Systematik der Ameise - Ein phylogenetischer Ansatz
Unterthemenaufruf direkt mit Klick auf die Zahlenfolgen z. B. 2.0.1
- 2.0.1 Was ist Systematik?
- 2.0.2 Und was bringt mir Systematik?
- 2.0.3 Wie lese ich den Stammbaum?
- 2.0.4 Die Stellung der Ameise
- 2.0.5 Resümee
2.0.1 Was ist Systematik?
Die heutige Forschung geht davon aus, dass alle Tiere dieser Erde einen einzigen, gemeinsamen Vorfahren besitzen:
Alle Tierarten - also auch wir Menschen - sind zumindest entfernt miteinander verwandt.
Die große Unterschiedlichkeit der Lebewesen, also zum Beispiel ihr extrem voneinander abweichendes Aussehen und die gänzlich verschiedenen Verhaltensweisen und Lebensräume,
die sie besiedeln, sind demzufolge durch eine lange Evolution entstanden (immerhin 3,9 Milliarden Jahre2 seit Beginn des ersten Lebens), die fortwährend andauert.
Betrachten wir nun also die Ameisen, können wir intuitiv erkennen, dass sie mehr mit einem Käfer gemeinsam haben als mit einem Regenwurm:
Beide haben jeweils 6 Beine, sie haben Fühler und Flügel, einen segmentierten Körper (Caput, Thorax und Abdomen bzw. Kopf, Brust und Hinterleib) und wenn man sie seziert, erkennt man auch im inneren Körperaufbau eine Reihe gemeinsamer Eigenschaften.
Aber auch die Regenwürmer haben einen segmentierten Körper und ihr Nervensystem (das sogenannte Strickleiternervensystem) ist denen der Ameisen im Grundplan ähnlich – Wer ist nun am nächsten miteinander verwandt?
Und wenn doch alle Tiere miteinander auf irgendeine Art und Weise miteinander verwandt sind, wie weit entfernt sind sie voneinander im Stammbaum des Lebens?
Dies herauszufinden ist die unter anderem Aufgabe der Systematik.
Sie bedient sich dabei zum Beispiel morphologischer (äußerlicher, anatomischer) Merkmale, Gensequenzanalysen aber auch fossiler Befunde aus der Vergangenheit.
Je mehr Gemeinsamkeiten man dabei findet, desto exakter wird der Stammbaum, den man später zeichnen kann.
Im Folgenden wollen wir uns mit der Systematik der Ameise beschäftigen.
Vorab gesagt: Es handelt sich hierbei um Theorien und nicht um eine universelle Antwort.
Die Forschung ist ständig im Wandel und es fehlt der Biologie an Nachwuchs, die sich eingehender mit diesem Themengebiet beschäftigt3.
Eine neu entdeckte Art zu beschreiben, damit ihre Stellung innerhalb der Tierwelt klarer wird, ist nicht nur schwer, es wird allein bei den Insekten geschätzt, dass 10-30 Millionen Arten auf der Welt vorkommen4.
Beschrieben sind bisher aber nur 1 Millionen Gliederfüßer, also im engeren Sinne Insekten + Spinnen + Krebstiere + Tausendfüßer.
2.0.2 Und was bringt Systematik?
Man darf an erster Stelle nicht vergessen, dass solche Stammbaumanalysen nicht nur dem Hobby der Ameisenhaltung dienen, obgleich dieser Beitrag natürlich dafür verfasst wurde.
Auch ist die Systematik nicht nur auf die Tierwelt beschränkt – Pflanzen und Einzeller können auf diese Weise ebenso erforscht werden.
Dadurch erweitert sich das Verständnis zum Beispiel für Krankheitserreger, Ökologie und Umweltschutz.
Vor allem die Insekten stellen die meisten Tierarten der Welt, sie kommen in unglaublichen Mengen vor – als Schädling, Krankheitsüberträger (Pharaoameise!), in Albträumen, aber auch als Nützlinge in der Landwirtschaft und Medizin5.
Zu guter Letzt: Die Beschreibung und Benennung einer ganz bestimmten Ameisenart, wie z.B. Lasius niger, bildet die Grundlage unserer Kommunikation hier im Forum, auf der wir uns Austauschen können.
Die Stellung von Lasius niger im Stammbaum der Ameisen gibt uns eventuell auch Rückschlüsse über die Haltung der anderen, nächststehenden Verwandten.
2.0.3 Wie lese ich den Stammbaum?
Das ist denkbar einfach:
Von links nach rechts schreitet die Evolution im Laufe der Zeit weiter an.
Das bedeutet, dass links die Vorfahren der rechts aufgeführten Nachkommen stehen.
Ein Vorfahr wird dabei durch eine Verzweigung des Stammbaums dargestellt, aus dem sich zwei oder mehrere Nachkommen entwickeln.
Ein Beispiel:
(Zwei konkurrierende Theorien, wer der nächste Verwandte der Gliederfüßer ist6.
Zu den Gliederfüßern gehören unter anderem auch die Ameisen)
Die beiden Gruppen (Taxa), die sich am nächste stehen, stellen dabei die am nächsten stehenden Verwandten dar.
Sie teilen sich einen "letzten gemeinsamen Vorfahren" (der Verzweigungspunkt) und bilden die sogenannte Schwestergruppe (=Monophylum):
Die "engsten" Verwandten der Gliederfüßer sind also entweder die Stummelfüßer (kleine, raupenähnliche Tiere mit knubbeligen Füßen), oder die Bärtierchen (die Tierchen, die fast alles überleben können, darunter Einfrieren, Backen und sogar Spaziergänge im Weltraum).
Aber Achtung: Es sind immer noch alle miteinander verwandt!
Die Einen eben nur näher miteinander als die Anderen.
Geht man also eine Stufe "höher", soll heißen in der Zeit etwas zurück, so bildet sich erneut ein Monophylum:
Diese schon im Eingangstext erwähnte Eigenschaft, dass im Endeffekt alle auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückzuführen sind, ist eine Grundeigenschaft, die auch im Stammbaum erkennbar sein sollte.
2.0.4 Die Stellung der Ameise
Die Stellung der Gliederfüßer innerhalb der Pancrustacea im großen System der Tiere wurde bereits behandelt, nun wird im Folgenden weiter "ins Detail" gegangen.
An dieser Stelle sei auch auf die taxonomische Einteilung nach dem Autor Antastisch verwiesen:
Nach dieser Klassifizierung werden die Insekten zu den Tracheata, den Tracheentieren, zugeordnet - die Ameise wird also mit allen Tieren zusammengefasst, die über ein spezifisches Tracheensystem atmen (ein Luftkanalsystem).
Der Stammbaum sähe dann so aus:
Ein anderes Konzept sieht die nächsten Verwandten der Insekten allerdings nicht in den Tausendfüßern, sondern in den Krebstieren.
Man bezeichnet es als Tetraconata7:
Da das Tetraconata-Konzept mittlerweile mehr Anklang findet, wird es hier auch weiterhin verwendet.
Die Familie der Ameisen (Formicidae) besitzt also folgende Stellung (nach Westheide/Rieger):
Dabei sind die fett und kursiv untermalten Namen der Oberbegriff der nach rechts folgenden Gruppen
und repräsentieren gleichzeitig auch diejenigen Taxa, zu denen die Ameisen gezählt werden.
Deutsche Namen der Taxa (in chronologischer Reihenfolge):
- Arthropoda: Gliederfüßer
- Insecta: Insekten
- Ectognatha: Sackkiefler
- Dycondilia: Zweihöckerige
- Pterygota: Fluginsekten
- Neoptera: Neuflügler
- Holometabola: Benannt nach der Eigenschaft, ein viertes Entwicklungsstadium (Puppenstadium) innerhalb der Metamorphose zu durchlaufen
- Hymenoptera: Hautflügler
- Apocrita: Taillenwespen
- Vespoidea: /
- Formicidae: Ameisen
2.0.5 Resümee
Dieser phylogenetische Ansatz, der versucht, das für viele doch recht "trockene" und umfangreiche Thema der Systematik anschaulich zu gestalten,
ist natürlich nur ein kleiner Einblick in die heutige Forschung - Und auch schon an diesem wirklich kleinen Einblick kann man erkennen, wie Umfangreich dieses Teilgebiet der biologischen Forschung wirklich ist.
Aufgrund der Fülle an täglich neu hinzukommenden Informationen könnte auch dieser Text in naher Zukunft schon obsolet geworden sein.
Dennoch ist es wichtig und interessant, sich mit den Grundlagen unserer "Krabbeltiere" ständig auseinanderzusetzen, denn je mehr sich von uns für alle Facetten der Ameisenhaltung interessieren, desto weiter können wir uns alle in unserem Hobby entwickeln.
Für weitere Fragen - oder falls inhaltliche Fehler aufgefallen sind -, so bitte ich, diese anzusprechen.
Letztendlich sind die Ameisen auch nur so erfolgreich, weil sie zusammen arbeiten
[1, 2, 4] D. Sadava, D.M. Hillis, H. C. Heller, M.R. Berenbaum, Hrsg. J. Markl: Purves Biologie, S. 850ff, Spektrum-Verlag, 9. Auflage 2001
[3] http://www.nationalgeographic.de/aktuel ... in-taxonom, 05.01.2017
[5] http://www.3sat.de/page/?source=/nano/m ... index.html, 05.01.2017
[6] "Spezielle Zoologie Teil 1: Einzeller und Wirbellose", Hrsg. Westheide/Rieger, 3. Auflage 2013, Springer-Spektrum-Verlag
[7] "Spezielle Zoologie Teil 1: Einzeller und Wirbellose", Hrsg. Westheide/Rieger, 3. Auflage 2013, Springer-Spektrum-Verlag
[8] Ab Hymenoptera nach http://ameisenwiki.de/index.php/Formicoidea und http://tolweb.org/Vespoidea/11191, 08.01.2017
Die Kladoramme wurden vom Autor mithilfe der Formatierung von http://www.wikipedia.de erstellt.
Autor: Frederick
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