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"temporal caste" auf deutsch?

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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Naseweiss
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#1 "temporal caste" auf deutsch?

Beitrag von Naseweiss » 21. September 2011, 15:28

Hallo an alle,

kleine Fragen am Rande. Ich schreibe gerade eine eine kurze Arbeit, u.a. ĂĽber die Bedeutung der Verwandtschaftsselektionstheorie, und bin dabei auf etwas gestoĂźen:

1) Ich habe nur die englische Version von "The Ants". Mag jemand nachschauen, wie "temporal caste" in der deutschen Version ĂĽbersetzt wurde? (vlt. weiĂź es ja auch jemand so)
2) Außerdem würde mich interessieren, ob es so etwas wie Aufgabenteilung je nach Lebensalter unter morphologisch unterscheidbaren Arbeiterinnen gibt? Sodass eine Arbeiterin nicht nur morphologisch einer Kaste angehört, sondern auch einer "temporal caste"?

WĂĽrde mir wirklich helfen.

LG


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swagman
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#2 AW: "temporal caste" auf deutsch?

Beitrag von swagman » 21. September 2011, 15:54

Hallo.

Hab das Buch auch nur in Englisch, aber temporal bedeutet zeitlich, zeitlich begrenzt. In diesem Fall wĂĽrde ich sagen bedeutet es, dass die Ameise zu einer bestimmten Lebenszeit eine bestimmte Kaste/Aufgabe innehat.
Ă„hnlich wie es auch bei Bienen vorkommt.
So aus dem Zusammenhang gerissen ist es allerdings nicht leicht das zu ĂĽbersetzen.
So können auch Larven, z.B. eine Kaste darstellen und wichtige Aufgaben im Volk übernehmen wie Verdauung und ähnliches.



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Naseweiss
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#3 AW: "temporal caste" auf deutsch?

Beitrag von Naseweiss » 21. September 2011, 16:26

Danke fĂĽr die schnelle Antwort =)

Jaaa, so viel Latein kann ich auch ;) (<-- Latinum gemacht). Es ging mir nur mehr darum, dass ich daraus jetzt nicht einfach "temporale Kaste" mache, denn wenn ich den Begriff google, gibt's den offenbar nicht.


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Ossein
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#4 AW: "temporal caste" auf deutsch?

Beitrag von Ossein » 21. September 2011, 16:56

Doch,

swagman,

es ist genau so leicht zu ĂĽbersetzen, wie Du es tust!

Hier geht es um "zeitlich begrenzte Kasten" - also beispielsweise Aufgaben, die einem bestimmten Alter der Imago entsprechend ausgeĂĽbt werden.
Im Gegensatz dazu stehen z.B. die Kasten, welche aufgrund von körperlichen (morphologischen) Eigenschaften ausgeübt werden.

Nicht zu vergessen, das es dazwischen ja auch Schnittmengen gibt - aber ich sehe ja, das hast Du, Naseweiss, auch gefragt.

So berichten H/W in "The Superorganism" davon, dass es bei zwei Aphaenogaster sp. in der südwestlichen USA fouragierende Arbeiterinnen gibt, die noch re-aktivierbare Eierstöcke besitzen. Diese ziehen sich, bei extremem Mangel an bruthütenden Arbeiterinnen, zur Brutpflege in's Nest zurück und gehen wieder diesem Geschäft nach - ernähren Brut und Gyne dann mit trophischen Eiern.

Aber dann ist das nur ein Beispiel für die Flexibilität der mit einem bestimmten körperlichen Merkmal ausgezeichneten Arbeiterinnen - die Arbeiterinnen, deren Eierstöcke verkümmert sind, bleiben beim Fouragieren.

Auf die Schnelle fällt mir sonst kein Beispiel ein...

LG, Ossein.

EDIT: Sorry, so wenig wie swagman will auch ich Deine Lateinkenntnisse in Frage stellen ;)



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#5 AW: "temporal caste" auf deutsch?

Beitrag von Gast » 21. September 2011, 20:55

Die beste Übersetzung für „temporal castes“ wäre wohl „temporäre Kasten“, entsprechend im Deutschen z.B. „temporären Gewässern“, die immer wieder austrocknen, oder natürlich auch "temporäre Sozialparasiten", die eben nur zeitweilig, vorübergehend, während der Koloniegründung auf eine Wirtsart angewiesen sind.

Im Prinzip aber halte ich den Begriff für leider sehr irreführend, wobei ich Hölldobler & Wilson ausdrücklich widerspreche (was diese auch wissen!).
Die Bezeichnung „Kaste“ und ihre Ableitungen, Unterkaste (subcaste), temporäre Kaste usw., ist so wie die meisten Fachbegriffe nicht irgendwie festgelegt oder geschützt (anders als Gattungs- und Artnamen, die entweder richtig oder wirklich falsch verwendet werden können), d. h., jeder kann die Begriffe nach Gutdünken mit dieser oder jener Bedeutung gebrauchen. Jeder Autor entscheidet für sich, was er für das Sinnvollste hält, und darin unterscheiden sich die Wissenschaftler ziemlich gründlich.

Es sollte bei den sozialen Insekten nur zwei Kasten geben, Königin und Arbeiterin (bei Termiten auch die männlichen Pendants dazu). Es ist das fundamentale Merkmal der sozialen Insekten, dass die Fortpflanzung (Ablage befruchteter Eier) und die Brutpflege auf verschiedene Individuen aufgeteilt sind. Das ist das Prinzip, in dem sich die sozialen Insekten von solitären Arten unterscheiden.

Dabei plädiere ich für eine funktionelle Kastendefinition, denn es gibt bekanntlich Ameisenarten, bei denen Arbeiterin und Königin sich gestaltlich (morphologisch) nicht unterscheiden. Dennoch gibt es auch da brutpflegende, +/- sterile Individuen und begattete, befruchtete Eier legende, die ich als „Königinnen“ auffasse (Bsp. Gattung Diacamma; nach alternativer Auffassung hat diese "mated workers", begattete Arbeiterinnen).
Leider existiert auch eine alternative Interpretation, wonach nur die geflügelten bzw. entflügelten Gynen als Königinnen (queens) zu bezeichnen wären (übrigens unabhängig davon, ob sie begattet sind und befruchtete Eier legen). Arten mit morphologisch der Arbeiterin gleichenden fertilen Tieren werden als „königinnenlos“ (queenless) bezeichnet. Wo morphologische Zwischenformen die Aufgabe der (funktionellen) Königinnen übernehmen, werden sie u.a. „ergatoide Königinnen“ (ergatoid queens) genannt; m. E. besser wäre „intermorphe Königinnen“ (intermorphic queens). Dazu steht auch einiges im Ameisenwiki.

Nun folgt der ganze Rattenschwanz von so genannten Kasten: Minors, Medias, Majors, Soldaten – die könnte man sinnvollerweise als Unterkasten (subcastes) bezeichnen, eine Untergliederung der Arbeiterin-Kaste (was einige englischsprachige Autoren auch machen).

Noch weiter geht es dann, wenn die zeitliche Abfolge der bevorzugten Tätigkeiten einer solchen Gruppe (Unterkaste) betrachtet wird: Fast alle (oder alle? - Ich kenne keine Ausnahme!) Individuen der Arbeiterin-Kaste machen im Laufe ihres Lebens einen Wandel ihrer Haupttätigkeit durch: Brutpflegerin, Wächterin am Nesteingang (Honigbiene! Dort auch „Ammenbienen“, die Weiselfuttersaft produzieren), Außendienst-Tiere (gelegentlich unterteilt in Honigtau-Sammlerinnen, Jägerinnen, Nestbauerinnen usw.). Dies sind die „temporären Kasten“, die eben zeitweilig, vorübergehend, der einen oder anderen Tätigkeit nachgehen. Da sie alle aus Larven hervorgehen, die wiederum ihre eigenen Funktionen im Nahrungshaushalt des Volkes wahrnehmen, kam man auf die Idee, alle diese Funktionen als „Kasten“ zu bezeichnen.

Meine Meinung dazu (sie ist in Fachzeitschriften veröffentlicht!): Am besten nennt man so etwas „Rolle“ (engl. role), was ebenfalls von etlichen Wissenschaftlern so gesehen und bezeichnet wird.

Wie gesagt: Es gibt keine feste Regel dazu. Jeder kann’s halten, wie er lustig ist!
Die Inflation dessen, was alles als „Kaste“ bezeichnet wird, ist m. E. jedoch höchst irreführend und verstellt den Blick auf das Einzige, was für die sozialen Insekten wirklich wichtig und kennzeichnend ist, die „reproduktive Arbeitsteilung“.

So habe ich kürzlich wahrhaftig eine Veröffentlichung in die Hand bekommen, in der es laut Titel um „Kastendetermination“ ging. Der Autor hat sich weitschweifig damit auseinandergesetzt, wie bestimmt wird, wer Brutpflege, Blattlausbesuch oder Jagd betreibt, aber in der ganzen Arbeit war nirgends ein Wort über das zu lesen, was seit eh und je unter Kastendetermination verstanden wurde und wird, nämlich die Vorgänge, die aus einem befruchteten (somit weiblichen) Ei eine begattungsfähige voll fertile Königin oder eine (weitgehend) sterile Arbeiterin entstehen lassen!

Es ist sehr bedauerlich, dass „die Wissenschaft“ hier noch immer keine klare Entscheidung gefunden hat. Mein Wunsch wäre ein „International code of zoological (besser: biological) terminology“, entsprechend den Internationalen Regeln für die zoologische (bzw. botanische) Nomenklatur. Aber das scheint unerfüllbar.:mad:

MfG,
Merkur



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Naseweiss
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#6 AW: "temporal caste" auf deutsch?

Beitrag von Naseweiss » 22. September 2011, 00:49

Ich danke noch mal allen, die geantwortet haben. Ihr seid mir eine große Hilfe (sind ja im Grunde nur Details meiner Arbeit, aber ich bin da kleinlich, ich will es erklären können, bevor ich es perfiderweise so formuliere, dass mir keiner eine falsche Auffassung dieser Frage unterstellen kann...) :)

Besonders Merkurs Beitrag fasst meine Verwirrung da etwas in Worte. Ich war mir nie sicher, ob Kaste bloß fertil/nicht fertil unterscheidet oder eben auch schon die morphologischen Unterschiede (die es ja, wie erwähnt, trotz funktioneller Unterschiede nicht gibt) bzw. die temporär auftretenden. Dann war das Verständnisproblem wohl einmal nicht mein Fehler ^___^
Ich frage einmal vorsichtig, ob es zu den Sub-/Unter-Kasten, bzw. zu diesem Begriff, einen kostenlosen Internetartikel gibt? Ebenso wie zu den temporären Kasten (Ameisenwiki macht sich als Quellenangabe leider nicht so prickelnd...)?

LG


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#7 AW: "temporal caste" auf deutsch?

Beitrag von Ossein » 22. September 2011, 17:58

Wenn Du Englisch kannst, dann profitierst Du vielleicht von dem hier,

Naseweiss
:

Etwas über die Flexibilität "temporaler Kasten" bei Solenopsis invicta im Bezug auf Nahrung:
"BEHAVIORAL FLEXIBILITY OF TEMPORAL SUBCASTES IN THE FIRE ANT, SOLENOPSIS INVICTA IN RESPONSE TO FOOD"

Und hier was zu den Kasten bei den sozialen Insekten.

Und beachte jeweils die vorangeschickten Definitionen ;)

So viel fĂĽr's Erste.

LG, Ossein.



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#8 AW: "temporal caste" auf deutsch?

Beitrag von Naseweiss » 22. September 2011, 18:33

Da habe ich gleich nochmal zu danken, sehr hilfreich ^___^ (haha, ich hab' nicht nur ein Latinum, sondern auch ein CPE-Zertifikat :baeh: ).
Und schon wieder habe ich Fragen...vielleicht mögt ihr mir da auch noch helfen:
a) Ist es legitim, Mutualismus und parentale Manipulation als Theorien zu bezeichnen, wenn ich sie der Verwandtschaftsselektionstheorie gegenĂĽber stelle bzw. mit dieser kombiniere? Oder spricht man da eher von Hypothesen?
b) In "The Ants" findet man auf Seite 188 den Vermerk, dass nicht bekannt sei, ob Arbeiterinnen nähere Verwandte bevorzugt umsorgen im Vergleich zu solchen, mit denen sie weniger nahe verwandt sind (also dass sie etwa Vollschwestern ihren Halbschwestern vorziehen). Ist jemandem bekannt, wie weit bei der Frage der heutige Kenntnisstand ist? Wäre ja im Grunde wichtig zu wissen, da sich die "kin selection" bei polygynen Kolonien weitestgehend relativiert (so wie ich das auffasse). Leider finde ich dazu einfach nichts, was kostenlos wäre ...:fluchen:

Das wäre es, für's erste, danach bin ich still (vielleicht) =)

LG, Naseweiss


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