Pilze für Kompostierung züchten

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erix
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#9 AW: Pilze für Kompostierung züchten

Beitrag von erix » 28. Juni 2012, 00:58

Hallo Vespa Crabro

Das Züchten von Pilzen ist extrem komplex. Es gibt zwar einige wenige Arten (Champignon de Paris, Austernseitlinge, Stockschwämmchen, Shiitake etc.) die sich züchten lassen. Dies sind alles Pilze, die totes Material (Hölzer) abbauen.

Da nun aber die Holz- und Totmaterial abbauenden Pilze oder ihre Sporen wirklich überall vorhanden sind, sie spezialisierte Lebensweisen haben und in harter Artkonkurrenz leben, ist kaum je vorhersehbar, wer am Schluss die Oberhand gewinnt. Je nach Mikroklima, Substrat, Jahreszeit, Konkurrenzorganismen usw. ist die Dynamik und das Resultat sehr unterschiedlich. Kurz gesagt: Pilze wachsen praktisch unvermeidlich, aber eben nie vorherseh- oder gar kontrollierbar.

Ich konnte Holzpilzzucht einige Jahre lang praktizieren, der Erfolg war aber immer eine Glücks- und Geduldssache.

Die meisten Pilze hingegen, die der Pilzsammler kennt, leben jedoch zwingend in Lebensgemeinschaft mit Pflanzenwurzeln, mit denen sie in einer Art Austauschhandel stehen (Mineralien gegen Zuckersaft). Manche Fachleute halten die Zucht dieser Pilze deshalb für unmöglich. Gezüchtete Steinpilze oder Pfifferlinge gibt es wohl noch sehr lange nicht.

Besonders faszinierend finde ich die schon erwähnten Schleimpilze, weil sie besonders "tierische" Eigenschaften haben. Es gibt einen hinreissenden Dokumentarfilm ( "Als wären sie nicht von dieser Welt - Der unmögliche Lebenswandel der Schleimpilze") über sie, der vielleicht auch irgendwo im Internet zu finden ist. Ein wirklicher Augenöffner!

Gruss: erix



Vespa Crabro
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#10 AW: Pilze für Kompostierung züchten

Beitrag von Vespa Crabro » 28. Juni 2012, 09:17

Guten Morgen,

die fachkundige Beteiligung an meinem Thema freut mich. Vielen Dank dafür!

@NIPIAN:

in Spucke sind unter anderem Lysozyme, Defensine, Immunglobulin A, Histatine und Cystatine enthalten, welche das genaue Gegenteil bewirken: Abtöten von Mikroben. Die Wahrscheinlichkeit einen Zuchtansatz von sinnvollen (!) Pilzen zu erhalten sinkt damit drastisch. Zumal eher andere Viecher der Mundflora die Gunst des Nahrungsklumpens nutzen werden.
Recherchiere ich nun in Eigenregie weiter über deine genannten Bestandteile, dann wird ein Fachbegriff mit einer Reihe anderer Fachbegriffe erklärt, das ist also schon nichts mehr, was der Laie morgens bei zwei Tassen Kaffee "mal eben so" begfreift: Da dir diese Begriffe aber sicherlich ziemlich schnell eingefallen sind, interessiert mich die Richtung deines Studiengangs.

Deine Aussage hält mich dann davon ab, meinen Komposthaufen anzuspucken! Jedoch ging es mir nicht darum, aus Speichel gleich das passende Milieu zu bilden, sondern eben zunächst darum, das der Speichel mit seinen Bestandteilen die Vorarbeit durch primären Abbau leistet, ähnlich wie es bei uns eben im Mund für die Verdauung geschieht.

@DermitderMeise:

Zumal die Pilze auf die aus bist auch etwas anderes machen als "einfachen" Stärkeverdau; sie sind dazu in der Lage, die chemisch rel. stabile Struktur von Zellulose (das können auch einige andere Organismen) und Lignin (das können nur wenige, s. Ligninase, engl.) anzugreifen und aufzubrechen, so dass das Holz seine wesentlichen Eigenschaften - Festigkeit und Widerstandsfähigkeit - verliert. Die Amylase Ptyalin aus dem menschlichen Speichel ist "nur" dazu geeignet (für uns reicht das natürlich völlig), die Stärke aus der Nahrung in kleinere Stücke zu zerhacken, mit den o. g. "festeren" pflanzlichen Verbindungen kann sie aber nichts anfangen.
Ja, das mit dem Abbau der Zellulose und des Lignins wusste ich, das ist zum einen auch das, was manche Gebäudepilze so extrem gefährlich macht und es war das, was mir in Hinsicht auf die Kompostierung dickerer Äste den Experimentiergeist weckte. Die normale Rotte tut sich damit eben überaus schwer und auch relativ kleine Äste überleben oft die Gartensaison, wenn man alles den Regenwürmern und Bakterien überlässt.

Aber auch hier will ich Missverständnisse vermeiden: Ich wollte eher auf die Stoffe hinaus, die der Baum speichert, weniger auf das das "Baumaterial" des Baumes selbst. Über Xylem/Phloem transportiert der Baum gewisse Nährstoffe, die nach seinem Tod nach meiner Vorstellung eventuell noch in gewissen Mengen in der abgeschälten Rinde, bzw. an deren Innenseite vorhanden sind. Stärke, Zucker, solche Dinge, die dann eben noch mehr oder weniger "frei" vorhanden und noch nicht in der charakterisierenden Form für den Baum in "festen" Verbindungen vorliegen.

@erix:

Da nun aber die Holz- und Totmaterial abbauenden Pilze oder ihre Sporen wirklich überall vorhanden sind, sie spezialisierte Lebensweisen haben und in harter Artkonkurrenz leben, ist kaum je vorhersehbar, wer am Schluss die Oberhand gewinnt. Je nach Mikroklima, Substrat, Jahreszeit, Konkurrenzorganismen usw. ist die Dynamik und das Resultat sehr unterschiedlich. Kurz gesagt: Pilze wachsen praktisch unvermeidlich, aber eben nie vorherseh- oder gar kontrollierbar. Ich konnte Holzpilzzucht einige Jahre lang praktizieren, der Erfolg war aber immer eine Glücks- und Geduldssache.
Ich kann also eher daher kommen und auf die Vergangenheit bezogen sagen, dass diese und jene Umstände "meine" Braunfäule erzeugten, nicht jedoch verlässlich prognostizieren, welcher Pilz vielleicht 3 Wochen später in Erscheinung tritt?

Du beantwortest mir im Grunde mehr oder weniger die Frage, mit der meine Pläne fallen oder stehen. Gerade das ist der Punkt, der für mich ausschlaggebend ist, denn wenn ich letztlich keinen Einfluss auf das Ergebnis habe, dann ist alle Spekulation so sinnvoll, wie das konzentrieren auf ausgewählte Aktien, für die auch niemand verlässlich sagen kann, ob sie hoch oder runter gehen.

Ich werde dann einfach einen Haufen wie erwähnt als Sammelstelle für schwer verrottende Materialien anlegen und die Zeit arbeiten lassen. Grobes Material bietet ja dann eventuell auch noch Lebensraum für überwinternde Insekten.

Was die Schleimpilze betrifft: Da werde ich meine Augen weiter nach lesens- und sehenswertem aufhalten. Gerade jetzt - weiss der Geier wieso - erinnere ich mich, dass ich vor Jahren mal so einen auf dem Kompost gesehen habe. Riesige, ausgebreitete, schleimige Form und ich rätselte damals, was es war.



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NIPIAN
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#11 AW: Pilze für Kompostierung züchten

Beitrag von NIPIAN » 28. Juni 2012, 10:57

Hoi,


für dein Experiment wird die Konzentration an Enzymen im Speichel nicht ausreichen. Fraglich ist weiterhin, ob gewünschte, ohne Frage vorhandene Keime sich selektieren lassen. Das ist das Grundproblem einer jeden mikrobiellen Probenaufbereitung und beinhaltet streng geregelte Vorgehensweisen. Demnach funktioniert dein Vorhaben nicht wie gewünscht. Es sei denn, Du probierst es mehrere hunderte Male und hast zumindest einmal Glück. Auch eine Art der Relativitätstheorie.

Das wäre meine Antwort gewesen. Hier ein geraffter und gekürzter Exkurs, der hinter den Aussagen steckt.

Unsere Spucke enthält zum Abbau von Nahrungsbestandteilen im wesentlichen Amylase (-> Ptyalin) und saure Lipase, sowie weitere Komponenten, u.a. zur Keimabtötung. Die Bestandteile sind auf unseren Körper geeicht. Sprich: Temperaturoptimum, Feuchtigkeit, Speichelzusammensetzung (+/- seromukös), pH-Wert, Keimbesiedelung etc.
alpha-Amylase spaltet Stärke in den alpha 1-4-Bindungen der Zuckermoleküle, ist allerdings mengenmäßig im Speichel, was den Kohlenhydratabbau anbelangt, für den Körper wenig relevant und säureanfällig. Cellulose ist auch ein Zuckermolekül, jedoch anders gebunden (beta 1-4). Säugetiere bilden direkt keine Cellulase. Schlüssel-Schloss-Prinzip von Enzym und Substrat.
Saure Lipase spaltet Triglyceride, also neutrale Fette. Jedoch erst im Magen, da saure Umgebung benötigt wird. Dennoch wird das Enzym in den entsprechenden Speicheldrüsen produziert (auch hier gibt es Unterschiede im Produktionsort, wir haben 3 Speicheldrüsen mit jeweils andersartigem Produkt).
Proteine werden im Magen erst denaturiert und anschließend im Darm aufgespalten. Oral tut sich da nichts.

Quellen hierfür können sein: Löffler - Biochemie; Klinke, Silbernagel - Physiologie; Fuchs - allgemeine Mikrobiologie.

Die restlichen Bestandteile dienen im wesentlichen der Keimabtötung. Auf einem bereits florierendem Kompost macht Spucke nichts. Sie verhält sich wie der Tropfen auf dem heißen Stein. Auch die in der Mundflora vorkommenden Keime haben Temperatur-, pH-, Milieu-, sowie andere -optima und unterliegen dem freien Wettbewerb auf dem Kompost mit den Ureinwohnern um den besten Kaffeesatz.
Studienrichtung: Medizin



Vespa Crabro
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#12 AW: Pilze für Kompostierung züchten

Beitrag von Vespa Crabro » 29. Juni 2012, 09:43

Guten Morgen,

NIPIAN,

für dein Experiment wird die Konzentration an Enzymen im Speichel nicht ausreichen. Fraglich ist weiterhin, ob gewünschte, ohne Frage vorhandene Keime sich selektieren lassen. Das ist das Grundproblem einer jeden mikrobiellen Probenaufbereitung und beinhaltet streng geregelte Vorgehensweisen. Demnach funktioniert dein Vorhaben nicht wie gewünscht. Es sei denn, Du probierst es mehrere hunderte Male und hast zumindest einmal Glück. Auch eine Art der Relativitätstheorie.


Wie schon von erix anders formuliert, gibt es also so viele nicht ohne weiteres kontrollierbare Nebenaspekte, dass ein positives oder negatives Ergebnis niemals zuverlässig auf meinen Eingriff zurückzuführen ist. Korrekt geschlussfolgert?



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KyneGyne
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#13 AW: Pilze für Kompostierung züchten

Beitrag von KyneGyne » 29. Juni 2012, 21:10

Hallo Vespa Crabro,

ich schalte mich mal kurz dazwischen, weil's thematisch passt:

Pilz beendet Kohlezeitalter
Schon beeindruckend, zu welch einschneidenden, globalen Veränderungen solch eine "primitive" Lebensform in der Lage ist.

Bin schon wieder weg...

Gruß
Kyne



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#14 AW: Pilze für Kompostierung züchten

Beitrag von Tamara-Jasmin » 29. Juni 2012, 21:57

Irgendwie ist mein Interesse geweckt - aber Sorry, um was es hier eigentlich geht, ist mir aufgrund Deines (nicht böse sein, mir fällt gerade kein anderes Wort ein) "geschwollenen Schreibstils" ein Rätsel. Habe leider keine Linguistik oder wie das heisst studiert ;)
Also wenn mir bitte in kurzen Worten jemand vermitteln könnte um was es hier geht?
Danke ;)

Soll jetzt kein negativer Beitrag von mir sein ... kann mich vielleicht etwas schlecht ausdrücken ... Vespa Crabro hat wahrscheinlich einfach nur eine extrem hohe sprachliche Bildung, mit der ich einfach nicht mitkomme.

Liebe Grüsse:
Tammy


(Psalm 145:10) All deine Werke werden dich lobpreisen, o Jehova, Und deine Loyalgesinnten werden dich segnen.

Vespa Crabro
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#15 AW: Pilze für Kompostierung züchten

Beitrag von Vespa Crabro » 29. Juni 2012, 23:30

Hallo KyneGyne,

das ist ein interessanter Link, den ich mir gern am morgigen Vormittag zu Gemüte führen werde. Vielen Dank dafür. Wieder sehr salopp ausgedrückt: Dieses "Knacken" von chemisch ansonsten absolut stabilen Verbindungen ist das interessante, denn wenn man bedenkt, dass die Natur nicht denkt, sondern alles auf Zufalls-Ketten basiert, wo kein Schritt abgestimmt werden kann, dann erkennt man die unumgängliche, mathematische Logik beim Zusammenspiel von im Grunde wenigen, unterschiedlichen Elementen. Ohne, dass vorher Berechnungen stattfinden, ist die Natur sowohl "Bauunternehmen" als auch "Abrissfirma".

Hallo Tamara-Jasmin,

dass dich mein Schreibstil betrübt oder vom Verständnis abbringt, ist etwas, das ich vom weiblichen Geschlecht aufgrund der Gewöhnung an die Umstände nicht mehr als absichtlichen Seitenhieb werte. Es kann dir "jemand" die Gründe für dieses Thema erklären, anstandshalber übernehme aber ich als Ideengeber diese Aufgabe und kann dir im Vorfeld versichern, dass ich selbst nach der Spätschicht keinen Nerv mehr dafür habe, absichtlich um den heissen Brei zu reden. Demzufolge kannst auch du davon ausgehen, dass auch mir nicht jedes Wort einfach "von den Fingern" geht.

Sinn dieser Diskussion ist das Beantworten der Frage, ob man den Anteil an Pilzen, die bei der natürlichen Zersetzung im Komposthaufen vorkommen, lokalisieren, vermehren und gezielt einsetzen kann, um die natürliche Zersetzung von zu groß dimensionierten Abfällen ohne nennenswerten finanziellen Aufwand zu beschleunigen.

Dem beigefügt wurden zudem mögliche Nährböden wie von Speichel benetzte Rindenstücke oder nachträglich mit Zucker bestreute Holzabfälle. Diese Fragen wurden von NIPAN und erix jedoch in der von mir beinahe erwarteten Weise beantwortet. Eine auf Eigenleistung zurückzuführende, erfolgreiche "Züchtung" von holzzerstörenden Pilzen wird ohne Labor nicht gelingen.


Ich wünsche eine angenehme Nachtruhe.



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swagman
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#16 AW: Pilze für Kompostierung züchten

Beitrag von swagman » 30. Juni 2012, 15:48

KyneGyne hat geschrieben:Schon beeindruckend, zu welch einschneidenden, globalen Veränderungen solch eine "primitive" Lebensform in der Lage ist.

Geht auch mit Plastik:
http://aem.asm.org/content/77/17/6076

Gut zu wissen, dass die Natur nichts verschwendet und sich hierdurch sozusagen selber heilen kann. (Ums mal recht blumig auszudrücken;))



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