Ich stehe vor einem Rätsel!

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Boro
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#1 Ich stehe vor einem Rätsel!

Beitrag von Boro » 2. Juni 2011, 22:06

Dies ist keines der sonst üblichen Rätsel, wo man etwas erkennen soll, was bildlich aus dem Zusammenhang gerissen od. sonst wie verändert wurde.
Ich stehe vor einem Rätsel und hoffe, dass mir jemand helfen kann!
Folgendes ist gestern geschehen:
Ich musste meinen 30 Jahre alten Marillenbaum umsägen, weil er nach der Blüte mit dem beginnenden Austrieb relativ rasch abgestorben ist (das bekannte Marillensterben, Apoplexie!). Ich wusste, dass er schon etwas löchrig war und ein Nest von Dolichoderus quadripunctatus existierte, daher wurde ein Teil des Stammes aufbewahrt und soll weiterhin Ameisen und auch der Holzbiene als Nistort dienen.
Wie dieser Stammteil am Boden liegt, sehe ich plötzlich folgendes:
Aus einem kleinen Loch (welches sich beim stehenden Baum in über 2m Höhe befand!!!) kriechen einige Tetramorium sp. hervor. Tetramorium sp. in dieser Höhe?
Und dann haben plötzlich etliche Arbeiterinnen nacheinander weiße Raupen aus dem Loch gezogen. Im ersten Moment dachte ich, es seien Ameisen-Puppen, aber die Form war eine andere. Diese Raupen wurden wie die eigene Brut behandelt, also behutsam und mit Bewachung rasch unter den liegenden Stamm getragen.
Und jetzt habe ich 2 Fragen:
1. Hat jemand schon einmal arboricole Tetramorium beobachtet?
2. Handelt es sich bei diesen Raupen möglicherweise um Ameisengäste (Myrmecophile)?

1. Die Raupen wurden wie die eigenen Geschlechtstier-Larven transportiert
Bild

2. Es bildete sich dabei eine Art "Straße" aus: Jene, die gerade die Raupen abtransportiert hatten, liefen zurück um andere zu holen und trafen dabei auf jene Nestgenossinnen, die gerade transportierten.
Bild

3. Wie lange die "Prozession" gedauert hat, kann ich nicht sagen. Während der Beobachtungszeit v. ca. 15 Min. wurden 7 Raupen getragen!
Bild
L.G.Boro



DermitderMeise
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#2 AW: Ich stehe vor einem Rätsel!

Beitrag von DermitderMeise » 2. Juni 2011, 22:29

Hallo Boro,
bei der Kombination Ameisen + Raupen muss ich spontan an Bläulinge denken (ohne dass es sich dabei um eine Bestimmung handelt)! Für Tetramorium gibt es anscheinend auch konkrete Nachweise:
Fiedler, K: Tetramorium caespitum (Linnaeus, 1758) (Hymenoptera: Formicidae), eine weitere mit Polyommatus coridon (Poda, 1761) (Lepidoptera: Lycaenidae) vergesellschaftete Ameisenart, Nachr. entomol. Ver. Apollo Frankfurt, 8 (2), 60 (1987)

Eine erstaunliche Beobachtung, vielen Dank für's Teilen! :)



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bettwurst
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#3 AW: Ich stehe vor einem Rätsel!

Beitrag von bettwurst » 3. Juni 2011, 00:38

Ist zwar nur Wiki, aber auch hier steht: [url=http://de.wikipedia.org/wiki/Bläulinge]http://de.wikipedia.org/wiki/Bläulinge[/url]
"Die Raupen von über 75% der weltweit vorkommenden Arten leben myrmekophil. Das heißt, dass sie von oder mit Ameisen leben. Es gibt unter ihnen parasitisch, trophobiosisch oder räuberisch lebende Arten. Sie leben gemeinsam mit Ameisen in deren Bau und ernähren sich entweder von deren Larven oder werden von den Ameisen gefüttert wie die Raupen des Lungenenzian-Ameisenbläulings (Maculinea alcon)."

Auch wenn es diese wahrscheinlich nicht sind...
hab ich noch nie was von gehört. Was es nicht alles gibt.

.


Die Natur gibt es leider im voraus. Bezahlt wird später!
.

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#4 AW: Ich stehe vor einem Rätsel!

Beitrag von Gast » 3. Juni 2011, 09:47

Hallo Boro,

Sind es wirklich Lepidopteren-Raupen? Ich kann nicht recht erkennen, ob sie ein Paar Beine am Hinterende besitzen.
Am meisten erinnern sie mich an Borkenkäfer-Larven:
http://bfw.ac.at/rz/bfwcms.web?dok=4241

Ich selbst habe solche unter der Borke von absterbenden Pfirsichbäumen gefunden.
Ich "glaube" daher eher, dass nicht das Nest der Tetramorium in dem Stamm ist, sondern dass sie die durch das Fällen zugänglich gewordenen Fraßgänge der Borkenkäfer plündern und die Larven als Beute nutzen. Werden beim Ablösen von Borkenstücken solche Fraßgänge sichtbar?

MfG,
Merkur



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Boro
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#5 AW: Ich stehe vor einem Rätsel!

Beitrag von Boro » 3. Juni 2011, 11:22

Ich danke für die bisherigen Zuschriften!
Ich habe jetzt die fragliche Stelle der Borke untersucht und an sich keine Fraßspuren entdeckt. Die Borke ist enorm fest und zeigt keine Ablösungserscheinungen, daher könnte ich Fraßspuren auch übersehen haben.
Gegen die "Bläulings-Theorie" spricht, dass sich die ersten 3 Larvenstadien dieser Schmetterlinge von spezifischen Futterpflanzen ernähren, So viel ich weiß, wären die Blätter der Marille als Nahrung neu. SEIFERT hat sich recht ausführlich mit den Bläulingen befasst (S. 73ff.) und nennt das 4. Larvenstadium als jenes, wo sich die Raupen fallen lassen und auf artspezifische Wirtsameisen "warten". Im Umkreis des Baumes gibt es eine Reihe v. Tetramorium-Nestern unter Waschbetonplatten. Aber dann wäre die Frage zu klären, wie und warum kommen die Larven auf den Baum?
Ich habe bisher noch nie Tetramorium sp. auf Bäumen gesehen, das ist sicher ganz ungewöhnlich.
Ich vermute daher, dass Merkur der Lösung des Problems nahe kommt. Dann wäre noch zu klären, warum die Ameisen (so rasch nach dem Fällen) in den Baum kommen und die Larven ausgesprochen "freundlich" behandelten: Kein Gezerre oder gar Stechen, die "Beute" wurde infolge starker Besonnung möglichst rasch auf die untere Seite des Baumes gebracht. Tetramorium sp. ist sonst im Umgang mit einer Fressbeute keineswegs zimperlich und die Raupen ließen den Transport offenbar nicht ungern geschehen, kein Gezappel, Winden, keine Abwehrbewegungen.
Vor 3 Wochen habe ich im Nest einer Tetramorium sp. (nicht im Garten) vermutlich eine Bläulingsraupe gefunden. Leider ist das Bild nur v. mäßiger Qualität, aber für diesen zweck reicht es vermutlich:
Bild
L.G.Boro



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