Geschlechtstiere v. Polistes dominula syn. dominulus

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Boro
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#1 Geschlechtstiere v. Polistes dominula syn. dominulus

Beitrag von Boro » 9. September 2008, 17:22

Die Gattung Polistes ist in Mitteleuropa durch mehrere Arten vertreten. Die häufigste und größte Art ist Polistes dominulus.
Bei den Polistes-Arten erscheinen die Geschlechtstiere sehr frühzeitig, bereits ab Mitte Juli kann man die ersten entdecken. Schlüpfen fortan vermehrt Geschlechtstiere und damit weniger Arbeiterinnen, beginnt die Aktivität am Nest nachzulassen. Ende August/Anfang Sept. sind manche Nester bereits ohne Brut, vereinzelt gibt es noch gedeckelte Zellen. Geschlechtstiere bilden jetzt bereits die Mehrheit im Staate. Die Arbeiterinnen sterben nach und nach und oft kann man die Gründerkönigin nicht mehr sehen.
Es gibt kein eigentliches Schwärmen. Die Geschlechtstiere fliegen bei schönem Wetter aus, es kommt an erhöhten Punkten zur Begattung. Dann kehren die Tiere fast regelmäßig wieder in ihr altes Nest zurück.
Bei vorhandener Brut beteiligen sich die Junköniginnen mitunter an der Brutpflege, die jetzt am Nest nicht gerne gesehenen Männchen betteln regelmäßig um Nahrung, obwohl sie sich auch selbst durch längere Zeit mit Blütennektar ernähren können.
Mit der Gattung Polistes habe ich mich schon des öfteren beschäftigt:
Polistes dominulus bereits aktiv - Ameisenforum.de
http://www.ameisenforum.de/hymenopteren-isopteren-u-andere-insekten/mundgerechte-zubereitung-der-nahrung-t29840.html
http://www.ameisenforum.de/hymenopteren-isopteren-u-andere-insekten/29705-fleissige-drohnen.html
http://www.ameisenforum.de/hymenopteren-isopteren-u-andere-insekten/polistes-dominulus-u-endurus-argiolus-t24775.html
http://www.ameisenforum.de/hymenopteren-isopteren-u-andere-insekten/besonderheiten-bei-polistes-t24757.html
Hier nun ein paar Bilder:
1. Ein Männchen v. P. dominulus. Männchen sind sehr leicht zu erkennen, sie haben eine völlig andere Form u. Färbung des Kopfes. Die Enden der Fühler sind eingerollt. In frontaler Ansicht erscheinen die Augen schwarz:
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2. Unter einem anderen Blickwinkel erscheinen Teile der Augen vermutlich durch Lichtreflexionen gelb/grüngelb:
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3.Oder hier:
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4. Das Männchen sitzt auf meinem Finger. Keine Bedenken, Männchen haben keinen Stachel!
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5. Wenn eine Arbeiterin od. Jungkönigin mit vollem Kropf heimkommt, stürzen sich die nächst stehenden Geschlechtstiere auf diese und nehmen ihr beinahe gewaltsam das Futter ab:
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Gruß Boro



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timmey
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#2 AW: Geschlechtstiere v. Polistes dominulus

Beitrag von timmey » 10. September 2008, 06:52

Hey Boro,
sind wirklich schöne Fotos geworden :respekt:
Ist das erste Mal, dass ich bei Wespen davon höre, dass sich auch Jungköniginnen an der Nahrungssuche und Brutpflege beteiligen (zwar nur wenn wenige Arbeiterinnen vorhanden sind, aber immerhin ^^).
Auch dass sie mehrmal "schwärmen" ist mir neu :)
Bin zwar selbst kein Wespen-Fan, aber die Berichte sind sehr interessant ^^

Grüße Tim



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Boro
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#3 AW: Geschlechtstiere v. Polistes dominulus

Beitrag von Boro » 2. April 2011, 15:45

Monogynie-Pleometrose-Polygynie bei Polistes dominulus (Unterfamilie Polistinae)
Bekanntlich überleben bei den Wespen/Feldwespen (Polistes spp.) bis zum Frühjahr nur die (begatteten) Weibchen des Vorjahres. Im Gegensatz zu den Vorkommen im Mittelmeerraum nisten sie in Mitteleuropa fast ausschließlich in mehr od. weniger geschlossenen (geschützten) Räumlichkeiten (z. B. in Dachböden mit Warmdächern an der Ziegelunterseite). Die Nester aller heimischen Feldwespen bestehen nur aus einer Wabe ohne schützende „Papierhülle“ und sie werden auf der Oberseite mit einer wasserabweisenden Glasur versehen, das entspricht einer Anpassung an den Nestbau im Freien. Manche Gynen überwintern auf ihren alten Nestern und sind daher den winterlichen Außentemperaturen weitgehend ausgesetzt. Im März, ab etwa 15° Lufttemperatur und bei guter Besonnung beginnt ihre Aktivität: Gleich wird die Suche nach einem geeigneten Nistplatz aufgenommen und dabei finden sich häufig mehrere Gynen wieder im Bereich des alten Nestes ein. Für die nicht am Nest überwinternden Tiere eine beachtliche Leistung, weil die Örtlichkeiten über die winterliche Ruhephase hinweg eingeprägt bleiben müssen.
Seit Jahren beherbergt der Hohlraum des Giebelblechs meines Gewächshauses ein od. mehrere Nester dieser Art. Trotz schlechter Nahrungsbasis (Stadtrandbereich v. Klagenfurt (Österreich) mit vorwiegend „modern“ gestalteten Gärten) haben sich seit Mitte März zahlreiche Gynen an ihrem „angestammten“ Platz eingefunden, es handelt sich wohl ausschließlich um Geschwister. Nur 5 Gynen hatten am alten Nest überwintert, vor einigen Tagen konnte ich mindestens 15 Weibchen zählen. Jede will wieder hier ihr Nest bauen, aber es herrscht Platzmangel. Es kommt daher zwischen den Tieren zu Kämpfen um das Recht, am angestammten Ort wieder ein Nest gründen zu können. Diese Auseinandersetzungen können in einer hierarchischen Struktur ihren Abschluss finden, aber auch mit Verletzungen oder dem Tod eines Weibchens enden. Letztlich gilt das Alpha-Weibchen als Nestgründerin und einige rangniedrige Weibchen ordnen sich in einer Gründungsgemeinschaft unter. Die Rangeleien werden oft mit Trophallaxis beendet, das rangniedrige Weibchen muss dem dominanten Tier (notgedrungen) etwas Nahrung abgeben. Polistes dominulus gründet monogyn bzw. funktionell monogyn, aber nach ausgefochtenen Rangkämpfen soll auch Pleometrose vorkommen, wobei neben dem Alpha-Weibchen auch andere begattete Weibchen Eier legen können. Es wird angenommen, dass nach dem Schlüpfen der ersten Arbeiterinnen die rangniedrigen Weibchen vertrieben (getötet ?) werden. Aber es kommt auch zur Polygynie mit mehreren reproduktiven Weibchen. Auch das Zusammenwachsen separat nebeneinander gegründeter kleiner Nester zu einem größeren Nest kann man oft beobachten (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Feldwespen) und http://www.hornissenschutz.de/feldwespen.html Die hierarchische Ordnung soll sich angeblich auch nach den Farbmustern der Kopfvorderseite (Gesichter) richten.(vgl. http://www.ameisenforum.de/ameisenforum-2001-2005-archiv/23030-rangk-mpfe-bei-papierwespen-polistes-dominulus.html). Rangniedrige Weibchen müssen sich unterordnen und praktisch die Rolle von Arbeiterinnen einnehmen oder auf einen anderen Nistplatz ausweichen. Die Gründungsgemeinschaft verbessert die Erfolgschancen der Nestgründung erheblich. Etwas ungewöhnlich erscheint die Tatsache, dass erste Weibchen bereits jetzt (Ende März) Baumaterial (abgeraspelte und mit Speichel vermengte Holzfasern) eintragen.
1. Zahlreiche Gynen finden sich vor dem Nesteingang ein
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2. In Mitteleuropa gibt es mehrere Polistes-Arten. P. dominulus besitzt Fühler, die ab dem 3. Glied rundum orange gefärbt sind. Der Clypeus ist entweder rein gelb oder so gefärbt wie hier, er ist mit einem schwarzen Fleck versehen.
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3. Bestimmung der Rangordnung:
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4. Die rechte Wespe scheint die Oberhand zu gewinnen:
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5. Ja, ein eindeutiger Fall!
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6. Die linke Gyne drückt sich in demütiger Haltung nieder!
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7. Ein anderer Fall: Hier scheint die Rangordnung noch nicht entschieden:
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8. Jetzt geht´s ums Ganze:
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9. Puh, das war knapp! Die dreiste Schwester ist geflohen. Jetzt folgt eine kurze Reinigung!
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L.G.Boro






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Ameise2000
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#4 AW: Geschlechtstiere v. Polistes dominulus

Beitrag von Ameise2000 » 2. April 2011, 16:26

Echt geniale Bilder und sehr informativ.



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Octicto
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#5 AW: Geschlechtstiere v. Polistes dominulus

Beitrag von Octicto » 2. April 2011, 16:32

Wirklich sehr schoene und gelungene Fotos, Boro!
Auch ich interessiere mich fuer Wespen nicht so sehr, aber auch deren Fotos ziehen mich in den Bann!
Hoffentlich werden noch Bilder folgen.



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#6 AW: Geschlechtstiere v. Polistes dominulus

Beitrag von Alpha Chuby » 3. April 2011, 10:37

Hi Boro,
ein sehr schöner und informativer Bericht! Auch die Bilder gefallen mir sehr gut.
Frage: Kann die Feldwespe im Hochsommer auch Zweignester anlegen?
Grüße



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Boro
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#7 AW: Geschlechtstiere v. Polistes dominulus

Beitrag von Boro » 3. April 2011, 19:52

Nein, soziale Wespen legen keine Zweignester an (außer es wird ihr urspr. Nest in einem frühen Stadium zerstört). Außerdem haben Polistes spp. einen kurzen Aktivitätszyklus, der bereits im August zu Ende geht. Die Echten Wespen erleben ihren Aktivitätshöhepunkt erst im Sept./Okt und manchmal sieht man die noch im Nov. durch die Gegend fliegen.
Die Feldwespen haben nur kleine Populationen mit ein paar Dutzend Arbeiterinnen, sie sind von schlanker Gestalt und wegen der fast gänzlich fehlenden Behaarung besonders schön anzuschauen. Sie sind harmlos und stören nie bei Kaffee und Kuchen am Nachmittag od. einer zünftigen Brettljause!
L.G.Boro



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Boro
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#8 AW: Geschlechtstiere v. Polistes dominulus

Beitrag von Boro » 10. August 2011, 15:46

Auch über Parasiten bei der Unterfamilie Polistinae und anderen Wespen wurde im Forum schon einige Male berichtet, z. B. hier:http://ameisenforum.de/andere-insekten-spinnentiere/wespen-und-ihre-parasiten-t37350.html
Bei den älteren Berichten sind infolge der Forum-Umstellung Bilder verloren gegangen.[[url]http://ameisenforum.de/search.php?searchid=502576][/url]

Ich habe leider nicht die Nerven, bei meinen alten Berichten die zugehörigen Bilder herauszusuchen. Einige Bilder + Text sind aber zum Glück hier gut aufgehoben:http://www.hornissenschutz.de/feldwespen.htm

Dort wird bereits über Latibulus argiolus (Rossi, 1790) berichtet. Nun gibts bessere Bilder dieses Parasiten:

1. Hier sehen wir die (v. mir ausgeschnittene) Nestöffnung am Giebel meines Gewächshauses mit davor sitzenden Wespen (Polistes dominulus). Das "Herumlungern" am od. vor dem Nest ist typisch für junge Geschlechtstiere (in dem Fall Gynen). Die gibt es bereits, denn schon im September geht die Nestaktivität zu Ende.
Im Gegensatz zu den Arten der Unterfamilie Vespinae gibt es kein allgemeines u. zeitl. kurz begrenztes Schwärmen, hier fliegen diese durch Wochen immer wieder aus und treffen sich mitunter an hochgelegenen Punkten mit Männchen. Sowohl Gynen als auch Männchen ernähren sich z. T. selbständig und kehren auch immer wieder in ihr Stammnest zurück. Die Männchen werden jetzt nich mehr gerne gesehen u. oft durch Bisse v. Nest vertrieben. Eher ungewöhnlich ist aber die Tatsache, dass junge Gynen manchmal auswärts Beute machen und diese zur Verteilung an die Brut ins Nest bringen! Diese Verhaltensweisen sind in erster Linie als Anpassung an die kleine Nestpopulation zu verstehen.Links im Bild erkennen wir eine parasitäre Latibulus, die auf ihre Chance wartet.
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2. Die Schlupfwespe muss so lange warten, bis die Nestbewohnerinnen den Eingang freimachen. Erst dann kann sie in die Öffnung Richtung Nest vordringen und auf eine Gelegenheit zur Eiablage (auf eine größere Larve in einer Zelle) hoffen. Diese muss blitzschnell erfolgen, weil die Nestbewohnerinnen auf die Anwesenheit des Feindes ausgesprochen rabiat reagieren.
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3. Jetzt habe ich das Insekt zur besseren Beobachtung gedreht: Latibulus argiolus err. fast die gleiche Größe wie Polistes, ist aber deutlich schlanker gebaut. Die farbliche Gestaltung ist Polistes ähnlich, sodass man von Mimikry sprechen kann. Bemerkenswert sind die enorm langen Antennen und die sehr langen Hinterbeine mit auffallend kräftigen Coxen.
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