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Können Ameisen Distanzen messen?

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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Nymphe
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#1 Können Ameisen Distanzen messen?

Beitrag von Nymphe » 13. Juli 2011, 04:03

Vor gut vier Wochen habe ich meine Lasius niger-Anlage um einen zweiten Nestblock und ein paar zusätzliche Stücke Schlauch und Querverbindungen erweitert. Zufällig ergab sich dadurch eine Abkürzung zur Futterquelle, schätzungsweise um etwa 50cm. Bis heute hat sich der neue, kürzere Weg nicht durchgesetzt, obwohl er erkundet wurde und gelegentlich belaufen wird. Dass die Duftspur im alten Schlauch sehr stark sein muss, ist klar. Aber dass die Energieersparnis durch den kürzeren Weg auch nach Wochen offenbar keinerlei Einfluss zu haben scheint, wundert mich dann doch.

Können Ameisen grundsätzlich keine Distanzen messen und vergleichen, oder muss der Vorteil nur größer sein, als bei mir der Fall, um eine etablierte Straße abzulösen?


Bestand: Lasius cf. niger von 2009 (Haltungsbericht) - 2x Lasius cf. flavus von 2012
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cvb
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#2 AW: Können Ameisen Distanzen messen?

Beitrag von cvb » 13. Juli 2011, 07:57

Hiho,

finde die Frage ganz interessant. Hier mal ein par Gedanken: Die Orientierung basiert hier ja stark auf Pheromonkommunikation. In der Natur wird zumeist der kürzeste Weg eingeschlagen, allerdings nicht durch Entscheidungen einzelner, sondern durch Selbstorganisation. Kürzere Wege werden pro Zeiteinheit von mehr Ameisen passiert, daher steigt die Pheromonkonz. stärker an als auf langen Wegen. Da gibt es in irgendeiner Doku einen Versuch mit einer kurzen und einer langen Brücke, fällt mir gerade nicht mehr ein, wo das war. Sind hier beide Wege Schläuche? Dann würde ich fast vermuten, dass nach genügender Zeit der kürzere gewählt wird. Es könnte aber auch sein, dass die Sättigung der Pheromonspur in so einem Schlauch so hoch ist, dass man keine Unterschiede der Konz. ausmachen kann. Außerdem kann es sein, dass auch bei Inaktivität der Ameisen eine so hohe Pheromonkonzentartion im Schlauch bleibt, dass gar nicht erst versucht wird eine neue Spur zu etablieren (erscheint mir am wahrscheinlichsten). Stell dir vor du hast riesigen Hunger und möchtest unbedingt zum Bäcker. Du gehst vor die Tür, hast keine Ahnung wo der Bäcker ist, aber da steht ein Ordner der dir ein Schild zeigt hier geht’s zum Bäcker. Ich würde dem Schild folgen, obwohl ich keine Ahnung hätte, ob der Ordner der kürzeste Weg angezeigt wird. Die Ameise ist in ihrer Entscheidung natürlich nicht so frei wie wir. Bei ausreichender Motivation (bsp. Hunger) wird sie der Spur folgen.
Bei einer Wüstenameise die nicht auf Spurpheromone angewiesen ist, wurde gezeigt, dass sie in der Tat so etwas wie einen Schrittzähler hat (Pedometer). Sie muss in der Wüste neben einem Kompass auch Distanzen korrekt ermitteln können, um ihren winzigen Nesteingang schnell (sonst Gefahr der Austrocknung/Überhitzung) wieder zu finden. Das ist ein sehr berühmtes Experiment, da Ameisen entweder Stelzen angeklebt wurden, womit sie entsprechend weiter liefen, als sie es anhand ihres Auslaufs hätten tun sollten, oder ihnen wurde die Beine gekürzt (entsprechend liefen sie kürzere Wege).
Sieh mal hier:
http://www.npr.org/blogs/krulwich/2011/06/01/120587095/ants-that-count

der wissenschaftliche Artikel hierzu:
Matthias Wittlinger, Rüdiger Wehner,Harald Wolf 2006
The Ant Odometer: Stepping on Stilts and Stumps. SCIENCE VOL 312



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MaxR
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#3 AW: Können Ameisen Distanzen messen?

Beitrag von MaxR » 13. Juli 2011, 12:20

Es gibt Ameisen die können von Natur aus richtig Distanzen Messen

Und zwar möchte ich hier mal auf Myrmecia pavida eingehen. Soweit jeder hier weiß können sie Springen und haben verdammt gute Augen. Sie springen ja nicht irgendwohin auf gut Glück wie ein Grashüpfer oder so, sie machen ganz gezielte Sprünge. Richtig messen, also cm für cm können sie wahrscheinlich nicht. Aber ich glaube man muss sich das so vorstellen als ob man ein Ball gezielt zu einer anderen Person werfen möchte


Meine Haltungsberichte:
Harpegnathos venator

Messor barbarus

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#4 AW: Können Ameisen Distanzen messen?

Beitrag von GFAJ-1 » 13. Juli 2011, 18:54

Wenn Cataglyphis anhand der Polarisationsmusters des Himmels die Richtung zu ihrem Nest bestimmen können kann ich mir durch aus vorstellen das Ameisen auch eine Distanz einschätzen können z.B. wenn sie ein Beutetier jagen.

Ob sie aber kollektiv merken das sie bei Weg A. 30 cm und bei Weg B. 40 cm zum Ziel brauchen wage ich zu bezweifeln.
Vor allem wenn es sich z.B. "unter Tage" um zwei verschiedene Gänge handelt, wo sie das Ziel nicht direkt sehen sondern nur den Duftstoffen folgen..

Aber vielleicht liege ich auch total falsch habe nämlich eigentlich keine Ahnung von der Materie nur eine Gedanke ;)

Gruß



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Nymphe
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#5 AW: Können Ameisen Distanzen messen?

Beitrag von Nymphe » 14. Juli 2011, 12:51

Vielen Dank für eure Antworten! Spannender Link, cvb, danke!

In der Natur wird zumeist der kürzeste Weg eingeschlagen, allerdings nicht durch Entscheidungen einzelner, sondern durch Selbstorganisation. Kürzere Wege werden pro Zeiteinheit von mehr Ameisen passiert, daher steigt die Pheromonkonz. stärker an als auf langen Wegen. Da gibt es in irgendeiner Doku einen Versuch mit einer kurzen und einer langen Brücke, fällt mir gerade nicht mehr ein, wo das war. Sind hier beide Wege Schläuche? Dann würde ich fast vermuten, dass nach genügender Zeit der kürzere gewählt wird. Es könnte aber auch sein, dass die Sättigung der Pheromonspur in so einem Schlauch so hoch ist, dass man keine Unterschiede der Konz. ausmachen kann. Außerdem kann es sein, dass auch bei Inaktivität der Ameisen eine so hohe Pheromonkonzentartion im Schlauch bleibt, dass gar nicht erst versucht wird eine neue Spur zu etablieren (erscheint mir am wahrscheinlichsten).


Ja, das ergibt Sinn. Die Wege sind beides Schläuche. Durch den neueren läuft aber nun schon seit Wochen nur sehr gelegentlich eine Ameise durch. Es werden auch Puppenhüllen dort abgelegt. Ich habe den Eindruck, dass dieser Weg ohnehin mehr von Arbeiterinnen genutzt wird, die gerade Aushub (Sand) und Müll aus dem Nest tragen, als von solchen, die gerade Futter suchen.

Ich bin mal sehr gespannt, ob sich bis zur Winterruhe noch etwas ändert. Die "Hauptstraße" im Glasbecken hat jedenfalls in dieser Saison schon einmal zugunsten eines kürzeren Weges gewechselt. (Zur Erklärung: Der Weg zum Futter besteht aus zwei Schläuchen von zwei verschiedenen Nestausgängen zum Eingang eines Glasbeckens, im Becken über ein Gewirr von möglichen Wegen über Basteldraht und Papierstreifen zum anderen Ausgang des Glasbeckens, und durch einen weiteren Schlauch zu einer Insel, wo gefüttert wird.)


Bestand: Lasius cf. niger von 2009 (Haltungsbericht) - 2x Lasius cf. flavus von 2012
Ausserdem diverse andere Land-Wirbellose und eine Gruppe Blindschleichen (Anguis fragilis).

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