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von Frank Mattheis » 10. Januar 2006, 21:15
Hallo Boro,
dieses Verhalten der Serviformica habe ich ebenfalls beobachtet. Unter ihm leiden oft auch die ersten Arbeiterinnengenerationen der temporären Sozialparasiten, die bei Serviformica gründen. Auch hier werden die ersten Schlüpfenden gezerrt und manchmal getötet. Erst, wenn augenscheinlich ein bestimmtes Zahlenverhältnis erreicht ist, also genügend schlüpfende Arbeiter der "neuen Art" den Sklavenameisen gegenüberstehen, scheint deren Agression nachzulassen.
Diese Probleme hab ich bei pratensis beobachtet, wenn die Gründung bei fusca stattfand. Pratensis gründet in meiner Heimat, in Brandenburg aber meist bei königinnenlosen Raptiformica, diese adoptieren pratensis-Königinnen relativ bereitwillig. Schlüpfen hier nun, bei diesen fakultativ dulot. Sozialparasiten, die ersten pratensis-Arbeiterinnen, gibt es überhaupt keine Probleme. Die Raubameisen haben kein Problem mit andersartigen Nachwuchs.
Warum aber zeigen sogenannte Sklavenameisen dieses Verhalten im Nest der Herrenameise auch gegenüber anderen Serviformica?
In freilebenden Polyergus-Kolonien fand ich bisher Sklaven der Arten rufibarbis, cunicularia und glauca. Es ist offensichtlich und die Funde bestätigen es, dass Deine Vermutung stimmt, dass diese drei Arten einander unter diesen Umständen tolerieren. Es sind dies auch die Serviformica-Arten, die im bevorzugten Lebensraum der Polyergus meist leben.
In Nestern der Raptiformica fand ich meist fusca, manchmal rufibarbis oder glauca, selten cinerea. Nie mehrere Arten nebeneinander.
In den Nestern der Polyergus können tatsächlich alle drei genannten Arten nebeneinander vorkommen. Den Hauptanteil bildete immer cunicularia, die Art bestimmte auch die Art des Nestes. Neben diesen drei Arten, wie gesagt, diese oft gemeinsam vorkommend, fand ich aber noch nie andere, weitere Arten in Freiheit bei Polyergus.
In den Nestern der Raptiformica fand ich also stets nur eine Art der Sklavenameisen, obwohl in Gefangenschaft sich erwies, dass Raptiformica durchaus mit verschiedenen Sklavenameisenarten gleichzeitig leben konnte. Durch Manipulation war dies möglich, Schwierigkeiten bereiteten hier in der Tat die Serviformica selbst. Die erste Serviformica-Art, die im Raptiformica-Nest sich als Sklavenameise etablierte, war meist die Art, die sich langfristig durchsetzte und andere Arten von Sklavenameisen verdrängte und tötete. Getötet wird nicht immer durch direkte Agression, auch durch Verdrängen, Vertreiben aus dem Nest und alle möglichen anderen Arten des Mobbing. Vorausgesetzt, ihre Übermacht hatte durch permanenten Nachschub Bestand. Es konnte ja vorkommen, in Gefangenschaft sowieso, dass die Raptiformica nach einen Umzug in neues Gebiet andere hier lebende Serviformica-Arten überfallen und ausgeraubt hatten. Dann konnte es durchaus durch massenhaften Schlupf neuer anderer Serviformica nach deren Reifung innerhalb einiger Tage zu einer Palastrevolution kommen, zu einer Art Machtwechsel.
Raptiformica-Arbeiter hab ich einmal als Hilfsameisen in einem Polyergus-Nest beobachtet, natürlich in Gefangenschaft und künstlich als Puppen hinzugesetzt. Die jungen und frischgeschlüpften Raptiformica wurden von den Serviformica gut betreut, litten aber unter den argwöhnischen Polyergus! Ich habe mehrmals hilflos und unglücklich beobachten müssen, das solche jungen und grossen Raptiformica im Beobachtungsnest von den Polyergus misstrauisch untersucht und schliesslich einfach erdolcht wurden. Ich hatte den Eindruck, als würden die Polyergus die grösseren und kräftigen Raptiformica nicht dulden, kleine Arbeiter dieser Art wurden geduldet.
Grüsse, Frank.