Polymorphismus oder doch PolyphÀnismus

Wo braucht Ihr Hilfe, was an Fragen Eurer Ameisenhaltung möchtet Ihr diskutieren?
Benutzeravatar
Ossein
Halter
Offline
BeitrÀge: 1605
Registriert: 11. September 2010, 23:32
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 2 Mal

#9 AW: Polymorphismus oder doch PolyphÀnismus

Beitrag von Ossein » 29. Januar 2011, 18:33

Richtig, el Bomber, zumindest sehr enge Verwandte einer genetischen Linie, denkbar wÀren da ja auch Söhne.

Es ist nicht vollkommen undenkbar, dass die Königin die mind. zwei verschiedenen Spermapakete unterschiedlich lagert und diese selektiv benutzt.

Trotzdem ist es sehr wahrscheinlich ganz anders:

Es ist offensichtlich, dass die Fortdauer eines voneinander anhÀngigen Systems genetischer Linien der Besamung durch mehrere MÀnnchen bedarf (...).
Obwohl Königinnen und MĂ€nnchen ihre Fitness dadurch erhöhen wĂŒrden, dass sie ihre eigene (genetische) Linie erkennen und sich mit dieser paaren, gibt es keinerlei Hinweis darauf, dass solch eine Partnerwahl stattfindet. Im Gegenteil, die vorhandenen Daten legen nahe, dass die Königin sich zufĂ€llig paart und das Sperma benutzt. Also wird die genetische Kastendetermination durch die Populationsdynamik bestimmt, in welcher die der Kolonieerfolg im großen und ganzen eine Funktion der relativen HĂ€ufigkeit beider Linien und der Stufen der Polyandrie (VielmĂ€nnerei) ist.
(Hölldobler/Wilson, "The Superorganism", p133-135, eigene Übersetzung)

Will heißen, es wird nichts durch die Königin allein "entschieden", vielmehr unterliegt die Entwicklung der Kolonie der "normalen" Populationsdynamik.

Es sei noch abschließend hinzugefĂŒgt, dass H/W keinerlei "gute ErklĂ€rung" dafĂŒr, warum es diese Abart der genetischen Determination ĂŒberhaupt gibt (trotz verschiedener Hypothesen) und annehmen, dass der beobachtete Zustand lediglich das Ergebnis der Überlappung zweier zwar bestimmter, aber nicht vollstĂ€ndig voneinander isolierten, Spezies sein könnte.

Aber interessant ist das ganze auf jeden Fall...



Gast
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

#10 AW: Polymorphismus oder doch PolyphÀnismus

Beitrag von Gast » 30. Januar 2011, 10:17

[font=Times New Roman]FĂŒr Liebhaber komplizierter Sachverhalte ( :) ) gibt es hier einen aktuellen und umfassenden Artikel zum Thema „genetische Kastendetermination“ aus den Myrmecological News von 2008:[/font]
[font=Times New Roman]http://myrmecologicalnews.org/cms/images/pdf/volume11/mn11_119-132_non-printable.pdf[/font]

Viel Spaß damit!
Merkur



el_Bomber
Halter
Offline
BeitrÀge: 161
Registriert: 30. MĂ€rz 2010, 00:14
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 14 Mal

#11 AW: Polymorphismus oder doch PolyphÀnismus

Beitrag von el_Bomber » 30. Januar 2011, 21:46

Danke, werde ich mal durcharbeiten sobald ich Zeit habe.


MfG



Benutzeravatar
Ossein
Halter
Offline
BeitrÀge: 1605
Registriert: 11. September 2010, 23:32
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 2 Mal

#12 AW: Polymorphismus oder doch PolyphÀnismus

Beitrag von Ossein » 3. Februar 2011, 00:08

Sorry, aber ich muss einfach noch etwas ergÀnzen, heute frisch hereingeflattert durch die Hilfe eines, wer hÀtte es gedacht, Hrn. Alex Wild:

Ant sex keeps getting weirder
[align=left]
Eine Studie von Pearcy et al, die heute veröffentlicht wurde, enthĂŒllt, dass eine gemeine invasive Ameise, Paratrechina longicornis, eine solche MerkwĂŒrdigkeit darstellt.
Hier sind es alle drei Kasten, die verschieden erzeugt werden.
Arbeiterinnen entwickeln sich durch normale sexuelle Reproduktion durch Königinnen und MĂ€nnchen, Königinnen allerdings werden geklont und sind mit ihren MĂŒttern genetisch identisch, wĂ€hrend die MĂ€nnchen keinerlei weiblichen Allele aufweisen und genetisch mit ihrem Vater identisch sind. Das Ergebnis ist, dass genetische Inzucht vollkommen unmöglich wird, weil Königinnen-Genome und mĂ€nnliche Genome vollkommen getrennt bleiben.

(Zitat von Alex Wild und Zusammenfassung von Percys Abstract, beides von mir ĂŒbersetzt.)

Was alles nur noch mehr unterstreicht, wie wenig wir noch wissen, und wie unterschiedlich die Fortpflanzungsstrategien innerhalb der Welt der Ameisen sind.

[/align]



Gast
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

#13 AW: Polymorphismus oder doch PolyphÀnismus

Beitrag von Gast » 3. Februar 2011, 11:56

[font=Times New Roman]Inzwischen erscheinen solche – interessanten! – Arbeiten so hĂ€ufig, dass man mit dem Lesen kaum noch nachkommt. Trotzdem natĂŒrlich danke fĂŒr das Posten, Ossein.[/font]

[font=Times New Roman]Was mir beim Lesen der zugĂ€nglichen „Quellen“ auffĂ€llt, sind zunĂ€chst zwei Dinge.[/font]

[font=Times New Roman]Zum einen im Abstract: “these allele frequency differences resulted from the fact that the three castes were all produced through different means.”[/font]
[font=Times New Roman]Die “drei Kasten”. Man war sich einigermaßen einig, dass die MĂ€nnchen keine Kaste darstellen (sonst hĂ€tten alle normal zweigeschlechtlichen Organismen, einschließlich des Menschen, ein Kastensystem, eine Frauen- und eine MĂ€nnerkaste. Macht wenig Sinn, oder?).[/font]
[font=Times New Roman]Sinn macht es, zu sagen, dass bei den sozialen Hymenopteren das weibliche Geschlecht in zwei Kasten auftritt, wobei der grundlegende Unterschied darin besteht, dass es eine voll fortpflanzungsfĂ€hige Form (Königin) gibt und daneben eingeschrĂ€nkt fertile bzw. ganz sterile „Helfer“, die Arbeiterinnen. (Darin können noch Unterkasten unterschieden werden, z.B. Soldaten). Bei Termiten sind sowohl MĂ€nnchen als auch Weibchen in Kasten unterteilt.[/font]
[font=Times New Roman]Leider ist der Begriff „Kaste“ wiederum nirgendwo bindend festgelegt; in einem „Freistilringen“ kann jeder versuchen, seine Definition durchzusetzen, oder auch sich gedankenlos der einen oder anderen Richtung anschließen.:mad:[/font]

[font=Times New Roman]Zum andern: Sowohl in dem Abstract als auch in dem Text von Alex Wild fehlt mir eine wichtige Information, nÀmlich wie die MÀnnchen entstehen.[/font]
[font=Times New Roman]Einer Spermazelle allein kann sich nicht zu einem Embryo entwickeln. Dazu braucht es auf jeden Fall eine Eizelle, mit ihrem sehr differenzierten Plasma, das fĂŒr den Aufbau der Körpergrundgestalt wichtig ist, und mit Mitochondrien, die in einer Spermazelle nicht, oder in zu geringer Zahl vorhanden sind, wĂ€hrend die großen Eizellen damit reichlich ausgestattet sind.[/font]
[font=Times New Roman]In einem anderen Beispiel bei Ameisen (und da verlĂ€sst mich gerade die Erinnerung; vielleicht kann’s mal jemand nachschlagen, bei welcher Art das ist?) ist das Problem so gelöst, dass ein Teil der Spermien, statt das Ei zu befruchten und mit dem Eikern zu verschmelzen, das haploide Genom im Ei (das ja von der Königin stammt) abtötet und durch das eigene (rein vom MĂ€nnchen) ersetzt. So können tatsĂ€chlich MĂ€nnchen mit ausschließlich vĂ€terlichem Genom entstehen. (Abgesehen natĂŒrlich vom mitochondrialen Genom, das dann dem der "Mutter" entsprechen mĂŒsste).[/font]
[font=Times New Roman](Die nicht-mörderischen Spermien werden benötigt um Arbeiterinnen zu erzeugen).[/font]

[font=Times New Roman]Vermutlich lÀuft das im Falle von Paratrechina longicornis ebenso ab, aber anscheinend steht das dann nur in der Originalarbeit.[/font]

[font=Times New Roman]MfG,[/font]
[font=Times New Roman]Merkur[/font]



Neues Thema Antworten

ZurĂŒck zu „Einsteigerfragen“