Ãœberwinterung von Temnothorax crassispinus

Nachrichten aus den Medien und der Wissenschaft.
Neues Thema Antworten
Gast
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

#1 Ãœberwinterung von Temnothorax crassispinus

Beitrag von Gast » 11. Januar 2013, 17:32

Mit Temnothorax crassispinus, der Schwesterart von T. nylanderi wurden in Polen Experimente durchgeführt, die zeigten, dass Arbeiterinnen in Kunstnestern, die man 5 cm tief im Boden vergraben hatte, den Winter weit besser überstanden, als solche in Nestern an der Bodenoberfläche.

MITRUS S., 2013: Cost to the cavity-nest ant Temnothorax crassispinus (Hymenoptera: Formicidae) of overwintering aboveground. - Eur. J. Entomol. 2013, 110(1): 177–179

Most species of ants inhabiting the temperate zone overwinter underground, whereas those of the genus Temnothorax remain in nests aboveground. I studied the cost of aboveground overwintering. Workers of Temnothorax crassispinus survived in higher numbers (median = 88%) in artificial nests experimentally buried at a depth of 5 cm than those in nests on the surface (48%) of the soil. The results support the hypothesis that overwintering aboveground could be a consequence of a limited supply of nests and/or the advantage of being able to respond quickly to warm temperatures in spring.
https://www.eje.cz/scripts/viewabstract.php?abstract=1771&browsevol=110(1)

MfG,
Merkur



Benutzeravatar
Tera_Nova
Einsteiger
Offline
Beiträge: 42
Registriert: 30. November 2012, 16:28
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

#2 AW: Ãœberwinterung von Temnothorax crassispinus

Beitrag von Tera_Nova » 11. Januar 2013, 17:54

[font=Book Antiqua]Guten Abend Merkur,
Ein interessanter Beitrag (und auch ein interessantes Experiment).
Von meiner Seite her besteht aber eine allgemeine Frage zu Temnothorax.
Diese bezieht sich auf die Nistart der Gattung.
Meines Wissens leben Temnothorax nylanderi (als Beispiel genannt) in Eicheln, hinter Rinde, etc. .
Aber gibt es auch eine Art die den Erdboden bewohnt?
Bei Befragung im Ameisenwiki, unter dem Gattungsnamen Temnothorax kommt dahin gehend nichts.

Schönen Abend,
Tera_Nova[/font]



Gast
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

#3 AW: Ãœberwinterung von Temnothorax crassispinus

Beitrag von Gast » 11. Januar 2013, 18:05

@ Tera Nova,

Ich hoffe, bald ein PDF der Originalarbeit zu bekommen und dann mehr sagen zu können.
Temnothorax crassispinus lebt ebenso wie T. nylanderi in hohlen Eicheln, Haselnüssen, dürren Zweigen oder Borke am Waldboden. Dort verbringen sie auch den Winter, oft auf erhebliche Minusgrade eingefroren.
Es gibt andere Temnothorax-Arten, die bevorzugt in Steinspalten leben (oberflächlich!), wieder andere nisten in toten Zweigen oben im Kronenbereich von Bäumen (T. affinis). Wieder andere (T. tuberum) sitzen in einem winzigen Erdkämmerchen direkt unter einem flachen Steinplättchen von oft nur 3-5 cm Durchmesser an der Bodenoberfläche.
Keine wechselt zum Winter in den Boden oder in irgendwie geschütztere Nistgelegenheiten! Insofern habe ich etwas Zweifel an der hier geposteten Arbeit. Aber warten wir ab, bis ich die Methodik usw. lesen kann.

MfG,
Merkur



Gast
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

#4 AW: Ãœberwinterung von Temnothorax crassispinus

Beitrag von Gast » 13. Januar 2013, 12:19

Habe die Arbeit inzwischen gelesen.

Für die Praxis der Ameisenhaltung ist nicht viel daraus zu entnehmen.
Die Völkchen wurden – standardisiert auf je 75 Arbeiterinnen – zunächst an Kunstnestchen aus Holz „gewöhnt“, die dann (im November, nach Einleitung einer Überwinterung) mit Metallgaze verschlossen wurden. Ein Teil der Nestchen wurde in 5 cm Tiefe vergraben, der Rest an der Bodenoberfläche deponiert. Temperaturen im Boden und an der Oberfläche wurden alle 2 Stunden automatisch registriert. Anfang März wurden die Völkchen wieder ins Labor gebracht und ausgezählt.
In beiden Versuchsgruppen gab es Völkchen mit einer Überlebensrate von 0% bis 100%. Im Mittel überlebten in den eingegrabenen Nestchen 88%, in denen an der Oberfläche nur 48% der Arbeiterinnen.
Die Diskussion bietet mehrere Erklärungen an. So konnten die Völkchen nicht in andere Nistgelegenheiten umziehen (was bei Naturnestchen auch im Winter an wärmeren Tagen evtl. erfolgen kann). Dies könnte die erhöhte Mortalität an der Bodenoberfläche erklären. Ansonsten sei Überwinterung an der Bodenoberfläche kostspielig („costly“), aber die Ameisen überwintern dennoch an der Oberfläche, weil starke Konkurrenz um gute Nistgelegenheiten bestehe (verstehe ich selbst nicht ganz! – Ref.).
Eine weitere Erklärung für das Verbleiben in den oberflächlichen Nestchen wäre, dass die Völkchen im Frühjahr früher aktiv werden und mit dem Furagieren beginnen können als solche, die im noch kalten Boden überwintern. Außerdem könnten sie die besten Nistgelegenheiten besetzen (bzw. besetzt halten).

Ref.: Es ist halt ein Experiment, das unter einer notgedrungen begrenzten Auswahl von Versuchsbedingungen durchgeführt wurde. Wie weit die Interpretation zutrifft, lässt sich m. E. nicht sicher sagen. Für verwandte Temnothorax-Arten wie T. affinis steht wohl ein Umzug aus den Baumkronen (z. T. über 10 m hoch) zur Überwinterung in den Boden ohnehin nicht zur Debatte. Andererseits sind Holznestchen am Boden oder höher im Gehölz auch bei langer Trockenheit recht komfortabel, weil sich in kühlen Nächten Taufeuchtigkeit darauf niederschlägt, während der Boden u. U. sehr tief völlig austrocknen kann. Ökologie ist kompliziert!

MfG,
Merkur



Neues Thema Antworten

Zurück zu „Neues aus Medien & Wissenschaft“