Camponotus ligniperdus - Haltungserfahrungen

Berichte, Erfahrungen, Tipps, Beobachtungen Gattung Camponotus
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setech
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#1 Camponotus ligniperdus - Haltungserfahrungen

Beitrag von setech » 11. August 2010, 00:02

Vorwort

Hier kommt nun ein weiterer Camponotus ligniperdus Haltungsbericht. Leider reißen viele Berichte nach einiger Zeit und daher ist es mein - gleich vorab erklärtes - Ziel meine Kolonie möglichst lange mit diesem Bericht zu begleiten - damit es eben nicht nur ein weiterer Camponotus ligniperdus Haltungsbericht bleibt und wird.

Ich habe die Kolonie bereits seit einer ganzen Weile (=Mitte Juni '10) und schreibe auch ebenfalls schon eine Weile fleißig am Bericht. Es gibt allerdings Erfahrungsgemäß zur Schwarflugzeit immer gleich eine ganze Handvoll Gründungsberichte, daher erachtete ich es nicht als notwendig dieser Reihe einen weiteren hinzuzufügen. Statt dessen habe ich beschlossen die Gründungsphase, nach erfolgreicher Vollendung, ausschließlich in der Retrospektive darzustellen. Aus taktischen Gründen gibt es die ersten zwei Wochen ebenfalls gleich am Stück.

Ich verfüge derzeit über keine eigene Digitalkamera und habe nur Zugriff auf eine relativ billige. Überragende Makroaufnahmen wird es hier daher leider vorerst nicht geben, aber ich werde mir trotzdem Mühe geben dann und wann ein paar gute Bilder zu liefern.


Zum entsprechenden Diskussionssthread geht es hier entlang!



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#2 AW: Camponotus ligniperdus - Haltungserfahrungen

Beitrag von setech » 11. August 2010, 00:06

Steckbrief Camponotus ligniperdus


Taxonomie

Subfamilia: Formicinae
... Tribus: Camponotini
...... Genus: Camponotus MAYR 1861
......... Subgenus: Camponotus
............ Species: Camponotus ligniperdus (LATREILLE 1802)


Allgemeines

Heimat: ganz D, Mitteleuropa, planar-collin, sonnenexponiert auch montan
Habitat: sonnige Stellen warmer Laub- und Laub-Nadel-Mischwälder, Feldraine, Trocken- und Halbtrockenrasen mit Buschwerk; thermophiler als C. herculeanus: Juli-Temperatur etwa +2,8°C (Seifert, 1994)
Kolonie: monogyn, selten oligogyn, bei schwuel-warmem Wetter sehr aggressiv, i.d.R gemächlich, kann aber v.a. bei Störungen sehr schnell werden
Gründung: claustral, auch Pleometrose oder Adoption
Arbeiterinnen: polymorph, Minor bis Media mit Übergängen
Nestbau: Lebend- und bevorzugt Totholz mit großem Erdnest-Teil, ohne Bäume/Holz auch reine Erdnester
Nahrung: Trophobiose, Zoophagie, auch anbeißen von Gehölz-Phloems (Honig und Insekten in der Haltung)
Winterruhe: 5-6 Monate, rein endogener Rhythmus, kein obligatorischer Nestverschluss


Aussehen/Färbung

Königin: wie Mi-Ma, Rotfärbung kann jedoch deutlich dunkler ausfallen
Minors-Majors: hochglänzend; Thorax, teils Femur, Petiolus und Ansatz 1. gastrales Segment Rot; Kopf, Rest Beine und Gaster schwarz
Färbung kann schwanken und unterschiedlich stark ausgeprägt sein.


Größe

Königin: 16 - 18mm
Männchen: 8 - 12mm
Minors-Majors: 6 - 14mm

( Quelle: Ameisenforum, Artbeschreibungen)



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#3 AW: Camponotus ligniperdus - Haltungserfahrungen

Beitrag von setech » 11. August 2010, 00:14

Der Weg zu meiner Campontus ligniperdus Kolonie

Nach langen Überlegungen, welche Art ich denn nun halten wolle, habe ich mich letztendlich für C. ligniperdus entschieden.
Zuvor habe ich sehr mit einer Messor-Art geliebäugelt, mich dann aber aufgrund deren Wachstumsraten und späterer Koloniegröße anders entschieden. Momentan ist nicht abzusehen, wie viel Platz für Erweiterungen ich in den kommenden zwei bis drei Jahren haben werde, daher darf es ruhig langsamer voran gehen.

Für die “Camponoten” sprechen meiner Meinung nach:
-Die Größe, was zum einen das Beobachten vereinfacht, zum anderen aber auch die Ausbruchsfähigkeit verringert. Schätze ich zumindest in meinem jugendlichen Leichtsinn. ;)
-Die eher langsame Entwicklung, da ich so mehr Zeit zum Planen und Basteln habe, ohne dass die Kolonie allzu schnell wächst.
-Die ansprechende Farbgebung.

Ich wollte mir eigentlich eine schwärmende Gyne fangen, war damit allerdings nicht wirklich erfolgreich. In gewisser Hinsicht war es schon eine kleine Odyssee.
Gleich am ersten potentiellen Tag landete eine Gyne, während ich gerade im Garten arbeitete, neben mir auf einer Erdbeere. Selbstverständlich war ich darauf nicht vorbereitet und hatte daher kein geeignetes Gefäß bei mir. Streng genommen nicht mal ein ungeeignetes… Ich also meine Arbeitshandschuhe ausgezogen, die Gyne möglichst vorsichtig mit beiden Händen geschnappt und ab nach drinnen… Tja, und da war sie dann nicht mehr in meinen Händen – zu vorsichtig gewesen, man will ja das Subjekt der Begierde nicht verletzen. Gyne weg, unterwegs im hohen Gras verloren.
In der Folgezeit bin ich an fast jedem geeigneten Abend unterwegs gewesen, habe aber nicht eine Camponotus-Gyne mehr zu Gesicht bekommen. Sehr wohl aber so ziemlich jede andere Art, die zur gleichen Zeit schwärmt.

Daher habe ich mich dann entschieden hier über das Forum nach einer diesjährigen Gyne zu suchen. Das hat auch wunderbar und sehr schnell geklappt und nach wenigen Tagen war das Paket bei mir. Leider mit toter Gyne, selbige hat, warum auch immer, den Versand leider nicht überstanden.
Ich hatte dann glücklicherweise die Möglichkeit zeitnah eine weitere Gyne zu bekommen, welche dieses mal auch wohl behalten ihren Weg zu mir gefunden hat.
So konnte es dann also endlich losgehen.



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#4 AW: Camponotus ligniperdus - Haltungserfahrungen

Beitrag von setech » 11. August 2010, 00:26

Die Gründungsphase

16.06.2010, Tag 1

Heute ist die Königin bei mir abgekommen. Nach der ersten Kontrolle umfasst ihr derzeitiger Hofstaat ungefähr 13 Eier. Sie hat die Prozedur vollkommen gelassen über sich ergehen lassen und macht einen wirklich guten und gesunden Eindruck.
Für die Gründungsphase ist sie erst einmal in eine unbenutzte Schublade meines Wandschrankes eingezogen.
Die Temperatur beträgt im Raum derzeit ungefähr 20°C, Nachts liegt sie etwas darunter.
BildBild


19.06.2010, Tag 3

Heute war ich neugierig und musste nach der Gyne schauen. Ich habe beschlossen, dass ich ab jetzt jeden Samstag eine wöchentliche Kontrolle und Volkszählung durchführen werde. Die Zählung war etwas leichter, da die Eier relativ verteilt lagen und ergab dieses Mal 14 Eier und eine Königin
Die Watte des Wassertanks erschien mir etwas zu trocken, daher habe ich sie mit einem Holzspieß vorsichtig ein paar Millimeter weiter nach hinten geschoben. Die Königin ließ sich davon glücklicherweise überhaupt nicht stören.


26.06.2010, Tag 10

Heute war es Zeit für die wöchentliche Kontrolle. Im Reagenzglas hat sich nicht viel verändert, Watte sieht nun etwas feuchter aus. Die Brut umfasst nach wie vor 14 Eier, der Königin geht es gut.
Durch die Hitzewelle sind die Temperaturen bei mir am Tag auf 27-30°C angestiegen, in der Nacht kühlt es sich allerdings dank offenem Fenster herunter. Ich denke diese Temperaturen werden die Brutentwicklung positiv beeinflussen.


03.07.2010, Tag 17
Eine weitere Woche ist vergangen und es war wieder Zeit für eine Kontrolle.
Die Eier haben sich alle zu Larven weiterentwickelt, von denen einige auch schon etwas größer sind. Ich vermute, dass bereits in derletzten Woche Larven vorhanden waren, ich diese jedoch aufgrund des frühen Stadiums nicht erkannt habe.
Die Temperaturen sind drinnen wie draußen noch immer recht hoch, wenn ich lange am Rechner arbeite, steigen sie teilweise bis auf 31°C an. Dummerweise kühlt es sich mittlerweile Nachts nur noch unwesentlich ab, das Temperaturspektrum bewegt sich derzeit zwischen 29-31°C am Tag und 25°C in der Nacht.


10.07.2010, Tag 24
Es wurde wieder einmal Zeit meine Neugierde zu befriedigen.
Zwei der Larven haben sich nun verpuppt, eine ist etwas dunkler, die andere ist noch sehr durchscheinend und wird sich wohl vor kurzem erst verpuppt haben. Die restlichen 12 Larven stehen, urteilt man der Größe nach, ebenfalls kurz vor der Verpuppung.
Die Hitze draußen geht wieder etwas zurück, aber das Haus ist noch aufgeheizt und strahlt die Wärme jetzt ab. Dadurch liegen die höchsten Temperaturen noch immer zwischen 28°C am Tag und 24° in der Nacht.


17.07.2010, Tag 31
Es wurde wieder fleißig kontrolliert und gezählt.
Die Kolonie umfasst derzeit die Königin, neun Puppen, eine große Larve und 10 Eier.
Aus dieser Zählung lassen sich nun einige Folgerungen ableiten:
Es haben vermutlich nicht alle Larven die Verpuppung geschafft bzw. die Metamorphose verlief nicht nach Plan, sodass die Königin einen Teil der Brut gefressen hat.
Es wurden neue Eier gelegt, was darauf schließen lässt, dass nun ein neuer Legezyklus begonnen hat. Möglicherweise liegt hier aber auch der Grund für die gefressene Brut. Es könnte sein, dass de Königin diese Proteine für ihre nächsten Eier verwenden wollte.
Die Umgebungstemperatur sinkt weiter auf maximal-26°C, in der Nacht erreiche ich bei offenem Fenster schon wieder Werte knapp unter 20°C. Aufgrund der langen Hitzewelle befürchte ich inzwischen, dass die Ameisen zu früh in die Diapause gehen werden. Ob dies tatsächlich so ist, wird sich zeigen.


24.07.2010, Tag 38

Es ist Zeit für eine Kontrolle. Zugleich findet heute ein kleiner Umzug statt, dazu später mehr.
Meiner angehenden Kolonie geht es nach wie vor sehr gut. Die wöchentlichen Störungen nimmt die Gyne extrem gelassen hin, die kurzzeitige Belichtung scheint sie nicht im Geringsten nicht zu stören.
Die neun Puppen entwickeln sich gut, einige sind bereits deutlich dunkler als ihre Geschwister. Die verbliebene Larve wächst unaufhaltsam weiter und wird immer dicker - ob hier die erste “richtige” Arbeiterin heran wächst? Die Eier werden langsam aber sicher mehr, heute habe ich schon an die 20 Stück gezählt.
Die Temperaturen sind wieder auf normale Werte zurück gegangen. Die kühlen Nächte wirken Wunder!
Nachdem meine Freundin zusehends begeisterter von meinen Meisen wurde - die vergangenen zwei Wochen durfte ich meine Kontrolle nur in ihrem Beisein durchführen - , haben wir heute den Beschluss gefasst das Fomikarium in ihrer Wohnung aufzustellen. Also sind die kleinen heute zu ihr umgezogen, was der Königin augenscheinlich nicht viel ausgemacht hat. Ein kurzer Kontrollblick am Zielort ließ keinerlei Stress erkennen.

Ich werde nun alle zwei Tage kontrollieren, wie weit die Puppen sind. Eigentlich müssten die ersten kurz vor dem Schlupf stehen. Außerdem werde ich nun mit dem Bau des Formikariums beginnen.



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#5 AW: Camponotus ligniperdus - Haltungserfahrungen

Beitrag von setech » 11. August 2010, 00:49

Das Formikarium

Konzept

Ich möchte eine möglichst natürliche Umgebung darstellen und um dieses zu erreichen habe ich zuerst überlegt in welchen Habitaten ich bisher C. ligniperdus beobachtet habe. Als realisierbar erachtete ich eine vor einigen Jahren endgültig aufgegebene Kiesgrube, in deren Altteil es einige mit Kiefern bewachsene Felshänge gibt. Der Boden dort ist stark lehmhaltig und von größeren Steinen und Kieseln verschiedener Körnung durchsetzt. (Wenn ich jetzt eine Kamera hätte, gäbe es dazu ein Bild. Möglicherweise trage ich dies bei Gelegenheit nach.)


Bau

Als Formikarium dient ein altes Aquarium mit den Außenmaßen 40*25*25cm. Ich denke dies sollte für diese sowie die nächste Saison ausreichen, danach ist ein Umzug in ein 80*35*40cm großes Becken geplant.

Ich habe aus Buntschiefer und Sandstein verschiedenster Couleur eine Felswand modelliert. Meine Vorgehensweise habe ich dabei ganz grundsätzlich bei Toblin abgeguckt, hier und hier sind entsprechenden die Links zu seinen Bauberichten. Er hat das wie und warum dort sehr gut beschrieben, daher lasse ich dieses hier aus.

Als Bodengrund dient ein Gemisch aus Lehm und Flusssand bzw. -kies verschiedenster Körnung. Ich habe davon eine etwa 2cm dicke Schicht eingebracht und zusätzlich den schmalen Spalt zwischen Felskonstruktion und Scheibe damit aufgefüllt.
Mit einer Sprühflasche wurde dieses Gemisch gut befeuchtet, sodass es nach dem trocknen, dem Lehm sei Dank, relativ fest ist. Um die Verfüllung zwischen Rückwand und Scheibe zusätzlich zu verstärken, habe ich hier reichlich dünnflüssiges Lehm-Wasser-Gemisch eingespritzt. Diese Füllung ist nun Bombenfest.

Als Dekomaterial fungieren einige kleine Tannenzapfen, Stöcker, Rindenstücke und allerhand sonstiger “Dreck“. Die Steine sind (bzw. werden es hoffentlich werden, noch liegt es nur auf) an verschiedenen Stellen mit Moss bewachsen.

Als Ausbruchsschutz dient ein 5cm Breiter, mit Aquariensilikon auf das Becken geklebter Kragen aus Polystyrol-Bastlerglas. Dieser ist auf der Unterseite mit einem 4,5cm breiten PTFE-Streifen verstehen.


Bilder

Bild Bild Bild Bild Bild Bild

http://imageshack.us



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#6 AW: Camponotus ligniperdus - Haltungserfahrungen

Beitrag von setech » 11. August 2010, 00:56

Blöd, wie ich bin, habe ich jetzt diesen Post nicht wie eigentlich geplant editiert, sondern einen neuen erstellt...

Ein freundlicher Mod, der dies hier liest, möge ihn bitte löschen.
Danke



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#7 AW: Camponotus ligniperdus - Haltungserfahrungen

Beitrag von setech » 12. August 2010, 19:11

31.07.2010, Tag 45
In der Nacht sind die ersten beiden Pygmäen geschlüpft, allerdings sind sie noch nicht ausgefärbt und demnach auch noch nicht allzu lange außerhalb ihres Kokons. Das Reagenzglas habe ich am Morgen mitsamt der jungen Kolonie in die Arena gelegt und geöffnet.
Ich war den Tag über nicht zu Hause und während dieser Zeit hat die Königin begonnen die Watte vom Wassertank zu zerpflücken um mit den dabei entstehenden Fasern den Eingang zu versperren, womit sie noch immer gut beschäftigt zu sein scheint. Am Abend habe ich dann Honigwasser und Proteine in Form einer frisch geschwärmten Lasius cf. niger Gyne gefüttert. Beide Nahrungsquellen befinden sich direkt vor dem Nestausgang, wo sie für den Rest dieser Saison wohl auch bleiben werden. Ich möchte so sicherstellen, dass a) die Nahrung schnell gefunden wird und b) stehts Nahrung aufgenommen werden kann, ohne dass die Meisen übermäßig Angst vor potentiellen Feinden haben müssen.
(Nachtrag: Die Lasius cf. niger Königin wurde nicht angenommen, in Punkto Honigwasser lässt sich dazu nichts sagen.)

Bild Bild


03.08.2010, Tag 48

Heute Nachmittag ist die fünfte Pygmäe geschlüpft. Die sehr dunkle Farbfilterfolie, welche ich um das Reagenzglas gewickelt habe, verhindert leider eine genaue Zählung der Brut – ebenso wie Fotos des inneren -, aber sofern sich nichts verändert hat, erwarte ich noch 4 weitere Pygmäen in den nächsten Tagen sowie eine größere Arbeiterin in - extrem grob geschätzt - etwa zwei Wochen. In Anbetracht dessen, dass ich mit meinen Schätzungen bisher grundsätzlich eine Woche vor meinen Meisen lag, werden es wohl eher drei Wochen werden... xD

Im Nest geht alles seinen Gang. Die Arbeiterinnen helfen der Königin nach Kräften beim Zerlegen der Watte, wenngleich ihnen dies nicht wirklich zu gelingen schient. Bei der Versorgung der Brut hingegen sind sie wesentlich geschickter und hilfreicher. Ich konnte heute beobachten, wie die Königin zwei der Arbeiterinnen aus ihrem Sozialmagen gefüttert hat (Trophallaxis).
Das Futter wurde bisher allerdings augenscheinlich nicht angerührt, auch konnte ich noch keine Arbeiterin außerhalb des Nestes beobachten. Honigwasser und Proteine wurden heute ausgewechselt, dieses Mal versuche ich es mit einer kleinen Stubenfliege. Bald werden sie mit Sicherheit etwas Hunger bekommen und Mut fassen ihre Umgebung zu erkunden.


06.08.2010, Tag 51

Heute gibt es sowohl positive, als auch negative Neuigkeiten.
Das positive ist, dass die Meisen heute erstmals (nachweislich) ihr Nest verlassen haben und Nahrung angenommen wurde. Eine Schwebfliege, die ich diesmal ganz demonstrativ vor den Nesteingang gelegt hatte, wurde gegen Mittag eingetragen und sofort fleißig “beschnuppert”. Über den Tag hinweg haben sich immer mal wieder einzelne Ameisen an ihr zu schaffen gemacht. Am Abend, es war schon relativ dunkel, konnte ich schließlich beobachten, wie eine Arbeiterin vom Honig-Wasser-Gemisch trank und dieses später an ihre Schwestern verteilte.

Die schlechte Nachricht ist, dass ich leider heute Morgen eine der Pygmäen tot vor dem Reagenzglas gefunden habe. Ihr linker Fühler lag abgetrennt neben ihr, ansonsten war nichts weiter zu erkennen. Außerdem macht der Bruthaufen auf mich einen kleineren Eindruck, als noch vor ein paar Tagen. Ob dies nun n einer effizienteren Stapelung oder an Fraß liegt, kann ich nicht sagen. Letzeres wäre aber zumindest eine Erklärung für die Nahrungssuche außerhalb des Nestes. Immerhin haben sie sich seit etwa einer Woche nicht heraus gewagt.

Der aktuelle Stand sieht dann wie folgt aus:
1 Gyne
4 Arbeiterinnen
3-5 Puppen (schwer zu zählen)
Laven sind keine zu erkennen
einige Eier (siehe oben)


07.08.2010, Tag 52
Bauarbeiten!
Heute Nacht haben die Meisen ein kleines Bauvorhaben angefangen. Der Nesteingang ist nun nicht mehr nur mit Watte und Puppenhüllen verbaut, sondern auch - wie eigentlich von mir intendiert, mit Steinen, Sand und was sie sonst noch für geeignet erachteten. Bisher haben sie den Eingang so um knapp die Hälfte verkleinert. Ich bin gespannt, ob dieser noch weiter verengt werden wird.
Jedenfalls lässt sich daraus auch ableiten, dass sie nun ihre anfängliche Scheu überwunden haben und nun beginnen ihre Umgebung zu erkunden.

Bild


09.08.2010, Tag 54
Es gibt an sich nicht viel neues zu berichten. An der Zusammensetzung des Ameisenstaates hat sich nichts geändert. Dies erachte ich nach dem Todesfall vor einigen Tagen allerdings auch nicht unbedingt als schlecht.
Die Schwebefliege wurde ein der letzten Zeit nicht wirklich beachtet und lediglich hin und wieder von a nach b geschleift. Momentan besteht wohl kein Bedarf nach Proteinen.

Der Nesteingang wurde weiter verkleinert. Der Steinhaufen wurde zu einem richtigen Wall von gut drei Zentimetern dicke ausgebaut und nun ist nur noch ein schmaler Schlitz ganz oben unter der Decke offen.

Ich habe nun eine Möglichkeit gefunden, wie ich mit der Kamera und ihren bescheidenen Möglichkeiten auch Fotos des Nestinneren halbwegs passabel hin bekommen kann. Wenn ich das Nest normal beobachte, nutze ich eine kleine Lampe um einen stärkeren Kontrast zu erzeugen bzw. die dunklen Ameisen hervor zu heben. Irgendwann kam ich dann auf den Trichter, dass man sich dies beim Fotografieren durchaus auch zu Nutze machen könnte.
Diese Prozedur scheint sie nicht übermäßig zu stören, auch wenn sie sich bei längerer Belichtung der Lichtquelle zuwenden und sich ihre Aktivität während dessen etwas zu erhöhen scheint.

Bild Bild Bild


12.08.2010, Tag 57
Den kleinen geht es erfreulicherweise bestens. Inzwischen sind zwei weitere Arbeiterinnen geschlüpft, die Damen sind – ihr Oberhaupt nicht eingerechnet – damit nun zu siebt. Es verbleiben nun noch zwei Puppen. Eine sollte alsbald schlüpfen, bei der anderen handelt es sich um die zuvor erwähnte größere Larve. Diese hatte sich später verpuppt, sodass sie wohl noch etwas Zeit bis zum Schlüpfen benötigen wird.

Der Nesteingang wurde in der Nacht noch ein weiteres Mal modifiziert. Nun bedeckt zusätzlich eine Schicht kleiner Rindenstücke die Kiesel, mit denen der Eingang verkleinert bzw. zugebaut wurde. Interessant ist, dass die Rinde ausschließlich an der Äußeren Seite des Walls zu finden ist. In das Nest haben sie bisher noch keine Stückchen davon hinein geschafft.

Die Schwebfliege war bisher noch nicht verwertet bzw. aussortiert, sodass ich neue Proteine nicht für notwendig erachtete. Gestern wurde sie dann aber anscheinend nicht mehr für verwertbar erachtet, ich fand sie in Einzelteilen auf ihrer “Mauer“ und vor dem Nest. Es war also wieder Zeit für frische Proteine. Die am Nachmittag gefangene Fliege, sie war das größte Beutestück bisher, wurde über Nacht ins Nest gebracht. Als ich am Morgen einen kurzen Kontrollblick in das Reagenzglas warf, waren alle Ameisen gerade mit ihrer Beute beschäftigt. Larven sind derzeit ja noch keine zu erkennen, daher nehme ich an, man wollte ihrer Majestät das Mahl so komfortabel wie möglich gestalten.


Der aktuelle Stand sieht der Kolonie:
1 Gyne
7 Arbeiterinnen
2 Puppen
Laven sind keine zu erkennen
einige Eier


[So, damit bin ich nun "up to date" mit meinem Bericht und werde ab hier möglichst regelmäßig über die aktuelle Entwicklung berichten.]



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#8 AW: Camponotus ligniperdus - Haltungserfahrungen

Beitrag von setech » 17. August 2010, 15:34

17.08.2010, Tag 62
Es ist inzwischen wieder einiges passiert und die Kolonie entwickelt sich gut.

Die Gaster der Gyne ist stark angeschwollen, im Vergleich zur Gründungsphase hat er sich um ca. den Faktor 1,5 vergrößert. Ich habe zwar immer gut gefüttert, aber ich bin dennoch skeptisch, dass diese Umfangsvergrößerung ausschließlich von der gespeicherten Nahrung kommt. Reifen dort möglicherweise weitere Eier heran?

Mittlerweile sind es 8 Arbeiterinnen, die Jüngste ist in der Nacht von Samstag auf Sonntag geschlüpft. Meiner letzten Zählung nach müsste nun noch eine Puppe verbleiben. Allerdings konnte ich diese heute nicht mehr genau ausmachen. Eine Puppe liegt zwar noch im Nest bei der anderen Brut, allerdings scheint diese eingefallen bzw. eher nur eine leere Hülle zu sein. Genau erkennen konnte ich es leider nicht. Ich werde dies weiter beobachten.

Ich habe seit dem letzten Bericht keine gründliche Nestkontrolle mehr vorgenommen. Als ich gestern wieder intensiver Nachschaute, waren einige nicht mehr ganz kleine Larven zu erkennen. Wahrscheinlich sind selbige schon ein paar Tage alt. Die meisten Eier des zweiten Legezyklus sollten also mittlerweile geschlüpft sein.

Die zuletzt gefütterte Fliege lag gestern Morgen in einer Ecke des Formicariums. Im Gegensatz zur ersten Fliege war diese nicht komplett zerstückelt, sodass ich zuerst dachte, sie wäre nicht angerührt worden. Tatsächlich haben die Meisen sie aber am Hinterleib geöffnet und von innen ausgehöhlt. Übrig blieb nur das Exoskellet aus Chitin.
Ich habe gestern Abend wieder eine mittelgroße Stubenfliege und eine Kugelspinne verfüttert. Am Morgen war die Fliege bereits eingetragen und die Königin kaute an ihr herum.
Die Ration war diesmal insofern größer als normal, als dass ich vermutlich bis einschließlich Donnerstag oder Freitag nicht zu meiner Freundin - und den Meisen - zum Füttern kommen werde.
Honigwasser ist in Ordnung, aber Futtertiere töten möchte sie dann doch nicht... Die Damen müssen und sollten also bis dahin versorgt sein.




Eine Frage drängt sich mir auf: Ist es realistisch angesichts der Entwicklung meiner Gyne (siehe oben) auf einen weiteren Brutschub zu hoffen?
Wenn man davon ausgeht, dass die Meisen erst Anfang Oktober in die Winterruhe gehen, so könnten sich die neuen Larven durchaus noch zu Imagines entwickeln. Die Entwicklungszeit von Larve bis zur Puppe soll ja 10-14 Tage betragen und die Puppe weitere 12 bis 24 Tage bis zum Schlupf brauchen. Rein vom zeitlichen Aspekt würde das also durchaus passen.
Andernfalls, wenn sie mit den Larven überwintern wollen, wäre in den nächsten paar Wochen mit der Winterruhe zu Rechnen, was ich für sehr verfrüht erachte.
Oder werden sie am Ende ohne Brut überwintern, was aber an sich eher untypisch wäre, oder?

Ich bin etwas Ratlos, was ich zu erwarten habe. Über eure Meinung dazu im Diskussionsthread würde ich mich freuen!



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