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von Sahal » 19. Juni 2007, 21:09
Hola,
folgendes gilt nur fuer die beiden Arten C. ligniperda und C. herculeanus, fuer andere Vertreter liegen noch keine entsprechenden Untersuchungen vor!
C. herculeanus und C. ligniperda verfuegen ueber eine rein endogene Steuerung (~ innere Uhr) der Winterruhe. Das heisst:
sobald die Kolonie ihr Sommergeschäft beendet hat, begibt sie sich unweigerlich in die Winterruhe, und das auch bei 28°C!
Das Sommergeschäft zu bemessen oder zu umreißen ist schwer, und sicherlich noch nicht genau bekannt. Einige Faktoren sind jedoch unbestreitbar die Aktivität der Arbeiterinnen, die Entwicklung der Brut, Futteraufnahme und vor allem die alles beeinflussende "Sommertemperatur".
Wenn diese Arten nun bei hohen Temperaturen gehalten werden, laufen sämtliche Vorgänge der Kolonie schneller ab und das "Sommergeschäft" ist schneller erledigt.
So habe ich 2 Kolonien im vergangenen Jahr im Rahmen eines Versuches bzgl. hoher Haltungstemperatur bereits gegen Mitte August in die Winterruhe gesemmelt... und mich (halb)totgeärgert.
Na gut, dachte ich, dann eben nach 3 Monaten wieder aufwecken und den gesamten Rhythmus etwas verkuerzen. Tja, die Schnarchnasen haben aber die normale Winterruhe von 5-6 Monaten durchgeschnorchelt und sind erst nach Ablauf dieser Zeit wieder in die Aktivität uebergegangen.
Was heißt "warme Temperaturen"?
Aktivität ist bei C. ligniperda und C. herculeanus bereits ab 8°C zu beobachten (Zerfall der Wintertraube von außen [Wächterinnen] nach innen [Gyne, Brutpflegerinnen]). Zur Not (Hunger) kommen C. ligniperda auch in der Winterruhe aus dem Nest und furagieren bei entspr. Temperaturen, C. herculeanus betreibt obligatorischen Nestverschluss und kommt nicht aus dem Nest, lieber fressen sie die eigenen Larven bei Hunger. (hier liegen die von mir erwähnten Verluste der Brut begruendet.)
Wie oben erwähnt nutzen auch Temperaturen bis 28°C nichts, die Tiere halten ihre Winterruhe ein, selbst die Larven verharren in ihrem entwässerten, eingewinterten Zustand und werden auch nicht angefuettert!
Erwachen die Kolonien?
Nein, bei mir nicht!
Nach 3 Monaten aus dem Kuehler genommene Kolonien sind nicht wieder in die Sommeraktivität eingetreten, lediglich die Wintertraube ist zerfallen und die Ameisen wuselten wenig im Nest herum. Erst nach etwa 5-6 Monaten haben auch diese Kolonien das Sommergeschäft wieder aufgenommen.
Ueberraschend fuer mich: es lagen nur knapp 2 Wochen zwischen den warmen Kolonien bei Einwinterung und Auswinterung.
Verwirrung? Die herrschte nur vor den Formicarien, nicht jedoch in den Nestern :-) Alle Kolonien (n_warm=45) haben sich artig an die Zeiten gehalten.
Gibt es Nachteile?
Bisher kann ich nur sagen, dass die warmen Kolonien ein paar Verluste in der Brut hatten, besonders deutlich bei C. herculeanus (bis zu 56%).
Wohl einfache Ursache: die Kolonien setzen bei warmer Haltung mehr Nährstoffe um und verbrauchen so ihre Reserven. Da C. herculeanus das Nest obligatorisch dicht macht, muessen hier fehlende Nährstoffe aus den Larven gezogen werden... sprich: sie werden kurzermandibel gefressen.
Langzeitschäden?
Keine blasse Ahnung, bisher kann ich keinen Unterschied feststellen. Brutmenge und Aktivität liegen augenscheinlich im Rahmen.
Allerdings habe ich die Kolonien erst zu kurz ohne Temperaturabsenkung gehalten, es ist also noch keine gute Aussage möglich! Vor allem sollten die spärlichen Erfahrungen nicht als Grundlage fuer eine bedenkenlose Ueberwinterung im Warmen genutzt werden!!
Nebenbei und aktuell, durch den endogenen Jahresrhythmus stellt sich dem Halter ein ganz klares Problem:
die zu gute (hohe) Haltungstemperatur.
Werden die Kolonien dieser beiden Arten nun zu warm gehalten und mit Rotlicht und Bunsenbrenner "verwöhnt", werden diese Kolonien zwar nicht mehr Nachwuchs aus dem Gesäß der Gyne fummeln, aber fruehzeitig in die Winterruhe gehen und August oder Septober bereits nen Sittich machen und Pyjama-Party im Ytong feiern. Gut zu beobachten: die Larven werden kleiner und senfgelb, leicht faltig, die Arbeiterinnen stopfen sich prall mit Nahrung (bes. Honig) zu.
Auch bei anderen Arten ist ein ähnliches Verhalten zu beobachten, hier zB Lasius niger und Konsorten.
Der Unterschied jedoch: andere Arten gehen nicht in Winterruhe, sondern nur in (wie ich es nenne) "Stimmung zur Winterruhe". Dh die Gynen drosseln die Produktion, die Arbeiterinnen treffen Vorbereitungen... jedoch kommt es erst bei Absenken der Temperatur zur physischen Winterruhe.
Wenn die Flinte ins Korn gefallen ist, nicht gleich das Kind in den Brunnen werfen, auch wenn das der Tropfen ist, der dem Fass die Krone ins Gesicht schlägt!