Heimische Art aussetzen
- Erik
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#9 AW: Heimische Art aussetzen
Erik, vielleicht wäre es für dich eine Möglichkeit, hier über die Kleinanzeigen eine Kolonie zu suchen, die der Vorbesitzer notfalls bereit wäre wieder auszuwildern?
Ich kann mir nicht vorstellen eine Ameisenkolonie, die nach einigen Jahren ein paar huntert Individuen umfasst zu verschicken, damit sie schließlich ausgesetzt wird?!
Ein RG mit einigen paar Ameisen...ok, aber eine ganze Kolonie???
Das ist doch mit einigen Risiken verbunden, nehme ich an. Oder hat das schon jemand gamacht / ist das kein so großes Problem?
Ich kann mir nicht vorstellen eine Ameisenkolonie, die nach einigen Jahren ein paar huntert Individuen umfasst zu verschicken, damit sie schließlich ausgesetzt wird?!
Ein RG mit einigen paar Ameisen...ok, aber eine ganze Kolonie???
Das ist doch mit einigen Risiken verbunden, nehme ich an. Oder hat das schon jemand gamacht / ist das kein so großes Problem?
- Sobek
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#10 AW: Heimische Art aussetzen
@Streaker87
Welche der weiterführenden Literaturen beschäftigt sich mit diesem Thema? Keine weist im Titel daraufhin, sich mit einer Ameisenart und deren gentetischen Unterschieden zu beschäftigen. Und alle durchzulesen wäre mir zu mühsam, aber da du das gepostet hast, denke ich, wirst du es wohl wissen?
Edit: Dieser Post klingt irgendwie provokant, sorry, ich mein das wirklich als Frage und nicht als Provokation!
Welche der weiterführenden Literaturen beschäftigt sich mit diesem Thema? Keine weist im Titel daraufhin, sich mit einer Ameisenart und deren gentetischen Unterschieden zu beschäftigen. Und alle durchzulesen wäre mir zu mühsam, aber da du das gepostet hast, denke ich, wirst du es wohl wissen?
Edit: Dieser Post klingt irgendwie provokant, sorry, ich mein das wirklich als Frage und nicht als Provokation!
Dabei seit 2003
- Streaker87
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#11 AW: Heimische Art aussetzen
@Sobek:
Ja, extrem provokant
Ich habe eigentlich nur die Teilüberschriften überflogen, bis ich bei Punkt 4 hängengeblieben bin, in der folgende Quelle angegeben wird:
heinze, j. foitzik, s., kipyatkov, v.e. & lopatina, e.b. 1998
Wird dir aber wohl auch nicht viel weiter helfen. Ohne meinen Uni-Account konnte ich zumindest keinen Zugriff erlangen.
Ja, extrem provokant
Ich habe eigentlich nur die Teilüberschriften überflogen, bis ich bei Punkt 4 hängengeblieben bin, in der folgende Quelle angegeben wird:
heinze, j. foitzik, s., kipyatkov, v.e. & lopatina, e.b. 1998
Wird dir aber wohl auch nicht viel weiter helfen. Ohne meinen Uni-Account konnte ich zumindest keinen Zugriff erlangen.
- The_Paranoid
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#12 AW: Heimische Art aussetzen
Dazu gibts auch eine neuere Arbeit von Heinze (2003)
http://www.entomology.bio.pu.ru/personal/kipyatkov/pdf/publ/heinze_et_al.2003.pdf
selbes Thema, ältere Arbeit
https://www.sonoma.edu/users/c/cushman/pdf/cushman%20et%20al%2093.pdf
zusammengefasst passen sich Ameisen in kälteren Region mit einer größeren Körpergröße an.
Was ich viel interessanter finde ist, mal nach dem Stichwort "intraspezifische Homogenisierung" zu googlen ... nur Ameisen(haltung)- spezifische Treffer bzw. irgendwelche anderen Haustier Foren in dem (vermutlich Ameisen-)Halter das Stichwort in den Raum werfen ...
Andere interessante Frage: in wiefern ist diese intraspezifische Homogenisierung wirklich problematisch bzw. können Populationen dadurch wirklich gefährdet werden? Angenommen durch das Freilassen wird ein Gen in die Population eingebracht, dass negative Auswirkungen hat. Müsste sich das nicht ziemlich schnell aus-selektieren? Bzw. wenn es negative Auswirkungen hat ... wie soll es sich dann in einer Population ausbreiten?
http://www.entomology.bio.pu.ru/personal/kipyatkov/pdf/publ/heinze_et_al.2003.pdf
selbes Thema, ältere Arbeit
https://www.sonoma.edu/users/c/cushman/pdf/cushman%20et%20al%2093.pdf
zusammengefasst passen sich Ameisen in kälteren Region mit einer größeren Körpergröße an.
Was ich viel interessanter finde ist, mal nach dem Stichwort "intraspezifische Homogenisierung" zu googlen ... nur Ameisen(haltung)- spezifische Treffer bzw. irgendwelche anderen Haustier Foren in dem (vermutlich Ameisen-)Halter das Stichwort in den Raum werfen ...
Andere interessante Frage: in wiefern ist diese intraspezifische Homogenisierung wirklich problematisch bzw. können Populationen dadurch wirklich gefährdet werden? Angenommen durch das Freilassen wird ein Gen in die Population eingebracht, dass negative Auswirkungen hat. Müsste sich das nicht ziemlich schnell aus-selektieren? Bzw. wenn es negative Auswirkungen hat ... wie soll es sich dann in einer Population ausbreiten?
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#13 AW: Heimische Art aussetzen
Hallo,
die Sachlage bei den Ameisen ist wie üblich mau - auf anderen Gebieten ist man da weiter, dazu gleich in einem weiteren Beitrag mehr.
Erst einmal ein paar Schriftstücke von der Festplatte, die das Thema "innerartliche Variation" bei Ameisen in unterschiedlichem Maß angehen bzw. streifen:
Experimental study of seasonal cycle of rapid brood production in the ants Myrmica rubra L. and M. ruginodis Nyl. from two different latitudes - die Brutentwicklung von Myrmica rubra in St. Petersburg und einem gut 1000 km südlich gelegenen Ort unterscheidet sich deutlich.
Expression of stress proteins of family HSP70 in response to cold in Myrmica ants from different geographic populations. - unterschiedliche Bildung von Stressprotein in verschiedenen Populationen von Myrmica rubra und ruginodis.
Critical thermal minima, their spatial and temporal variation and response to hardening in Myrmica ants. - Myrmica-Populationen von verschiedenen Orten machen unterschiedlich schnell schlapp, wenn sie gekühlt werden; Überraschung: die aus dem Norden halten länger durch.
Intraspecific variation of thermal reaction norms for development in insects: New approaches and prospects - eine Zusammenfassung (Review); darin geht es um lokale Anpassungen von Myrmica, Schmeißfliegen und Feuerwanzen.
Ecological variation across a transition in colony-founding behavior in the ant Messor pergandei - verschiedene Arten der Koloniegründung bei einer amerikanischen Messorart.
Variation in queen size across a behavioral transition zone in the ant Messor pergandei - gleiches Thema wie vorige Publikation.
Colony founding behavior of some desert ants: geographic variation in metrosis - verschiedene Gründungswege (Haplometrose vs.Pleometrose ) bei unterschiedlichen lokalen Populationen von Pogonomyrmex californicus, Acromyrmex versicolor, Myrmecocystus mimicus and Messor pergandei.
Viele der Veröffentlichungen sind frei im Netz verfügbar, z. B. auf den Seiten der Autoren.
Wie sehr oder ob überhaupt diese Ausprägungen genetisch fixiert sind, ist oft nicht erwähnt - doch das ist auch verständlich, denn genetische Forschung kostet zusätzliches Geld und zusätzliche Zeit und es gibt sie noch nicht besonders lange in einer bezahlbaren Form. Außerdem sind solche Details eben auch methodisch nicht leicht zu entdecken. Und seien wir ehrlich: Wen interessieren schon die lokalen Anpassungen von irgendwelchem Ungeziefer? Polemisch, klar, und ganz und gar nicht meine Ansicht, doch es wird nur dort viel geforscht wo auch viel Interesse (und damit Geld) ist.
Eher nicht - dieser Ansatz scheitert schon daran, dass sich die meisten Ameisenarten in Gefangenschaft nicht zuverlässig zur Paarung bringen lassen.
die Sachlage bei den Ameisen ist wie üblich mau - auf anderen Gebieten ist man da weiter, dazu gleich in einem weiteren Beitrag mehr.
Erst einmal ein paar Schriftstücke von der Festplatte, die das Thema "innerartliche Variation" bei Ameisen in unterschiedlichem Maß angehen bzw. streifen:
Experimental study of seasonal cycle of rapid brood production in the ants Myrmica rubra L. and M. ruginodis Nyl. from two different latitudes - die Brutentwicklung von Myrmica rubra in St. Petersburg und einem gut 1000 km südlich gelegenen Ort unterscheidet sich deutlich.
Expression of stress proteins of family HSP70 in response to cold in Myrmica ants from different geographic populations. - unterschiedliche Bildung von Stressprotein in verschiedenen Populationen von Myrmica rubra und ruginodis.
Critical thermal minima, their spatial and temporal variation and response to hardening in Myrmica ants. - Myrmica-Populationen von verschiedenen Orten machen unterschiedlich schnell schlapp, wenn sie gekühlt werden; Überraschung: die aus dem Norden halten länger durch.
Intraspecific variation of thermal reaction norms for development in insects: New approaches and prospects - eine Zusammenfassung (Review); darin geht es um lokale Anpassungen von Myrmica, Schmeißfliegen und Feuerwanzen.
Ecological variation across a transition in colony-founding behavior in the ant Messor pergandei - verschiedene Arten der Koloniegründung bei einer amerikanischen Messorart.
Variation in queen size across a behavioral transition zone in the ant Messor pergandei - gleiches Thema wie vorige Publikation.
Colony founding behavior of some desert ants: geographic variation in metrosis - verschiedene Gründungswege (Haplometrose vs.
Viele der Veröffentlichungen sind frei im Netz verfügbar, z. B. auf den Seiten der Autoren.
Wie sehr oder ob überhaupt diese Ausprägungen genetisch fixiert sind, ist oft nicht erwähnt - doch das ist auch verständlich, denn genetische Forschung kostet zusätzliches Geld und zusätzliche Zeit und es gibt sie noch nicht besonders lange in einer bezahlbaren Form. Außerdem sind solche Details eben auch methodisch nicht leicht zu entdecken. Und seien wir ehrlich: Wen interessieren schon die lokalen Anpassungen von irgendwelchem Ungeziefer? Polemisch, klar, und ganz und gar nicht meine Ansicht, doch es wird nur dort viel geforscht wo auch viel Interesse (und damit Geld) ist.
Ureaplasma hat geschrieben:Wurden Kreuzungsexperimente zwischen selben Arten aus verschiedenen Regionen durchgeführt?
Eher nicht - dieser Ansatz scheitert schon daran, dass sich die meisten Ameisenarten in Gefangenschaft nicht zuverlässig zur Paarung bringen lassen.
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#14 AW: Heimische Art aussetzen
So, nun zum oben angekündigten Beispiel: Bei kommerziell gesetzten Pflanzen (Hecken, Bäume) gab/gibt es eine große Diskussion darüber, dass dafür nur noch Exemplare "aus der Region" genutzt werden sollen (ich weiß nicht ob inzwischen flächendeckend?) - was auch immer das heißt und wie auch immer man das durchsetzt, das führt natürlich zu vielen weiteren komplizierten Fragestellungen.
Es ist aber insofern wichtig, als dass man sonst z. B. eine subtile Verlagerung des Blühzeitpunktes hat, wenn man als Stadt "aus Versehen" - oder weil es einen nicht weiter interessiert - ein paar hundert Schlehen für eine Hecke aus Norditalien bestellt, die aber einen ganzen Monat früher blühen als die einheimischen. (das Beispiel ist fiktiv, weil ich gerade keine geeignete Literatur zur Hand habe, es gibt aber genau solche Anpassungen)
Nun kann man natürlich sagen: Gut, stört mich nicht, dann blüht die Schlehe eben einen Monat früher, Hauptsache sie blüht! Das ist nicht der Punkt - es geht darum, dass unsere einheimische Fauna beim Aufwachen im Frühjahr tatsächlich an Nahrungsknappheit leiden kann, wenn sie dann nicht genug Nektar vorfindet. Einleuchtenderweise ist unsere einheimische Fauna an ihre Nahrungsquellen und die bestäubten Pflanzen an die Bestäuber gewöhnt - Zusammenleben über lange Zeit schweißt zusammen. Wenn die Schlehen aus Italien, die Birnen aus Südfrankreich und der Weißdorn aus Nordspanien kommen - was bleibt dann noch für die (ersten) Insekten in den zumeist doch ziemlich sterilen Vorgärten? Mag übertrieben sein das Beispiel, doch ich denke es ist verständlich worauf ich hinaus will.
Beim Weißdorn sehe ich gerade dass das zufällig sogar in Wiki angesprochen wird:
Auch den Begriff des "Ökotyps" sollte man sich in diesem Zusammenhang unbedingt ansehen! Dabei geht es nicht um den langhaarigen dauerentspannten Birkenstockläufer aus der Groß-Wohngemeinschaft nebenan (sorry, mehr Vorurteile passten nicht in einen Satz ), sondern um genau die Bildung von lokalen Anpassungen um die es sich in diesem Thema dreht. Zwar handelt der Artikel von Pflanzen, doch bei Tieren gibt es das genauso. Ein sehr eindrucksvolles Beispiel...:
Und noch etwas aus dem Pflanzenreich, Hervorhebung durch mich:
Als Beispiel wird da gerne die Europäische Sumpfschildkröte aufgeführt; ich bin aber zu faul auf die Suche zu gehen, als Anhaltspunkt könnte dieses Dokument dienen (Charakterisierung der S; evtl. noch auf "View" klicken, runterladen ging bei mir nicht), da sind einige Publikationen enthalten die interessant klingen.
Insgesamt sehe ich bei dem ganzen Themenkomplex aber auch eine starke Verfälschung dadurch, dass man es zuerst gar nicht unbedingt bemerkt, wenn sich "falsche" Gene untermischen; das "zunächst" kann durchaus einen Zeitraum von Jahrzehnten oder Jahrhunderten umfassen.
Nö, es muss ja nicht sofort negative Auswirkungen haben. Es wäre schließlich vermessen zu sagen, dass die Lasius niger aus Südspanien in irgend einer Weise "defekt" wären - sie sind (vermutlich! - nichts genaues weiß man nicht) einfach nur "anders". Angenommen so eine Kolonie fasst im Raum Stuttgart Fuß, weil sie von einem Halter in treuem Glauben ausgesetzt wurde, der sie aus dem Spanienurlaub mitbrachte. Die nächsten fünf Jahrzehnte ist dieser Ökotyp wegen der guten Anpassung an warme Sommer enorm im Vorteil und vermischt sich genetisch mit den einheimischen Lasius niger. Dann kommt ein Jahrhundertwinter mit plötzlichen Wetterumschwüngen im Frühjahr inkl. mehrerer heftiger Temperaturstürze, dem die eingeführten Lasius nicht gewachsen sind. Die Medien berichten anschließend wie üblich, dass wegen des strengen Winters mit wenig Ungeziefer zu rechnen sei. Nur einige Freaks rätseln über ein rätselhaftes Sterben der Schwarzen Wegameise im Großraum Stuttgart.
Welche Auswirkungen so etwas langfristig haben kann? Keine Ahnung, dazu reicht meine Phantasie dann nicht mehr aus. Aber muss man es ausprobieren?
Es ist aber insofern wichtig, als dass man sonst z. B. eine subtile Verlagerung des Blühzeitpunktes hat, wenn man als Stadt "aus Versehen" - oder weil es einen nicht weiter interessiert - ein paar hundert Schlehen für eine Hecke aus Norditalien bestellt, die aber einen ganzen Monat früher blühen als die einheimischen. (das Beispiel ist fiktiv, weil ich gerade keine geeignete Literatur zur Hand habe, es gibt aber genau solche Anpassungen)
Nun kann man natürlich sagen: Gut, stört mich nicht, dann blüht die Schlehe eben einen Monat früher, Hauptsache sie blüht! Das ist nicht der Punkt - es geht darum, dass unsere einheimische Fauna beim Aufwachen im Frühjahr tatsächlich an Nahrungsknappheit leiden kann, wenn sie dann nicht genug Nektar vorfindet. Einleuchtenderweise ist unsere einheimische Fauna an ihre Nahrungsquellen und die bestäubten Pflanzen an die Bestäuber gewöhnt - Zusammenleben über lange Zeit schweißt zusammen. Wenn die Schlehen aus Italien, die Birnen aus Südfrankreich und der Weißdorn aus Nordspanien kommen - was bleibt dann noch für die (ersten) Insekten in den zumeist doch ziemlich sterilen Vorgärten? Mag übertrieben sein das Beispiel, doch ich denke es ist verständlich worauf ich hinaus will.
Beim Weißdorn sehe ich gerade dass das zufällig sogar in Wiki angesprochen wird:
Während die Weißdorn-Arten nur in wenigen deutschen Bundesländern stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht sind, so ist die Vielfalt des Weißdorns doch gefährdet. Insbesondere im Laufe der 1950er und 1960er Jahre wurden in den ländlichen Regionen ein Großteil, der die Felder und Weiden begrenzenden Hecken beseitigt und mit ihnen ein wichtiger Lebensraum des Weißdorns vernichtet. Im Zuge der Ökologie-Bewegung wurde dieser Trend angehalten und etliche Hecken neugepflanzt. Bei diesen Neupflanzungen wurde jedoch in der Regel deutschlandweit einheitliche Baumschulware verwendet, dem Gebiet angepasste Ökotypen wurden nicht berücksichtigt. Beim Weißdorn betraf dies obendrein nur die Arten Eingriffeliger und Zweigriffeliger Weißdorn, die anderen Arten wurden gar nicht gepflanzt. In den letzten Jahren hat aber auch hier eine Umbesinnung stattgefunden; es soll nun auf die Anpflanzung aller Arten geachtet und generell nur Pflanzgut verwendet werden, das von gebietstypischen Beständen im gleichen Naturraum gewonnen wurde.
Auch den Begriff des "Ökotyps" sollte man sich in diesem Zusammenhang unbedingt ansehen! Dabei geht es nicht um den langhaarigen dauerentspannten Birkenstockläufer aus der Groß-Wohngemeinschaft nebenan (sorry, mehr Vorurteile passten nicht in einen Satz ), sondern um genau die Bildung von lokalen Anpassungen um die es sich in diesem Thema dreht. Zwar handelt der Artikel von Pflanzen, doch bei Tieren gibt es das genauso. Ein sehr eindrucksvolles Beispiel...:
...für Ökotypen einer Art hat uns Göte Turesson selbst hinterlassen. Er hat auf dem Gelände der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaftenin Ultuna eine Baumreihe mit der Moorbirke aus unterschiedlichen geographischen Breiten Schwedens pflanzen lassen. Die Bäume repräsentieren einen „genetischen Gradienten“ von Schonen in Südschweden bis nach Lappland und belegen noch heute in ihren phänologischen Erscheinungen die Forschungsergebnisse Turessons in spektakulärer Weise: Der Aufbruch der Birkenknospen beginnt an den Südbäumen zuerst und setzt sich sukzessive nach Norden fort, während die Blattfärbung im Herbst bei den Bäumen im Norden einsetzt und die Blätter der Birken im Süden sich als letzte verfärben und abfallen.
Und noch etwas aus dem Pflanzenreich, Hervorhebung durch mich:
Da Hordeum vulgare zudem ein obligater Selbstbefruchter ist, unterblieb eine mögliche Verfälschung der Ergebnisse durch Hybridenbildung. Die Ergebnisse einer typischen Auszählung sind in der o. g. Tabelle festgehalten. Aus ihr geht hervor, daß Vorteile einzelner Sorten standortspezifisch sind und daß die übrigen Sorten in einem Verdrängungswettbewerb in wenigen Jahren weitgehend eliminiert werden. Es sind demnach nicht nur physikalische Umweltparameter, die über den Erfolg und die Dominanz einer Sorte (Rasse, Varietät) entscheiden, innerartliche Konkurrenz ist ebenso wichtig.
The_Paranoid hat geschrieben:Andere interessante Frage: in wiefern ist diese intraspezifische Homogenisierung wirklich problematisch bzw. können Populationen dadurch wirklich gefährdet werden?
Als Beispiel wird da gerne die Europäische Sumpfschildkröte aufgeführt; ich bin aber zu faul auf die Suche zu gehen, als Anhaltspunkt könnte dieses Dokument dienen (Charakterisierung der S; evtl. noch auf "View" klicken, runterladen ging bei mir nicht), da sind einige Publikationen enthalten die interessant klingen.
Insgesamt sehe ich bei dem ganzen Themenkomplex aber auch eine starke Verfälschung dadurch, dass man es zuerst gar nicht unbedingt bemerkt, wenn sich "falsche" Gene untermischen; das "zunächst" kann durchaus einen Zeitraum von Jahrzehnten oder Jahrhunderten umfassen.
Angenommen durch das Freilassen wird ein Gen in die Population eingebracht, dass negative Auswirkungen hat. Müsste sich das nicht ziemlich schnell aus-selektieren? Bzw. wenn es negative Auswirkungen hat ... wie soll es sich dann in einer Population ausbreiten?
Nö, es muss ja nicht sofort negative Auswirkungen haben. Es wäre schließlich vermessen zu sagen, dass die Lasius niger aus Südspanien in irgend einer Weise "defekt" wären - sie sind (vermutlich! - nichts genaues weiß man nicht) einfach nur "anders". Angenommen so eine Kolonie fasst im Raum Stuttgart Fuß, weil sie von einem Halter in treuem Glauben ausgesetzt wurde, der sie aus dem Spanienurlaub mitbrachte. Die nächsten fünf Jahrzehnte ist dieser Ökotyp wegen der guten Anpassung an warme Sommer enorm im Vorteil und vermischt sich genetisch mit den einheimischen Lasius niger. Dann kommt ein Jahrhundertwinter mit plötzlichen Wetterumschwüngen im Frühjahr inkl. mehrerer heftiger Temperaturstürze, dem die eingeführten Lasius nicht gewachsen sind. Die Medien berichten anschließend wie üblich, dass wegen des strengen Winters mit wenig Ungeziefer zu rechnen sei. Nur einige Freaks rätseln über ein rätselhaftes Sterben der Schwarzen Wegameise im Großraum Stuttgart.
Welche Auswirkungen so etwas langfristig haben kann? Keine Ahnung, dazu reicht meine Phantasie dann nicht mehr aus. Aber muss man es ausprobieren?
#15 AW: Heimische Art aussetzen - Intraspezifische Homogenisierung
[font=Times New Roman]Hallo DmdM,[/font]
[font=Times New Roman]Ganz große Klasse, Deine Suche nach passender Literatur (Post # 13), und vielen Dank dafür, dass Du Dir die Mühe gemacht hast, das alles hier zu posten![/font]
[font=Times New Roman]Post # 13 sollte irgendwie auch im AWiki seinen Niederschlag finden. Die Zweifel an der „intraspezifischen Homogenisierung“ werden ja, überwiegend von denselben paar Usern, seit Jahren immer wieder hervorgeholt. Trotz entsprechender Beantwortung tauchen sie nach einiger Zeit wieder auf, soll man wieder darauf eingehen.[/font]
[font=Times New Roman]Der Begriff „intraspezifische Homogenisierung“ wurde erst 2004 von der Redaktion einer Zeitschrift eingeführt, der die m.E. leichter verständliche Formulierung „intraspezifische Faunenverfälschung“ nicht gefiel. Deshalb gibt es kaum andere Veröffentlichungen, in denen der Begriff auftaucht. Zumal es auch kaum deutschsprachige Veröffentlichungen zum Thema gibt.[/font]
[font=Times New Roman]In dem ursprünglichen Artikel (ebenfalls aus 2004 in der Zeitschrift „Aliens“, auf Englisch) steht an dieser Stelle "Intraspecific bastardisation of fauna - a neglected risk“.[/font]
[font=Times New Roman]Dass man durch Einschleppung fremdländischer Tier- und Pflanzen-Arten eine Faunen- und Florenverfälschung erreichen kann, ist jedem halbwegs an der Natur Interessierten bekannt.[/font]
[font=Times New Roman]Dass dies auch durch Individuen aus genetisch unterschiedlich angepassten Populationen ein- und derselben Art erfolgen kann, hat man bis vor wenigen Jahren überhaupt noch nicht in Betracht gezogen. – Irgendwann muss es halt mal jemandem auffallen, muss ein Anfang gemacht werden![/font]
[font=Times New Roman]Bis in die jüngste Zeit hat man bei Jagdwild „Blutauffrischungen“ zu erreichen versucht, durch Freisetzung von Tieren aus weit entfernten Populationen im Verbreitungsgebiet einer Art. Man erhoffte sich eine erhöhte genetische Vielfalt, als Gegenmittel gegen zu hohe Inzuchtwerte in kleinen Populationen. In der Zoohaltung gefährdeter Arten wird das auch heute noch gemacht, wobei es natürlich nur um sehr kleine Zuchtgruppen geht, und die Tiere ohnehin nicht mehr der Selektion in ihrem natürlichen Lebensraum unterliegen.[/font]
[font=Times New Roman]Wie alle Medaillen, so hat auch die „Förderung der genetischen Vielfalt“ ihre zwei Seiten:[/font]
[font=Times New Roman]Es kann eine Verbesserung bzw. Verstärkung gewünschter Eigenschaften (Bsp. Rotwild: größere Geweihe) erfolgen. Aber: Man kann auch unerwünschte Gene einschleppen, die eine lokale Population schädigen bzw. gefährden (Bsp.: Marokkanische Sumpfschildkröten in den nur noch sehr kleinen Populationen deutscher Sumpfschildkröten). DmdM hat dazu ja einen Artikel verlinkt, den man unbedingt lesen sollte http://www.schildkroeten-stammtisch-rhein-main.de/index.php/grundlagen/reiseberichte/cat_view/45-aus-tieraerztlicher-sicht[/font]
[font=Times New Roman]Wenn dazu mehr Untersuchungen über Jagdwild bzw. Zootiere vorliegen als etwa über Ameisen, so muss man natürlich nach dem „wirtschaftlichen Hintergrund“ fragen, nach den Interessen, die hinter solcher Forschung stehen, danach, weshalb solche Forschung finanziert wird, oder auch nicht..... Aber das hat DmdM ja bereits ausgeführt.[/font]
[font=Times New Roman]MfG,[/font]
[font=Times New Roman]Merkur[/font]
[font=Times New Roman]Ganz große Klasse, Deine Suche nach passender Literatur (Post # 13), und vielen Dank dafür, dass Du Dir die Mühe gemacht hast, das alles hier zu posten![/font]
[font=Times New Roman]Post # 13 sollte irgendwie auch im AWiki seinen Niederschlag finden. Die Zweifel an der „intraspezifischen Homogenisierung“ werden ja, überwiegend von denselben paar Usern, seit Jahren immer wieder hervorgeholt. Trotz entsprechender Beantwortung tauchen sie nach einiger Zeit wieder auf, soll man wieder darauf eingehen.[/font]
[font=Times New Roman]Der Begriff „intraspezifische Homogenisierung“ wurde erst 2004 von der Redaktion einer Zeitschrift eingeführt, der die m.E. leichter verständliche Formulierung „intraspezifische Faunenverfälschung“ nicht gefiel. Deshalb gibt es kaum andere Veröffentlichungen, in denen der Begriff auftaucht. Zumal es auch kaum deutschsprachige Veröffentlichungen zum Thema gibt.[/font]
[font=Times New Roman]In dem ursprünglichen Artikel (ebenfalls aus 2004 in der Zeitschrift „Aliens“, auf Englisch) steht an dieser Stelle "Intraspecific bastardisation of fauna - a neglected risk“.[/font]
[font=Times New Roman]Dass man durch Einschleppung fremdländischer Tier- und Pflanzen-Arten eine Faunen- und Florenverfälschung erreichen kann, ist jedem halbwegs an der Natur Interessierten bekannt.[/font]
[font=Times New Roman]Dass dies auch durch Individuen aus genetisch unterschiedlich angepassten Populationen ein- und derselben Art erfolgen kann, hat man bis vor wenigen Jahren überhaupt noch nicht in Betracht gezogen. – Irgendwann muss es halt mal jemandem auffallen, muss ein Anfang gemacht werden![/font]
[font=Times New Roman]Bis in die jüngste Zeit hat man bei Jagdwild „Blutauffrischungen“ zu erreichen versucht, durch Freisetzung von Tieren aus weit entfernten Populationen im Verbreitungsgebiet einer Art. Man erhoffte sich eine erhöhte genetische Vielfalt, als Gegenmittel gegen zu hohe Inzuchtwerte in kleinen Populationen. In der Zoohaltung gefährdeter Arten wird das auch heute noch gemacht, wobei es natürlich nur um sehr kleine Zuchtgruppen geht, und die Tiere ohnehin nicht mehr der Selektion in ihrem natürlichen Lebensraum unterliegen.[/font]
[font=Times New Roman]Wie alle Medaillen, so hat auch die „Förderung der genetischen Vielfalt“ ihre zwei Seiten:[/font]
[font=Times New Roman]Es kann eine Verbesserung bzw. Verstärkung gewünschter Eigenschaften (Bsp. Rotwild: größere Geweihe) erfolgen. Aber: Man kann auch unerwünschte Gene einschleppen, die eine lokale Population schädigen bzw. gefährden (Bsp.: Marokkanische Sumpfschildkröten in den nur noch sehr kleinen Populationen deutscher Sumpfschildkröten). DmdM hat dazu ja einen Artikel verlinkt, den man unbedingt lesen sollte http://www.schildkroeten-stammtisch-rhein-main.de/index.php/grundlagen/reiseberichte/cat_view/45-aus-tieraerztlicher-sicht[/font]
[font=Times New Roman]Wenn dazu mehr Untersuchungen über Jagdwild bzw. Zootiere vorliegen als etwa über Ameisen, so muss man natürlich nach dem „wirtschaftlichen Hintergrund“ fragen, nach den Interessen, die hinter solcher Forschung stehen, danach, weshalb solche Forschung finanziert wird, oder auch nicht..... Aber das hat DmdM ja bereits ausgeführt.[/font]
[font=Times New Roman]MfG,[/font]
[font=Times New Roman]Merkur[/font]
- The_Paranoid
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#16 AW: Heimische Art aussetzen
DermitderMeise hat geschrieben:Nö, es muss ja nicht sofort negative Auswirkungen haben. Es wäre schließlich vermessen zu sagen, dass die Lasius niger aus Südspanien in irgend einer Weise "defekt" wären - sie sind (vermutlich! - nichts genaues weiß man nicht) einfach nur "anders".
Gerade für Lasius niger wurde gezeigt, dass trotz großer geografischer Distanz (1000 km) keine genetischen Unterschiede in den Populationen zu finden sind.
J. J. Boomsma and T. M. van der Have, Queen mating and paternity variation in the ant Lasius niger, Molecular Ecology 7, 1998, 1709-1718
Von daher ist in diesem Fall eine intraspezifische Homogenisierung längst eingetreten und ein Freilassen hätte in dem Fall überhaupt keine Auswirkung.
Merkur hat geschrieben:Der Begriff „intraspezifische Homogenisierung“ wurde erst 2004 von der Redaktion einer Zeitschrift eingeführt, der die m.E. leichter verständliche Formulierung „intraspezifische Faunenverfälschung“ nicht gefiel. Deshalb gibt es kaum andere Veröffentlichungen, in denen der Begriff auftaucht. [...] In dem ursprünglichen Artikel (ebenfalls aus 2004 in der Zeitschrift „Aliens“, auf Englisch) steht an dieser Stelle "Intraspecific bastardisation of fauna - a neglected risk“.
Um genau zu sein gibt es nur die eine Veröffentlichung von dem einen Autor in dem die Begriffe "intraspezifische Homogenisierung" und "intraspecific bastardisation" auftauchen ... einmal in der deutschen Version des Artikels, einmal in der englischen Version.
Wenn das Thema wirklich so dramatisch ist, wie es hier in den Ameisenforen dargestellt wird, müsste sich dies nicht auch in der wissenschaftlichen Literatur widerspiegeln?
Ich behaupte ja nicht, dass die Problematik komplett ausgedacht ist. Das Beispiel der europäischen Sumpfschildkröte zeigt, dass intraspezifische Homogenisierung stattfindet. Aber ob und wie diese sich auswirkt, darüber gibt es so weit ich weiß noch keine richtigen Schlüsse. Lasse mich da aber auch gerne eines besseren belehren wenn es vernünftig belegt wird. Schließlich kann das Einbringen neuen Genmaterials in sterbende Populationen auch positiven Effekt haben.
Hab mich die letzten Jahre erfolgreich aus solchen Ameisenforum-Diskussion rausgehalten und dabei will ich eigentlich auch bleiben. Aber gerade wenn es um das Freilassen von Arten wie Lasius niger oder Formica fusca geht, sollte man mal drüber nachdenken ob es nicht etwas überzogen ist gleich "intraspezifische Homogenisierung" zu schreien.