Fragen zu Camponotus ligniperda - Winterruhe

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Boro
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#17 AW: Fragen zu Camponotus ligniperda!

Beitrag von Boro » 29. September 2007, 23:03

Hallo Ameisen-Fan 1!
Warum das bei Ameisenhaltung.de so lange dauert entzieht sich meiner Kenntnis! Ich schreib dir ein paar Zeilen als PN!
Selbstverständlich musst du die Temperatur jetzt senken, eine künstliche Erwärmung kostet nur Geld und bringt jetzt nichts! Bei mir gibts das ganze Jahr keine künstliche Erwärmung, auch nicht bei den Mittelmeerarten (Camponotus cruentatus, Camponotus lateralis, Camponotus aethiops, Messor barbarus und Messor structor). Die halten alle eine verkürzte Winterruhe von etwa 3 Monaten und das bekommt ihnen sehr gut!
Die Tiere verbringen die warme Jahreszeit in einem Treibhaus oder der Veranda und bald geht`s ab in den Keller! Nur Messor barbarus halte ich etwas wärmer, die sind auch noch sehr aktiv!
Gruß Boro



Sahal
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#18 AW: Fragen zu Camponotus ligniperda!

Beitrag von Sahal » 30. September 2007, 02:15

Hola,

Haltungstemperaturen bei Camponotus ligniperda und C. herculeanus sind ein komplexes und zweischneidiges Thema, nach meinem Wissen nur mangelhaft erforscht!

Wie Boro schon schrieb hat Hölldobler einen Part der "temperaturunabhängigen rhythmischen Erscheinungen" beschrieben, in der Hauptsache das Verhalten während der Winterruhe, wenn Völker aus einer kühlen Überwinterung in das warme Labor geholt werden. Zwei weitere Arbeiten gibt es von Erdmann, die dieses Thema behandeln... mit Ergebnissen, die in diesem Forum bereits hinreichend gepostet wurden.
Leider kenne ich aber keine Langzeitversuche, die eine evtl. Schädigung der Völker bei langjähriger warmer Überwinterung behandeln oder auch nur vorsichtige Rückschlüsse darauf zulassen würden.

Sicher scheint jedoch, dass Camponotus oder zumindest einige Vertreter diese Gattung eine endogene Steuerung ihres Rhythmus entwickelt haben, der bestimmte Verhaltensmuster unabhänig von der aktuellen Temperatur auslöst.
So ist bei C. gigas ein Schwarmflug-Rhythmus bekannt, der sich nicht fest nach der Jahreszeit richtet und mit endogenen Auslösern begründet wird. Für C. ligniperda und C. herculeanus ist ein endogener Rhythmus zumindest für die Winterruhe beschrieben.

Nach Abwicklung des Sommergeschäftes begeben sich die Völker unaufhaltsam zur Ruhe und legen eine echte physiologische Winterruhe ein, und das auch bei 30°C! Die Larven werden entwässert, die Imagines verharren in Ruhe, C. herculeanus verschließt ihr Nest. Lediglich einzelne Arbeiterinnen der C. ligniperda marschieren dann und wann zur Nahrungsaufnahme, wenn dies erforderlich scheint. Bei beiden Arten stehen aber noch Wächterinnen auf ihrem Posten, wenn auch mit extrem wenig Aktivität.

Fehlende Kälte in der Winterruhe, Thread vom 19.06.07:
http://ameisenforum.de/einsteigerfragen/fragen-zur-winterruhe-von-camponotus-ligniperda-t29236.html
Zu betonen: der Versuch läuft erst im 2. Jahr! Es kann durchaus sein, dass meine Völker im 3. oder 4. Jahr zusammenbrechen... oder Unterkasten ausbleiben.


Deine Haltungstemperaturen von durchgehend 25-30°C:
ich kann nur jeden Halter vor solch hohen Haltungstemperaturen bei diesen beiden Arten warnen!
Wie ich schon irgendwo in diesem Forum postete, ist ein entsprechender Versuch von mir sehr überraschend und kläglich ausgefallen...
In der Regel ziehen beide Arten im Frühling die Winterbrut hoch und die Gyne beginnt mit der Eiablage der Sommerbrut. Hernach legt die Gyne noch ein oder zwei weitere Gelege, wobei das letzte Gelege wieder die Winterbrut bildet und eingewintert wird. Im Gegensatz zu zB Lasius niger also keine durchgehende Eiablage, sondern deutlich abgesetzte Gelege.

Meine Ziel war es, durch ~28°C das Sommergeschäft zu beschleunigen und die Völker so zu einer von mir gewünschten frühzeitigen Winterruhe zu bewegen.
Das kam gar nicht gut an!
Die Völker haben zwar die Winterbrut brav und zügig aufgezogen, das Sommergelege jedoch gleich wieder eingewintert und sich flugs in die Winterruhe begeben! Es fehlten also mindestens 1 Gelege und knapp 3 Monate Aktivität! Hier erweist sich ganz deutlich auch ein endogener Jahresrhythmus im Brutgeschäft.

"Temperaturunabhänige rhythmische Erscheinungen"
Das kann eigentlich so nicht stehen bleiben, zumindest ist der Titel eng begrenzt auf die eigentliche physiologische Winterruhe zu beziehen... denn der gesamte endogene Rhythmus bei C. ligniperda und C. herculeanus ist sehr wohl stark beeinflusst durch die Temperatur und lässt die innere Uhr im Sommer um einiges schneller ticken, NICHT jedoch im Winter!
Setzt der Halter nun die sommerlichen Haltungs-Temperaturen zu hoch an, werden die Völker weniger Brut entwickeln und, wie in Vorjahren beobachtet, die Abstände zwischen den Gelegen nicht verkürzen, sondern eher ein Gelege auslassen. Zusätzlich begeben sich die Völker sehr frühzeitig in Winterruhe, was bereits Anfang August statt Mitte Oktober der Fall sein kann.

Ergo:
eine Beheizung für C. ligniperda und C. herculeanus ist kontraproduktiv und bringt die Völker aus ihrem Rhythmus! Belasst sie lieber bei Raumtemperatur, und selbst diese ist schon so hoch, dass die Völker gewöhnlich frühzeitig pennen gehen.


Wenn die Flinte ins Korn gefallen ist, nicht gleich das Kind in den Brunnen werfen, auch wenn das der Tropfen ist, der dem Fass die Krone ins Gesicht schlägt!

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