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von DeusExMachina » 19. April 2009, 15:00
4.4 Sammlung von Erfahrung
Da ich das Risiko des Absterbens meiner Kolonie Messor minor hesperius durch Haltungsfehler so gering wie möglich halten wollte , beschäftigte ich mich schon vor 9 Monaten aktiv mit den Problemen der Ameisenhaltung , indem ich mir kurzum zwei Völker der Arten Polyrhachis dives und Messor barbarus kaufte und aufzog. Um die Facharbeit nicht zu sprengen will ich hier nur einen sehr kurzen Abriss meiner Erfahrungen wieder geben.
Obwohl beide Kolonien wohlauf sind ,erwiesen sich aufgrund eigener FehlIeistungen als ungeeignet. Die Art Polyrhachis dives schien zunächst aufgrund ihrer Größe und Aktivität als perfektes Studienobjekt. Leider hatte ich jedoch nicht bedacht , dass sich ein Einblick in die Brutkammern als unmöglich erweisen würde , da diese Art Kartonnester baut, in die keine Einsicht möglich ist. Die Brutentwicklung stellt jedoch einen essenziellen Punkt meiner Beobachtung dar , weswegen ich den Bericht daraufhin ab brach.
Ähnlich war der Verlauf bei meinen Studien von Messor barbarus. Auch hier verlief die Kolonieentwicklung befriedigend , bis sich die Tiere durch ein Schlupfloch im Kies vergruben und sich meinen Blicken entzogen. Was ich aus diesen beiden Haltungen jedoch lernte war die korrekte Einrichtung eines Ameisenbeckens , die Kontrolle der Luftfeuchtigkeit und der Temperatur und vor allem die nötige Geduld bei der Beobachtung des zunächst zäh verlaufenden Gründungsvorgangs aufzubringen.
5.1 Beobachtung und Haltung über den Zeitraum von 5 Monaten
24.Aug.. Tag 1
Ich war immer noch mit meinen Vorbereitungsarbeiten beschäftigt, als ich zufälliger Weise auf ein kleines Paket stieß, in dem sich meine Messor minor hesperius Gynen befanden.
Der Postbote hatte es ohne zu klingeln vor der Tür abgesetzt und die Tiere so für unbekannte Zeit 12°C kaltem Regenwetter ausgesetzt. Um etwaige Folgeschwächen durch Unterkühlung zu vermeiden brachte ich die Tiere schnell in meine Wohnung und legte sie bei 29°C und 65% Luftfeuchtigkeit in ein geeignetes Terrarium. Die Gynen scheinen mir zum Glück unbeschadet, allerdings konnte ich insgesamt leider auch nur zwei Arbeiterinnen und zwei Puppen zählen. Die Gründungsphase würde sich nicht einfach gestalten...
Ich konnte allerdings auch schon eine fouragierende Arbeiterin entdecken, die interessiert die Arena erkundete und sich an den den von mir ausgelegten Samen gütlich tat und sie in das Reagenzglas trug. Ein gutes Zeichen.
Stand der Kolonie:
1Gyne
1 Media- Arbeiter
1 Minor Arbeiter
1Eierpaket (grob geschätzt ca. 15 Eier)
2Puppen
25.Aug., Tag 2
Es ist mir mittlerweile gelungen die Temperatur und den Luftfeuchtigkeitsgrad konstant zu halten um so die Haltungsbedingungen zu optimieren. Erstes Eisweiß in Form eines zerkleinerten Heimchen wurde von den beiden Arbeiterinnen bereitwillig aufgenommen und ins Nest transportiert.
Im Gegensatz zu europäischen Messor Arten wie Messor barbarus legen Messor minor hesperius bei der Auswahl ihrer Nahrung einen größeren Wert auf tierische Quellen denn auf Körner, da sie keine Winterruhe halten und deswegen weniger auf das sogenannte Ameisenbrot als Energiespeicher angewiesen sind.
Temperatur: 23°C / 65% Luftfeuchtigkeit
27.Aug., Tag 4
Viele Einblicke gab es während den letzten Tagen leider nicht, da man der Königin während der Gründungsphase ausreichend Ruhe und Dunkelheit bieten muss. Unnötiger Stress könnte ein Scheitern nach sich ziehen. Die ständig fouragierende Arbeiterin war hingegen erneut sehr aktiv mit der Erkundung der Arena beschäftigt. Vielleicht sogar einen Tick zu aktiv; als ich heute damit beschäftigt war den Wassertank neu zu befüllen, verlor ich die aktive Ameise für ein paar Sekunden aus den Augen.
Gedankenverloren kam ich aus dem Bad samt frisch aufgefülltem Wasserspender zurück und konnte das Tier immer noch nicht erspähen.Eigentlich nichts ungewöhnliches-Möglichkeiten sich meinem blick zu entziehen gab es ja im Formicarium genug- jedoch suchte ich in weiser Vorahnung noch einmal richtig gründlich.Wie sich zeigte hatte ich gut daran getan , die Arbeiterin befand sich nämlich nicht mehr in dem ihr zugedachten Formicarium sondern schwamm hilflos in einem Hohlraum der zylindrischen Tränke.Den ersten Schock überwunden beeilte ich mich das Tier zu befreien;kein einfaches Unterfangen wenn man nicht das Kind mit dem Bade ausschütten will.Die Ameise wirkte zwar verständlicherweise etwas benommen, schien aber ansonsten unverletzt zu sein, ich hoffte das beste.
31.Aug.; Tag 7
Die Brut färbt sich stetig bräunlicher; ein Schlupf scheint also in nicht all zu weiter Ferne zu liegen. Zwischenzeitlich hat die kleine Kolonie schon einen beachtlichen Appetit entwickelt und schaffte daher eifrig alle von mir angebotenen Samen und Heimchenstücke ins Reagenzglas- Nest um sie dort zu verzehen. Der Y-tong dient bisher leider nur als Abfalldepot für die chitinhaltigen Futtertier Überreste, dafür hat sich die angeschlagene Arbeiterin aber anscheinend wieder vollständig erholt und ist seitdem so aktiv wie zuvor.
2.Sept.,Tag 9
Mittlerweile ist die Zahl der die Arena erkundenden Ameisen auf zwei angestiegen.Beide Tiere sind sehr aktiv und auch die Königin scheint gesund und munter , neue Eierpakete konnte ich jedoch nicht erspähen.Experimentell habe ich heute zum ersten mal eine Honigwasser Mischung angeboten.Dazu wurde ein kleines Stückchen Schwamm mit besagter Flüssigkeit versetzt , sodass er den Ameisen im voll gesogenen Zustand als sicherer Energiespeicher dienen soll.
Im Gegensatz zur nahe verwandten Art Messor barbarus sind M.hesperius nahezu verrückt nach Honig: schon nach wenigen Minuten saugten sich die Media-Arbeiter nahezu an dem kleinen Honig getränkten Schwämmchen fest.
In den nächsten Tagen werde ich die Kolonie auf meine 1 1/2 wöchige Abwesenheit vorbereiten.
5.Sept.,Tag 12
Am Tag meiner Abreise kann die Kolonie doch tatsächlich noch einen großen Erfolg verzeichnen: Eine weitere Arbeiterin ist geschlüpft und wird die Gyne bei der Aufzucht ihrer Brut unterstützen.Den Moment des Schlupfes konnte ich leider nicht mit verfolgen , da ich es wie schon angedeutet vermeide während dieser heiklen Anfangsphase der Gründung all zu häufig ins Reagenzglas zu blicken. Die Zahl der Puppen ist immerhin auf 3 angewachsen , außerdem konnte ich zum ersten Mal auch einige Larven entdecken.
Ansonsten blieb mir nichts weiter übrig als auf einen korrekten Umgang meiner Mutter mit den Tieren zu hoffen und die Tiere um auf Nummer sicher zu gehen noch einmal mit einem großen Heimchen zu füttern. Für die nächsten 9 Tage konnte ich logischerweise keine Beobachtungen anstellen.
Stand der Kolonie:
1Gyne
2 Media-Arbeiter
1Minor-Arbeiter
3Puppen
2Larven
1Eierpaket
Temperatur: 26°C / 60% Luftfeuchtigkeit
14.Sept.,Tag 21
Ein schwerer Schlag: Als ich heute nach Hause kam musste ich feststellend dass während meiner Abwesenheit anscheinend zwei Arbeiterinnen verschwunden sind.Ihr derzeitiger Aufenthalt oder Zustand ist mir ein Rätsel. Ich kann nur vermuten dass meine Mutter zwischenzeitlich vergessen hatte den Deckel zu schließen und die Tiere so entkamen.
Möglicherweise sind sie auch verstorben und von den Larven gefressen worden , allerdings konnte ich keinerlei Chitinreste auf dem Abfallhaufen entdecken, die auf ein Ableben der beiden Messor minor hesperius Arbeiter schließen ließen. Sei es wie es sei , eine erfolgreiche Gründung wurde durch diesen 'personellen Ausfall' deutlich erschwert. Ich hoffe nur dass die einzelne Arbeiterin dazu in der Lage ist die Gyne ausreichend zu versorgen.
Der Rest der Brut scheint sich jedoch recht kontinuierlich zu entwickeln.
Stand der Kolonie:
1Gyne
1Minor-Arbeiter
3Puppen
4Larven
1Eierpaket
26.Sept.,Tag 33
Um der Königin noch eine Chance zu gewähren wurde in den letzten Tagen nur zwei mal ins Reagenzglas geblickt.Immerhin sind zwei der dunklen Puppen nun endlich geschlüpft , sodass zumindest die Verluste nach langem Bangen wieder ausgeglichen werden konnten.
Futter wird zwar angenommen , aber nur wenn es direkt vor dem Nest liegt.Die Außenaktivität der Ameisen hat nämlich deutlich abgenommen.
Stand der Kolonie:
1Gyne
3Minor-Arbeiter
2Puppen
5Larven
2Eierpakete
21. 0kt.,Tag 59
Das Wachstum schreitet kontinuierlich voran. Die Gefolgschaft meiner Königin hat sich um zwei weitere Arbeiterinnen vergrößert und auch 3 Larven haben sich mittlerweile verpuppt, auch wenn ich es nicht genau einsehen kann scheinen auch noch ein oder zwei Eierpakete gelegt worden zu sein. Die Kolonie scheint auf dem Weg der Besserung zu sein und ernährt sich aufgrund ihrer größer werdenden Larven Population nun zunehmend carnivor.1-2 Heimchen pro Woche werden im Schnitt zerlegt, doch auch Körner werden weiterhin fleißig als Energielieferant genutzt.
Stand der Kolonie:
1Gyne
5Minor-Arbeiter
3Puppen
4Larven
2-3Eierpakete
Temperatur: 27°C / 65% Luftfeuchtigkeit
1.Nov.,Tag 69
Mal davon abgesehen dass die Arbeiter noch wenig Außenaktivität zeigen und die sicheren Gefilde ihres Nests meist nur bei Nachts verlassen bin ich recht zufrieden mit der Entwicklung des Messor minor hesperius Volkes.Mittlerweile hat eine weitere Arbeiterin ihre Larvenform abgeschlossen.Wahrscheinlich durch die zunehmend carnivore Ernährung hat sie eine deutlich gesteigerte Körpergröße erreicht als die anderen Arbeiter.Mit ihren 6-8 mm Körperumfang würde ich sie schon der Media-Kaste zuordnen.
Diese Beobachtung stimmt auch mit den Erkenntnissen von Biologen über die claustrale Gründungsphase bei Armeisen überein, wonach die erste Generation der Arbeiter aufgrund geringerer Nährstoffversorgung (die Königin zehrt hauptsächlich von den Reserven ihrer Flugmuskulatur) nur einen minderen Wuchs erreicht bis diese Generation der sogenannten Pygmäen von den Kasten der Minor- Media- und Majorarbeiter abgelöst werden.
Stand der Kolonie:
1Gyne
5Minor-Arbeiter
1Media-Arbeiter
8Puppen
6Larven
4Eierpakete
21.Nov.,Tag 89
Ganze 3 neue Arbeiter (größentechnisch in der Minor- bis Mediakaste anzusiedeln sind) sind den Puppen entwachsen.Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten scheint sich nun alles doch so zu entwickeln wie ich es mir erhoffte, der Haufen an Brut wächst beständig weswegen ich bald mit einem sprunghaften Anstieg der Arbeiteranzahl rechne.
Da ich die kritische Phase der Koloniegründung als abgeschlossen erachte werde ich nun dazu übergehen die Entwicklungen der folgenden Monate in deutlich geraffter Form darzustellen , die Situation scheint sich so stabilisiert zu haben dass kleinere Ereignisse den Prozess nicht mehr grundlegend ins Wanken bringen können.Die folgenden Berichte legen ihr Augenmerk somit weniger auf einzelne Ereignisse oder Verhaltensweisen bestimmter Arbeiter sondern sollen eher das Kollektiv in den Mittelpunkt rücken.
21.Nov.bis 30. Dezember
Wie erwartet ist die Wachstumsrate der Anzahl der Arbeiter in den letzten Wochen sprunghaft angestiegen.Gleichsam hat auch der Bedarf an Energie in Form von Honigwasser (eher weniger) und besonders carnivorer (Eiweiß in Form von Heimchen) und und biovorer (Löwenzahnsahmen und Körner) Nahrung neue Höchstwerte erreicht.10-12 neue Arbeiter, aus Minor-und Mediakaste sind mittlerweile geschlüpft, weit größer ist jedoch das Wachstum der Brut: Mittlerweile türmen sich vor der Königin Berge an Larven und Puppen, die von einem wahren Hofstaat versorgt werden müssen um immer an die wärmsten Plätze des Reagenzglases zu gelangen und ständiges Putzen feucht genug zu bleiben.Interessant ist auch der Abfallberg, den die Kolonie angelegt hat und der von ihrem Verschleiß von Biomasse zeugt: Dort türmen sich nämlich die Überreste der Chitinschalen ihrer kürzlich verwerteten Beute.Die Samenkapseln werden hingegen meist über mehrere Wochen im Reagenzglasnest gelagert bevor sie geknackt und verspeist werden.Großes Wachstum bringt jedoch auch kleine Platzprobleme mit sich.So scheinen mir einige Arbeiter in letzter Zeit zunehmend die Umgebung nach einem neuen Nest zu erkunden.Dunkle, warme Stellen werden dabei bevorzugt , da diese den Ameisen den bestmöglichen Schutz vor Räubern suggerieren und die Brut sich entsprechend der RGT-Regel schneller entwickelt.Der von mir bereit gestellte Y-tong wird zwar häufig erforscht, scheint den Tieren aber bisher etwas zu groß zu sein, jedenfalls haben sie sich dort noch nicht eingenistet.Stattdessen wurden Versuche unternommen sich in den Hohlräumen der Lithops Pflanze-indem man selbige von kleinen Kieseln befreite-eine neue Brutstätte einzurichten.Neben der erhöhten Volksstärke ist naturgemäß auch die Außenaktivität der Tiere gewachsen.Wo sich früher selten mal eine Arbeiterin in die Arena gewagt hat, sieht man sie nun häufig zu 6. oder 7. fouragieren.
Stand der Kolonie:
1Gyne
8-10Minor-Arbeiter
4-6Media-Arbeiter
15Puppen
9Larven
Eierpakete werden von der restlichen Brut überdeckt und sind leider nicht mehr zählbar
30.Dezember bis 28.Januar
Durch die Entwicklung der Puppen Imagos ist der Zuwachs an neuen Tieren nur als exponentiell rasant zu bezeichnen. Im Laufe meines Temperaturexperiments hatte ich die Möglichkeit die lethargischen Tiere in aller Seelenruhe zu zählen und kam dabei auf 29 Arbeiter exklusive der Gyne. Zusammen ist das eine Volksstärke von rund 30 Ameisen. Für diese Masse an Tieren bot das Reagenzglasnest nicht mehr ausreichend Platz und so zogen sie zu meiner Freude in das von mir vorbereitete Y-tong Nest. Dieser Vorgang geschah innerhalb weniger Minuten in großer Eile. Nachdem Späher die durch Kiesel verschlossene Kammer im Laufe eines Tages frei geräumt und der Königin so Platz verschafft hatten , bildete eine große Zahl an Arbeitern (ca. 20 Tiere) die Vorhut und flutete regelrecht in die Kammer. Nachdem sie sich dort anscheinend von der Sicherheit des Gebildes überzeugt hatten , lief eine Minderheit zurück zur Brut und trug diese in die Kammer. Als letztes folgte die Königin , wobei sie sich gut erkennbar durch ihre hektischen Antennenbewegungen an den Duftspuren ihrer Arbeiter orientierte um den Weg zu finden. Der Hunger nach Eiweiß und Körnern ist nach wie vor ungebremst und auch Honig wird jetzt zunehmend häufig aufgenommen , wodurch die Arbeiter noch aktiver zu werden scheinen.
An diesem Punkt muss ich meine Beobachtung jedoch leider niederlegen. Die Kolonie befindet sich nun trotz anfänglicher Schwierigkeiten in einer sehr guten Position und sollte sich sofern weiterhin alles gut geht zu einem volkreichen Ameisenstaat entwickeln.
Endgültiger Stand der Kolonie:
1Gyne
16Minor-Arbeiter
12Media-Arbeiter
1Major-Arbeiter
4Puppen
3Larven
2Eierpakete
Temperatur: 29°C / 65% Luftfeuchtigkeit