Friert ein Eskimo im deutschen Winter weniger?

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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KyneGyne
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#9 AW: Friert ein Eskimo im deutschen Winter weniger?

Beitrag von KyneGyne » 17. September 2011, 13:33

In meinen Augen ist die Anpassung an ein spezielles Habitat nicht mehr und nicht weniger als die Vorstufe der Entstehung einer neuen Art. Das wird man nicht unbedingt während eines Menschenlebens feststellen können.

Wie Merkur schon erwähnt hat, werden die Ameisen wohl eine "Gleichbehandlung" erdulden bzw. überleben. Für das einzelne Volk evtl. ein Problem, galaktisch betrachtet jedoch unbedeutend. Aber tut der Natur bitte einen Gefallen: Lasst keine gekauften oder importierten Völker hier bei uns frei. Da wird der Evolution nämlich u.U. gehörig ins Handwerk gepfuscht (Kreationisten antworten bitte hier ;)).

Falls ich irgendwann mal eine Kolonie käuflich erwerbe, von der ich nicht 100 Prozent sicher weiß, wo sie herkommt, ist für mich klar, dass sie mein Haus nur mit den Füßen vorneweg verlässt. So oder so.

Ist jetzt zwar etwas OT, musst ich aber loswerden...

Gruß
KyneGyne



Illsing
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#10 AW: Friert ein Eskimo im deutschen Winter weniger?

Beitrag von Illsing » 17. September 2011, 15:41

Merkur hat geschrieben:Aber was soll's, der Mensch bevorzugt immer die für ihn und seine jeweiligen Bedürfnisse bequemsten Informationen, hier also die, dass man auf die Herkunft der Tiere keine Rücksicht zu nehmen braucht. Die Ameisen sterben ohnehin, früher oder später, und Gründe für ein vorzeitiges Ableben in der Haltung gibt es so viele, dass die entscheidende Ursache ohnehin nicht zu ermitteln ist.


Deinen Unmut so Kund zu tun finde ich persönlich nicht gut, aber zurück zum Thema.

Nachdem ich mich nun eingehender mit der von Merkur angesprochenen Thematik beschäftigt habe, muss ich meine folgende Aussage revidieren:
Illsing hat geschrieben:Die andere Möglichkeit wäre Anpassung durch geringfügige genetische Veränderungen - halte ich aber ebenfalls für unwahrscheinlich.


In Bezug auf die Schildkröten habe ich ein paar brauchbare Quellen gefunden, die die angesprochene Problematik bestätigen:
Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (MUGV) - Brandenburg
http://www.mugv.brandenburg.de/cms/detail.php/185123
Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz
http://www.karch.ch/karch/d/rep/eo/eofs2.html
Planet Wissen - passable, wissenschaftliche Sendung aus dem öffentlich rechtlichen; leider etwas zu oberflächlich
http://www.planet-wissen.de/natur_technik/reptilien_und_amphibien/schildkroeten/portraet_europaeische_sumpfschildkroete.jsp

Kurzum, mir war nicht bewusst, dass ähnliche Problematiken auch für Ameisen gelten. Durch ihre radiale Ausbreitung (durch Wind auch über große Strecken hinweg) bin ich davon ausgegangen, das eine lokale Kladogenese (Stammesverzweigung einer Art in Schwesterarten) nur in geographisch isolierten Gebieten möglich ist.

Im Umkehrschluss heißt das allerdings auch, dass eine genetische Variation einer Art in einem Gebiet besser überleben kann als die ursprüngliche, was aber nicht impliziert, dass die dortigen Umweltbedingungen Ideal sind. Ameisen sind Überlebenskünstler wie man leicht an vielen, sich global ausbreitenden Arten sehen kann (natürlich gibt es Arten die sich ganz auf ein Habitat spezialisiert haben). Man findet Kolonien überall dort wo sie überleben KÖNNEN. Der jeweiligen Art ein Habitat zu bieten, dass klimatisch in etwa dem Mittel des natürlichen Ausbreitungsgebiets entspricht halte ich daher nicht für Bequemlichkeit sondern für gute Haltungsbedingungen (ich lass mich gerne eines besseren Belehren!). Nach dem, was ich im Forum gelesen habe waren extreme Haltungsbedingungen, wie zu trocken (verdurstet) oder zu feucht (Schimmelbildung), doch (neben Milbenbefall, ertrinken und 'Missgeschick') recht häufige Ursachen für frühzeitiges Ableben einer Kolonie. Natürlich ist das jetzt nicht wissenschaftlich belegbar, aber lässt mich doch vermuten, dass Kolonien in der Haltung meist durch Extrema verscheiden und nicht dadurch, dass man ihr Ursprungshabitat nicht 1:1 im Formicarium nachbildet.

Merkur hat geschrieben:Klar kann man sie immer gleich halten. Die Frage ist, ob die Tiere aus verschiedenen Klimazonen dabei auch gleich lange durchhalten.

Wie schon oben angedeutet gehe ich mal davon aus, dass man eine Ameisenart nicht unter den Bedingungen hält, wie sie an den Grenzen des Ausbreitungsgebietes herrschen, sondern sich am Klima orientiert, dass sie hauptsächlich besiedeln. Wenn sich herausstellt, dass Kolonien aus Ort Xy nicht mehr unter diesen Bedingungen leben können, wären die genetischen Anpassungen mMn schon so stark fortgeschritten, dass man kaum noch von der gleichen Art sprechen kann.

Ich bleibe also bei meiner Meinung. Klimatisches Mittel dürfte für jede Gyne einer Art gute Lebensbedingungen bieten.



stefan87
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#11 AW: Friert ein nackter Eskimo im deutschen Winter weniger?

Beitrag von stefan87 » 17. September 2011, 19:43

Aber was soll's, der Mensch bevorzugt immer die für ihn und seine jeweiligen Bedürfnisse bequemsten Informationen, hier also die, dass man auf die Herkunft der Tiere keine Rücksicht zu nehmen braucht.
Vielleicht ein bisschen voreilig, Merkur, sehe ich (besonders in diesem Forum) ganz anders!


Danke mal für die bisherigen Beiträge, so kann man sich anhand verschiedener guter u. kontroverser Argumente sein eigenes Bild machen und nicht nur (ohne eigenes Hirnschmalz) das A-Wiki runterleiern.

Grundsätzlich schaue ich natürlich IMMER, welche Haltungsparameter für die einzelne Spezies anzuwenden sind! Im Bestreben nach dem Optimum! Und das wird die große Mehrheit der ernsthaften Halter in diesem Forum wohl ebenso handhaben.

Lässt sich i.d.R. ja auch alles prima nachbilden, ne Wärmematte und was Licht in´s Becken, Thermometer, Hygrometer, mal was sprühen, alles perfekt!

Nur mit der Winterruhe wird es dann doch heikel.
Soll ein Lasius emarginatus Halter im hohen Norden Deutschlands seine Tiere lieber bei 5-20°C überwintern lassen, mit reichlich Tages-Aktivität und Nahrungsaufnahme? So "natürlich" überwintern meine bei mir zu Hause, sie leben dann in einem Isolier-Karton auf der schattigen Terrasse (Malle!)

Ist in Deutschland wohl oft schlecht möglich, oder? Über den Luxus eines nicht benötigten unbeheizten Zimmers verfügt nicht jeder, der in einer Mietwohnung lebt. Warm durchpflegen kommt wohl ebenso wenig in Frage. Also wandert das Nest dann am Schluss doch in den Kühlschrank oder wird in einer Styropor-box auf den Balkon geschoben. Die Tiere werden also "ganz gewöhnlich" überwintert!

Und da sind wir wieder mehr oder weniger bei meiner Eingangsfrage: Ist diese veränderte Überwinterung nicht doch im Toleranzbereich?
Wir reden hier nicht über eingeschleppte afrikanische Reptilien sondern über Ameisengattungen, die gleichermaßen in unterschiedlichen Klimazonen innerhalb Europas auf natürliche Weise vorkommen.
Dazu gehören neben der o.g. Lasius emarginatus auch einige Messoren etc.

Was ist "richtig", was ist "falsch", wie groß sind die Toleranzen?



Finde Illsings Denkansätze super!, bin durch Gegenargumente aber auch schnell wieder am Zweifeln:
Auch wenn es für Ameisen noch keine wissenschaftlich-experimentellen Untersuchungen zu diesem Thema gibt, so ist doch vernünftigerweise davon auszugehen, dass solche Populationsunterschiede auch bei Ameisen vorkommen. Es ist jedenfalls doch sehr viel wahrscheinlicher als die leichtfertige Annahme, dass alle Ameisen der Art Ixus ypsilon, egal aus welcher Region sie stammen, dieselben Lebensbedingungen benötigen.

Also dreht sich das Thema schlussendlich im Kreise! Immerhin reden wir mittlerweile aber über Wahrscheinlichkeiten! Eine weitere Diskussion ist wohl eher müßig! Jeder muss selber für sich sehen, was er mit seinen Tieren und mit seinem Halterwissen (Gewissen) macht......

Abschließend und schlimmer noch, denn hier irrt Merkur sicher nicht (bitter!):
Die Ameisen sterben ohnehin, früher oder später, und Gründe für ein vorzeitiges Ableben in der Haltung gibt es so viele, dass die entscheidende Ursache ohnehin nicht zu ermitteln ist.
Mit anderen Worten: So einfach ist das, nichts genaues weiß man nicht und in der privaten (Amateur-) Ameisenhaltung ist am Ende eh alles scheiss-egal. :D

fröhlich-resigniert,
stefan87



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