ohne daß man selbst weitere Räume darin herstellt; die Ameisen besorgen dann diese Arbeit von selbst, wenn man ihnen nur genügend Nestmaterial mitgibt. Darauf beruht z.B. das so einfache Versuchsnest Lubbock´s, mittelst dessen dieser berühmte Ameisenforscher so viele herrliche Entdeckungen über das Ameisenleben gemacht hat. Es ist ein einfaches Holzkästchen mit einem festeingefügten Glasboden und einer lose auf einer Watte- oder Flanellschicht aufgelegten Glasdecke. Die Watteschicht soll der Luft freien Eintritt gestatten.

Es gibt noch manche andere, kompliziertere künstliche Nestarten (z.B. das Forel-Nest, Wasmann-Nest, Fielde-Nest, Janet-Nest, Gebien-Nest u.s.w.), allein auch hier zeigt sich, daß das beste oft der Feind des Guten. Es muß dabei eben vorab auf die natürlichen bedingungen des Ameisenlebens Rücksicht genommen werden; je einfacher aber das künstliche Nest ist, desto natürlicher und normaler werden sich die Lebensgewohnheiten in ihm gestalten."
(Aus "Ameisen und Ameisenseele", P. Martin Sander O.S.B., Benziger Naturwissenschaftliche Bibliothek, Verlagsanstalt Benziger & Co. A.G., Einsiedeln, Waldshut, Köln a/Rh., New York, Cincinnati, Chicago bei Benziger Brothers, 1908)

(Das Bild läßt sich mit einem Klick vergrößern.)


Nun gut, ich hoffe das hat jetzt den ein oder anderen amüsiert. Alleine die Schreibweise hat die ein oder andere Besonderheit und das Wörtchen "hiezu" habe ich selten gelesen.

Ich würde mich freuen, wenn es andere anregen würde ähnliches hier hinein zu stellen. Vielleicht bekommen wir so eine kleine Ahnenreihe der Ameisenhaltung zusammen...



DermitderMeise
Halter
Offline
Beiträge: 3031
Registriert: 1. April 2007, 09:24
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

#2 AW: Die Geschichte der Ameisenhaltung

Beitrag von DermitderMeise » 8. Februar 2011, 12:47

Hallo,
konkret inhaltlich beisteuern kann ich aktuell nichts, aber in letzter Zeit bin ich öfter über dieses Buch gestolpert:
Six legs better: a cultural history of myrmecology - Charlotte Sleigh
Rezensionen hier und da. Da geht es zwar um die Ameisologie an sich und nicht um die Haltung, es sind aber sicherlich interessante Einsichten in den herrschenden Zeitgeist vorhanden, der wiederum die Motivation der Haltung und allgemein die Beschäftigung mit dieser Tiergruppe stark beeinflusst.



Neues Thema Antworten

Zurück zu „Off-Topic“