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Ameisen befeuchten ihre Nester, oder doch eher nicht?

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#1 Ameisen befeuchten ihre Nester, oder doch eher nicht?

Beitrag von Gast » 19. Mai 2012, 10:07

Ich fürchte, wir sind Zeitzeugen der Entstehung eines neuen Ameisen-Mythos. In jüngerer Zeit greift in den Foren die Behauptung um sich, dass Ameisen (einige Arten? Alle Arten?) ihre Nester selbst befeuchten. Typische Diskussion in einer Shoutbox 17./18. Mai 2012:

User A: User B temnothorax bewässern selbst oder?
User B: ja temnothorax befeuchten das nest, so fern es notwendig wird.

Ich wäre dringend daran interessiert zu erfahren, ob es für derartige Angaben irgendwelche zuverlässigen Quellen gibt, möglichst bibliografisch richtig zitierte wiss. Veröffentlichungen.

Zum genannten Beispiel, „temnothorax“, gebe ich zu bedenken, dass diese kleinen Ameisen doch erhebliche Schwierigkeiten hätten, im Freiland ihre Nester zu befeuchten. Man stelle sich vor: Eine Kolonie von Temnothorax affinis, wohnhaft in einem bleistiftdicken, bröseltrockenen toten Zweig oben auf meinem Nussbaum, etwa 3 m über dem Boden. Die Ameislein müssten einen Weg von geschätzten 5-6 m zum Boden laufen, wo es aber noch immer kein Wasser gibt.
Von da müssten sie gute 16 m über den Boden und durchs Gras zum Teich laufen, dann das Ganze zurück, um ein paar Microliter Wasser in ihren Zweig zu befördern.
Das ist doch in hohem Maße unwahrscheinlich!

Tatsache ist, dass solche Ameisen zumindest, die nicht mit ein paar Schrittchen im feuchten Boden sind (wie etwa Lasius, Formica, Temnothorax nylanderi und andere), sich auf den natürlichen Wechsel der Luftfeuchtigkeit bei wechselnden Temperaturen verlassen, sprich auf
Taufeuchte,
die gerade bei trocken-heißen Wetterlagen mit starker Abkühlung in der Nacht auftritt. Dabei werden auch die toten Zweige und die Borke in Baumkronen samt ansitzendem Flechtenbewuchs befeuchtet, saugen die Feuchtigkeit auf und geben sie am nächsten Tag ins Nestinnere ab. Am Boden können die Ameisen am taunassen Gras trinken. Nester unter Steinen haben eine automatische Wasserpumpe: Offen liegende Steine werden in der Nacht kälter als das darunter liegende Erdreich, so dass sich aus der aufsteigenden warm-feuchten Luft an der Unterseite der Steine ebenfalls Tau niederschlägt.
Bei feuchter Witterung (Regen) ist das alles ohnehin kein Problem.

Wie gesagt: Mir scheint die Behauptung, dass Ameisen gezielt ihre Nester befeuchten, eine Erfindung zu sein, die gerade auf dem Weg ist, sich zur festen „Wahrheit“ zu entwickeln, zu einem der leider vielen Mythen, die über Ameisen so in Umlauf sind.

Ich bitte herzlich um Korrektur, wenn/falls es überzeugende Gegenargumente gibt!

MfG,
Merkur



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#2 AW: Ameisen befeuchten ihre Nester, oder doch eher nicht?

Beitrag von Imago » 19. Mai 2012, 10:47

Hallo Merkur!

Ich kann Deinen ersten Ansatz Aufklärung zu schaffen nur unterstützen. Eigentlich ist es zudem noch leicht herauszufinden ob gewisse Arten tasächlich das Nest befeuchten können oder nicht.

Nur es macht sich keiner die Mühe.

Ein Volk das in einem trockenem Reagenzglas ohne Wassertank lebt, müsste demnach das Nest selber befeuchten. Somit würden die Arbeiterinnen das Nest verlassen und den Weg zur nächsten Wasserquelle antreten. Wäre das Volk bemüht das Nest zu befeuchten, würden dann nicht kleine Wassertropfen an der Reagenzglas Wand zu sehen sein?!

Ich persönlich halte nichts von dem Mythos, das Arbeiterinnen das Nest begeuchten. Allein der Aufwand, der geringe Nutzenfaktor. Gerade bei Ameisen mit kleinem Kropf. Letztlich werden bei Trockenperioden wohl die Eier und Larven ausgiebiger bespeichelt und somit die Wasserquelle bei einem trockenen Nest höher Frequentiert. Aber alles andere würde doch gegen das sonst so logische Verhalten der Ameisen sprechen.

Bei vielen Arten zudem, ist die Ameise gar nicht auf die Nestfeuchtgkeit angewiesen. Lasius niger zeigt das oft mit der Dauerbestzung von Reagenzglasnestern bei denen der Wassertank längst zu neige gegangen ist. Auch dort wird dann nur die Wasserquelle in der Arena häufiger besucht, um die Eier und Larven ausreichend mit Feuchtigkeit versorgen zu können.

Ich habe das von Merkur beschriebene auch schon häufiger gelesen, dass Ameisen ihr Nest befeuchten würden. Einige Male habe ich mich auch zu Wort gemeldet und berichtigt, dass nur die Eier und Larven häufiger bespeichelt werden (sie vielleicht sogar auch Flüssigkeit oral aufnehmen) um sie vor dem Austrocknen zu schützen.

Ich denke auch an dieser Stelle darüber nach einen extra Thread zu eröffnen, der evtl. solche Forenmythen angeht, aufklärt und evtl. sogar durch Experimente widerlegt vielleicht sogar bestätigt.

LG Imago



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#3 AW: Ameisen befeuchten ihre Nester, oder doch eher nicht?

Beitrag von erix » 20. Mai 2012, 17:45

Hallo Merkur

Ein verdankenswertes Thema!

Die meisten Aussagen zur Feuchtigkeit kranken daran, dass vielen nicht klar ist, was "Feuchtigkeit" eigentlich meint und wozu die jeweils geforderte "Feuchtigkeit" denn dienen soll.

So bleiben die Angaben nutzlos. Dafür kann man aber den geneigten Kunden teure und nutzlose "Feuchtigkeitsmesser" verkaufen, die man im Formicarium aufhängt, oder noch teurere, die versprechen "berührungslos" die Luftfeuchtigkeit zu messen.
Selbst wenn deren Messungen korrekt wären, was nützt dies, wenn man nicht versteht, dass die relative Luftfeuchtigkeit nicht nur mit der Zu- und Abfuhr von Wasser zu tun hat, sondern praktisch in weit grösserem Mass, mit der Zu- und Abfuhr von Wärme?
Eine sinnvolle Diskussion sollte unterscheiden zwischen:

1. Trinkwasser. Dieses einfach immer anzubieten ist ein Grundsatz, der in jeder Tierhaltung gilt. Für Ameisen: wassergefülltes Reagenzglas mit Wattepfropfen.

2. Relative Luftfeuchtigkeit im Formcarium, wo sich keine Brut befindet. Zumindest bei einheimischen Ameisen kein Thema, solange nicht durch Beheizung oder Sonneneinstrahlung abnormes Klima erzeugt wird.

3. Relative Luftfeuchtigkeit im Brutraum. Dass hier die Luftfeuchtigkeit wichtig ist, sieht man daran, dass die Pflegerinnen die Brut je nach Stadium in trockenere oder feuchtere Kammern umlagern.
In Ytong- oder Gipsnestern, wo Kammern näher oder weiter von der Bewässerungskammer liegen sollten, können die Tiere wie in der Natur, die Brut jeweils in passende Kammern tragen. Puppen lagern sie trockener als Eier und Larven. Möglich ist aber auch, dass die Puppen deswegen in leicht trockeneren Kammern gelagert werden, weil diese eine Spur wärmer sind (weniger Verdunstungskälte), aber doch noch feucht genug.
Die Gefahr, dass die Brut vertrocknet, ist gegeben. Larven können von den Pflegerinnen getränkt werden, Puppen und Eier nicht. Das dürfte der Grund sein, weshalb Larven überwintern können.

Mit normalem technischem Aufwand lässt sich meines Wissens die Luftfeuchtigkeit in den Brutkammern nicht messen. Würde man die Bruträume heizen, so wäre sie tiefer als draussen und die Brut wäre durch Trockenheit gefährdet.

Dass heimische Ameisen die Bruträume aktiv befeuchten, glaube ich nicht. Umtragen der Brut in passende Räume ist weitaus einfacher. Bei Waldameisen, die in ihren Haufen Kompostwärme nutzen, könnte ich mir aber gut vorstellen, dass sie die Feuchtigkeit im Brutnest durch Baumassnahmen oder Wassereintrag aktiv regulieren.

Bei Honigbienen und sozialen Wespen (v.a. Hornissen) ist klar, dass sie beträchtliche Wassermengen eintragen um die Luftfeuchtigkeit zu regulieren (oder bei den Wespen um die Papiernester im Sommer zu kühlen). Da diese Insektenvölker aktiv die Brut beheizen ist dies unumgänglich. Man stelle sich ein Bienenvolk im März vor, wenn es draussen unter 0°C ist und der Brutbereich hat 36°C. Die Larven würden schon während der Verpuppung verdorren.

Während der Überwinterung habe ich bei meinen Lasius niger die Beobachtung gemacht, dass die Luftfeuchtigkeit im Nest offenbar dafür massgeblich ist, ob sich die Ameisen zu Haufen zusammenballen oder nicht.
Vergleichende Beobachtungen wären erwünscht.

Gruss: erix



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