Mechanische/manuelle Entfernung von Milben - Dankeschön-Thread

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Nuptial
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#1 Mechanische/manuelle Entfernung von Milben - Dankeschön-Thread

Beitrag von Nuptial » 11. September 2008, 17:48

Liebes Forum,
im Milbenhorror-Thread habe ich über mein Entsetzen und meinen Schock über den Milbenbefall einer Lasius sp. Gyne bei mir berichtet. Zunächst dachte ich ja sofort an Überbrühen, dann wollte ich aber versuchen, die Milben zu entfernen. Die Gyne ist ziemlich klein, und die Milben sind noch kleiner! Nach der ersten Reinigung verliess mich etwas der Mut: zwar konnte ich sehr viele Milben mit lockerer Watte abstreifen, aber es blieben immer noch viele bei der Petiole im Knick sitzen und ich habe mir keine großen Chancen ausgemalt, die da jemals wegzukriegen, ohne nicht auch die Königin zu verletzen.

Von Euch habe ich viele gute Ideen und Zuspruch bekommen! Schliesslich beschloss ich doch, es weiter mit manueller Entfernung zu probieren, da auf diese Weise wenigstens keine biologischen oder chemischen Probleme auftreten können (obwohl ich diese Tipps teilweise sehr gut fand und auch drüber nachgedacht habe).

Die Gyne, sie heisst inzwischen "Mity" (ein engl. Wortspiel aus "milbig" und "mächtig"), hat großen Kampfgeist gezeigt, nach der ersten Reinigung gleich wieder Eier gelegt. Insgesamt machte sie eine so gute Figur, dass klar war: Wir werden kämpfen, und die Milben werden entfernt.

Drei Methoden standen zur engeren Wahl:

A) Druckluft, dosiert, aus einer kleinen Öffnung in die entsprechenden Bereiche gesprüht,
B) Milben direkt absammeln mit super-kleiner Pinzette oder Nadel und
C) Pinselmethode (von mehreren Usern hier vorgeschlagen)

Bild

Für Methode A habe ich eine Druckluftflasche besorgt, mit der man z.B. auch in Laboren Staub wegpusten kann. Die Luft ist sehr sauber und kein FCKW oder so beigemengt. Für Methode B habe ich Instrumente bereitgehalten, die sehr viel feiner sind als z.B. normale Pinzetten, weil man sonst kaum eine Chance hätte, damit eine Milbe zu erwischen! Die kleinsten normalen Pinzetten waren an der Spitze so groß wie der halbe Kopf! Um Methode C auszuprobieren habe ich mir im Kaufhaus drei kleine Pinsel besorgt, eher steif. An der Kasse meinte ich "Ich hab mal gedacht, dass ich mich hier arm machen lassen." Daraufhin die Verkäuferin mit breitem Grinsen: "Dabei kann ich helfen! Das krieg ich schon hin!". Drei kleine Pinsel reicher und 10 EUR ärmer eilte ich nach Hause um mit der Reinigung zu beginnen.

Der Haken bei Methode A war, dass ich zwar eine kleine Öffnung an dem roten Röhrchen hatte und die Druckluft relativ gut dosieren konnte, aber mir fehlte mindestens eine Hand zum Fixieren der Gyne. Das Festhalten der Königin an sich ist schon allein eine schwierige Sache! Mit der Federstahlpinzette (zwischen A und C im Bild) jedenfalls habe ich mich nicht getraut. Und mit einer Hand war die Dosierung der Durckluft so schwierig, dass ich besorgt war, ich könnte sie durch einen zu starken Druckluftstrahl zerdrücken oder verletzen.

Die Werkzeuge zur manuellen Entfernung, also zum Absammeln sind bei B zu sehen. Besonders die Pinzette direkt über dem B ist "sehr klein".

Bild

Aber die Gyne ist noch kleiner!

Sie blieb auch nicht freiwillig irgendwo sitzen. Im Video sammle ich eine einzelne schon abgestreifte Milbe mit der Pinzette auf, aber zum Absammeln direkt von der Gyne hat sich das nicht bewährt.


=> Video zum Einsatz von Pinzette und Pinsel.


Auch die anderen Werkzeuge können bei sehr ruhiger Hand nur zum Aufscheuchen von riesigen Milbenhaufen dienen. Bei einer Restmeute von acht besonders gerissenen Viechern die direkt am Gaster kleben und sich flach an den Körper der Gyne drücken - keine Chance, ohne Verletzungsrisiko. Jedenfalls ich nicht.

Zum Glück war da noch die Pinselmethode! Ich habe den weniger steifen der drei Pinsel benutzt. Obwohl die anderen beiden im Laden noch einen geeigneten Eindruck auf mich gemacht hatten merkte ich nun - zu hart. Der weiche Pinsel, dessen Härchen vorne trotzdem auch noch Steifigkeit haben, hat sich als Wunderwerkzeug herausgestellt!

Allein, das Festhalten der Gyne blieb ein Problem, denn trotz Runterkühlen mochte sie es überhaupt nicht, mit dem Pinsel in Kontakt zu kommen. Nach mehreren Minuten Weggerenne sind die Akkus bei ihr etwas runter und sie wollte wenn möglich lieber sitzenbleiben - aber freiwillig mit dem Pinsel durfte ich trotzdem nicht ran. Höchstens Berührungen einzelner Härchen hat sie kurz zugelassen, dann ist sie, obwohl außer Puste, weggekrabbelt.

Hier kam ja der Tipp von Sumse: vielleicht klappt sie die Gaster nach vorne und man er"wischt" ein paar der Viecher!? Darauf habe ich eine Weile gewartet.

Bild

So direkt hat das nicht geklappt. Aber mit der Watte konnte ich sie ganz gut festhalten. Dabei habe ich die Gyne zwischen zwei lockeren Lagen Watte aufgenommen. Leider habe ich davon keine Fotos oder Videos, da ich dafür beide Hände gebraucht habe. Das hat gut geklappt! Wenn man sehr vorsichtig ist, kann man sie sogar mit dem Kopf aus der Watte rauskrabbeln lassen und dann versuchen mit dem Pinsel kurz unter dem Kopf am Hals langzustreichen. Auch glitten die Härchen des Pinsels wunderbar zum Stielchenglied in die engen Ritzen, was sie wiederum natürlich überhaupt nicht mochte. Aber durch die Watte fixiert blieb ihr keine Wahl!

Die Körperunterseite habe ich gereinigt, indem ich die auf dem Tisch krabbelnde Gyne mit dem Pinsel von unten gegen die Watte geschoben habe. Hier hat sie sich oft gewunden und durch ihre Befreiungsversuche den Reinigungsvorgang unterstützt. Die Aktion hat ca. 6-8 Minuten gedauert, denke ich.

Bild

Nun war ich sehr gespannt, was die Betrachtung bei Vergrößerung zeigen würde. Werden doch noch Milben übrig sein? Am Ende der Reinigungsaktion hatte ich schon einen gewissen Tunnelblick (auch ohne Lupe) und konnte eigentlich nichts mehr sehen. Aber die Webcam sieht mehr:


=> Video der Gyne "Mity" nach der zweiten Reinigung.


Das ist also "Mity" nach der Reinigungsaktion. Ich habe das Reagenzglas sehr genau untersucht. 5 Eier waren inzwischen darin, und ich habe sie zunächst wieder dort hineingesetzt. Wie Boro ja auch schon sagte: Ob es geklappt hat, wird man sowieso erst später sehen!

Aber Ihr könnt Euch nicht denken, wie froh ich war, also ich keine einzige Milbe mehr entdecken konnte! Auch nicht am Hals, unter dem Kopf, und am Bauch, wo ich kaum Hoffnung hatte hinzukommen! Die Pinselmethode ist der absolute Testsieger und eine echte Empfehlung! Man muss geduldig und vorsichtig sein, aber dann ist Hoffnung! Ein sehr feiner Pinsel kann mit seinen Härchen auch in die abgelegenen Stellen gelangen, durch Wischen werden die einfachen Milben entfernt, die Spitzen der Härchen können Milben aus Spalten hinausdrücken, und durch leichte zwirbelnde Bewegungen kann man auch engste Stellen säubern. Ein echter Geheimtipp.

Damit komme ich auch zum eigentlichen Anliegen dieses Threads: Danke für die Tipps und Wünsche!

Danke allen, die mir im anderen Thread mit Rat und Tat zu Seite standen. Aber auch an die, die vielleicht nichts geschrieben haben und dennoch der Gyne und mir alles Gute gewünscht haben, und dass es mit der Gesundung klappt! Es hat geholfen! Das mindeste, was wir tun konnten war also, uns die Mühe zu machen, die Erfahrungen aus diesem Fall aufzuschreiben, so dass sie vielleicht dem Nächsten wieder helfen können, so wie sie uns geholfen haben.

"Mity" konnte sich danach im RG erstmal von den Strapazen erholen. Am Ende des Inspektionsvideos hat sie sich einmal plötzlich Richtung Kamera gedreht und mich ganz komisch angeschaut, als wollte sie mich direkt fixieren und mir etwas sagen:
Bild
Sie ist eine Ameise und kein Mensch, aber in diesem Blick habe ich gesehen, dass auch sie damit "Danke" sagen wollte - so gut eine Ameise eben danke sagen kann.

Viele Grüße
Nuptial



Santi
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#2 AW: Mechanische/manuelle Entfernung von Milben - Dankeschön-Thread

Beitrag von Santi » 11. September 2008, 17:58

Moin,

Du und deine Gyne seid ja wie Pech und Schwefel ;-)

Super Aktion, Tolle Beschreibung..

Ich kann deine "Beziehung" gut verstehen..nachdem meine erste Gyne gestorben ist habe ich die beiden übrigen Arbeiterinnen auch noch auf einen Gnadenhof verfrachtet...freilassen ging nicht und töten sagt mir auch nicht so zu...



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murks
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#3 AW: Mechanische/manuelle Entfernung von Milben - Dankeschön-Thread

Beitrag von murks » 11. September 2008, 18:18

Danke für diese "Zusammenfassung"
Ich hätte mir die mechanische Entfernung in der Hecktig erst mal nicht zugetraut. ;)
Meine Erfahrungen mit der "chemischen" Methode habe ich im anderen Threat grad niedergeschrieben, deshalb nur ein Link.

http://www.ameisenforum.de/195526-post18.html


nix

Raptor
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#4 AW: Mechanische/manuelle Entfernung von Milben - Dankeschön-Thread

Beitrag von Raptor » 11. September 2008, 20:36

Rührend, ich wünsch der Gyne gute Genesung.

Was mich brennend interessiert ist, warum Ameisen sich nicht selbst von Milben befreien, also säubern.
Wenn aus einer Kolonie eine Ameise eine andere säubert, wo ist das Problem?


Bei großen Arten ist mir klar das die Mandibeln zu groß wären und die Milben zu klein, aber bei kleineren?

Grüße



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swagman
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#5 AW: Mechanische/manuelle Entfernung von Milben - Dankeschön-Thread

Beitrag von swagman » 12. September 2008, 15:23

@ Raptor

Es liegt daran, dass sie die Milben nicht erkennen. Diese leben ja direkt auf den Ameisen und nehmen somit deren Duft an.
Ausserdem nehmen Ameisen ihre Umwelt nicht so wie wir wahr. Eine Ameise weiß nicht, dass es eine Milbe ist, oder ein Teil von ihrem Körper.
Es gibt zum Beispiel einen Parasiten bei Ameisen, ich weiß nicht mehr ob es nicht sogar eine Milbenart war, welcher wie das Krallenglied der Ameisen Tarsen geformt ist. Er haftet sich also am Fußende der Ameise fest und saugt an ihrem Lebenssaft. Die Ameise merkt nichts und läuft jetzt auf diesem Parasiten weiter wie auf einer Prothese.

@ Nuptial

Viel Glück mit der Gyne. Wäre interessant wie es mit der Gründung weiter geht. Ich hoffe die Königin hat keine bleibenden Schäden durch die Milben davon getragen und du bist die Viecher alle los.



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timmey
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#6 AW: Mechanische/manuelle Entfernung von Milben - Dankeschön-Thread

Beitrag von timmey » 12. September 2008, 16:01

Hey,
wow die Threads zur Milbenentfernung häufen sich ja gerade. Vor nen paar Wochen kannte ich nur einige unzuverlässige Methoden und eine radikale. Bei der nächsten Milben-Epidemie bin ich vorbereitet ^^
Ich bin gespannt, wie es mit der Königin weitergeht, halte uns doch bitte auf dem Laufenden, dann weiss man ob diese Methode zuverlässig ist. (wobei ich fürchte, dass nicht alle Milben auf der Königin saßen, aber drücke dir die Daumen, dass du jetzt deine Ruhe vor ihnen hast ;) )

Grüße Tim


In Kürze wieder im Forum und der Ameisenhaltung aktiv. Erneut auf gute Zusammenarbeit :)

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murks
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#7 AW: Mechanische/manuelle Entfernung von Milben - Dankeschön-Thread

Beitrag von murks » 13. September 2008, 13:14

wie swagman schon erwähnte nehmen Ameisen ihre Umgebung ja ganz anders war als wir. Wir sind haupstächlich Augentiere, dh. wir nehmen unsere Umwelt haupstächlich optisch war. Ameise dagegen hauptsäche über Gerüche + Tasten. Sobald die Milben wie das Nest riechen, werden sie nicht mehr als etwas fremdes war genommen. Es erfolgt also keine Bekämpfung. :( Bei mir waren die Milben etwa so groß wie die Eier, es kann als auch daran gelegen haben.

Die Milben konnten zwischen den Eiern, Larven und der verblieben Puppe seelenruhig umher gelaufen ohne das die Königin als etwas fremdes indentifiziert hat, obwohl sie Sie einige Male mit ihren Fühler betastet hat. Sie "schmeckten" also nicht als etwas fremdes/bedrohliches. Vielleicht läuft es bei einer Kolonie anders, wenn die Milben erst einwandern wollen und den Geruch noch nicht haben, so das sie als etwas fremdes erkannt werden. Aber es kann ja auch sein, das sie so spezialisiert sind das sie von sich aus schon den Kolonieduft imitieren wie es auch einige Raupen können die im den Ameisenkolonien parasitär leben.

Insgesammt ein Wissensbereich in dem wohl noch große Wissenslücken besten. Besteht halt leider kein kommerzielles Interesse da zu forschen. Oder weiß einer mehr über diese Zusammenhänge?

Ich werde meine Königin erst mal soweit Brut aufziehen lassen das wenigsten ein paar Pygmäen vorhanden sind und sie dann in die Winterruhe schicken, falls sie nicht selber beschließen sollte das es Zeit für dieselbige ist. Ist ja heute doch schon recht kalt geworden. :( Die ersten Spinnen sind schon in die Wohnung geflüchtet. :D


nix

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