Wanderschaft der Ameisen

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
der_Bene
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#1 Wanderschaft der Ameisen

Beitrag von der_Bene » 9. Februar 2009, 18:50

Hallo

Ich habe schon öfters hier im Forum über die intraspezifische Homogenisierung gelesen und frage mich jetzt wie sehr man darauf achten sollte.
Wäre es zum Beispiel schlimm eine Lasius niger Kolonie aus Berlin in Bayern wieder frei zu setzen.
Ich denke um das beurteilen zu können müsste man wissen, wie schnell sich ein Ameisen Stamm durch Schwarmflug-Koloniegründung-Schwarmflug-... fortbewegen kann.
Daraus könnte man abschätzen wie stark sie die verschiedenen Stämme einer Art auf die Distanz Berlin-Bayern vermischen.

Ich weiß nicht ob in diesem Kontext das Wort "Stamm" richtig ist, aber ich denke es ist klar was ich meine.

Hat jemand diesbezüglich informationen?
lg Bene



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M@rkus
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#2 AW: Wanderschaft der Ameisen

Beitrag von M@rkus » 9. Februar 2009, 19:07

der_Bene hat geschrieben:Wäre es zum Beispiel schlimm eine Lasius niger Kolonie aus Berlin in Bayern wieder frei zu setzen.


Hi,
Ja, das wäre unter Umständen schlimm.
Warum das so ist, muss und möchte ich nicht näher darauf eingehen. Hast ja eh schon einiges darüber gelesen.
Und abschätzen lässt sich das wohl auch nicht.
Jeder hätte andere Grenzwerte und der eine oder andere würde sich wohl verrechnen.:baeh:
Einfacher Leitsatz: Setze die Kolonie dort wieder aus, wo du sie gefangen hast oder garnicht. Kein einziger Kilometer Spielraum.

Grüße, Markus


Camponotus cf. ligniperda (seit Juni 2008), Messor barbarus (seit 02.02.09), Tapinoma cf. erraticum (seit August 2009), Tetramorium spec. (seit Juni 2009), Lasius cf. niger (seit Juli 2009),

der_Bene
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#3 AW: Wanderschaft der Ameisen

Beitrag von der_Bene » 9. Februar 2009, 21:14

Mich würde es trotzdem interresieren, wie schnell Ameisen wandern können.
Dabei geht es mir nicht darum ob ich Ameisen aus Berlin in Bayern aussetzen kann.
Reine Neugier so zu sagen.

lg Bene



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M@rkus
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#4 AW: Wanderschaft der Ameisen

Beitrag von M@rkus » 10. Februar 2009, 07:15

Hi

Also was das wandern anbelangt kann man sich wohl auf die Geschlechtstiere reduzieren.
Vielleicht hilft dir dieser thread weiter:
http://www.ameisenforum.de/bestimmung-von-ameisen/34740-ameisen-im-haus-camponotus-vagus.html
Hier wird geschrieben das eine Camponotus ligniperda Gyne 20km zurücklegen kann. Vorrausgesetzt es herrschen ideale Bedingungen.
Aber wie weit die Information richtig ist, weiß ich nicht.
Jedenfalls sebst wenn es richtig ist, glaube ich nicht das das häufig vorkommt.

Grüße, Markus


Camponotus cf. ligniperda (seit Juni 2008), Messor barbarus (seit 02.02.09), Tapinoma cf. erraticum (seit August 2009), Tetramorium spec. (seit Juni 2009), Lasius cf. niger (seit Juli 2009),

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eastgate
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#5 AW: Wanderschaft der Ameisen

Beitrag von eastgate » 10. Februar 2009, 10:09

Moin der_Bene!

Wäre es zum Beispiel schlimm eine Lasius niger Kolonie aus Berlin in Bayern wieder frei zu setzen.

Ja... ^^
Das Problem ist, dass die Ameisen aus Bayern anders an ihre Umwelt angepasst sind, obwohl sie von der gleichen Art/Gattung abstammen. Zum Beispiel liegen weite Teile Bayerns viel höher übern Wasserspiegel als Berlin - die Luft ist dünner, sauerstoffärmer. Oder das Klima: Berlin ist im vergleich zu Bayern (z.B. Landshut) trockener und Wärmer. Es gibt weniger Frosttage. Alles Umstände auf die sich die Ameisen über Jahre angepasst habe.
Angenommen wir bringen nun eine Königin Aus Landshut nach Berlin: Sollte diese es schaffen eine Kolonie zu gründen, die dann noch Geschlechtstiere hervorbringt, kann es sein dass diese sich mit Berliner Ameisen verpaaren und quasi die schlechten, unabgepassten eigenschaften nach Berlin einbringen. Andersrum genauso. So kann es sein dass diese nicht mehr so gut angepassten Ameisen von einer anderen Art verdrängt werden.

Mich würde es trotzdem interresieren, wie schnell Ameisen wandern können.
Dabei geht es mir nicht darum ob ich Ameisen aus Berlin in Bayern aussetzen kann.
Reine Neugier so zu sagen.

Direkte Wanderung gibt es in dem Sinne nicht. Sie wandern mit Hilfe der Schwarmflüge. Je nach Wetterverhältnissen kommen die Königinnen aber eigentlich nicht sehr weit. Der Schwarmflug dient eher zur Paarung als zum Entfernungen überbrücken. Wäre ja auch schlecht für die Königin, wenn sie Stundenlang durch die Luft schwirren würde. Erstens erhöht das die Chance von Fressfeinden entdeckt zu werden, zweitens verbaucht sie ihre wichtigen Gründungsenergiereserven. Ansich ist also die Wanderung ein schleichender Prozess. Pro Schwarmflug nur wenige hundert Meter, vielleicht Kilometer.

Ich habe grad mal kurz bei google gesucht, konnte aber keine Angaben finden, wie weit eine z.b. Lasius niger Königin beim Schwarmflug fliegt.

Gruß

EastGate



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The_Paranoid
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#6 AW: Wanderschaft der Ameisen

Beitrag von The_Paranoid » 10. Februar 2009, 10:30

Naja, ich würde mal behaupten wollen, dass es relativ egal ist, wie weit Königinnen beim Schwarmflug kommen, da die vom Menschen verursachte Verbreitung mit Sicherheit schneller geht.

Wer sich für das Thema interessiert dem lege ich folgende Arbeit ans Herz:"Queen mating and paternity variation in the ant Lasius niger, J. J. Boomsma and T. M. van der Have, Molecular Ecology 7, 1998, 1709-1718"
Dort wurden 535 Lasius niger Königin aus UK,DK,NL (mit einer maximalen Distanz der Fangorte von 1000km) untersucht. Trotz dieser großen Distanz von 1000km(man bedenke, dass dort auch noch der Ärmelkanal dazwischen liegt) ist hier von einer "panmictic and not genetically differentiated" Population die Rede. Somit wäre es in dem Fall egal wenn ich eine Lasius niger aus UK in DK freilasse. Lokale Anpassungen wurden hier nicht gefunden ... ählich wird es wohl auch hier in Deutschland sein.
Wichtig ist natürlich, dass dies nur auf Lasius niger zutrifft. Andere Arten die selten vorkommen können durchaus lokale Anpassungen haben. Da ist das ein ganz anderer Fall.
Ansonsten auch mal im AWiki die Diskussion zum dem intraspezfische Homogenisierungs Artikel durchlesen. Find ich recht interessant.



Gast
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#7 AW: Wanderschaft der Ameisen

Beitrag von Gast » 10. Februar 2009, 10:54

[font=Times New Roman]Da bleibt mir ja nur noch ein wenig Ergänzung....[/font]

[font=Times New Roman]Wieder einmal muss ich aber anmahnen, dass es „die Ameisen“ nicht gibt. Jedenfalls nicht in dem Sinn, dass es Sinn machte, etwas allgemein über „die Ameisen“ zu sagen oder zu fragen.[/font]
[font=Times New Roman]Wir haben es hier in D mit über 110 einheimischen Arten zu tun, plus noch mal etwa ebenso viele vom Handel importierte.[/font]
[font=Times New Roman]Darunter gibt es gut fliegende wie Lasius niger, die von leichtem Wind schon mal 1-2 km verdriftet werden können. Ich kenne allerdings keine Art, die bei windigem Wetter schwärmt.[/font]

[font=Times New Roman]Viele Arten betreiben eine Art „ground swarming“. Die Weibchen halten sich in Nestnähe auf, geben zumeist Sexuallockstoffe ab, und Männchen fliegen aus ein paar Metern oder auch ein paar Dutzend Metern zu.[/font]
[font=Times New Roman]Manche Arten haben flugunfähige, arbeiterinähnliche Weibchen (Diacamma, europ. Harpagoxenus). [/font]
[font=Times New Roman]Wieder andere kopulieren im Nest mit Geschwistern, etwa einige Myrmoxenus-Arten, Anergates, mindestens eine europäische Population von Messor „structor“, und die Pharaoameise, die in unserem Klima rein passiv durch den Menschen verbreitet wird. (Begattete Anergates-Weibchen fliegen allerdings anscheinend erstaunlich weit).[/font]

[font=Times New Roman]So wird die natürliche Ausbreitungsgeschwindigkeit der einzelnen Arten doch höchst unterschiedlich sein.[/font]

[font=Times New Roman]Die „intraspezifische Homogenisierung“ ist eine Gefahr, wenngleich eine relativ geringe. Mal eine einzelne L. niger-Kolonie von Bayern nach Berlin gebracht, wird kaum einen messbaren Effekt haben (sorry, EastGate!). Anders wäre das, wenn z.B. jährlich Hunderte oder Tausende von Berlinern in Bayern ausschwärmen würden ( :) ). Wie viele Jungköniginnen durch den Handel von wo nach wo verbracht werden, wie viele davon freikommen, das war und ist leider nicht quantitativ zu ermitteln.[/font]
[font=Times New Roman]http://www.ameisenforum.de/europaeische-ameisenarten-allgemeines/winterruhe-frage-und-antwort.html[/font]
[font=Times New Roman]In diesem thread geht es gerade darum, dass Lasius niger angeblich auch auf den Kanaren vorkommt und dort keinen kalten Winter durchstehen muss. Falls es sich wirklich um dieselbe Art wie in D handelt, könnte eine Einkreuzung der einen Population in die andere bereits ernste Folgen haben. Wahrscheinlicher ist, dass die jeweils nicht angepassten nach einiger Zeit von der Selektion beseitigt würden. Das Risiko mit eingeschleppter Parasiten wäre in diesem Fall mit Abstand höher.[/font]

[font=Times New Roman]Der Link von TheParanoid ist sehr gut. Eine solche homogene Durchmischung über sehr große Räume erfolgt von Natur aus, wenn eine Art a) häufig ist, und b) einigermaßen weite Hochzeitsflüge macht (ein paar 100 m bis wenige km). Hinzu kommt bei Lasius niger und ein paar anderen Arten seit einigen Jahrhunderten sicher auch eine stetige passive Verschleppung durch den Menschen (mit getopften Pflanzen, Bäumchen usw.).[/font]

[font=Times New Roman]MfG,[/font]
[font=Times New Roman]Merkur[/font]



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eastgate
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#8 AW: Wanderschaft der Ameisen

Beitrag von eastgate » 10. Februar 2009, 11:15

Hallo Merkur & The_Paranoid,

danke für Eure Ergänzungen. Leider bin ich in diesem Thema nicht ganz so bewandert.

Gruß

EastGate



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