Bioreferat über Gruppenselektion

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M_K
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#1 Bioreferat über Gruppenselektion

Beitrag von M_K » 18. Januar 2010, 18:46

Guten Abend.


Nächsten Montag muss ich in der Schule ein Referat über Selektion halten. Es geht um die Individualselektion, aber auch Gruppen- und Verwandtenselektion.
Hat jemand einen passenden Link oder Angaben zu der Theorie der Gruppen- und Verwandtenselektion? Die Materie dürfte auch ein wenig vertieft sein, Wikipedia-Ergebnisse sind vom Nievau her eher zu nieder.

Bedanken möchte ich mich jetzt schon für allfällige Hilfe und für den Zeitaufwand im Beschaffen des Materials =)

Freundliche Grüsse

Markus Kunz



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Streaker87
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#2

Beitrag von Streaker87 » 18. Januar 2010, 21:27

Nein, es gibt keine Gruppenselektion. Schlag dir das aus dem Kopf :D Es selektiert sich immer nur ein Merkmal oder Verhalten eines Individuum, niemals in der Gruppe.

Ich mache mich da nochmal schlau, aber behalte das trotzdem im Hinterkopf ;)

/edit:

Ok, bevor wir mal wieder den deutschen Bezeichnungen zum Opfer fallen, lass uns schnell erläutern, was mit "Gruppenselektion" gemeint ist.

Es gibt im Englischen nämlich zwei unterschiedliche "Gruppenselektionen":

- group selection (die es garnicht gibt; der Begriff wurde 1962 von Wynne-Edwards geprägt; daraufhin, 4 Jahre später: "Arterhaltung und Gruppenselektion keine evolutionär stabilen Strategien (Williams 1966)") und...
- multilevel selection ("Neue Gruppenselektion")

Ein Beispiel anhand der Lemminge:

Die stürzen sich allesamt in den Fluss und ertrinken, um ihre Art zu erhalten, weil sonst das gesamte Futter vertilgt würde. Aber es gibt immer Einen, der sich nicht an das Massensterben hält (-> Individualselektion = egoistische Gene). "Betrügen" würde damit zu einer genetischen Grundlage werden und sich ausbreiten, also würde es nach kurzer Zeit keine Gruppenselektion mehr geben, weil sich die Betrüger einen Vorteil (sprich: das Überleben) gesichert haben.

War das so verständlich? Ich muss mir die Skripte auch nochmal durchlesen; ist schon ein Jahr her, seitdem ich "Ringvorlesung: Verhaltensforschung" hatte.

/edit:

Ich zitiere mal kurz aus dem Buch "Die sexuelle Evolution" - Geoffrey Miller.

Erstmal die Def.:
Gruppenselektion - Theorie, der zufolge Konkurrenz zwischen Gruppen die Entstehung von für die Gruppe vorteilhaften Adaptationen wie Altruismus oder Gleichgewichten mit großem gegenseitigen Nutzen begünstigt.
- Glossar, Seite 490


[...]

Dieser Prozess klingt nach "Gruppenselektion" (group selection), welche die meisten Biologen seit den sechziger Jahren ablehnen, [...]
- Sex und Moral, Seite 354


Im Jahre 1998 beschrieg der Anthropologe James Boone in seinem Artikel The Evolution of Magnanimitry, wie die Gleichgewichtsselektion altruistische Verhaltensmuster begünstigen kann. Er stellte sich vor, wie verschiedene Gruppen das Spiel demonstrativer Darbietung nach unterschiedlichen Gleichgewichten spielen:

Stellen wir uns nun vor, dass in einigen dieser Gruppen die Eliten ihre Macht signalisieren, indem sie auf dem Dorfplatz den Überschuss ihrer diesjährigen Ernte aufschichten und vor den Augen ihrer Untergebenen verbrennen. In anderen Gruppen demonstrieren die Eliten ihren Status, indem sie opulente Festessen ausrichten und ihren Untergebenen Geschenke überreichen. Welches der beien Verhaltensmuster wird nach mehreren Generationen heftiger Kriege eher in der Bevölkerung überdauern? Man darf wohl erwarten, dass die "Festveranstalter" sehr viel mehr Anhänger um sich scharen können als die "Verbrenner".

Die Konkurrenz zwischen den Gruppen würde ein Gleichgewicht der Großherzigkeit und Edelmütigkeit (magnanimity) einem Gleichgewicht der Verschwendung vorziehen. Dennoch wäre dies keine "Gruppenselektion" im Sinne der traditionellen Definition der Biologen, nach der Individuen individuelle Kosten auf sich nehmen, um der Gruppe einen Nutzen zu verschaffen. Im geschilderten Fall verhält sich jeden Individuum egoistisch und vernünftig, denn es versucht, durch seine aufwendige Demonstrationen hohen Status un dsexuelle Attraktivität zu erlangen. Individuelle sexuelle Vorteile und nicht Vorteile für die Gruppe halten das Gleichgewicht aufrecht: Die Konkurenz der Gruppe wählt lediglich zwischen verschiedenen Gleichgewichten. Den Anthropologen Robert Boyd und Peter Richerson zufolge ist diese Form der Wechselwirkung zwischen Gleichgewichtsselektion und Gruppenselektion nicht nur für die genetische Evolution, sondern auch für die Kulturgeschichte von größter Bedeutung. [...]
- Sex und Moral, Seite 359




boman
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#3

Beitrag von boman » 19. Januar 2010, 14:52

naja wenn dein Individuenlevel auf die Ebene der Kolonie gehoben wird dann wird es schwierig nich auch über group selection nachzudenken.
Ich finde auch Theorien die nicht allgemein angeommen sind, können im anderen Licht (in diesem fall multilevel selection) doch wieder interessant werden.

Die ganze Idee wurde halt damals duch Hamiltons kin selection (bzw inclusive fitness) aus dem Rennen geworfen, was aber nicht heisst, dass es als Theorie nich gelten kann. Es gibt nur eine Theorie die wesentlich weitgefasster (dadurch auch simpler) die gleichen Prozesse vorhersagen kann. Aber selbst da ist man sich heute nicht mehr einig.

Hier mal nen Zitat von Wilson (Kin Selection as the Key to Altruism: Its Rise and Fall. in: [url=javascript:__doLinkPostBack('','mdb%7E%7Ebuh%7C%7Cjdb%7E%7Ebuhjnh%7C%7Css%7E%7EJN%20%22Social%20Research%22%7C%7Csl%7E%7Ejh','');]Social Research[/url]; Spring2005, Vol. 72 Issue 1, p159-166, 8p)

All of these developments in sociobiology are in full progress, and
surprises no doubt lie ahead. The interpretation I have presented here
may itself in time be swept aside. New evidence might be found that
reinstates collateral kin selection as a primary binding force. For the
present, however, the ongoing shift to group-level selection forced by
empirical evidence suggests that it might be profitable to undertake a
similar new look at the wellsprings of social evolution in human beings
and nonhuman vertebrates where, I believe, surprises also await us.

und es gibt auch einige weitere Veröffentlichungen zu kin selection vs multilevel selection.

ansonsten google dich mal durch
kin selection
haplodiploid hypothesis
inclusive fitness
group (level) selection
multilevel selection
altruism



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Streaker87
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#4

Beitrag von Streaker87 » 22. Januar 2010, 13:06

Der M_K meldet sich aber auch nicht; ob er damit jetzt was anfangen konnte; alles verstanden hat; es einfach so übernimmt; oder ähnliches :confused:

Hoffe, er wurde nicht vor den Kopf gestoßen!?




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#5

Beitrag von M_K » 23. Januar 2010, 14:08

Sorry für meine späte Antwort.

Danke euch, danke dir Streaker87 für deine ausführliche Antwort!

Ja, es hat mir weiter geholfen. Aber dieses Thema ist sau kompliziert. Von meinem Lehrer habe ich noch einige Seiten Material erhalten.

Falls ich alles richtig verstanden habe, ist die Theorie der Gruppenselektion seit 1960 eigentlich aus den Köpfen der Biologen verbannt. Die Alternative dazu stellt die Verwandtenselektion dar; Das bedeutet, dass unter Verwandten zum Beispiel im Ameisenstaat Altruismus entsteht. Die Einzelnen Individuen opfern sich für andere auf, da sie ihre eigene Fitness in Form der Gene in ihren "Verwandten" weitergeben können.

In heutiger Zeit ist die Idee der Gruppenselektion aber wieder Thema der Evolutionsbiologie...

Falls es jemanden interessiert, kann ich die zehn Seiten zu diesem Thema gerne mal einscannen und weitergeben.

Streaker, wenn ich mich besser in dieses Thema eingelesen habe, melde ich mich gerne noch mal bei dir =)

Schönen Samstag Nachmittag euch allen



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