Lernverhalten von Ameisen
- Witzman
- Fortgeschrittener Halter
- Beiträge: 806
- Registriert: 21. April 2003, 22:33
- Hat sich bedankt: 0
- Danksagung erhalten: 1 Mal
#3
Unterwegs mit dem Ameisen-Tandem
Biologen entdecken besondere Kommunikation zwischen zwei Ameisen auf Nahrungssuche
Wissenschaftler haben eine besondere Schüler-Lehrer-Beziehung bei Ameisen entdeckt: Zeigt eine Schmalbrust-Ameise der Art Temnothorax albipennis einer Artgenossin bei der Nahrungssuche den richtigen Weg, so passt sie ihre Laufgeschwindigkeit dem Tempo ihrer Nachfolgerin an. Doch auch die Geführte orientiert sich am Tempo ihrer Führerin. Die Kommunikation zwischen den Tieren haben die Biologen Nigel Franks und Tom Richardson von der Universität in Bristol nun näher untersucht.
Während des gemeinsamen Marsches klopft die hintere Ameise ihrer Navigatorin mit den Fühlern auf Bauch und Beine, um ihre Anwesenheit zu signalisieren. Für die Untersuchung dieses tierischen Tandems maßen Franks und Richardson die durchschnittliche Geschwindigkeit beim Zweierlauf und verglichen diese Resultate mit dem Tempo bei der individuellen Nahrungssuche. Sie entdeckten, dass die erfahrende Führerin mit ihrem Anhang viermal länger für die Futtersuche brauchte als allein. Die Ameisen-Schülerin hingegen profitierte von ihrem Unterricht, da sie den Weg mit Unterstützung ihrer Lehrerin deutlich schneller bewältigen konnte.
Außerdem fanden die Biologen heraus, dass beide Ameisen aufeinander eingehen. Entstand eine Lücke zwischen Lehrerin und Schülerin, so beschleunigte die Schülerin, um schnell wieder zur Führerin aufschließen zu können. Die Lehrerin hingegen verlangsamte ihr Tempo und wartete, bis sie wieder das Klopfen ihrer Verfolgerin spürte. Diese wechselseitige Kommunikation bezeichnen die Biologen als bidirektional.
Zwar bringen viele Tierarten ihren Nachkommen lebenswichtige Verhaltensweisen bei, bidirektionales Lernen hingegen war laut Franks und Richardson bislang jedoch nur beim Menschen bekannt. Es biete besonders in kleineren Tiergruppen Vorteile, wo Informationen ein wichtiges Gut seien. Die in vielen Regionen der Erde heimischen Temnothorax-Ameisen reichen ihre Tandem-Fähigkeit über Generationen weiter, indem ehemalige Schülerinnen sich später selbst als Lehrerinnen betätigen.
Nigel Franks und Tom Richardson (Universität Bristol): Nature, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1038/439153a
ddp/wissenschaft.de – Anna-Lena Gehrmann
Mein Kommentar:
Wieder einmal wird uraltes Wissen unter neuem Etikett verkauft. Zumindest macht der Bericht aus wissenschaft.de auf mich diesen Eindruck. Das Tandem-Laufen wurde bereits 1974 analysiert und beschrieben: Möglich, M., Maschwitz, U., Hölldobler, B. (1974), Science 186, 1046-1047. In dem berühmten Buch “The Ants” von Hoelldobler & Wilson 1990 ist es ausgiebig wiedergegeben. Die veröffentlichten Beobachtungen schließen das „Warten“ der führenden Ameise auf die Folgerin ein sowie die Kommunikation mittels Fühlerschlägen auf Gaster und Hinterbeine der Führerin.
Ich selbst habe über Tandemlaufen bei der Sklaven haltenden Ameise Harpagoxenus sublaevis publiziert: Buschinger, A., Winter, U. (1977): Rekrutierung von Nestgenossen mittels Tandemlaufen bei Sklavenraubzügen der dulotischen Ameise Harpagoxenus sublaevis (NYL.). Insectes Sociaux 24, 183-190, (siehe auch “The Ants” p. 460). Hier wird die Tandemrekrutierung während der Sklavenraubzüge eingesetzt um Nestgenossinnen den Weg zum Zielnest zu weisen.
Man wird das Original in der „Nature“ einsehen müssen um herauszufinden, was in der Arbeit an wirklich Neuem enthalten ist. Nigel Franks ist ein renommierter Ameisenforscher, den ich persönlich kenne, und der bestimmt nicht nur die uralten Fakten neu aufgewärmt hat. "Temnothorax-Ameisen reichen ihre Tandem-Fähigkeit über Generationen weiter, indem ehemalige Schülerinnen sich später selbst als Lehrerinnen betätigen" - Das kann nur Quatsch sein. Das Tandemlaufen ist ein angeborenes Verhalten. Längst wissen wir, dass unerfahrene JÜNGERE Arbeiterinnen zunächst rekrutiert werden. Später, älter und erfahrener geworden, gehen sie dazu über, ihrerseits jüngere Nestgenossinnen zu führen. Bei Harpagoxenus haben wir das sogar mit individuell markierten Tieren experimentell bewiesen!
A. Buschinger
Edit 12.01.06, 18:20:
Inzwischen habe ich die Originalarbeit, und auch eine Erläuterung vom Verfasser Nigel Franks dazu:
“What Tom Richardson and I did was a highly quantitative re-analysis of tandem-running and we realized that it met all of the criteria of teaching as laid out in the animal behaviour literature. That's 99% of the whole story ...”
Also „nur“ eine nochmalige (sicher aufwändige!) Untersuchung des Tandemlaufens, wobei Wert auf exakte Messungen gelegt wurde. Dabei stellten die Verfasser fest, dass das Verhalten alle Kriterien des “Lehrens” oder “Unterrichtens” entsprechend der Literatur über das Verhalten von Tieren (Ethologie) aufweist. Auch Nigel ist alles andere als erfreut über das, was die Medien aus solchen Erkenntnissen machen.
Die Originalarbeit zitiert korrekt das Buch von Hölldobler & Wilson 1990 sowie die Arbeit von Möglich et al. 1974.
A. Buschinger
ciao
Witzman