Verhaltensstörungen durch fehlende Nestverdunklung

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
Gast
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#9 AW: Verhaltensstörungen durch fehlende Nestverdunklung

Beitrag von Gast » 1. März 2013, 00:59

Hey, danke schonmal für Eure Beiträge.

Ich wollte noch eine kurze Anekdote einfließen lassen: Ich hielt vor langer Zeit mal eine Afrikanische Landkrabbe. In das Aquarium integrierte ich einen ausreichend tiefen Landteil mit gut grabungsfähigem Material und einen Wasserteil mit vielen Versteckmöglichkeiten. Ein wunderschönes Tier - das ich allerdings nur selten sah...

Irgendwann vermittelte ich das Tier an ein in der Krabbenhaltung erfahrenes Paar. Diese suchten ein Weibchen für das bereits vorhandene Männchen. Dieses lebte in einem großen Aquarium mit vielen Kletter- aber nur wenig Versteckmöglichkeiten. Von scheuem Verhalten keine Spur.
Wenn ich mich richtig erinnere, lies sich die Krabbe sogar von Hand füttern.

Die zukünftigen Halter vermuteten, dass scheue Verhalten meiner Krabbe könnte daran gelegen haben, dass diese wegen der im Landteil gegrabenen Gänge und Versteckmöglichkeiten im Wasser einfach nicht gezwungen war, sich an micht als Halter zu gewöhnen. Und spätestens hier (wenn nicht schon bei der Frage, ob man des eigenen Vergnügens wegen Tiere in Behälter pferchen sollte) beginnt für mich der ethische Zwiespalt. Welcher Halter würde nicht gern bei seinem Tier zumindest so viel Vertrauen erleben, dass sich dieses nicht sofort bestmöglichst verkriecht, sobald man in die Nähe kommt. Natürlich möchte man, dass es dem Tier so gut wie möglich geht, aber beobachten möchte man es schließlich auch.

Aaaaaber um nicht zu weit abzuschweifen: Die Krabbe in meinem Beispiel hatte sich anscheinend zwangsläufig mit der Anwesenheit der Halter auseinander gesetzt - und gelernt, diese nicht als Bedrohung zu empfinden. Vielleicht geht es Ameisen mit Licht ähnlich? Zugegebener maßen scheint mir diese Methode etwas gnadenlos - in Art und Weise dem gesellschaftlich akteptierten und in zahlreichen filmen glorifizierten Zureiten von Pferden aber nicht ganz unähnlich.

Ich stimme Merkur zu, wenn er darauf verweist, dass sich unterschiedliche Arten ggf unterschiedlich gut daran gewöhnen lassen (welche Arten genau Herr Kalytta hält, weiß ich natürlich nicht. Gleiches gilt für die Art des Lichteinfalls im jeweiligen Formicarium).

Und wenn ich NIPIAN richtig verstanden habe, sind die Folgen belastender Faktoren nicht sofort erkennbar oder wirken sich erst viel Später bzw in Kombination mit anderen aus.

@Tabernakel: Danke für's Beispiel! Wie lange hälst du Deine L. niger schon auf diese Weise?

Abschließend nocheinmal die Frage: Wer konnte welche konkreten Verhaltensstörungen durch fehlende Abdunklung beobachten???

Schöne Grüße,
Johannes



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erix
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#10 AW: Verhaltensstörungen durch fehlende Nestverdunklung

Beitrag von erix » 1. März 2013, 04:15

Nicht die Ameisen haben ein Problem mit dem Licht, sondern die Brut. Die Larven sind weitgehend durchsichtig und sind der UV-Strahlung schutzlos ausgeliefert. Dass UV-Strahlung die Zellen zerstört, erlebt man bei einem Sonnenbrand hautnah, weshalb wir eine Lederhaut und mehr oder weniger dichte Pigmentierung haben.

Die Evolution hat bewirkt, dass Ameisen ihre Brut sofort vor der UV-Strahlung in Sicherheit zu bringen versuchen. Wer dies nicht tat, starb aus. Da es in den über Hundert Millionen Jahren Evolutionsgeschichte der Ameisen kein helles Licht ohne UV-Strahlung gab und Lichteinfall auch durch einen Angriff eines Fressfeindes (Vögel usw.) verursacht sein kann, ist es plausibel, dass Ameisen auf jeden sichtbaren Lichteinfall reagieren, den sie wahrnehmen können.

Viele Insekten können UV-Licht (im Unterschied zu uns) sehen. Auf Tageslicht reagieren sie deshalb viel heftiger als beispielsweise Glühlampenlicht, das grossenteils rot ist.

Ein grosses Lasius sp. Volk, das jahrelang auf meinem Balkon in verschiedenen Pflanzentrögen lebte, baute die Verbindungswege zwischen den Behältern mit Erde lichtdicht aus. Auf Halmen z.B., die von Trog zu Trog führten bauten sie Galerien aus Erde, um die Brut vor Licht geschützt transportieren zu können. Und dies nach jedem starken Regen wieder aufs Neue.

Was schliessen wir daraus?

Gruss: erix



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#11 AW: Verhaltensstörungen durch fehlende Nestverdunklung

Beitrag von Arkamur » 1. März 2013, 05:03

erix, fuer mich bleibt trotzdem das Interesse am Beobachten des Nestes (Nenn es Voyeurismus!).
Vielleicht aendert es sich, wenn man verstanden hat, was im Nest vor sich geht und das Verhalten der Ameisen in der Arena als interessanter erscheint.
Desweiteren stehen bei uns Nest und Arena so, dass sie fuer direktes Sonnenlicht (UV) unerreichbar sind.



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Tabernakel
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#12 AW: Verhaltensstörungen durch fehlende Nestverdunklung

Beitrag von Tabernakel » 1. März 2013, 10:06

Hallo,

ich halte L. niger seit 6 Jahren ohne Verdunkelung und C. ligniperdus seit 2011 im März - beiden Völkern geht es - soweit ich das beurteilen kann - hervorragend.

Noch kurz zu dem UV-Licht Argument: Meine Formicarien stehen mit der einsehbaren Seite zum Raum, davor befindet sich 5mm Glas, zwischen der Strahlung noch eine Triple-Fensterglas Scheibe - geht man von der landläufigen Pi x Daumenregel aus, dass eine Fensterglasscheibe circa 50% UV-A und nahezu alles an UV-B Strahlung filtert, kommen circa 6% der ursprünglichen UV-A Strahlung ins Formikarium - und das nur durch indirektes Licht --> also zu vernachlässigen.

Cheers,

Alex


Heisenberg has been here.

Nimishu
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#13 AW: Verhaltensstörungen durch fehlende Nestverdunklung

Beitrag von Nimishu » 1. März 2013, 18:37

Hi!!
also meine Camponotus ligniperda leben zur Zeit noch in einem RG. Das RG ist zur hälfte mit roter Folie abgedunkelt. Wollte eigentlich das sie jetzt nach der Winterruhe in ein großes abgedunkeltes Nest umziehen. Sie scheinen sich aber im RG noch sehr wohl zu fühlen, den sie pflegen die Brut in beiden teilen. Ob abgedunkelt oder nicht scheint sie kein bisschen zu interressieren.



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