Lasius fuliginosus: Undecan und Dendrolasin

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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Gast
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#1 Lasius fuliginosus: Undecan und Dendrolasin

Beitrag von Gast » 20. Mai 2010, 12:23

Es gibt einige Unklarheiten über die Giftwirkung der Sekrete von Lasius (Dendrolasius) fuliginosus. Auf eine PN-Anfrage von Streaker87 habe ich mich etwas umgesehen.

Klar ist, dass die Sekrete deutlich riechbar sind (der Geruch ist charakteristisch, süßlich, aber schwer zu beschreiben). Weiterhin ist das Wehrsekret für manche anderen Ameisen giftig oder zumindest abschreckend. Siehe dazu: http://www.ameisenwiki.de/index.php/Lasius_fuliginosus

Zur Giftwirkung auf Menschen ist Folgendes zu finden:
Wikipedia: n-Undecan entfettet und rötet die Haut. In den Augen führt die Flüssigkeit zu Schmerzen und Rötung. (Das gilt aber offenbar für reines, flüssiges Udecan!)
In der Nähe der Nester ist ein für den menschlichen Geruchssinn süßlicher Duft wahrnehmbar. In ihren Mandibeldrüsen produzieren die Ameisen Dendrolasin und Undecan. Diese Sekrete werden bei Störung oder Bedrohung des Nestes abgegeben. Was für den Menschen nur ein süßlicher Duft ist, ist für das Ameisenvolk eine effiziente Methode, das komplette Nest in Alarmbereitschaft zu versetzen. Zudem hat dieser Geruch eine sehr starke abschreckende Wirkung auf Formica und andere Lasius-Arten und wirkt bei diesen sogar toxisch. (Das gilt für die Substanz in der Gasphase, wobei gewöhnlich recht geringe Konzentrationen vorliegen).

Gute Informationen finden sich auch in Sicherheitsdatenblättern:
http://chemie.uni-lueneburg.de/gefahr/8186/818629.pdf (Undecan von Merck): „Gesundheitsschädlich. Kann bei Verschlucken Lungenschäden verursachen.“

http://www.chemie.uni-erlangen.de/vostrowsky/natstoff/09Pheromone.pdf ab S. 227 über Dendrolasin und viele andere Ameisenpheromone.Vostrowski ist DER Pheromonspezialist!

Dendrolasin ist ein Sesquiterpen. Über seine evtl. Schädlichkeit für den Menschen konnte ich nichts Gescheites herausfinden, doch gelten viele Terpene usw. als toxisch.

Eigene Erfahrung: Über viele Jahre habe ich jeweils für ein Ameisenpraktikum mehrere hundert Arbeiterinnen von Lasius fuliginosus mittels Exhaustor von ihren Straßen gesaugt.
Der Saugapparat wird mit dem Mund betrieben. Die Tiere sondern im Stress sehr viel Wehrsekret ab. Es schmeckt nicht gut, aber außer einer kurzfristigen, leichten Reizung der Mundschleimhäute konnte ich keine gesundheitliche Beeinträchtigung feststellen. Vermutlich wird dabei nicht die für Menschen toxische Konzentration erreicht.
Ich würde dennoch keine Kolonie im Zimmer halten wollen: Der aufdringliche Geruch wird auf Dauer lästig.

Ob andere Ameisen in demselben Raum durch die Ausdünstungen beunruhigt oder geschädigt werden können, ist sicher nicht untersucht (Luftkonzentration von Undecan und Dendrolasin müsste gemessen werden, Dauer der Exposition, bei verschiedenen Temperaturen usw.; viel Aufwand für eine wissenschaftlich wenig spannende Fragestellung!)

MfG,
Merkur



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KayRay
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#2 AW: Lasius fuliginosus: Undecan und Dendrolasin

Beitrag von KayRay » 20. Mai 2010, 17:18

Interessant.
Kann ich daraus also schließen, dass eine Haltung im Wohnraum auf lange Sicht potenziell gesundheitsschädlich ist?
Synthetisiert könnte es doch auch z.B. eine natürliche Bekämpfung von Hausameisen ermöglichen.


Mitdenken tut nicht weh.
Und hilft dem Mensch seid eh und je.
:)

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Robert P.
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#3 AW: Lasius fuliginosus: Undecan und Dendrolasin

Beitrag von Robert P. » 20. Mai 2010, 19:58

Hallo zusammen,

habe selbst einige Wochen lang mehrere Hundert Tiere am Tag mit einem Exhaustor aus einer Kolonie, nicht in der Natur, angesaugt und kann bestätigen, dass die Reizung der Schleimhäute nicht sonderlich schlimm waren.

An manchen Tagen habe ich während und nach der Prozedur einen leichten Hustreflex gehabt. Dieser hat aber wieder sehr schnell nachgelassen.

LG, Robert



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Streaker87
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#4 AW: Lasius fuliginosus: Undecan und Dendrolasin

Beitrag von Streaker87 » 20. Mai 2010, 21:41

Hi Merkur!

Danke für deine öffentliche Antwort!

Aus einem Chemie-Forum habe ich noch folgende Bemerkungen bekommen:
ich habe in der geruchsbeschreibung "typisch, benzin- oder dieselartig" gefunden, was mir auch plausibel erscheint. und wenn ich "benzinartig" beschreiben sollte - irgendwie ein wenig frisch-suesslich , stimmt schon.
aber suess und suess ist eben nicht immer das gleiche, besonders als riecheindruck (ist ja eigentlich auch eher zungensache sowas zu entscheiden).

und wenn ich mir denn mal angucke was da in den aromencocktails suesser fruechte so alles drin ist...
..da gibts halt ne menge aromen, deren komponenten als chemische einzelstoffe betrachtet teilweise nicht von pappe sind

aber wie sagte schon paracelsus? dosis facet verenum, und rein chemikalienrechtlich duerftest du dir keine groessere portion orangen untern tannenbaum legen: zuviel fluechtiges limonen im orangenschalenoel
"Undecan trägt das Gefahrenzeichen "Gesundheitsschädlich".

Das bezieht sich auf R65 "Kann beim Verschlucken Lungenschäden verursachen".
Das heißt, wenn man es verschluckt und dabei etwas in die Lunge gerät, dann darf man mit einer gefährlichen Lungenentzündung rechnen.
Wenn nicht, hat das Verschlucken kleiner Mengen keine besonderen Folgen.

Lustig fand ich ja eher
"n-Undecan entfettet und rötet die Haut. In den Augen führt die Flüssigkeit zu Schmerzen und Rötung.", weil dies doch bei recht vielen Substanzen der Fall ist, was mich also nicht wirklich abgeschreckt hätte.




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NIPIAN
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#5 AW: Lasius fuliginosus: Undecan und Dendrolasin

Beitrag von NIPIAN » 21. Mai 2010, 13:34

Hoi,


Das bezieht sich auf R65 "Kann beim Verschlucken Lungenschäden verursachen".
Das heißt, wenn man es verschluckt und dabei etwas in die Lunge gerät, dann darf man mit einer gefährlichen Lungenentzündung rechnen.
Wenn nicht, hat das Verschlucken kleiner Mengen keine besonderen Folgen.


Der Trick besteht darin, dass die Oberflächenspannung in der Lunge durch Surfactantfaktoren (Phospholipide) herabgesetzt wird. Dadurch Oberfläche groß, dadurch Sauerstoff(und andere Gase)austauschfläche groß. Kommt nun Undecan daher, wirkt das zusammen emulsionsartig, die eigentliche Aufgabe der Phospholipide kann nicht mehr so gut ausgeführt werden - die Belüftungssituation verschlechtert sich. Begünstigt bspw. Bakterienkulturen. Ähnlich läuft es beim Säure-Proteinmantel der Haut und dem muzinhaltigen Augensekret.

Ist ja reizend.

Was lernen wir daraus? Springe niemals in einen Pool voller Undecan und verschlucke Dich.



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