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Infektionsthread

Wo braucht Ihr Hilfe, was an Fragen Eurer Ameisenhaltung möchtet Ihr diskutieren?
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#1 Infektionsthread

Beitrag von Scooby » 23. Juli 2006, 16:54

Liebe Mitglieder, User und Gäste!

Hiermit stellen wir, das Team des Ameisenforums, euch wieder den offiziellen Infektionsthread zur Verfügung. Der Infektionsthread wurde einst seinerzeit von Herrn Prof. A.Buschinger kreiert, einer Kapazität auf dem Gebiet der Myrmekologie. Unter anderem sollte er vornehmlich dazu dienen den Lesern zu zeigen, wie gefährlich exotische Ameisen oder generell auch Insekten für unsere Natur sein können und welche Gefahren, bedingt durch Krankheitserreger, etc. sie in sich bergen.

Im Interesse von verantwortungsbewußter Ameisenhaltung, dem Kauf dieser Tiere oder gar des Imports, würden wir es sehr begrüßen, daß sich jeder diesen Thread, bzw. den Beitrag von Herrn Prof. Buschinger gewissenhaft durchliest!

Vielen Dank!

Scooby
Das Team des Ameisenforums



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#2

Beitrag von Scooby » 23. Juli 2006, 16:56

Einleitung

Innerhalb der vergangenen 3 - 4 Jahre hat sich in einigen europäischen Ländern, aber auch in den USA, ein zunehmendes Interesse von Privatpersonen entwickelt, Ameisen als Heimtiere zu halten. Während
in den USA zumindest der Handel mit Ameisenköniginnen seit längerer Zeit verboten ist, sind in Europa, wo Einschränkungen weitgehend fehlen, einige Internet-Shops entstanden, bei denen die Ameisenhalter sowohl lebende Ameisen als auch Formikarien und Zubehör bestellen können. Da diese Shops Ameisen von beinahe überall in der Welt anbieten und verkaufen, ist Grund zur Besorgnis gegeben. Informationen über den Umfang dieses Handels lassen sich aus einer Anzahl von Internet-Foren gewinnen . Zahlreiche Beiträge in diesen Foren berichten u.a. über mehr oder weniger umfangreiche Ausbruchsereignisse. Aus den Foren ist weiterhin zu entnehmen, dass die angebotenen Arten in aller Regel nicht identifiziert sind, oft unter falschen Namen verkauft werden, oder allenfalls mit einem Gattungsnamen: z.B. "Pheidole sp.", einer Gattung mit weltweit über 900 Arten; unter diesen sind einige bereits als bedeutsame Schadameisen bekannt (z.B. P. megacephala).


1. Das Risiko biologischer Invasionen
Wie bei jeder absichtlichen oder zufälligen Freisetzung nicht-einheimischer Organismen in einem bestimmten Ökosystem können die exotischen Arten, glücklicherweise nur in wenigen Fällen, lebensfähige
Populationen etablieren und damit die lokale Fauna verändern. Auch bereits als invasiv bekannte Arten können so in Ländern freigesetzt werden, in denen sie bisher nicht existierten, weil sowohl die Händler
als auch ihre Kunden als Laien nicht zwischen gefährlichen und (vielleicht) harmlosen Arten derselben Gattung unterscheiden können. Welche Arten gefährlich sind, lässt sich nur a posteriori entscheiden, wenn der Schaden bereits eingetreten ist!
Bekannt sind jüngere Beispiele von in Europa invasiven Arten, etwa die "Argentinische Ameise" (Linepithema humile) oder Lasius neglectus, wenngleich deren Ausbreitung vermutlich bisher nicht, oder nicht
wesentlich, durch Handel oder Privathaltung gefördert wurde (z.B. SEIFERT 2000, s.a. IZIKO MUSEUMS OF CAPE TOWN 2004).
Besonders Ameisen sind für lokale Faunen ein größeres Risiko als viele andere exotische Organismen: Ameisen sind in vielen Ökosystemen dominant. Hinzu kommt, dass in der Regel nicht nur ein oder
einige wenige Individuen in die Freiheit entkommen, die wahrscheinlich sterben bevor sie sich fortpflanzen können (wie zum Beispiel die zahlreichen Spinnen, Tausendfüßler, Skorpione, Gottesanbeterinnen usw., die jedes Jahr aus der Haltung entkommen oder aus Überdruss freigesetzt werden). Über die ökologischen Folgen solcher Invasionen sowie über die Gründe für das invasive Verhalten sind u.a. in IZIKO
MUSEUMS OF CAPE TOWN (2004) zahlreiche Arbeiten zu finden, s.a. WILLIAMS (1994).
Im Gegensatz zu solitären Organismen kann eine komplette Ameisenkolonie, gleich ob sie entkommt oder absichtlich freigelassen wird, viel leichter einen geeigneten Platz finden, an dem sie sich reorganisieren und unter entsprechend günstigen Bedingungen auch reproduzieren kann. Mögliche Inzucht zwischen den Nachkommen einer einzigen Königin ist für Ameisen nicht immer ein ernsthaftes Problem
(z.B. BUSCHINGER 1989, KELLER & FOURNIER 2002), anders als das oft irrtümlich angenommen wird. Die meisten (potenziell) invasiven Ameisenarten sind ohnehin polygyn (TSUTSUI & SUAREZ 2003), haben
mehrere Königinnen in einem Nest, wodurch bereits eine gewisse genetische Vielfalt gegeben ist. Heim-Ameisenhalter bevorzugen im übrigen polygyne Arten, weil man glaubt, dass diese in Gefangenschaft
länger leben und eventuell Königinnen nachzüchten können. Besonders "spektakuläre" Arten sind gesucht, so wie die australischen "Bulldoggen-Ameisen" (Myrmecia spp.), die neuweltlichen Blattschneiderameisen (Atta- bzw. Acromyrmex spp.), Weberameisen (Oecophylla spp.), oder Pheidole-Arten mit ihren auffälligen Soldaten. Sie alle werden bereits in Deutschland und anderen europäischen Ländern zum Verkauf angeboten.

2. Die Gefahr der Entstehung weiterer Schadameisen oder invasiver Arten.
Schon heute kommen in Mitteleuropa etwa ein Dutzend eingeschleppter Ameisenarten vor. Die meisten beschränken sich auf Warmhäuser, Gewächshäuser in Botanischen Gärten und Zoos. Einige befallen Wohnhäuser, Krankenhäuser und Restaurants, darunter natürlich die Pharaoameise (Monomorium pharaonis), aber auch ein paar Pheidole-Arten. Andere, die in Mittel- und besonders in Südeuropa im Freien überleben, sind die Argentinische Ameise (Linepithema humile) und auch die Wegameise Lasius neglectus (DEKONINCK & al. 2002); s.a. ESPADALER & BERNAL (2004); beide Arten haben das Potenzial zur Ausrottung zahlreicher heimischer Arten.
Die meisten Schadameisen haben sich aus synanthropen Arten entwickelt, die seit langem durch den Handel weltweit verschleppt werden. Heimameisen-Halter und -Händler jedoch verlangen stets nach
"neuen", "interessanten" Arten. Sammler und Händler versuchen entsprechend immer mehr Arten aus der Natur zu entnehmen, darunter auch solche, die nie die Gelegenheit hatten, durch den Menschen verbreitet und verschleppt zu werden. Unter den zahlreichen Pheidole-Arten, die wegen ihrer großköpfigen Soldaten bei Ameisenhaltern besonders beliebt sind, mögen Dutzende von potenziellen Schadameisen sein.
Da sowohl Händler als auch Kunden taxonomische Laien sind, können sie die fraglichen Ameisen nicht korrekt identifizieren. Viele Arten werden unter sichtlich falschen (z.B. nicht existenten) Namen verkauft, oder sie werden nur bis zur Gattung bestimmt (z.B. Pheidole sp., Messor sp. und andere). Die Ameisensystematik ist sehr schwierig, sogar für die wenigen heute lebenden professionellen Myrmekologen, und viele Ameisengruppen (Gattungen) sind bis heute taxonomisch nicht zufriedenstellend bearbeitet.
Damit ist es für Händler und Kunden absolut unmöglich zu wissen, ob eine bestimmte Kolonie einer schädlichen, oder möglicherweise künftig schädlich werdenden Spezies angehört.

3. Die Gefahr des Ãœberspringens von Parasiten und Pathogenen auf einheimische Ameisenarten
Alle Tiere sind Wirte für Parasiten, die in einem fremden Habitat auf dort heimische Arten überspringen und diese gefährden können, selbst wenn der ursprüngliche Wirt in der neuen Umgebung nicht überleben
kann. Dies gilt für Milben (Acari), Fadenwürmer (Nematoden), Einzeller (Protozoen), Pilze, Bakterien usw.
Einige Ameisenarten sind bekannt als Zwischenwirte von Bandwürmern (Cestoden). In Südfrankreich ist eine Tetramorium-Art Zwischenwirt für einen Bandwurm, der das Haushuhn befällt (Gattung Raillietina;
NADAKAL & al. 1971).
Bisher weiß man sehr wenig über die Parasitenfauna von Ameisen. Verf. selbst war an einigen Studien beteiligt, über Bandwürmer (BUSCHINGER 1973), über Pilze (SANCHEZ-PEÑA & al. 1993, siehe auch BUSCHINGER & al. 2004 in diesem Heft), und über Gregarinen (Protozoa; KLEESPIES & al. 1997), alles Parasiten in Ameisen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass
weit mehr Ameisenarten den einen oder anderen möglicherweise gefährlichen Parasiten beherbergen. Mit einer Gregarinenart, die in nordamerikanischen Ameisen der Gattung Leptothorax entdeckt wurde, konnten im Labor europäische Leptothorax-Arten infiziert werden, und sogar die Pharaoameise. Allerdings wurde diese Art durch den Gregarinenbefall nicht so geschädigt, dass ein Einsatz zur biologischen
Bekämpfung der schädlichen Monomorium pharaonis gerechtfertigt wäre (BUSCHINGER & KLEESPIES 1999). Obwohl bis heute kein Fall einer im Freiland erfolgten Parasiten-Übertragung von nicht-einheimischen auf einheimische Ameisen nachgewiesen worden ist, scheint dies dennoch eine reale Gefahr zu sein.

4. "Intraspezifische Homogenisierung" – ein übersehenes Risiko
Mit "intraspezifischer Homogenisierung" ist gemeint, dass nicht nur die Einschleppung fremder Arten in eine native Fauna oder ein Ökosystem gefährlich werden kann, sondern auch das Einbringen von Angehörigen
einer Art in entfernte Populationen derselben Spezies.
In Europa leben zahlreiche Arten mit sehr großen Verbreitungsgebieten, vom Mittelmeerraum bis in subarktische Regionen. Es ist anzunehmen (und zum Teil bewiesen, z.B. HEINZE & al. 199 , dass ihre lokalen Populationen Anpassungen u.a. an das örtliche Klima entwickelt haben. Werden sie an einen hinreichend entfernten Ort gebracht, gehen sie entweder zugrunde, oder sie hybridisieren mit der ortsansässigen Population, wobei deren lokale Anpassung verringert wird. Die vorhandene Untergliederung einer Art in Ökotypen, eventuell Unterarten, wird verwischt, die Art unter Umständen eine homogene Mischpopulation, die möglicherweise Anpassungsmerkmale an bestimmte Habitate verliert.
Ein Problem in diesem Zusammenhang besteht auch darin, dass aufwändige und teure Forschung über Biogegographie und Phylogeographie erschwert oder sogar wertlos wird.
Eine in Europa häufig untersuchte Fragestellung ist, ob eine bestimmte Art nach der Eiszeit aus ihrem mediterranen Refugium in die Bereiche nördlich der Alpen über die westliche und/oder die östliche Route eingewandert ist. Mit modernen DNS-Techniken ist es möglich, solche Routen zu rekonstruieren; aber wenn eine Art z.B. aus Südfrankreich im östlichen Österreich freikommt und sich etabliert, kann eine Menge Forschungsarbeit entwertet werden.

Schlussfolgerungen
Natürlich werden Ameisen nicht nur von den genannten, spezialisierten Firmen eingeschleppt, sondern bisher hauptsächlich durch den Handel mit Pflanzen, Obst, Holz usw., und viele Kolonien werden auch von Touristen mit nach Hause gebracht.
Aber es ist zu befürchten, dass der Handel mit Heim-Ameisen die Anzahl importierter Kolonien erheblich steigert, und dass auch zusätzliche Arten importiert werden. Solche brisanten Organismen werden nicht selten an Kunden ausgehändigt, die zum Teil nicht älter als 12 - 13 Jahre sind!
Es wäre sinnvoll und notwendig, dass Naturschutzorganisationen wie die IUCN die Regierungen aller Staaten über diese noch recht junge Entwicklung informieren und die gesetzliche Beschränkung des Handels mit lebenden (exotischen) Arthropoden vorschlagen, sowohl im Hinblick auf die Gefahren für die jeweils heimische Fauna als auch auf die mögliche Entwicklung weiterer invasiver Arten. Deren Ausrottung ist nur selten aussichtsreich und in jedem Fall sehr teuer (vgl. Feuerameisen, Pharaoameise, Argentinische Ameise usw.; VANDER MEER & al. 1990, MCGLYNN 1999, PIMENTEL & al. 2000, HOLWAY &
al. 2002).

Zusammenfassung
In Europa (Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, Spanien und England) ist seit einigen Jahren ein zunehmender Handel mit lebenden Ameisen zu beobachten, die privat gehalten werden. Händler liefern über das Internet angebotene Formikarien, Zubehör und lebende Ameisen, teils europäischer Herkunft, aber auch aus Übersee Südamerika, Indonesien, Australien.
In dem Beitrag werden verschiedene durch diesen Handel begründete Risiken diskutiert: Entkommene Ameisen können
(1) sich zu Schadameisen in Gebäuden entwickeln;
(2) als invasive Arten im Freiland auftreten;
(3) Parasiten und Krankheitserreger tragen, die möglicherweise auf einheimische Arten überspringen;
(4) native Tier- und Pflanzenzönosen sowie ökosystemare Funktionen beeinträchtigen;
(5) auch "intraspezifische Homogenisierung" könnte eintreten.
Verf. empfiehlt den Regierungen aller Nationen, den Handel mit lebenden wirbellosen Tieren, besonders mit Ameisen sowie auch anderen exotischen Arten, für kommerzielle und nicht-wissenschaftliche
Zwecke zu unterbinden. Ausnahmegenehmigungen sollten nur erteilt werden, wenn ausbruchsichere Haltung garantiert werden kann.
Mal ein weiteres Kleines Bespiel, was invasive Ameisen an Folgeschaeden verursachen koennen. Es scheinen sich ja nicht alle im klaren darueber zu sein, was alles passieren kann.


Viele Pflanzenarten verlassen sich bei der Verbreitung ihrer Samen auf die Hilfe von Ameisen. Als Anreiz dient den Ameisen ein schmackhaftes und nährstoffreiches Anhängsel der Samen, das so genannte Elaiosom. Je weiter dabei die Samen von der Mutterpflanze weggetragen werden, desto schneller kann sich die Pflanze über ein größeres Gebiet ausbreiten.

Diese Kooperation zwischen den Ameisen und den Pflanzen wird jedoch zunehmend von fremden Ameisenarten gestört, die aus anderen Regionen einwandern oder eingeschleppt wurden. Viele der neuen Arten sind kleiner und nicht so kräftig wie die einheimischen Ameisen. Die Folge: Sie können die schweren Samen nur über kurze Distanzen tragen. Selbst kleine Größenunterschieden hätten starke Auswirkungen auf die Pflanzengesellschaften, denn oft transportieren die kleinen Ameisen die Samen erst gar nicht zu ihrem Nest, erklärt Ness. Die Tiere fressen die Elaiosomen an Ort und Stelle und lassen die Samen dann einfach liegen. Die Pflanzensamen werden dann oft von Nagetieren gefressen.

So verdrängte die Argentinische Ameise in Südafrika die einheimischen Ameisenarten. Das führte zu einer reduzierten Zahl von Sämlingen, die sich bei den beobachteten Pflanzen ausschließlich in der Nähe der Mutterpflanze befanden. Nun möchte sich das Forscherteam mit der Frage beschäftigen, ob sich die zugewanderten Arten noch in anderen Punkten von den heimischen unterscheiden und wie sich diese Unterschiede auf die Ökosysteme auswirken.
(ddp/bdw – Oliver Schmid gefunden auf http://www.wissenschaft.de)



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