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Messor minor - Haltungserfahrung

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Myrwei
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#1 Messor minor - Haltungserfahrung

Beitrag von Myrwei » 5. Dezember 2012, 22:58

Hallo liebe Ameisengemeinde,

Nachdem ich schon seit einiger Zeit als Beobachter in diesem Forum herumstöbere, wird es Zeit einen Bericht beizusteuern.

Ich halte schon seit 5 Jahren verschiedene Lasius niger Kolonien. Letztes Jahr war mir dann die Winterruhe zu langweilig und ich habe mich an einer Messor minor versucht.
Da ich die Kolonie schon seit einiger Zeit habe, werde ich keinen tag-täglichen Bericht abliefern, sondern mehr zusammenfassend und rückwirkend auf die Eigenheiten und Schwierigkeiten eingehen und die Schlüsse, die ich daraus gezogen habe.
Zögert nicht mir Eure Sichtweisen und Erklärungen zu geben. Den Diskussionsthread findet ihr hier.
Als Intschenör habe ich die Tendenz Sachen eher mit Watt, kg und Celsius zu erklären. Die Ameisen haben mich aber oft eines Besseren belehrt! Ihr werdet sicher auch die eine oder andere Erläuterung haben, die mir vor lauter Technikgefimmel verborgen blieb.

Aber zunächst einmal die „biologischen“ Rahmendaten:


Messor minor:

Herkunftsort/Klima: Korsika (aus einem französischen Webshop, wohne zurzeit noch in Frankreich). Genauere Infos zur Herkunft konnte ich nicht bekommen. Wer schon mal in Korsika war, weiß aber, dass es dort viele Mikroklimata gibt. In den Bergen ist das Wetter (vor allem die Temperatur) völlig anders als am Südstrand… Aber mangels näherer Infos verlasse ich mich auf die Klimadatenbank von Ajaccio:


Bild

Der Verkäufer empfiehlt, das ganze Jahr über konstant 27°C tags und 22°C nachts zu halten. Ich habe es bisher näherungsweise so gehalten, habe aber diesen Winter die Temperatur stellenweise etwas heruntergefahren, da ich mich auf einen Umzug vorbereite (Ameisen sind vor ein paar Tagen umgezogen und ich werde bald mit ihnen im Karton umziehen, näheres dazu später).


Jungfernflug (der Königin, hatte selber noch keine Geschlechtstiere): Dezember 2011


Einzug bei mir: Februar 2011


Koloniegröße bei Einzug: ca. 10 Arbeiterinnen + ein paar Eier, Larven und eine Nymphe


Wachstum: buchstäblich exponentiell. Anfangs sehr langsam und dann explosionsartig


Nahrung: Alle möglichen Körner und kleine Insekten


Aussehen: von Major bis Minor-Arbeiterinnen alle Zwischengrößen. Meist schwarzer Körper mit dunkelrotem Kopf. Ich habe aber auch einige Minoren mit grauem Kopf und vor allem verrückte Majoren mit gelbem Kopf. Die Majoren können ganzschöne Brocken werden, die so groß wie die Königin sind und nur durch die kleinere Gaster und den dickeren Kopf zu unterscheiden sind.


Gefährlichkeit: absolut ungefährlich. Man spürt zwar, dass sie starke Mandibeln haben, die ohne weiteres Getreide mahlen können. Bisse tun aber überhaupt nicht weh.


Nest: Feuchte Stelle für Brut und trockene Stelle für Körner einplanen.
Dateianhänge
Messor minor - Klima Ajaccio.jpg



Myrwei
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#2

Beitrag von Myrwei » 6. Dezember 2012, 00:47

Und nun zur Technik…


Formicariumbau:

Ich hatte zwar schon eine ganze Kollektion an alten Formicarien, da die Messor minor aber andere Anforderungen haben als Lasius niger, habe ich ein Neues gebaut.

Es basiert auf einem Standard 30 x 30 x 60 cm Glasbecken mit 2 Anschlüssen für Schläuche.
In dieses Glasbecken habe ich L-förmig ca. 12 cm hohe Glasplatten geklebt. Ich verwende Aquariensilikon. Das funktioniert sehr gut, ist ungiftig (nach dem Austrocknen, beim Auftragen stinkt es ein wenig) und ist bisher der beste Kleber den ich für solche Anwendungen gefunden habe. Harz, Sekundenkleber oder sonstiges Zeugs ist zu steif (Silikon gibt nach und bleibt auch nach Jahren noch flexibel) und wird vor allem durch Temperatur oder Feuchtigkeitszyklen spröde und gammelig.
Längs den unbenutzten Glaswänden habe ich Plastikschaumplatten geklebt. Diese dienen zum einen, den Boden, der oben drauf kommt, zu stützen und auch als zusätzliche Isolierung. Das ganze sieht dann etwa so aus:

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[img]http://www.ameisenforum.de/attachment.php?attachmentid=27546&stc=1&d=1354744915[/img]
Man beachte die „Sichtbrille“, die ich an der kurzen Seite ausgeschnitten habe um später das Nest von Innen beobachten zu können. Meine Erfahrungen mit Lasius haben mir gezeigt, dass man besser keine versteckten „Totzonen“ ins Formicarium einbaut. Besser ist, man kann überall Einsicht haben. Nicht mal wirklich um sie beobachten zu können, sondern um sicher zu gehen dass sie keinen Unfug treiben. Big Brother is watching you!

Außerdem kann man am besten erkennen was im Nest passiert, wenn man es von hinten beleuchtet (also durch das Sichtfenster an der Seite reinleuchten). Beleuchtung von außen macht zu viele Reflektionen am Schmutz, der an der Scheibe klebt.
Für die Beleuchtung wollte ich anfangs einen dauerhaft installierten rote LED Streifen unter das Formicarium einbauen. Habe es bisher aber noch nicht gemacht, kommt in Version 2.0. Ich verwende im Moment ein rotes LED Fahrradrücklicht um reinzugucken. Das Nest ist von Außen mit einer roten Folie abgedeckt.

Mir ist dabei noch eine Sache aufgefallen:[INDENT]Wenn ich mit einer normalen Taschenlampe durch den Rotlichtfilter leuchte, dann stört es sie nicht sonderlich, solange ich weit weg bleibe.
Ohne Filter werden sie sofort panisch. Und sobald ich näher rangehe, auch mit Filter, werden sie sichtlich genervt.
Mit roten LEDs kann ich aber direkt rein braten und sie reagieren gar nicht.
Denke mal, dass der Filter nicht sonderlich eng filtert (obwohl es ein hochwertiger ist).
LEDs haben ein sehr schmales Spektrum. Anscheinend reagieren sie auf das monochromatische Licht der LEDs nicht.
Das Streulicht, das aber in anderen Wellenlängenbereichen der Folie durchkommt bemerken sie anscheinend schon wenn es etwas intensiver wird.
Aber generell würde ich sagen, dass Rotlicht optimal ist, um Messor minor zu beobachten.
Hab auch schon gelesen, dass andere blaues Licht verwenden.
[/INDENT]An der Vorderseite des Nestes habe ich noch ein kleines Stück Glas unten eingeklebt. Es wird später das Befeuchtungssystem von der trockenen Seite abtrennen (so zumindest die Theorie…).

Der nächste Schritt ist die Bodenplatte mit „patentierten“ Pflanzenbehältern. Das Konzept ist recht simpel: Kleine Plastikbecher aus dem Supermarkt (ungefähr die Größe von mini Blumentöpfen) kaufen. Einem Becher den oberen Rand abschneiden. Diesen Becher nehmen um Kreise auf der Bodenplatte anzuzeichnen. Löcher ausschneiden, Becher einfügen und mit Silikon festkleben. Da man die Löcher mit einem Becher ohne Rand abgemessen hat, passen die Becher perfekt rein und die Ränder dichten den Boden komplett ab.


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[img]http://www.ameisenforum.de/attachment.php?attachmentid=27547&stc=1&d=1354745421[/img]
Jetzt kann man Pflanzen in anderen Bechern großziehen (vorher unten Löcher in die Becher stechen damit das Wasser ablaufen kann) und beliebig in die festen Becher einsetzen. Außerdem sieht das ganze auch noch besser aus, da die Pflanzen dann mit dem Boden eben sind (man sieht die Töpfe nicht).

Die Idee kommt auch aus einer Lektion die mir Lasius erteilt hat:[INDENT]Niemals irgendetwas fest einbauen (außer das Nest selber…).
Es geht später zwangsweise etwas schief und besser man kann es ohne großen Aufwand (und Stress für die Tiere) entfernen bzw. anpassen.
Und ich war froh darum… Die Idee Pflanzen einzubauen ist zwar schön, aber schwieriger als gedacht. Wechsel war hin und wieder nötig. Hätte ich die Pflanzen direkt eingepflanzt, wäre die Hölle los gewesen…
Die eingeklebten Becher haben aber immer ihren Zweck erfüllt und sind bis heute perfekt dicht.
[/INDENT]So, nun die Bodenplatte zu Recht schneiden, auf die Glas und Plastikplatten im Glasbecken kleben und einen Schlauch ins Eck der Befeuchtungsstelle kleben, um später das Nest befeuchten zu können. Hatte einen Wattepfropfen unten reingepackt, damit Wasser, das man von oben in den Schlauch schüttet langsam ausfließt und nicht alles wegspült. Hat auch gut geklappt. Als später die Ameisen aber das Befeuchtungssystem zerstört haben (siehe weiter unten), war der Wattepfropfen auch recht schnell draußen. Bringt also nicht viel, außer man stellt sicher, dass sie nicht ran kommen. Allerdings nutze ich immer um Schläuche gut abzudichten einfache Ohrenstöpsel. Z.B. an der Oberseite des Wasserschlauchs. Das funktioniert sehr gut und ist praktischer als Watte.

Damit steht das Grundgerüst.

Jetzt beginnt das Befüllen. Zunächst habe ich Seramisgranulat in das rechte Kompartiment gefüllt als Feuchtigkeitsspeicher. Damit der Sand nicht durchrieselt, habe ich noch ein Stück Baumwollstoff drauf gepackt. Sehr naive Idee, wie ich später schmerzhaft erfahren habe. Zum einen sind Messor viel kräftiger als Lasius. Die Kügelchen sind also schnell rausgebuddelt. Es wäre also besser gewesen die großen Tonkugeln zu nehmen. Und das Stück Stoff? Keine Ahnung wo das geblieben ist. Ich habe es nie wieder gesehen. Nicht einmal Teile davon. Sie müssen es gegessen haben???

[img]http://www.ameisenforum.de/attachment.php?attachmentid=27548&stc=1&d=1354745528[/img]
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Zum Schluss noch schichtweise Sand-Lehmmischung drauf packen und oben ringsherum eine Teflon Ausbruchshilfe und fertig ist die Kiste.

Auch hier nochmal zwei Anmerkungen:[INDENT]Ich habe verschiedenfarbige Sandschichten eingefüllt zu rein ästhetischen Zwecken. Völlig sinnlos. Ist nur die ersten paar Wochen schön anzusehen. Sobald die Kolonie wächst, sieht man davon sowieso nichts mehr. Das einzig Lustige daran ist, dass man Anfangs jeden Morgen andersfarbigen Sand auf der Oberfläche findet, wenn sie mal wieder ein neues Gebiet erschlossen haben. Aber auch das vermischt sich schnell zu einem Einheitsbraun. Abgesehen davon, habe ich nach wenigen Wochen Styroporplatten drumherum befestigt um zu isolieren. Die schönen Sandformen waren also sowieso nicht mehr sichtbar. Aber Schaden kann es nicht. Zumindest auf den Fotos macht es etwas her…
[/INDENT][INDENT] Und die Teflonbarriere ist, würde ich sagen, bei Messor minor fast unnötig. Die kommen wenn überhaupt nur an sehr schmutzigem Glas hoch. Bis auch nur in die Nähe des Teflonbandes ist noch keine gekommen. Aber auch hier gilt: Sicher ist sicher. Sollten die Formicarienwände doch etwas schmutziger werden oder sich andere Aufstiegshilfen entwickeln, dann ist man froh ums Teflon. Und entgegen anderer Methoden (Talkum, Öl usw.) bleibt es für Jahre erhalten, solange man nicht dran rumkratzt. Ist dafür etwas fummeliger aufzutragen.
[/INDENT]Fertig sieht das ganze dann so aus (Testlauf noch ohne Ameisen, kann ich übrigens nur empfehlen um erst mal zu „debuggen“, Temperatur mappen usw.):

[img]http://www.ameisenforum.de/attachment.php?attachmentid=27549&stc=1&d=1354745593[/img]
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Heizung:

Nun zum „Thermaldesign“. Hier hatte ich mir schön den Kopf zerbrochen.
Ich habe Anfangs zwischen einem Heizkabel im Nest (über die ganze Höhe mit 5-6 cm Abstand hin und her gewunden) oder einer Heizmatte unter dem Nest (vorne über die ganze Breite) geschwankt. Habe mich dann letztendlich für eine Heizmatte entschieden. Hauptsächlich aus zwei Gründen:

[list]
[*]Zum einen ist es eine Sache weniger, die man ins Nest einbauen muss und die, wenn sie nicht funktioniert einfacher ausgetauscht oder angepasst werden kann. Ein Kabel das drin ist, ist drin.[/*:m][/list:u]

[list]
[*]Zum anderen ermöglicht eine einseitige Beheizung einen Temperaturgradienten im Nest. Die Tiere können sich also da niederlassen wo es am besten ist. Ein Heizkabel heizt (je nachdem, wie man es einrichtet) alles gleichmäßig. Problem später war, dass die Kolonie so gewachsen ist, dass das gesamte Nest ausgefüllt war und sie wohl oder übel in kalten und in heißen Regionen leben mussten. Im Nachhinein betrachtet ist ein Kabel mit vernünftiger gleichmäßiger Temperatur im ganzen Nest vielleicht doch besser?[/*:m][/list:u]
Hier zwei Schemas:

[img]http://www.ameisenforum.de/attachment.php?attachmentid=27550&stc=1&d=1354745758[/img]
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[img]http://www.ameisenforum.de/attachment.php?attachmentid=27551&stc=1&d=1354745758[/img]Beheizt wird das Ganze mit einem Habistat Tag/Nacht Regler. Dadurch, dass der Temperatursensor etwas oberhalb der halben Höhe des Nests sitzt, wird die Temperatur nur an dieser Stelle direkt geregelt.

Je nach Außentemperatur, ist dann der Gradient im Nest größer oder kleiner.[INDENT]Bei hohen Zimmertemperaturen heizt die Matte weniger, um auf Höhe der Temperatursonde auf die Solltemperatur zu gelangen. Der Gradient ist also niedriger.

Bei niedrigeren Zimmertemperaturen muss die Matte mehr heizen um den Sensor auf die gewünschte Temperatur zu bringen. Das Ergebnis ist eine deutlich höhere Temperatur am Boden des Nestes.
[/INDENT]In anderen Worten: Auf Höhe des Temperatursensors ist die Temperatur immer konstant und unabhängig von der Außentemperatur, darunter (und darüber) aber nicht.

Da die Temperatur in einem Zimmer in der Regel nicht zu sehr variiert, ist das Schwanken an sich aber kein großes Problem. Unterschiede zwischen Tag und Nacht gleiche ich aus durch unterschiedliche Sollwerte mit der Tag/Nacht Funktion des Habitats.
Die Größe des Gradienten kann aber durchaus kritisch werden. Habe testweise die Temperatur direkt auf der Heizmatte gemessen und bei einem Sollwert von 27° war die Matte über 40° heiß (und die Luft des Formicariums ca. 22° ohne Lampe). Wenn dann die Zimmertemperatur noch etwas mehr sinkt, dann gibt’s in den tiefsten Kammern Röstameisen…

Um das ganze abzudämpfen habe ich also ringsherum Styropor angebracht und im Inneren des Formicariums eine Lampe eingebaut (Anfangs eine 30 Watt Glühbirne, später eine 30 Watt Neonröhre um ein besseres Spektrum für die Pflanzen zu haben, ohne dass die Temperatur zu hoch steigt).
Das verringert den Gradienten erheblich, da von beiden Seiten geheizt wird und weniger über die Außenwände verloren geht.

Noch eine kleine Anekdote zur Koloniegründung:[INDENT] Anfangs war die Königin natürlich noch in ihrem Röhrchen mit 10-15 Arbeiterinnen. Die Arbeiterinnen waren schon fleißig am rumwandern, wollten aber einfach nicht graben. Habe ihnen sogar mit einem Zahnstocher ein kleines Loch vorgegraben um sie etwas anzuspornen. Half alles nichts.

Bin aber recht schnell dahinter gekommen woran das lag: Die Bodenfeuchtigkeit war OK. Problem war wahrscheinlich der besagte Temperaturgradient.
Anfangs hatte ich nur eine Lampe im Formicarium und die Bodenmatte unten drunter. Die Luft war also warm (25°) und damit auch das Röhrchen. Der untere Teil des Nestes auch (mind. 27° auf höhe ses Sensors und noch heißer darunter).
Da ich aber noch kein Styropor installiert hatte war die Oberfläche des Nestes noch recht kühl (um die 22°, etwas kälter als die Luft im Formicarium). Da es Winter war, war die Zimmertemperatur um die 20°.

Das es tief unten gemütliche 27° hat, konnten die Ameisen natürlich nicht erahnen. Instinktiv werden sie wohl eher die Erwartung haben, dass es nach unten hin noch kälter wird (außer sie leben in einem vulkanischen Gebiet…).

Ich habe also zeitweise die Konfiguration angepasst. Eine zusätzliche kleine Heizmatte wurde am gleichen Habistat angeschlossen, mittig auf die Vorderseite des Nests geklebt und die große Heizmatte temporär wieder an die Hinterwand verfrachtet (um etwas die Raumluft zu beheizen), wie auf den Fotos unten zu sehen ist.

Das Resultat war sehr erstaunlich: Wenige Stunden später fingen sie das Graben an. Und zwar nicht irgendwo!
Die Matte war etwas versetzt zum Röhrchen und auch versetzt zum vorgebohrten Loch angebracht. Aber anstatt den Weg des geringsten Widerstands zu wählen und direkt vor dem Röhrchen das Loch zu erweitern, sind sie zur Seite gewandert und sind fast auf den Millimeter genau in die Mitte der Matte gegangen.
Ich erkläre mir das ganze folgendermaßen:
Zu den Rändern der Heizmatte hin wird es logischerweise kälter. In der Mitte ist es am wärmsten. Sie haben sich also genau die Mitte gesucht…

Schlussfolgerung für mich ist, dass sie an der unteren Grenze ihrer Lieblingstemperatur sind. Ich hab ihnen also in meiner unendlichen Großzügigkeit noch 2 Grad drauf gepackt und einen Tag später waren sie alle in einer kleinen Kammer genau in der Mitte der Matte.
Erstaunlich wie Temperatursensibel die Kleinen sind. Wir sprechen hier von unterschieden um wenige Grad vielleicht sogar wenige zehntel Grad!
[/INDENT]Also wieder eine Lektion erteilt bekommen:[INDENT] Immer erst ein bisschen Distanz nehmen, Menschenhirn ausschalten (vor allem für einen rationalen Menschen wie mich oft schwierig) und sich vorstellen wie die Welt aus der Sicht einer Ameise aussieht.
Kriterien die für uns normal erscheinen, sind natürlich auf deren Skala irrelevant.
Es hilft natürlich, sich auf menschlich-rationaler Ebene mit der tieferen Funktionsweise sozialer Insekten auseinanderzusetzen (aber das wäre cheaten, nicht wahr ;-)
[/INDENT]Hier ein Foto noch recht am Anfang der Kolonie. Man sieht aber schon die kleinen Seramiskügelchen. Dazu gleich mehr.

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[img]http://www.ameisenforum.de/attachment.php?attachmentid=27552&stc=1&d=1354745849[/img]

Befeuchtung:

Nun zum leidigsten aller leidigen Themen. Wie schon vorhin erwähnt, ist die Idee einen Feuchtigkeitsgradienten zu bieten.
Rechtsunten ist ein Becken mit Seramis Granulat, in welches man über ein Rohr Wasser füllen kann.
Das Wasser bleibt, dank des abgrenzenden Glasstücks, auch im „Tank“ und fließt nicht weiter nach links ins Nest.
Von da aus kann es dann nach oben und links durch den Sand diffundieren.

Soweit zur Theorie. Anfangs funktionierte es prächtig.
Man konnte den Feutigkeitsgradienten richtig an der Färbung des Sandes sehen und die Ameisen haben es anscheinend auch voll ausgenutzt.
Bald gab es Ausleger weiter nach links, in die trockenere Region (und etwas kältere, da noch von vorne von einer kleinen Heizmatte beheizt), für die Körner und weiter nach rechts, für die Eier. Die Larven und Nymphen wurden irgendwo dazwischen gelagert.

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Irgendetwas hat aber bald die Biester dazu veranlasst noch tiefer zu buddeln.
Als erstes musste meine, zugegebenermaßen sehr naive, Stoffbarriere dran glauben. Zuerst sah ich vereinzelte ausgerissene Fasern an der Oberfläche herumliegen. Irgendwann war der Streifen dann komplett verschwunden (aufgegessen???). Ich habe ihn zumindest nie wieder gesehen. Auch nicht nach dem kompletten Abbau des Formicariums (dazu später mehr).

Und dann waren recht bald die ersten Seramiskugeln an der Oberfläche.

Auch das ist sehr erstaunlich:[INDENT] Zu der Zeit waren noch keine Majoren vorhanden (oder wenn dann gut versteckt).
Die Kleinen müssen also richtig kräftig und motiviert sein, solche Brocken gegen die Schwerkraft durch die Tunnel an die Oberfläche zu hieven. Die Minor Arbeiterinnen sind nicht viel größer als Lasius und Lasius hat nie einen Seramiskrümel verschoben…
Als dann vermehrt Majoren geboren wurden, wurde der Prozess nur noch beschleunigt.
[/INDENT]War es die höhere Temperatur, die sie nach unten gelockt hat? Oder die Feuchtigkeit?
Beides würde mich wundern.

Anfangs war die Temperatur (durch die Beheizung von Vorne) recht gleichmäßig über die Höhe verteilt. Später als ich von unten beheizt habe, waren es in der Mitte des Nestes gemütliche 27-30°. An der Unterseite waren es dann bis zu 40° (zwischen Heizmatte und Formicarium gemessen). Fast schon zu viel für eine Messor?

Und das Wasser stand förmlich im Bewässerungskasten. Darüber gab es zu der Zeit auch noch jeden erdenklichen Feuchtigkeitsgrad im Nest verteilt.
Also was genau ihr Beweggrund war, ist mir völlig unklar.

Aber einen Grund hatte es sicher, sonst hätten sie nicht so zielstrebig genau da hin gegraben wo es kochen heiß und pitschnass ist.

Auf jeden Fall hat es sie bald die ersten Leben gekostet. Der Seramishaufen war logischerweise recht feucht und eher bröselig. Ich sah also vermehrt Kadaver unten in der Suppe schwimmen.

Trinkwasser hatten sie übrigens ständig frisches zur Verfügung. Durst war es also sicher auch nicht.

Ohne Befeuchten geht aber auch nicht. Also musste ich regelmäßig sehr vorsichtig tropfenweise Wasser durch das Röhrchen nachkippen.
Anfangs ging das noch. Die Kolonie wuchs fröhlich weiter bis dann irgendwann der gesamte Nestbereich einem Schweizer Käse ähnelte.

Hier zwei Fotos:[INDENT] Der halbfeuchte Bereich, links oberhalb des Bewässerungssystems.
Hier sind auch die meisten Eier, Larven und Nymphen. Also ein Anzeichen dafür, dass hier der Feuchtigkeitsgrad halbwegs in Ordnung ist.
[/INDENT][INDENT] Als ich das Nest abgebaut habe waren die Decken zwischen den Kammern nur noch wenige Millimeter dick und einige waren schon eingestürzt.

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[/INDENT][img]http://www.ameisenforum.de/attachment.php?attachmentid=27554&stc=1&d=1354745985[/img][INDENT] Und hier der Bereich direkt über dem Ex-Bewässerungssystem:

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[/INDENT] Dort wo einst die Seramiskugeln waren, ist jetzt ein großes Loch.

Bewässerung war ab da nur noch sehr schwierig, selbst tröpfchenweise, da das Wasser die darüber liegenden Decken zum Einsturz brachte.
Ich habe also vorsichtig von oben über dem Hauptnest (links) befeuchtet. In dem Zustand trocknet das Nest sehr schnell aus. Durch die Heizung von unten und die vielen Gänge verdunstet das Wasser im Nu. Nachbefeuchten war demnach quasi jeden Tag nötig.

Befeuchten im rechten Bereich wurde dann komplett unmöglich, da alles einstürzte. Es wurde so trocken, dass sie dann sogar angefangen haben dort Körner zu lagern.

Bis hierhin sind die „lessons learned“ die folgenden (nichts Neues in Theorie aber dennoch immer wieder einer meiner Standardfehler):

[list]
[*] Verlasse dich nicht auf menschliche Skalen: Die Biester sind zu allem möglich. Selbst die minor Arbeiterinnen schaffen es 10-mal größere und schwere Brocken durch enge Tunnel und Gänge herauszuhieven.[/*:m][/list:u]
[INDENT]Dass Ameisen kräftig sind, war je bekannt. Aber gleich so?
Also lieber in Zukunft nochmal einen 3fachen Sicherheitsfaktor drauf und die richtig großen Kugeln nehmen und am besten noch am Boden festtackern.
[/INDENT]
[list]
[*] Überall wo sie theoretisch hinkommen können, werden sie hingehen. Es ist nur eine Frage der Zeit.[/*:m][/list:u]
[INDENT]Auch wenn kein logischer Grund (zumindest nach menschlicher Logik) dafür vorhanden ist.
Also erst einmal die gewählte Ameisenart genau in der Literatur erkunden (hatte ich eigentlich getan, aber unterschätzt, dass sie so grabwütig sind) und dann dementsprechend das Formicarium gestalten (in diesem Fall waren die Teflonbänder (vorerst) einmal unnötig, dafür hätte ich das Bewässerungssystem verbunkern müssen).
[/INDENT]
[list]
[*] Bewässerungssysteme können viel Schaden anrichten.[/*:m][/list:u]
[INDENT]Also gut von vorneherein durchdenken.
Wasser, das von unten kommt, löst die Decken auf.
Wasser von oben spült alles in den Keller runter.
Da hilft auch langsames „tröpfchenweise“ von oben nicht, wenn das Nest einmal sauber durchtunnelt wurde.
Die einzige sinnvolle Möglichkeit bleibt meiner Meinung nach ein Bewässerungssystem von unten wie ich es hatte (zumindest bei einem vertikalen Nest, habe hier im Forum einige interessante Fotos gesehen von horizontalen Sandnestern, wundere mich aber trotzdem wie ihr es hinbekommt, dass nicht alles beim Bewässern einstürzt). Blos mit einem vernünftigen Grabschutz (wasserdurchlässiger Zement oder sowas?) damit die Ameisen nichts zerstören können und damit das eingefüllte Wasser langsam noch oben diffundieren kann ohne Decken und Wände aufzulösen.
[/INDENT]
[list]
[*] Ich war immer überzeugt von Sand-Lehm Mischung (1:1) um das natürliche Umfeld am besten nachzuahmen.[/*:m][/list:u]
[INDENT]Bei Lasius hatte ich auch noch nie Probleme, weil sie einfach nichts gegen die Seramiskugeln konnten (oder wollten).
Ich hatte einen relativ hohen Lehmanteil gewählt. Der Sand war zwar im trockenen Zustand sehr hart (ich hatte auch, bevor die Ameisen reinkamen, das gesamte Nest mehrmals befeuchtet und komplett austrocknen lassen um es etwas auszuhärten), aber sobald Wasser drankam, weichte es sich auf.
[/INDENT]
[list]
[*]Im Nachhinein betrachtet wäre also ein vorinstalliertes, grabsicheres Nest sicherer gewesen.[/*:m][/list:u]
[INDENT]Ein Formicarium sollte möglichst naturgetreu sein, aber nur im Rahmen des technisch machbaren.
Wenn in der Natur ein Tunnel einbricht oder überschwemmt wird, dann buddeln sie eben einen Meter nebenan weiter.
Im geschlossenen Glaskasten geht das nun mal nicht. Da muss man also solche Szenarien von Anfang an ausschließen. Ein berühmter Architekt sagte einst: „Form follows Function“…
[/INDENT]Soviel dazu…

Bald wurde es unmöglich zu Befeuchten ohne eine Mittlere Katastrophe auszulösen. Es musste also eine längerfristige Lösung her.


Pflanzen:

Ein kurzes Wort zu Pflanzen:
Im Prinzip bin ich mit meinem modularen Topfsystem recht zufrieden.
Es erfüllt seinen Zweck, ist benutzerfreundlich und sieht dabei auch noch gut aus.
Einziges Problem sind mal wieder die Kleinen. Natürlich lassen sie sich nicht von einem Kaktus abhalten. Sobald man die arme Pflanze gießt, buddeln sie.

Dabei hilft es, ihre Motivation zu senken indem man optimale Nestbedingungen anbietet.
Anfangs, als alles noch im Lot war im Nest, haben sie nur vereinzelt ein bisschen rumgegraben. Nichts, was die Pflanze oder das Formicarium beschädigt hätte.

Als aber die Nestkonditionen schlechter wurden, waren sie natürlich verzweifelt auf der Suche nach etwas besserem.
Ein Tropfen Wasser im Blumentopf und eine Nacht später ist der ganze Topf ausgehölt und der Kaktus umgekippt.


Man sagt ja auch, man solle keine gekauften Kakteen oder andere Pflanzen wegen den Insektiziden verwenden.
Ich hatte meist nur selber gezüchtete Kakteen- und Sukkulenten Stecklinge drinnen. Also von dieser Seite keine Probleme.
Habe dann doch mal einen gekauften Kaktus reingetan, der 2 oder 3 Monate lang auf meinem Fensterbrett stand. Hat auch keine sichtlichen Probleme bereitet.


Ernährung:

[list]
[*] Ich habe ihnen Anfangs Nachtkerzensamen und eine Öko Körnermischung aus dem Supermarkt gegeben (Mischung aus Linsen, Wildreis und verschiedene andere Körner, schmeckt sogar für Menschen recht passabel).[/*:m][/list:u]

[list]
[*]Und dazu verschiedene Proteine:[/*:m][/list:u]
[INDENT]Wasserflöhe, Salinenkrebs und Gammarus mögen sie besonders gerne (kleines Zeugs).
Größere Brocken wie Wasserfliegen und Grillen haben sie früher direkt auf ihren Müll verfrachtet.
Mittlerweile verschwindet auch das in ihr Nest und man sieht ein paar Tage später die Beine und Flügel auf dem Müllberg. Muss wohl an der Koloniegröße liegen. Sie haben sich wahrscheinlich nicht an die großen Brocken getraut.
[/INDENT]
[list]
[*]Meine Lasius niger essen auch sehr gerne diese Fertiggels.[/*:m][/list:u]
[INDENT]Messor minor hat Gel aber immer links liegen gelassen.
[/INDENT]
[list]
[*]Zucker oder Honig bringt übrigens auch nichts, war aber abzusehen.[/*:m][/list:u]
Anfangs habe ich darauf geachtet, dass immer etwas Körner und Proteine vorhanden sind.
Später habe ich sie aber etwas auf Diät gesetzt. Sie haben so viel Körner in ihrem Nest angehäuft, dass es noch für 3 Jahre reicht.

Ameisenbrot habe ich übrigens noch keines gefunden. Vielleicht machen sie das nur zu einer bestimmten Saison?

Eine andere interessante Futteralternative sind getrocknete Hirsestengel, die man als Vogelfutter kaufen kann.
Einfache Körnermischung ist da, verglichen dazu, recht langweilig.
Sie schleppen ruckzuck alles in eine ihrer Kornkammern und dann sind sie tagelang von der Oberfläche verschwunden und hauen sich den Wanst unter der Erde voll.
Zur Strafe habe ich ihnen eine Zeit lang keine Körnermischung mehr gegeben. Es gab nur noch Hirsestengel und anderes Vogelfutter und schon hatten sie ganze Straßen eingerichtet um die Hirse abzunagen.
Vor allem kamen dann auch vermehrt die Majoren raus.[INDENT] Komischerweise scheinen mir übrigens gerade die Majoren, die eigentlich durch ihre Größe viel wehrhafter sein sollten, viel ängstlicher.
Sie waren nie am normalen Futtertrog zu sehen. Sie haben die Kleinen selbst mit den größten Brocken im Stich gelassen.
Liegt aber wohl daran, dass wir es hier mit einer defensiven Art zu tun haben und die Majoren eher große Kaumaschinen als Kampfmaschinen sind.
Ist also evolutionär logisch die großen Individuen die eine Kolonie viel Energie kosten eher verdeckt zu halten und die kleinen „billigen“ an die Front zu schicken um Essen aufzuspüren.
[/INDENT]---------------

So, das reicht fürs erste. An diesem Punkt stand erstmal fest, dass ich das Grundkonzept des Formicariums nochmal überdenken muss und, dass die Messors umziehen müssen (und schon umgezogen sind :-). Dazu bald noch mehr in einem weiteren Beitrag.

Werde in ein paar Wochen nach Deutschland zurückziehen. Bin also gerade mit Kartons beschäftigt. Ich versuche aber noch einen Artikel zum Umzug der Ameisen in ein anderes Formicarium zu schreiben. Kann aber nicht garantieren, dass ich es noch vor meiner Abreise schaffe. Wenn ich es nicht schaffe, kommt der nächste Teil Mitte Januar, wenn ich mit den Damen wieder festen Fuß gefassen habe :-)



Myrwei
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#3 AW: Messor minor - Haltungserfahrung

Beitrag von Myrwei » 21. April 2013, 12:55

Teil 2 Der Umzug

Melde mich nach langem hin und her zurück. Die Ameisen sind gut Umgezogen und auch ich habe mein neues Heim am anderen Ende Europas frisch bezogen. Jetzt, da alles wieder seinen Gang geht ist Zeit den Haltungsbericht zu vervollständigen:

Zwei Gründe haben mich dazu bewegt die Kolonie aus ihrem etablierten Territorium nach 1 Jahr heraus zu lotsen:

  • Zum einen, die offensichtliche Befeuchtungsproblematik. Seit ich übrigens das Nest nicht mehr richtig befeuchten konnte, war die Wassertränke ständig umwimmelt von zahllosen Ameisen. Vorher war sie eher selten besucht. Ein Anzeichen, dass etwas fehlt…
  • [font=Symbol]M[/font]ein zweites Problem ist, dass ich für die Arbeit zurück nach Deutschland ziehen musste (Paris [font=Wingdings][font=Wingdings]à[/font][/font] Bodensee). Da die Ameisen ja bisher nie mit Erdbeben zu tun hatten, haben sie ihre Tunnel sehr fragil ausgelegt (um nicht zu sagen, dass sie bei der geringsten Berührung einstürzen…). Ein Transport ist also so nicht machbar.

Also mussten sie raus, die Kleinen.

Eines wusste ich schon vorab aus den Anfängerfehlern die ich mit Lasius gemacht hatte:
Zwingen hilft rein gar nichts. Man kann eine Kolonie die mehrere Tausend Individuen zählt nicht zwangsumsiedeln.
Entweder sie machen es freiwillig oder eine Katastrophe, mit Panik, Ausbrüchen und schweren Verlusten ist vorprogrammiert. Also hilft nur eine Kenntnis ihrer Vorlieben und Geduld. Der Rest passiert (fast) von alleine.


Temporäres Nest

Da das Ganze nur eine Temporärbehausung werden sollte, die möglichst kompakt und robust für den Transport sein muss und die nur solange halten muss, bis das neue Formicarium eingerichtet ist, habe ich eines meiner alten Lasius niger Nester genommen. Ein einfaches selbstgebautes zwei-Glasplatten Nest (ca. 3€ Materialkosten, 2 Glasplatten aus billigen Bilderrahmen aus dem Supermarkt, ein bisschen Plastik und 2 Stunden Arbeit…).
Da kam ein Drainagerohr mit der üblichen feinkörnigen Seramismischung rein, da ich in Frankreich kein grobkörniges gefunden habe.
Darüber kamen dann aber mehrere Schichten feinmaschigen Stahlnetzes. So einfach beißen die Mädels das jetzt nicht durch :-D
Für eine Permanentlösung würde ich aber kein Stahlnetz verwenden, da es sicher korrodiert und wahrscheinlich auf Dauer auch zerstört wird. An einer glatten Wand (aus Gips oder sonstwas) haben sie keine Angriffsfläche. Ein Gitter lädt aber geradezu dazu ein dran rumzukauen (auch wenn das wohl nichts bringt, Stahl ist härter als Chitin) und daran rumzuzerren. Früher oder später werden sie ihre Köpfe durchstecken können (und wahrscheinlich einige Individuen dabei über den Jordan schicken) und irgendwann kommen sie dann komplett durch.
Aber als Temporärlösung für 1-2 Monate war das in Ordnung. Die Brutkammer haben sie logischerweise direkt über dem Stahlnetz eingerichtet (Feuchtigkeit). Bis zur Umsiedlung in die endgültige Behausung habe ich auch keine Probleme erkannt.

Hier ein Bild des Stahlnetzes:


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Dann wieder die übliche Sand-Lehmmischung drauf (diesmal ohne farbige Schichten) und einen Schlauch, der ans Hauptnest angeschlossen ist.

Bevor die Oberflächenaktivität im alten Nest noch zu sehr zugenommen hat, habe ich es ausgenutzt um den ganzen Oberflächensand, Pflanzen, Deko usw. rauszunehmen. Das macht das Formicarium etwas übersichtlicher und später einfacher zu manipulieren.

Jetzt musste ich nur noch kleine „Motivationshilfen“ einsetzen:
Habe das alte Nest noch solange beheizt, bis es komplett ausgetrocknet war und dann die Heizung abgestellt. Zusätzlich kamen die Isolation und die rote Folie weg. Also kalt, trocken, hell. Sehr hässlich aus der Sicht einer Ameise…
Das neue Nest wurde schön befeuchtet, auf gemütliche 28° beheizt und abgedunkelt.
Im alten Becken blieb nur eine Wassertränke, um zu vermeiden dass sie auf dem Weg ins neue Nest verdursten…

Da der Temperatursensor des Reglers noch komplett im alten Nest verbaut war und ich keinen 2. Regler zur Hand hatte, musste ich etwas improvisieren:
Habe einfach eine große Heizmatte an das neue Nest angeschlossen und eine andere Heizmatte so am alten Nest befestigt, dass es möglichst nur lokal auf der Höhe des Sensors etwas heizt.
Beide Heizmatten sind am Output desselben Reglers angeschlossen. Jetzt habe ich den Setpoint am Habistat so eingestellt, dass ein zusätzliches Thermometer im neuen Nest stabil 28-30° angezeigt hat (der Habistat war dabei auf ca. 24°C).
Ein kleiner Regelungstechnik Trick, der unter der Hypothese, dass die Umgebungsvariablen (z.B. Zimmertemperatur) mehr oder weniger konstant bleiben, eine mehr oder weniger stabile Ausgangstemperatur im neuen Nest erlaubt ohne, dass das alte Nest unnötig beheizt wird (der eigentliche Regelkreis ist natürlich noch im alten Nest, der Setpoint ist aber so eingestellt dass die (variable) Heizleistung den gewollten Effekt im neuen Nest erzielt).

Wenige Stunden später war der erste Spähtrupp schon am buddeln:

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Und die Reaktion ist beeindruckend: Die Information ist sehr schnell verbreitet worden. Wieder ein paar Stunden später und das alte Formicarium sieht am Eingang zum neuen Nest plötzlich so aus (davor nur sehr wenige vereinzelte Ameisen an der Oberfläche…):

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Es sind fast nie so viele Ameisen auf einmal draußen. Es tut sich also sichtlich etwas. Man sieht auch schon die ersten gelben Sandkörner im alten Becken (vor dem Seeigel) die sie schon aus dem neuen Nest herausgetragen haben. Sie haben also sogar schon begonnen Sand komplett zurück zu karren, obwohl noch mehr als genug Freiraum im neuen Nest ist. Dieser Freiraum war aber am darauffolgenden Tag komplett ausgefüllt.

Eine Nacht später, nach Abstellen der Heizung im alten Nest und die ganze Brut mit der Königin waren umgezogen.
Mir ist übrigens aufgefallen, das Messor solche großen Aktionen immer nachts durchziehen wenn es dunkel ist. Wohl auch ein evolutionärer Schutzmechanismus.

Leider habe ich kein Foto vom darauffolgenden Tag. Es war aber sehr erstaunlich, wie schnell sie gearbeitet haben und wie schlecht demnach die Konditionen im alten Becken waren.
In den wenigen Stunden haben sie eine große Höhle zentral ins neue Nest gegraben, indem sich der ganze Nachwuchs aufhält. Das alte Becken war auf seiner ganzen Fläche von einer dicken Schicht gelben Sand bedeckt…
Erst da ist mir aufgefallen, wie groß die Kolonie schon ist. Wie viele genau kann ich nicht sagen. Aber sicher irgendetwas zwischen 2000 und 5000 Individuen.

Kurz vor meinem Umzug also ca. 2-3 Wochen nachdem sie Zugang zum neuen Nest bekommen hatten waren sie schon voll eingerichtet (und das alte Becken schon entfernt).


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Temporäre Arena

Um die Menge an Arbeiterinnen möglichst kompakt für den Transport zu „lagern“, verwende ich eine Plexiglas Zylinderarena mit zwei Anschlüssen. Eigentlich ist diese Arena für eine meiner Lasius niger Kolonien im Einsatz. Da sie aber gerade im Cryoschlaf sind, wird sie für Messor minor zwischengenutzt.
Hier ein Foto mit Lasius niger kurz vor dem Winterschlaf. Der größte Teil der Lasius hat sich schon zurückgezogen…


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Habe es zuerst einmal mit warmem Wasser ausgespült um mögliches Lasius Ungeziefer zu entfernen.

Da die Kolonie recht groß ist, möchte ich ihnen möglichst viel Oberfläche bieten. Habe also Kartonstücke wellblechmässig geformt und versetzt zueinander in den Zylinder reingestapelt.
Damit sie besser hoch und runterkrabbeln können, hab ich noch hier und da ein paar Löcher in die Kartons gebohrt.
Messor sind ja recht plump wenn es ums Klettern geht. An Glas haben sie große Schwierigkeiten. Plexiglas geht anscheinend etwas besser, ist aber auch nicht top. Am Karton können sie aber sogar kopfüber herumlaufen. Und Wellblechpappe stürzt selbst bei meiner Fahrweise nicht ein. Also ideal für eine Umzugsbehausung.

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Man sieht auf dem Foto auch eine Heizmatte unter dem Zylinder. Sehr dumme Idee von mir! Das Thermometer hat zwar nie mehr als 29° angezeigt, aber die Bodentemperatur muss wohl doch recht hoch gewesen sein. Am nächsten Morgen lagen nämlich einige tote vertrocknete Ameisen am Boden. Denke mal, dass sie durch die ganzen verwinkelten Kartonschichten doch nicht so gut hoch kommen. Da die Tränke ganz oben ist, sind wohl ein paar auf dem Weg verdurstet. Sie mussten also von da an mit Zimmertemperatur auskommen. Ganz gut eigentlich, dann beruhigen sie sich allgemein ein bisschen… Und in Korsika, ihrem Ursprungsland ist es im Winter auch etwas kälter.

Um die Anzahl der Ameisen im alten Nest weiter zu verringern, habe ich zunächst die temporäre Arena dazwischengeschaltet. Es waren also das alte Becken, der Zylinder und das neue Nest in Reihe geschaltet.
Die neue Arena sollte eine „statistische Hilfestellung“ sein um das alte Becken weiter zu leeren. Die mathematische Erklärung würde irgendwie so klingen:
Ameisen laufen zufallsmäßig herum mit einer Tendenz hin und wieder zum Nest zurückzukehren. Alle Ameisen aus dem alten Becken werden also theoretisch früher oder später ins neue Nest zurückgehen und danach wieder ausschwärmen. Aber mit dem Zwischennest, das auch noch so ausgerichtet ist, dass der Rückweg möglichst lang ist (durch die vielen verwinkelten Kartonniveaus), wird die Wahrscheinlichkeit verringert, dass sie wieder komplett zurücklaufen. Sie häufen sich also im Zylinder und im Nest an.
Hat in der Tat geholfen, das alte Becken nach ein paar Tagen erheblich zu leeren. Aber noch nicht genug. Einige Ameisen haben sich anscheinend so im alten Nest festgesessen (wahrscheinlich wegen den noch sehr gefüllten Kornkammern und dem allseits vorhandenen Nestgeruch), dass sie selbst Dürre und Kälte freiwillig durchstehen.

Kompletter Umzug

Um die restlichen Kandidatinnen auch noch umzusiedeln musste ich also selbst „Hand“ anlegen:
Um möglichst wenig Schaden anzurichten, habe ich das alte Becken von der Zylinderarena abgetrennt.

Die Pflanzenbecher die in den Boden eingelassen sind haben einen weiteren Vorteil, wenn sie leer sind: Ameisen plumpsen gerne rein und kommen nicht mehr hoch. Um das zuvor zu vermeiden hatte ich in jede Lücke einen mit Sand gefüllten Becher reingestellt. Jetzt, da es galt die Nesthocker herauszuholen, habe ich ihre Ungeschicklichkeit ausgenutzt.
Jeder Becher wurde durch einen leeren ausgetauscht und zu einer Falle umfunktioniert :-D Ich saß also einen Abend lang gemütlich bei einem Film und hab hin und wieder die Becher in die neue Arena geleert…

Es waren aber immer noch einige Hartnäckige drinnen. Habe also vorsichtig das Nest abgetragen und jeden Flüchtling eingefangen und in die neue Arena verfrachtet.
Keine einfache Aufgabe mit so stark untertunneltem und bröseligem Sand, ohne unnötig Ameisen zu begraben. Habe viele Strategien ausprobiert und letztendlich war die beste Strategie die Biester zu ködern. Die meisten werden mich zwar als bescheuert abstempeln, aber am besten hat das mit meiner eigenen Hand funktioniert…
Also einfach einen Tunnel einstürzen lassen. Hand rein und warten bis sich alle festgebissen haben. Dann Hand über der neuen Arena ausschütteln und ab zum nächsten Tunnel. Ein Beweis dafür, wie wenig (bzw. überhaupt nicht) schmerzhaft deren Bisse sind. Selbst die Majoren spürt man kaum und ich würde mich eher in die Kategorie „Jammerlappen“ einordnen wenn’s um Schmerzen geht…
Eine unorthodoxe Methode aber sehr effektiv!

So habe ich letztendlich das gesamte Nest geleert und am Ende der Bilanz waren auf zigtausenden Individuen:
[font=Symbol]· [/font]nur 3 Tote durch meinen manuellen Eingriff
[font=Symbol]· [/font]vielleicht 10-20 durch ihren eigenen Umzug (bzw. den äußerst schlechten Konditionen im alten Nest)
[font=Symbol]· [/font]und nochmal 20-30 durch meine dumme Idee den Zylinder von unten zu beheizen

Die Temporäre Arena ist und bleibt übrigens unbeheizt (um die 20° Tagsüber und Abends/Nachts etwas kälter). Den Temperaturregler habe ich mittlerweile auch wieder vernünftig im neuen Nest verbaut. Das Nest wurde also auf 25° gehalten. Für meinen Umzug war die Heizung natürlich komplett aus und in meiner neuen Wohnung hatte ich ihn auch nicht wieder angeschlossen bis sie in der neuen Behausung waren. Ist ja auch besser so, in Korsika hat es im Moment gerade auch keine 25°…

Die neue Installation ist weitaus unromantischer als das alte Becken:


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Aber sie erfüllt ihren Zweck und hat erfolgreich als „Umzugshabitat“ gedient.

Mein eigener Umzug an sich verlief ganz gut. Zum Glück hat sich eine Umzugsspedition um meinen ganzen Krempel gekümmert. Ich bin mit einem kleinen Rucksack mit den nötigsten Sachen und zwei Kartons voller Ameisenkolonien in meinem Auto gefahren.
Ein Karton mit 2 überwinternden Kolonien stand im Kofferraum (schön isoliert sogar mit einem Kühlpack drinnen damit auch ja keine meckert…). Und Messor hatten die Ehre den Copiloten Platz einzunehmen mit einem Heizgebläse auf sie gerichtet.

Das Bauen ihres neuen Beckens hat jetzt aber etwas gedauert. Die Einrichtung meiner eigenen Wohnung war mir erst mal wichtiger….
Als ich dann aber vermehrt Tote im Zylinder wiedergefunden habe wurde es dringender und ich habe den Bau begonnen.
Zum Bau der neuen Kiste mehr in Teil 3: Messor reloaded…
Dateianhänge
Messor minor - 18 Fertiges Umzugsformicarium.jpg
Messor minor - 17 Temporärarena.jpg
Messor minor - 16 alte Lasius niger Arena.jpg
Messor minor - 15 Temporärnest komplett bezogen.jpg
Messor minor - 14 vor dem grossen Umzug.jpg
Messor minor - 13 neues Nest wird erkundet.jpg
Messor minor - 12 Stahlnetz.jpg



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