Bei den Ameisen allein,
AlphaChuby, gibt es schon nichts, was es nicht gibt...
So berichten Hölldobler/Wilson (in "The Superorganism"), dass es eine rein genetische Determinierung der Kasten bei einigen Arten gibt: Bei
Pogonomyrmex barbatus und
Pogomyrmex rugosus muss die
Gyne einmal von zwei verschiedenen Männchen
begattet werden, um
Königinnen und Arbeiterinnen produzieren können.
Die Arbeiterinnen-Kaste ergibt sich aus Paarungen zweier verschiedener genetische Linien, und wird komplett aus Hybriden (F1 Hybriden) dieser beiden Linien gebildet. Im Gegensatz dazu resultiert die Königinnen-Kaste aus der Paarung zweier Geschlechtstiere derselben genetischen Linie. Wenn eine junge Königin sich nur mit Männchen ihrer Linie paart, so wird sie nie eine Kolonie gründen können, weil alle ihre weiblichen Nachkommen genetisch bestimmt sind sich zu Königinnen zu entwickeln.(...)
Häufiger gibt es den Fall, dass verschiedene Formen der
Königinnen genetisch determiniert sind.
Bei (...) Harpagoxenus sublaevis unterscheiden sich ergatogyne (Arbeiterinnen ähnliche reproduzierende Weibchen, auch Interkasten* oder Intermorphe genannt) von den üblichen geflügelten Königinnen durch scheinbar nur ein einziges rezessives Allel.
Und das ist nur der Anfang, viele Arten sind genetisch eben noch nicht untersucht...
Aber:
(...) in der überwältigenden Mehrheit aller sozialen Insekten Spezies basiert der Unterschied zwischen reproduzierenden Königinnen und sich nicht reproduzierenden Arbeiterinnen nicht auf genetischen Unterschieden unter den Mitgliedern einer Kolonie. Im Allgemeinen haben alle Koloniemitglieder dieselbe Genotype für Kastenformation, die durch Umwelteinflüsse ein neugeborenes Individuum auf einen Entwicklungspfad in Richtung Königin oder Arbeiterin bringen.
In Kürze die sechs von H/W genannten Faktoren, die i.d.R. die Ausprägung als
Königin oder Arbeiterin hervorbringen:
1. Ernährung der Larve: (...) Bei manchen Ameisenarten werden weibliche
Larven die gut genug gefüttert wurden um eine bestimmte (Gewichts-)Schwelle in einem bestimmten Alter zu erreichen sich zu
Königinnen entwickeln. Die Anderen entwickeln sich obligatorisch zu Arbeiterinnen.
2. Temperatur: Die weiblichen
Larven der nördlichen (...) Gattungen
Formica und
Myrmica neigen dazu sich eher zu
Königinnen zu entwickeln, wenn sie bei einer Temperatur nahe dem Optimum für Larvenwachstum aufwachsen.
3.Winterfrost: Eier** von
Formica und
Myrmica neigen dazu zu
Königinnen zu reifen, wenn sie eine Frostperiode überdauern müssen (...)
4. Kasten-Selbstbeschränkung: Die Präsenz einer Mutter-
Königin verhindert die Produktion neuer
Königinnen bei Ameisen, Bienen und Termiten. Gleichermaßen, zumindest bei manchen Arten von Ameisen und Termiten, verhindert eine gewisse Anzahl von Soldaten die Produktion zusätzlicher Soldaten. (...)
5. Ei-Grösse: Bei zumindest einigen Ameisenarten, namentlich
Formica,
Myrmica und
Pheidole, ist zu sehen, dass je mehr Eidotter vom Anfang an vorhanden ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich
Königinnen aus ihnen entwickeln.
6. Alter der Königin: Bei zumindest einer
Gattung,
Myrmica, produzieren junge Mutter-
Königinnen weniger
Königinnen als alte Mutter-
Königinnen.
(Alle Angaben nach Hölldobler/Wilson "The Superorganism", p129-137, eigene Übersetzung - ich bitte um Berichtigung der Termini wo nötig)
Somit plädiere ich hier, wie so oft, für ein herzliches sowohl als auch und nehme an, dass man nur sehr genau schauen sollte, welchen Fall man denn meint.
Wie so oft sollte man weder die Tradition aus den Augen lassen, denn sie bestimmt ja doch den Großteil der verfügbaren Literatur, noch den vulgären Gebrauch eines Wortes. Und da heißt "
Polymorphismus", "polymorph" etc, in den Läden und bei vielen Haltern einfach nur "vielgestaltig", ohne die Genese einer solchen Ausprägung benennen zu wollen. (Oftmals wird nicht einmal unterschieden, ob es nur Größenunterschiede der Arbeiterinnen sind, oder ob sie tatsächlich auch andere anatomisch oder physiologisch unterschiedliche Ausprägungen haben. "Von den 296 bekannten lebenden Ameisengattungen, die 1995 anerkannt worden sind, haben nur 46, oder 15%, anatomische Subkasten." H/W "The Superorganism", s.o.)
Und wir wissen noch so wenig.
*ich persönliche, durch diskrete Unterstützung und Belehrung, halte "Interkasten" für unglücklich, "Intermorphe" für einen guten, weil passenden, Ausdruck. Danke,
Merkur!
**
Isi weist darauf hin, dass es eigentlich "
Larven" heißen müßte, allerdings schreiben H/W ausdrücklich von Eiern. Ich habe auch schon davon gehört, dass es die
Larven sind, die eine Frostperiode überdauern müssen, zumindest in der Natur. Vielleicht beziehen sie sich auf im Labor gemachte Versuche? Oder ist es ein schlichter Druck-/Lektorenfehler? Vielleicht kann da jemand Kundigeres aufklären?
EDIT: @
NIPIAN und
el Bomber: "Wenn ausreichend
juvenile hormone im Blut präsent ist (JH+), folgt der Pfad der Entwicklung normalerweise zu einem größeren, oder sogar schnellerem, Wachstum zu einer
Kaste mit größerem erwachsenen Körper. Ist eine geringere Menge dieses Hormons präsent (JH-), wird die Reife langsamer erreicht, und das Ergebnis ist eine kleinere Körpergröße." (H/W, "The Superorganism", p151-152) Dies scheint auf jeden Fall bei
Atta sextens belegt, ein Zusammenhang wird allerdings auch bei anderen Arten angenommen.
EDIT2: Danke
Merkur, für Deine Berichtigungen und Erläuterungen.