Gibt es Pygmäen bei Polyergus?

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#1 Gibt es Pygmäen bei Polyergus?

Beitrag von Gast » 16. Januar 2014, 10:10

[font=Times New Roman]Die Frage kam im amerikanischen Forum auf. Sklaven haltende Ameisen-Königinnen haben ja nach erfolgreicher Übernahme eines Wirtsvolkes direkt (Polyergus, Myrmoxenus), oder nach wenigen Tagen (Harpagoxenus, Chalepoxenus, die nur Puppen erobern) die Unterstützung durch Arbeiterinnen der Sklavenart. [/font]
[font=Times New Roman]Somit wäre eine Aufzucht von kleinen Erstlings-Arbeiterinnen nicht erforderlich, und da sie im Kampf sicher schwächer als normal große Duloten-Arbeiterinnen sind, auch nicht so recht „sinnvoll“.[/font]
[font=Times New Roman]Weiß jemand etwas dazu? Evtl. Boro?[/font]

[font=Times New Roman]MfG,[/font]
[font=Times New Roman]Merkur[/font]



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Boro
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#2 AW: Gibt es Pygmäen bei Polyergus?

Beitrag von Boro » 16. Januar 2014, 16:06

Ja, nachdem die Polyergus-Brut in eine bestehende Kolonie v. Hilfsameisen hineingeboren wird, ist die Aufzucht von Pygmäen nicht zu erwarten.
Ich konnte aber bei einigen Nestern - wo Amazonen erstmals zu Raubzügen ausrückten - feststellen, dass die Tiere durchwegs etwas kleiner und dunkler gefärbt waren (rotbraun/braunrot). Als richtige "Pyrmäen" würde ich sie nicht bezeichnen, weil das gleich 200 od. 300 Exemplare waren. Ich gehe davon aus, dass in diesen Fällen die Ernährungssituation eine Rolle spielen könnte:
Man stellt sich vor, dass eine Polyergus-Gyne anlässlich der Nestübernahme auf ein junges Serviformica-Nest trifft; das ist durchaus möglich. Die nun aufgezogene Amazonenschar wird nicht besonders volksstark sein und das könnte wiederum Konsequenzen haben: Trifft eine Schar von 200 Kriegerinnen auf ein Nest von Serviformica rufibarbis mit 3000 Arbeiterinnen, wird das sicher keine Erfolg. Im Gegenteil, da werden viele Angreifer dran glauben müssen. Hypothetisch weiter gedacht hieße das, dass es zumindest vorübergehend keine Aufstockung der Hilfsameisenpopulation geben wird. Die übrig gebliebenen Krieger und die stets nachwachsende Polyergus-Brut müssen aber weiter versorgt, gefüttert werden. Das könnte dazu führen, dass weniger Nahrung an mehr "Mäuler" verteilt werden müsste.
Übrigens hinterließen diese etwas kleineren Amazonen subjektiv den Eindruck sehr hoher Agilität und Aggressivität.
Einige Pygmäen können aber vorkommen - warum auch immer. Vielleicht hat Merkur noch das von mir zugesandte Exemplar einer kleinen u. besonders dunkel gefärbten Amazone. Ich stelle für alle Fälle noch einmal ein Bild ein. Das Tier hatte eine Länge von 6 mm, während "normale" Amazonen zw. 7 und 8 mm messen. Ich denke, in diesem Fall kann man ohne weiteres v. Pygmäen sprechen, ich konnte anlässlich eines Angriffs aber höchstens 4 od. 5 dieser Exemplare entdecken. Wenn man sich eine optische Drehung des Individuums entlang der Linien vorstellt, kommt man auf etwa 6 mm.
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Ureaplasma
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#3 AW: Gibt es Pygmäen bei Polyergus?

Beitrag von Ureaplasma » 17. Januar 2014, 11:21

Selbst bei jungen Serviformica Nestern werden schon im ersten Jahr nach der Gründung (bei F. rufibarbis im ersten Jahr nach dem Hochzeitsflug, bei F. fusca eventuell im zweiten Jahre nach dem Hochzeitsflug) zum Zeitpunkt des Hochzeitsfluges von P. rufescens bereits grössere Nachkommen herangezogen; diese haben zwar noch nicht die Grösse einer Ameise aus einer ausgereiften Kolonie, es sind aber auch keine Pygmäen mehr. Hilfsameisen behandeln Polyergus Brut wie ihre eigene, d.h. sollte eine Polyergus Gyne in solch einem Hilfsameisen-Nest gründen, so würde ihre Brut wohl nicht grösser oder kleiner herangezogen werden als die eigene.

Es frägt sich, ob ein sehr junges Hilfsameisen-Nest überhaupt attraktiv ist für ein Polyergus Weibchen. Kann sie solch ein verborgenes Nest überhaupt aufspühren; denn, je jünger das Serviformica Nest, desto kleiner dessen Eingang (Pygmäen machen keine grossen Eingänge) und um so weniger Ameisen befinden sich im Aussendienst.

Anbei, zwei Videosequenzen aus einem künstlich herangezogenen Polyergus Nest. Die Brut (die ersten am Leben gelassenen Polyergus Arbeiterinnen) stammen noch aus dem selben Jahr nach dem Hochzeitsflug; es sind keine Pygmäen.

http://www.youtube.com/watch?v=oZBLQI1539A

http://www.youtube.com/watch?v=SRoYg0uzj2Q

Auch bei anderen künstlich herangezogenen Polyergus Nestern habe ich noch nie Polyergus Arbeiterinnen gesehen, welche die Grösse von Serviformica Pygmäen haben.

Die Frage inspiriert mich allerdings. Falls die Möglichkeit besteht werde ich in diesem Jahr eine Polyergus Gyne mit Pygmäen vergesellschaften.

Grüsse,
Ureaplasma



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Reber
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#4 AW: Gibt es Pygmäen bei Polyergus?

Beitrag von Reber » 17. Januar 2014, 11:46

Hallo Ureaplasma

Ich habe unter anderem hier im Forum (Bericht von Boro) gelesen, dass die Polyergus-Aufzucht im Kunstnest grosse Schwierigkeiten bereitet. Unter anderem, weil die Zahl der "Hilfs"-Arbeiterinnen sehr hoch sein muss, bevor die ersten Polyergus-Arbeiterinnen schlüpfen. Wie soll das mit Pygmäen möglich sein?

Und es besteht die grosse Gefahr (und ich meine, das sogar in deinem Video beobachten zu können) dass die Hilfsameisen die jungen, frisch geschlüpften Polyergus in Gefangenschaft töten.

Hast du da andere Erfahrungen gemacht?



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Ureaplasma
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#5 AW: Gibt es Pygmäen bei Polyergus?

Beitrag von Ureaplasma » 17. Januar 2014, 12:20

Hallo Reber,

Mit Sicherheit gehört die Aufzucht einer Polyergus Kolonie zu den aufwändigeren, v.a. deshalb, weil man wissen muss wie, wo und wann man an Hilfsameisenbrut herankommt. Die Vergeselllschaftung an sich ist, meiner Erfahrung nach, nicht die schwierigste Hürde bei der Angelegenheit. Wieviele Hilsameisen eine Kolonie für die Aufzucht von Polyergus Brut benötigt, ist wohl nicht bekannt. Auch dürfte unbekannt sein ab welcher Hilfsarbeiterinnenzahl die Polyergus Gyne anfängt Eier zu legen.

Du hast recht, in dem Viseo kann man gut beobachten wie die jungen Amazonen von den F. fusca gezerrt werden. F. fusca macht das übrigens auch mit einzelnen geschlüpften F. sanguinea. Die Polyergus Brut wird letztendlich alleine durch die Anzahl der schlüpfenden Jungtiere gerettet.

Wie erhöht man die Zahl der Pygmäen? Indem man Brut von mehreren Gründerkolonien entnimmt.

Grüsse,
Ureaplasma



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#6 AW: Gibt es Pygmäen bei Polyergus?

Beitrag von Gast » 17. Januar 2014, 12:24

Danke für die Rückmeldungen! Sie bestätigen meinen Eindruck bei anderen Sklavenhaltern.

Allerdings haben wir im Labor bei Hunderten von Koloniegründungen von Harpagoxenus sublaevis und dem im Mittelmeerraum verbreiteten Sklavenhalter Chalepoxenus muellerianus fast immer Wirtspuppen zugegeben, denn wir wollten bald größere Völker haben, die Geschlechtstiere produzieren sollten.
Es ging z. B. darum, ob die ge-/entflügelten Gynen von H. sublaevis im Gründungskampf gegen standardisierte Völker von Leptothorax acervorum gleich erfolgreich sind wie ihre intermorphen oder ergatomorphen Artgenossinnen.
Der Königinnen-Polymorphismus ist genetisch begründet, so dass zunächst reinerbige Linien gezüchtet werden mussten.
Unterschiede, die man für die Seltenheit der gynomorphen Königinnen in der Natur verantwortlich machen könnte, waren dabei nicht festzustellen. Unter rund 1000 Freilandvölkern, die wir über die Jahre gesammelt bzw. kontrolliert hatten, fanden sich ganze acht mit einer entflügelten Königin; alle anderen hatten die flügellose, der Arbeiterin ähnliche Königinnenmorphe.

http://ameisenwiki.de/index.php/Harpagoxenus_sublaevis

MfG,
Merkur



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Boro
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#7 AW: Gibt es Pygmäen bei Polyergus?

Beitrag von Boro » 17. Januar 2014, 14:25

Ab welcher Koloniestärke v. Hilfsameisen Polyergus gründet, ist in der Natur kaum feststellbar. In der Haltung wiederum kann man wegen der (reichlichen) Fütterung kaum eine allgemein gültige Antwort erhalten. 2012 hatte ich ein Nest F. cunicularia mit der Jungkönigin Polyergus Ende Sept. freigesetzt (die Vergesellschaftung erfolgte Anfang 8), da waren bereits etwa 2 Dutzend größere Larven im Nest. Als die Königin zu legen begann, waren also höchstens 200, 300 Jungarbeiterinnen vorhanden. Aber wie gesagt, es wurde entsprechend gefüttert und es wurden ständig weitere cunicularia-Puppen beigegeben. Anlässlich der Freisetzung betrug der Arbeiterinnenstand etwa 550 bis 600. Unter dieser Zahl lasse ich kein Nest frei, weil im Freien neben interspezifischen Feinden schließlich auch noch der Winter seinen Tribut fordern kann.
Ich dachte damals, die Arbeiterinnen würden die Brut auffressen, aber siehe da: Im Mai waren bereits einige muntere Amazonen im Nest. Schlussfolgerung: Die Hilfsameisen hatten die Larven noch im Oktober zu Alaten aufgezogen. In dieser Zeit erfolgte aber noch eine zweimalige Betreuung (Fütterung) meinerseits, weil der Übergang v. Kunstnest zur Natur für Jungarbeiterinnen einen großen Schritt in die Ungewissheit bedeutet.
Ich weiß die Literaturstelle nicht mehr, aber irgendwo habe ich gelesen, dass die Zahl der Hilfsameisen mindestens 3 mal so hoch sein muss wie jene der Amazonen.
L.G.Boro



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Ureaplasma
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#8 AW: Gibt es Pygmäen bei Polyergus?

Beitrag von Ureaplasma » 17. Januar 2014, 15:35

Hallo Boro,

ich weiss es schweift etwas vom Thema ab, aber sollte ein Naturnest nicht auch immer nahe einer Sättigung sein, was die Verfügbarkeit von Nahrung angeht. Jede Serviformica Kolonie hat einen riesen sozialen Nahrungsspeicher verfügbar. Ist keine Nahrungsangebot vorhanden, zieht ein Nest einfach um oder die Brut wird reduziert. Keine Kolonie wird sich, was die Aufzucht von Brut angeht, überfordern wenn die Resourcen nicht vorhanden sind. Selbst in dem dürren Sommer letzten Jahres waren Serviformica Nester noch im August/September gefüllt mit Brut.

Grüsse,
Ureaplasma



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