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„Honigtöpfe“ in Österreich

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Boro
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#1 „Honigtöpfe“ in Österreich

Beitrag von Boro » 9. Juni 2006, 22:36

Die wenig bekannte Art Prenolepis nitens (Mayr, 1852) ist die einzige „Honigtopfameise“ Mitteleuropas, das heißt, „die einzige Ameisenart, die lebende Vorratsspeicher (Honigtöpfe) in Form physogastrischer Arbeiterinnen über den Winter hält“. (Bregant S. 16)
Es handelt sich dabei nicht um eine eigene Kaste, sondern jede Arbeiterin kann zum „Honigtopf“ werden.
Die Nester werden im Erdreich, unter Steinen oder in Baumstrünken angelegt und reichen 1 bis 3m in die Tiefe. Über die Nestgründung selbst ist wenig bekannt, möglicherweise ist Prenolepis zumindest temporär Sozialparasit bei Lasius sp.
Die Nahrungsgrundlage dürfte sich im wesentlichen aus Obst(-saft), Blütennektar und Honigtau zusammensetzen.
Das Verbreitungsgebiet reicht vom Kaukasus über Kleinasien, die Balkanhalbinsel bis in den Pannonischen Raum (Nord- bzw. Westgrenze: Slowakei, Ostösterreich) und die Illyrische Zone (Nordgrenze: Slowenien, Südliche Steiermark, Südkärnten und die collinen/bergigen Teile von Julisch-Friaul-Venetien)
Äußerst bemerkenswert ist der zuletzt gemachte Fund der Forscher M.Steiner/B.C.Schlick-Steiner, die Prenolepis erstmals in Kärnten und erstmals im Hochgebirge (Polinik, Kreuzeckgruppe in ca. 2000m Höhe) entdeckten. Bisher war die Meinung vorherrschend, dass die Vorkommen von Prenolepis mit dem Weinbau in Zusammenhang stünden und die Obergrenze bei 500m Seehöhe liege. Hier tut sich nun ein Widerspruch auf zwischen der „thermophilen“ Prenolepis nitens (Stichwort Weinbau) und dem Fund in extremer Höhenlage, wo nur mehr wenige Ameisenarten siedeln (M.Steiner u. B.C. Schlick-Steiner, Carinthia II)
Es bestätigt sich hiermit die Ansicht, dass man über diese Art viel zu wenig weiß.
Im Internet gibt es kein Bild von Prenolepis nitens. Das einzige (wenig informative) Bild konnte ich im Band „Rote Liste ausgewählter Tiergruppen Niederösterreichs, Ameisen, auf Seite 42 finden. Siehe Literaturanhang!
Die wichtigste deutschsprachige Literatur:
Röszler, P.(1937): Biologie der Honigameise (Prenolepis imparis v.nitens, MAYR)- Entomologische Rundschau(Stuttgart) 54:207-209, 348-352, 376-380)
Kressl, E.(1973): Prenolepis nitens (Mayr):eine für die Steiermark neue Ameisenart (Hym., Formicidae).- Mitteilungen der Abt. für Zoologie am Landesmuseum Joanneum 2(3):169-170.
Bregant, E.(1998): Zur Biologie und Verbreitung der Honigameise Prenolepis nitens (MAYR, 1852) in Österreich (Hymenoptera:Formicidae). Myrmecologische Nachrichten 2: 14-18.
Steiner, F.M. & B.C. Schlick-Steiner (2001): Die Honigameise Prenolepis nitens (Mayr, 1852) (Hymenoptera: Formicidae) neu für Kärnten und erstmals im Gebirge. Carinthia II 191/111:459-460.
Birgit C. Schlick-Steiner, Florian M. Steiner & Stefan Schödl (2003): Rote Liste ausgewählter Tiergruppen Niederösterreichs. Ameisen (Hymenoptera: Formicidae). Amt der NÖ Landesregierung/ Abt. Naturschutz

Gruß Boro



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TheSilence
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#2

Beitrag von TheSilence » 11. Juni 2006, 22:13

Interessanter Bericht. Danke.
Aber ich habe noch ein Frage. In Zeile 1 und 2 steht, dass Prenolepis nitens die einzige Ameisenart in Mitteleuropa ist, die Honigtöpfe aufweisen. Meines Wissens hält Camponotus lateralis auch Honigtöpfe. Sie sind zwar vom Aussterben bedroht, aber trotzdem noch stellenweise vorhanden.
Generell finde ich Arten, die Honigtöpfe halten, sehr interessant z.B. Myrmecocystus spp.


mfg Daniel

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Boro
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#3

Beitrag von Boro » 12. Juni 2006, 13:37

Hallo The Silence!
Ja, Camponotus lateralis soll auch "Honigtöpfe" besitzen. Es ist nur sehr fraglich, ob man sie als "mitteleuropäische Art" bezeichnen kann. Im Tessin kommt sie vor, es wäre zu erheben, ob sie etwa in Südtirol oder Ungarn vorkommt. Da bin ich momentan überfragt! Neue Nachweise in Deutschland gibt es offenbar nicht, die "historischen Nachweise in BW, RP und By" sind unklar, wahrscheinlich eine Verwechslung mit C. piceus (Seifert, S. 285).In der (neuen) Roten Liste der Ameisen Bayerns wird sie gar nicht erwähnt. In Slowenien gibt es sie, allerdings auch nur an der Mittelmeerküste.
Übrigens ein sehr niedliche Art, zierlich, schön gefärbt und sehr ängstlich. Ich halte eine Kolonie, deren Königin aus Istrien stammt. Die kleinen Arbeiterinnen kann man auf den ersten Blick mit Crematogaster scutellaris verwechseln. Bei Crematogaster gilt: In D nicht heimisch, nur eingeschleppt!
Gruß Boro



K Kris
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#4

Beitrag von K Kris » 14. Juni 2006, 11:14

Wieder mal ein toller Beitrag Boro,

Weiss irgendjemand mit Sicherheit ob Plagiolepis pygmaea und P. vindobonensis ebenfalls als "Honigtöpfe" angesehen werden könnten. Diese winzigen beiden Arten gehören zu meinen Lieblingen und sind mitunter die interessantesten einheimischen Arten (sowohl in D, A oder auch hier in Si).

Die Arbeiterinnen können stark physogastrisch sein. Da sie in Anwesenheit von Königinnen keine Eier produzieren, kann es sich also um keine Ovarienschwellung handeln. Leider gibt es in der Literatur nur wenige Hinweise, die darauf schliessen lassen könnten, dass es sich vielleicht um "Honigtöpfe" handelt, aber nichts wirklich Autoritatives.

Ich kann mir das häufige Auftreten von Arbeiterinnen-Physogastrie jedenfalls nicht anders erklären.



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