Und nun zur Technik…
Formicariumbau: Ich hatte zwar schon eine ganze Kollektion an alten Formicarien, da die Messor minor aber andere Anforderungen haben als Lasius niger, habe ich ein Neues gebaut.
Es basiert auf einem Standard 30 x 30 x 60 cm Glasbecken mit 2 Anschlüssen für Schläuche.
In dieses Glasbecken habe ich L-förmig ca. 12 cm hohe Glasplatten geklebt. Ich verwende Aquariensilikon. Das funktioniert sehr gut, ist ungiftig (nach dem Austrocknen, beim Auftragen stinkt es ein wenig) und ist bisher der beste Kleber den ich für solche Anwendungen gefunden habe. Harz, Sekundenkleber oder sonstiges Zeugs ist zu steif (Silikon gibt nach und bleibt auch nach Jahren noch flexibel) und wird vor allem durch Temperatur oder Feuchtigkeitszyklen spröde und gammelig.
Längs den unbenutzten Glaswänden habe ich Plastikschaumplatten geklebt. Diese dienen zum einen, den Boden, der oben drauf kommt, zu stützen und auch als zusätzliche Isolierung. Das ganze sieht dann etwa so aus:
[img]http://www.ameisenforum.de/attachment.php?attachmentid=27546&stc=1&d=1354744915[/img]
Man beachte die „Sichtbrille“, die ich an der kurzen Seite ausgeschnitten habe um später das Nest von Innen beobachten zu können. Meine Erfahrungen mit Lasius haben mir gezeigt, dass man besser keine versteckten „Totzonen“ ins Formicarium einbaut. Besser ist, man kann überall Einsicht haben. Nicht mal wirklich um sie beobachten zu können, sondern um sicher zu gehen dass sie keinen Unfug treiben. Big Brother is watching you!
Außerdem kann man am besten erkennen was im Nest passiert, wenn man es von hinten beleuchtet (also durch das Sichtfenster an der Seite reinleuchten). Beleuchtung von außen macht zu viele Reflektionen am Schmutz, der an der Scheibe klebt.
Für die Beleuchtung wollte ich anfangs einen dauerhaft installierten rote LED Streifen unter das Formicarium einbauen. Habe es bisher aber noch nicht gemacht, kommt in Version 2.0. Ich verwende im Moment ein rotes LED Fahrradrücklicht um reinzugucken. Das Nest ist von Außen mit einer roten Folie abgedeckt.
Mir ist dabei noch eine Sache aufgefallen:[INDENT]Wenn ich mit einer normalen Taschenlampe durch den Rotlichtfilter leuchte, dann stört es sie nicht sonderlich, solange ich weit weg bleibe.
Ohne Filter werden sie sofort panisch. Und sobald ich näher rangehe, auch mit Filter, werden sie sichtlich genervt.
Mit roten LEDs kann ich aber direkt rein braten und sie reagieren gar nicht.
Denke mal, dass der Filter nicht sonderlich eng filtert (obwohl es ein hochwertiger ist).
LEDs haben ein sehr schmales Spektrum. Anscheinend reagieren sie auf das monochromatische Licht der LEDs nicht.
Das Streulicht, das aber in anderen Wellenlängenbereichen der Folie durchkommt bemerken sie anscheinend schon wenn es etwas intensiver wird.
Aber generell würde ich sagen, dass Rotlicht optimal ist, um Messor minor zu beobachten.
Hab auch schon gelesen, dass andere blaues Licht verwenden.
[/INDENT]An der Vorderseite des Nestes habe ich noch ein kleines Stück Glas unten eingeklebt. Es wird später das Befeuchtungssystem von der trockenen Seite abtrennen (so zumindest die Theorie…).
Der nächste Schritt ist die Bodenplatte mit „patentierten“ Pflanzenbehältern. Das Konzept ist recht simpel: Kleine Plastikbecher aus dem Supermarkt (ungefähr die Größe von mini Blumentöpfen) kaufen. Einem Becher den oberen Rand abschneiden. Diesen Becher nehmen um Kreise auf der Bodenplatte anzuzeichnen. Löcher ausschneiden, Becher einfügen und mit Silikon festkleben. Da man die Löcher mit einem Becher ohne Rand abgemessen hat, passen die Becher perfekt rein und die Ränder dichten den Boden komplett ab. [img]http://www.ameisenforum.de/attachment.php?attachmentid=27547&stc=1&d=1354745421[/img]
Jetzt kann man Pflanzen in anderen Bechern großziehen (vorher unten Löcher in die Becher stechen damit das Wasser ablaufen kann) und beliebig in die festen Becher einsetzen. Außerdem sieht das ganze auch noch besser aus, da die Pflanzen dann mit dem Boden eben sind (man sieht die Töpfe nicht).
Die Idee kommt auch aus einer Lektion die mir Lasius erteilt hat:[INDENT]Niemals irgendetwas fest einbauen (außer das Nest selber…).
Es geht später zwangsweise etwas schief und besser man kann es ohne großen Aufwand (und Stress für die Tiere) entfernen bzw. anpassen.
Und ich war froh darum… Die Idee Pflanzen einzubauen ist zwar schön, aber schwieriger als gedacht. Wechsel war hin und wieder nötig. Hätte ich die Pflanzen direkt eingepflanzt, wäre die Hölle los gewesen…
Die eingeklebten Becher haben aber immer ihren Zweck erfüllt und sind bis heute perfekt dicht.
[/INDENT]So, nun die Bodenplatte zu Recht schneiden, auf die Glas und Plastikplatten im Glasbecken kleben und einen Schlauch ins Eck der Befeuchtungsstelle kleben, um später das Nest befeuchten zu können. Hatte einen Wattepfropfen unten reingepackt, damit Wasser, das man von oben in den Schlauch schüttet langsam ausfließt und nicht alles wegspült. Hat auch gut geklappt. Als später die Ameisen aber das Befeuchtungssystem zerstört haben (siehe weiter unten), war der Wattepfropfen auch recht schnell draußen. Bringt also nicht viel, außer man stellt sicher, dass sie nicht ran kommen. Allerdings nutze ich immer um Schläuche gut abzudichten einfache Ohrenstöpsel. Z.B. an der Oberseite des Wasserschlauchs. Das funktioniert sehr gut und ist praktischer als Watte.
Damit steht das Grundgerüst.
Jetzt beginnt das Befüllen. Zunächst habe ich Seramisgranulat in das rechte Kompartiment gefüllt als Feuchtigkeitsspeicher. Damit der Sand nicht durchrieselt, habe ich noch ein Stück Baumwollstoff drauf gepackt. Sehr naive Idee, wie ich später schmerzhaft erfahren habe. Zum einen sind Messor viel kräftiger als Lasius. Die Kügelchen sind also schnell rausgebuddelt. Es wäre also besser gewesen die großen Tonkugeln zu nehmen. Und das Stück Stoff? Keine Ahnung wo das geblieben ist. Ich habe es nie wieder gesehen. Nicht einmal Teile davon. Sie müssen es gegessen haben???
[img]http://www.ameisenforum.de/attachment.php?attachmentid=27548&stc=1&d=1354745528[/img]
Zum Schluss noch schichtweise Sand-Lehmmischung drauf packen und oben ringsherum eine Teflon Ausbruchshilfe und fertig ist die Kiste.
Auch hier nochmal zwei Anmerkungen:[INDENT]Ich habe verschiedenfarbige Sandschichten eingefüllt zu rein ästhetischen Zwecken. Völlig sinnlos. Ist nur die ersten paar Wochen schön anzusehen. Sobald die Kolonie wächst, sieht man davon sowieso nichts mehr. Das einzig Lustige daran ist, dass man Anfangs jeden Morgen andersfarbigen Sand auf der Oberfläche findet, wenn sie mal wieder ein neues Gebiet erschlossen haben. Aber auch das vermischt sich schnell zu einem Einheitsbraun. Abgesehen davon, habe ich nach wenigen Wochen Styroporplatten drumherum befestigt um zu isolieren. Die schönen Sandformen waren also sowieso nicht mehr sichtbar. Aber Schaden kann es nicht. Zumindest auf den Fotos macht es etwas her…
[/INDENT][INDENT] Und die Teflonbarriere ist, würde ich sagen, bei Messor minor fast unnötig. Die kommen wenn überhaupt nur an sehr schmutzigem Glas hoch. Bis auch nur in die Nähe des Teflonbandes ist noch keine gekommen. Aber auch hier gilt: Sicher ist sicher. Sollten die Formicarienwände doch etwas schmutziger werden oder sich andere Aufstiegshilfen entwickeln, dann ist man froh ums Teflon. Und entgegen anderer Methoden (Talkum, Öl usw.) bleibt es für Jahre erhalten, solange man nicht dran rumkratzt. Ist dafür etwas fummeliger aufzutragen.
[/INDENT]Fertig sieht das ganze dann so aus (Testlauf noch ohne Ameisen, kann ich übrigens nur empfehlen um erst mal zu „debuggen“, Temperatur mappen usw.):
[img]http://www.ameisenforum.de/attachment.php?attachmentid=27549&stc=1&d=1354745593[/img]
Heizung: Nun zum „Thermaldesign“. Hier hatte ich mir schön den Kopf zerbrochen.
Ich habe Anfangs zwischen einem Heizkabel im Nest (über die ganze Höhe mit 5-6 cm Abstand hin und her gewunden) oder einer Heizmatte unter dem Nest (vorne über die ganze Breite) geschwankt. Habe mich dann letztendlich für eine Heizmatte entschieden. Hauptsächlich aus zwei Gründen:
[list]
[*]Zum einen ist es eine Sache weniger, die man ins Nest einbauen muss und die, wenn sie nicht funktioniert einfacher ausgetauscht oder angepasst werden kann. Ein Kabel das drin ist, ist drin.[/*:m][/list:u]
[list]
[*]Zum anderen ermöglicht eine einseitige Beheizung einen Temperaturgradienten im Nest. Die Tiere können sich also da niederlassen wo es am besten ist. Ein Heizkabel heizt (je nachdem, wie man es einrichtet) alles gleichmäßig. Problem später war, dass die Kolonie so gewachsen ist, dass das gesamte Nest ausgefüllt war und sie wohl oder übel in kalten und in heißen Regionen leben mussten. Im Nachhinein betrachtet ist ein Kabel mit vernünftiger gleichmäßiger Temperatur im ganzen Nest vielleicht doch besser?[/*:m][/list:u]
Hier zwei Schemas:
[img]http://www.ameisenforum.de/attachment.php?attachmentid=27550&stc=1&d=1354745758[/img]
[img]http://www.ameisenforum.de/attachment.php?attachmentid=27551&stc=1&d=1354745758[/img]Beheizt wird das Ganze mit einem Habistat Tag/Nacht Regler. Dadurch, dass der Temperatursensor etwas oberhalb der halben Höhe des Nests sitzt, wird die Temperatur nur an dieser Stelle direkt geregelt.
Je nach Außentemperatur, ist dann der Gradient im Nest größer oder kleiner.[INDENT]Bei hohen Zimmertemperaturen heizt die Matte weniger, um auf Höhe der Temperatursonde auf die Solltemperatur zu gelangen. Der Gradient ist also niedriger.
Bei niedrigeren Zimmertemperaturen muss die Matte mehr heizen um den Sensor auf die gewünschte Temperatur zu bringen. Das Ergebnis ist eine deutlich höhere Temperatur am Boden des Nestes.
[/INDENT]In anderen Worten: Auf Höhe des Temperatursensors ist die Temperatur immer konstant und unabhängig von der Außentemperatur, darunter (und darüber) aber nicht.
Da die Temperatur in einem Zimmer in der Regel nicht zu sehr variiert, ist das Schwanken an sich aber kein großes Problem. Unterschiede zwischen Tag und Nacht gleiche ich aus durch unterschiedliche Sollwerte mit der Tag/Nacht Funktion des Habitats.
Die Größe des Gradienten kann aber durchaus kritisch werden. Habe testweise die Temperatur direkt auf der Heizmatte gemessen und bei einem Sollwert von 27° war die Matte über 40° heiß (und die Luft des Formicariums ca. 22° ohne Lampe). Wenn dann die Zimmertemperatur noch etwas mehr sinkt, dann gibt’s in den tiefsten Kammern Röstameisen…
Um das ganze abzudämpfen habe ich also ringsherum Styropor angebracht und im Inneren des Formicariums eine Lampe eingebaut (Anfangs eine 30 Watt Glühbirne, später eine 30 Watt Neonröhre um ein besseres Spektrum für die Pflanzen zu haben, ohne dass die Temperatur zu hoch steigt).
Das verringert den Gradienten erheblich, da von beiden Seiten geheizt wird und weniger über die Außenwände verloren geht.
Noch eine kleine Anekdote zur Koloniegründung:[INDENT] Anfangs war die
Königin natürlich noch in ihrem Röhrchen mit 10-15 Arbeiterinnen. Die Arbeiterinnen waren schon fleißig am rumwandern, wollten aber einfach nicht graben. Habe ihnen sogar mit einem Zahnstocher ein kleines Loch vorgegraben um sie etwas anzuspornen. Half alles nichts.
Bin aber recht schnell dahinter gekommen woran das lag: Die Bodenfeuchtigkeit war OK. Problem war wahrscheinlich der besagte Temperaturgradient.
Anfangs hatte ich nur eine Lampe im Formicarium und die Bodenmatte unten drunter. Die Luft war also warm (25°) und damit auch das Röhrchen. Der untere Teil des Nestes auch (mind. 27° auf höhe ses Sensors und noch heißer darunter).
Da ich aber noch kein Styropor installiert hatte war die Oberfläche des Nestes noch recht kühl (um die 22°, etwas kälter als die Luft im Formicarium). Da es Winter war, war die Zimmertemperatur um die 20°.
Das es tief unten gemütliche 27° hat, konnten die Ameisen natürlich nicht erahnen. Instinktiv werden sie wohl eher die Erwartung haben, dass es nach unten hin noch kälter wird (außer sie leben in einem vulkanischen Gebiet…).
Ich habe also zeitweise die Konfiguration angepasst. Eine zusätzliche kleine Heizmatte wurde am gleichen Habistat angeschlossen, mittig auf die Vorderseite des Nests geklebt und die große Heizmatte temporär wieder an die Hinterwand verfrachtet (um etwas die Raumluft zu beheizen), wie auf den Fotos unten zu sehen ist.
Das Resultat war sehr erstaunlich: Wenige Stunden später fingen sie das Graben an. Und zwar nicht irgendwo!
Die Matte war etwas versetzt zum Röhrchen und auch versetzt zum vorgebohrten Loch angebracht. Aber anstatt den Weg des geringsten Widerstands zu wählen und direkt vor dem Röhrchen das Loch zu erweitern, sind sie zur Seite gewandert und sind fast auf den Millimeter genau in die Mitte der Matte gegangen.
Ich erkläre mir das ganze folgendermaßen:
Zu den Rändern der Heizmatte hin wird es logischerweise kälter. In der Mitte ist es am wärmsten. Sie haben sich also genau die Mitte gesucht…
Schlussfolgerung für mich ist, dass sie an der unteren Grenze ihrer Lieblingstemperatur sind. Ich hab ihnen also in meiner unendlichen Großzügigkeit noch 2 Grad drauf gepackt und einen Tag später waren sie alle in einer kleinen Kammer genau in der Mitte der Matte.
Erstaunlich wie Temperatursensibel die Kleinen sind. Wir sprechen hier von unterschieden um wenige Grad vielleicht sogar wenige zehntel Grad!
[/INDENT]Also wieder eine Lektion erteilt bekommen:[INDENT] Immer erst ein bisschen Distanz nehmen, Menschenhirn ausschalten (vor allem für einen rationalen Menschen wie mich oft schwierig) und sich vorstellen wie die Welt aus der Sicht einer Ameise aussieht.
Kriterien die für uns normal erscheinen, sind natürlich auf deren Skala irrelevant.
Es hilft natürlich, sich auf menschlich-rationaler Ebene mit der tieferen Funktionsweise sozialer Insekten auseinanderzusetzen (aber das wäre cheaten, nicht wahr ;-)
[/INDENT]Hier ein Foto noch recht am Anfang der Kolonie. Man sieht aber schon die kleinen Seramiskügelchen. Dazu gleich mehr.
[img]http://www.ameisenforum.de/attachment.php?attachmentid=27552&stc=1&d=1354745849[/img]
Befeuchtung: Nun zum leidigsten aller leidigen Themen. Wie schon vorhin erwähnt, ist die Idee einen Feuchtigkeitsgradienten zu bieten.
Rechtsunten ist ein Becken mit Seramis Granulat, in welches man über ein Rohr Wasser füllen kann.
Das Wasser bleibt, dank des abgrenzenden Glasstücks, auch im „Tank“ und fließt nicht weiter nach links ins Nest.
Von da aus kann es dann nach oben und links durch den Sand diffundieren.
Soweit zur Theorie. Anfangs funktionierte es prächtig.
Man konnte den Feutigkeitsgradienten richtig an der Färbung des Sandes sehen und die Ameisen haben es anscheinend auch voll ausgenutzt.
Bald gab es Ausleger weiter nach links, in die trockenere Region (und etwas kältere, da noch von vorne von einer kleinen Heizmatte beheizt), für die Körner und weiter nach rechts, für die Eier. Die
Larven und Nymphen wurden irgendwo dazwischen gelagert.
Irgendetwas hat aber bald die Biester dazu veranlasst noch tiefer zu buddeln.
Als erstes musste meine, zugegebenermaßen sehr naive, Stoffbarriere dran glauben. Zuerst sah ich vereinzelte ausgerissene Fasern an der Oberfläche herumliegen. Irgendwann war der Streifen dann komplett verschwunden (aufgegessen???). Ich habe ihn zumindest nie wieder gesehen. Auch nicht nach dem kompletten Abbau des Formicariums (dazu später mehr).
Und dann waren recht bald die ersten Seramiskugeln an der Oberfläche.
Auch das ist sehr erstaunlich:[INDENT] Zu der Zeit waren noch keine
Majoren vorhanden (oder wenn dann gut versteckt).
Die Kleinen müssen also richtig kräftig und motiviert sein, solche Brocken gegen die Schwerkraft durch die Tunnel an die Oberfläche zu hieven. Die Minor Arbeiterinnen sind nicht viel größer als Lasius und Lasius hat nie einen Seramiskrümel verschoben…
Als dann vermehrt
Majoren geboren wurden, wurde der Prozess nur noch beschleunigt.
[/INDENT]War es die höhere Temperatur, die sie nach unten gelockt hat? Oder die Feuchtigkeit?
Beides würde mich wundern.
Anfangs war die Temperatur (durch die Beheizung von Vorne) recht gleichmäßig über die Höhe verteilt. Später als ich von unten beheizt habe, waren es in der Mitte des Nestes gemütliche 27-30°. An der Unterseite waren es dann bis zu 40° (zwischen Heizmatte und Formicarium gemessen). Fast schon zu viel für eine Messor?
Und das Wasser stand förmlich im Bewässerungskasten. Darüber gab es zu der Zeit auch noch jeden erdenklichen Feuchtigkeitsgrad im Nest verteilt.
Also was genau ihr Beweggrund war, ist mir völlig unklar.
Aber einen Grund hatte es sicher, sonst hätten sie nicht so zielstrebig genau da hin gegraben wo es kochen heiß und pitschnass ist.
Auf jeden Fall hat es sie bald die ersten Leben gekostet. Der Seramishaufen war logischerweise recht feucht und eher bröselig. Ich sah also vermehrt Kadaver unten in der Suppe schwimmen.
Trinkwasser hatten sie übrigens ständig frisches zur Verfügung. Durst war es also sicher auch nicht.
Ohne Befeuchten geht aber auch nicht. Also musste ich regelmäßig sehr vorsichtig tropfenweise Wasser durch das Röhrchen nachkippen.
Anfangs ging das noch. Die Kolonie wuchs fröhlich weiter bis dann irgendwann der gesamte Nestbereich einem Schweizer Käse ähnelte.
Hier zwei Fotos:[INDENT] Der halbfeuchte Bereich, links oberhalb des Bewässerungssystems.
Hier sind auch die meisten Eier,
Larven und Nymphen. Also ein Anzeichen dafür, dass hier der Feuchtigkeitsgrad halbwegs in Ordnung ist.
[/INDENT][INDENT] Als ich das Nest abgebaut habe waren die Decken zwischen den Kammern nur noch wenige Millimeter dick und einige waren schon eingestürzt.
[/INDENT][img]http://www.ameisenforum.de/attachment.php?attachmentid=27554&stc=1&d=1354745985[/img][INDENT] Und hier der Bereich direkt über dem Ex-Bewässerungssystem:
[/INDENT] Dort wo einst die Seramiskugeln waren, ist jetzt ein großes Loch.
Bewässerung war ab da nur noch sehr schwierig, selbst tröpfchenweise, da das Wasser die darüber liegenden Decken zum Einsturz brachte.
Ich habe also vorsichtig von oben über dem Hauptnest (links) befeuchtet. In dem Zustand trocknet das Nest sehr schnell aus. Durch die Heizung von unten und die vielen Gänge verdunstet das Wasser im Nu. Nachbefeuchten war demnach quasi jeden Tag nötig.
Befeuchten im rechten Bereich wurde dann komplett unmöglich, da alles einstürzte. Es wurde so trocken, dass sie dann sogar angefangen haben dort Körner zu lagern.
Bis hierhin sind die „lessons learned“ die folgenden (nichts Neues in Theorie aber dennoch immer wieder einer meiner Standardfehler):
[list]
[*] Verlasse dich nicht auf menschliche Skalen: Die Biester sind zu allem möglich. Selbst die minor Arbeiterinnen schaffen es 10-mal größere und schwere Brocken durch enge Tunnel und Gänge herauszuhieven.[/*:m][/list:u]
[INDENT]Dass Ameisen kräftig sind, war je bekannt. Aber gleich so?
Also lieber in Zukunft nochmal einen 3fachen Sicherheitsfaktor drauf und die richtig großen Kugeln nehmen und am besten noch am Boden festtackern.
[/INDENT]
[list]
[*] Überall wo sie theoretisch hinkommen können, werden sie hingehen. Es ist nur eine Frage der Zeit.[/*:m][/list:u]
[INDENT]Auch wenn kein logischer Grund (zumindest nach menschlicher Logik) dafür vorhanden ist.
Also erst einmal die gewählte Ameisenart genau in der Literatur erkunden (hatte ich eigentlich getan, aber unterschätzt, dass sie so grabwütig sind) und dann dementsprechend das Formicarium gestalten (in diesem Fall waren die Teflonbänder (vorerst) einmal unnötig, dafür hätte ich das Bewässerungssystem verbunkern müssen).
[/INDENT]
[list]
[*] Bewässerungssysteme können viel Schaden anrichten.[/*:m][/list:u]
[INDENT]Also gut von vorneherein durchdenken.
Wasser, das von unten kommt, löst die Decken auf.
Wasser von oben spült alles in den Keller runter.
Da hilft auch langsames „tröpfchenweise“ von oben nicht, wenn das Nest einmal sauber durchtunnelt wurde.
Die einzige sinnvolle Möglichkeit bleibt meiner Meinung nach ein Bewässerungssystem von unten wie ich es hatte (zumindest bei einem vertikalen Nest, habe hier im Forum einige interessante Fotos gesehen von horizontalen Sandnestern, wundere mich aber trotzdem wie ihr es hinbekommt, dass nicht alles beim Bewässern einstürzt). Blos mit einem vernünftigen Grabschutz (wasserdurchlässiger Zement oder sowas?) damit die Ameisen nichts zerstören können und damit das eingefüllte Wasser langsam noch oben diffundieren kann ohne Decken und Wände aufzulösen.
[/INDENT]
[list]
[*] Ich war immer überzeugt von Sand-Lehm Mischung (1:1) um das natürliche Umfeld am besten nachzuahmen.[/*:m][/list:u]
[INDENT]Bei Lasius hatte ich auch noch nie Probleme, weil sie einfach nichts gegen die Seramiskugeln konnten (oder wollten).
Ich hatte einen relativ hohen Lehmanteil gewählt. Der Sand war zwar im trockenen Zustand sehr hart (ich hatte auch, bevor die Ameisen reinkamen, das gesamte Nest mehrmals befeuchtet und komplett austrocknen lassen um es etwas auszuhärten), aber sobald Wasser drankam, weichte es sich auf.
[/INDENT]
[list]
[*]Im Nachhinein betrachtet wäre also ein vorinstalliertes, grabsicheres Nest sicherer gewesen.[/*:m][/list:u]
[INDENT]Ein Formicarium sollte möglichst naturgetreu sein, aber nur im Rahmen des technisch machbaren.
Wenn in der Natur ein Tunnel einbricht oder überschwemmt wird, dann buddeln sie eben einen Meter nebenan weiter.
Im geschlossenen Glaskasten geht das nun mal nicht. Da muss man also solche Szenarien von Anfang an ausschließen. Ein berühmter Architekt sagte einst: „Form follows Function“…
[/INDENT]Soviel dazu…
Bald wurde es unmöglich zu Befeuchten ohne eine Mittlere Katastrophe auszulösen. Es musste also eine längerfristige Lösung her.
Pflanzen: Ein kurzes Wort zu Pflanzen:
Im Prinzip bin ich mit meinem modularen Topfsystem recht zufrieden.
Es erfüllt seinen Zweck, ist benutzerfreundlich und sieht dabei auch noch gut aus.
Einziges Problem sind mal wieder die Kleinen. Natürlich lassen sie sich nicht von einem Kaktus abhalten. Sobald man die arme Pflanze gießt, buddeln sie.
Dabei hilft es, ihre Motivation zu senken indem man optimale Nestbedingungen anbietet.
Anfangs, als alles noch im Lot war im Nest, haben sie nur vereinzelt ein bisschen rumgegraben. Nichts, was die Pflanze oder das Formicarium beschädigt hätte.
Als aber die Nestkonditionen schlechter wurden, waren sie natürlich verzweifelt auf der Suche nach etwas besserem.
Ein Tropfen Wasser im Blumentopf und eine Nacht später ist der ganze Topf ausgehölt und der Kaktus umgekippt.
Man sagt ja auch, man solle keine gekauften Kakteen oder andere Pflanzen wegen den Insektiziden verwenden.
Ich hatte meist nur selber gezüchtete Kakteen- und Sukkulenten Stecklinge drinnen. Also von dieser Seite keine Probleme.
Habe dann doch mal einen gekauften Kaktus reingetan, der 2 oder 3 Monate lang auf meinem Fensterbrett stand. Hat auch keine sichtlichen Probleme bereitet.
Ernährung:[list]
[*] Ich habe ihnen Anfangs Nachtkerzensamen und eine Öko Körnermischung aus dem Supermarkt gegeben (Mischung aus Linsen, Wildreis und verschiedene andere Körner, schmeckt sogar für Menschen recht passabel).[/*:m][/list:u]
[list]
[*]Und dazu verschiedene Proteine:[/*:m][/list:u]
[INDENT]Wasserflöhe, Salinenkrebs und Gammarus mögen sie besonders gerne (kleines Zeugs).
Größere Brocken wie Wasserfliegen und Grillen haben sie früher direkt auf ihren Müll verfrachtet.
Mittlerweile verschwindet auch das in ihr Nest und man sieht ein paar Tage später die Beine und Flügel auf dem Müllberg. Muss wohl an der Koloniegröße liegen. Sie haben sich wahrscheinlich nicht an die großen Brocken getraut.
[/INDENT]
[list]
[*]Meine Lasius niger essen auch sehr gerne diese Fertiggels.[/*:m][/list:u]
[INDENT]Messor minor hat Gel aber immer links liegen gelassen.
[/INDENT]
[list]
[*]Zucker oder Honig bringt übrigens auch nichts, war aber abzusehen.[/*:m][/list:u]
Anfangs habe ich darauf geachtet, dass immer etwas Körner und Proteine vorhanden sind.
Später habe ich sie aber etwas auf Diät gesetzt. Sie haben so viel Körner in ihrem Nest angehäuft, dass es noch für 3 Jahre reicht.
Ameisenbrot habe ich übrigens noch keines gefunden. Vielleicht machen sie das nur zu einer bestimmten Saison?
Eine andere interessante Futteralternative sind getrocknete Hirsestengel, die man als Vogelfutter kaufen kann.
Einfache Körnermischung ist da, verglichen dazu, recht langweilig.
Sie schleppen ruckzuck alles in eine ihrer Kornkammern und dann sind sie tagelang von der Oberfläche verschwunden und hauen sich den Wanst unter der Erde voll.
Zur Strafe habe ich ihnen eine Zeit lang keine Körnermischung mehr gegeben. Es gab nur noch Hirsestengel und anderes Vogelfutter und schon hatten sie ganze Straßen eingerichtet um die Hirse abzunagen.
Vor allem kamen dann auch vermehrt die
Majoren raus.[INDENT] Komischerweise scheinen mir übrigens gerade die
Majoren, die eigentlich durch ihre Größe viel wehrhafter sein sollten, viel ängstlicher.
Sie waren nie am normalen Futtertrog zu sehen. Sie haben die Kleinen selbst mit den größten Brocken im Stich gelassen.
Liegt aber wohl daran, dass wir es hier mit einer defensiven Art zu tun haben und die
Majoren eher große Kaumaschinen als Kampfmaschinen sind.
Ist also evolutionär logisch die großen Individuen die eine Kolonie viel Energie kosten eher verdeckt zu halten und die kleinen „billigen“ an die Front zu schicken um Essen aufzuspüren.
[/INDENT]---------------
So, das reicht fürs erste. An diesem Punkt stand erstmal fest, dass ich das Grundkonzept des Formicariums nochmal überdenken muss und, dass die Messors umziehen müssen (und schon umgezogen sind :-). Dazu bald noch mehr in einem weiteren Beitrag.
Werde in ein paar Wochen nach Deutschland zurückziehen. Bin also gerade mit Kartons beschäftigt. Ich versuche aber noch einen Artikel zum Umzug der Ameisen in ein anderes Formicarium zu schreiben. Kann aber nicht garantieren, dass ich es noch vor meiner Abreise schaffe. Wenn ich es nicht schaffe, kommt der nächste Teil Mitte Januar, wenn ich mit den Damen wieder festen Fuß gefassen habe :-)