Da die Winterruhe immer viele Fragen aufwirft, möchte ich hier mit Euch einige Überlegungen dazu anstellen.
Es ist gerade Mitte Oktober, einige Halter werden ihre Schützlinge schon in die Winterruhe geschickt haben, andere möchten sie noch ein wenig betrachten, und ganz viele sind in der Einwinterungsphase oder überlegen sich noch, wie sie es anstellen sollen.

Ich halte ausschließlich einheimische Arten, daher mögen meine Überlegungen nicht auf alle Halter passen.
Ihr erfahrenen Halter von Arten mit kürzeren oder wärmeren Ruhephasen seid also auch eingeladen, Eure Erfahrungen und Überlegungen zur Winterruhe zu teilen.

Direkt zur ersten Frage: Wann schicke ich meine Ameisen in die Winterruhe?
Oft liest man Angaben wie "Anfang Oktober bis Ende März" (das wären volle sechs Monate), oder "Ende Oktober bis Anfang März" (das sind dann fast nur noch vier Monate).

Immer hängt das von der Art ab, aber auch vom regionalen Wetter und dem Verhalten der Kolonie.
Zum regionalen Wetter: Selbst innerhalb Deutschlands gibt es unterschiedliche Wetterzonen. Sehr schön konnte ich das vor einigen Wochen beobachten, als ich von Köln, über Frankfurt gen Coburg fuhr. Als Beifahrerin konnte ich wunderbar die Pflanzen am Autobahnrand beobachten. Was soll ich sagen: Baldrian stand bei uns noch in voller Blüte, um Frankfurt herum war er komplett verblüht und "noch weiter im Osten" konnte ich gar nichts mehr davon erkennen. Ähnlich verhielt es sich mit der Farbe der Blätter: Hier ist noch weniger Gelb an den Bäumen, als vor drei Wochen in Coburg.
Dabei war ich ja nicht mal in den Bergen, bei Freiburg (hat die meiste Sonne bei uns), oder im Norden.
Eine Richtlinie zum Einwintern gibt also die Natur! Laufen Ameisen, wie ich sie halte noch draußen rum? Würden die Ameisen im Freien noch ausreichend Proteine und Läuse für die Trophobiose finden? In meinem Fall habe ich die letzten Läuse vor etwa zwei Wochen gesehen. Das heißt natürlich noch lange nicht, dass es keine mehr gibt, aber es werden schon erheblich weniger geworden sein.

Ein sehr wichtiger Hinweis ist die Temperatur!
Sind es draußen Anfang Oktober noch 25°C, warum sollte ich meine Ameisen dann in den Kühlschrank stellen? Andererseits kann es Ende Oktober empfindlich kalt werden. Warum sollte ich die Ameisen bis dahin warm halten?
Für diese Woche sind bei mir daheim Tagestemperaturen zwischen 18 und 22°C angesagt, Nachts hingegen 10 - 14°C. Meiner Meinung nach ein guter Zeitpunkt, um mit der Einwinterung zu beginnen: Tags fast Zimmertemperatur, Nachts schon fast Kühlschranktemperaturen. Für mich heißt das: Von jetzt an, bis zu dem Zeitpunkt wo die Temperaturen draußen mit denen im Kühlschrank gleich ziehen ist die Übergangsphase.

Oder: Wann schicke ich meine Ameisen in die Winterruhe?
In meinem Fall gibt es da Camponotus herculeanus, Lasius niger, Lasius flavus und Tetramorium cf. caespitum.

Camponotus herculeanus macht es einem da leicht: Die haben einen endogenen Rhythmus und verschließen von selbst das Nest und begeben sich in Winterruhe, wenn es so weit ist. Wann es so weit ist bestimmen sie selbst, bei zu gleichbleibenden Temperaturen haben sie ihren Soll an Brutaufzucht für das Jahr recht früh erledigt, und können wohl schon Ende August nahezu jegliche Aktivitäten vermeiden.
- diese Art also nicht zu früh aus der Winterruhe holen, um so früher sind sie dann auch wieder fertig
- keinesfalls dann schon im August einwintern, sondern noch warten bis es draußen auch kälter wird. Gelegentlich wurde wohl doch auch noch Futter angenommen, eine ganze Drosophila in fast zwei Monaten in meinem Fall
- wenn es eine Gründerklonie ist auch schön zu beobachten: Die Arbeiterin, die das Futter beschafft, hat eine leere Gaster, alle anderen sind prall gefüllt. Jetzt ist das nicht mehr so, endlich hat auch sie Dehnungsstreifen, das zeigt mir sie hat nicht mehr vor weiterhin zu fressen
- Temperaturschwankungen tun dieser Art gut, daher verbringen sie jetzt in der Übergangsphase die Nächte draußen

Lasius niger, Lasius flavus zeigten in letzter Zeit schon weniger Aktivität, es waren weniger Ameisen draußen. Die Lasius flavus sind gar eine Gründerkolonie, ich konnte nicht feststellen, ob die jemals etwas gefressen haben, werden sie aber wohl.
Dummerweise haben beide Kolonien in der letzten Woche doch noch ein Eierpaket gelegt und es haben sich einige wenige ihrer Larven verpuppt (dabei war ich eine Woche zuvor noch Eier- und Puppenfrei, also wie ich dachte bereit für die Einwinterung)
- diese Art hat einen exogenen Zyklus, das heißt sie merken erst durch die Temperaturen, dass es Zeit für den Winter wird.
- vermutlich hat sie meine eingeschaltete Heizung dazu gebracht, doch noch an einen Spätsommer zu glauben
- denen habe ich nun auch die Nächte auf dem Balkon verordnet. Tags können sie sich wenn nötig noch entwickeln, Nachts merken sie aber eindeutig, wo der Hase lang läuft
- Wer die Möglichkeit hat, hat es hier einfacher, wenn er das komplette Formicarium kühler stellt, damit sich zur Winterruhe dann alle Ameisen im Nest befinden - das erspart das Einsammeln der furagierenden Ameisen.

Wo und wie ermögliche ich den Tieren die Einwinterungsphase?
Perfekt wäre eine unbeheizte, aber eben vor Sonne geschützte Gartenlaube oder Garage. Da herrschen ähnliche Temperaturen wie draußen, nur etwas abgemildert. So etwas habe ich nicht, daher nutze ich den Balkon. Ich könnte sie auch in den Keller bringen, aber da gibt es noch zu wenig Temperaturspitzen und außerdem habe ich sie da nicht richtig unter Kontrolle. Das mag etwas anderes sein, wenn man im Erdgeschoss wohnt oder einen Waschkeller hat, ich hätte schlicht Angst sie da zu vergessen und nie zu erfahren, was sie da temperaturmäßig so erlebt haben (Minimum/Maxium-Thermometer sollen helfen).

Andere nutzen einen unbeheizten Raum mit offenem Fenster, wie die Gästetoilette oder den Windfang. Auch das habe ich nicht.

Das Reagenzglas hat übrigens dem Gipsnest gegenüber einen Vorteil bei meiner Methode: Die Reagenzgläser sind morgens nicht beschlagen, das Gipsnest schon.

Ich habe festgestellt, dass das Gipsnest draußen beschlägt, die Reagenzgläser aber nicht. Obwohl ich drinnen nie Kondenswasser hatte, habe ich es jetzt. Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht?

Hm...Erfahrung mit Gipsnestern habe ich nicht.
Aber Gips zieht aus seiner Umgebung Feuchtigkeit. Glas macht das nicht.
Hast du das Gipsnest in einer Box (Styropor)?
Denn dann wäre das Nest ja isoliert.
EDIT:
Und das Gibsnest speichert natürlich die Wärme und die Feuchtigkeit legt sich an der Scheibe nieder.
Große Sorgen würde ich mir keine machen.
LG
hormigas

Ihr erfahrenen Halter von Arten mit kürzeren oder wärmeren Ruhephasen seid also auch eingeladen,
Eure Erfahrungen und Ãœberlegungen zur Winterruhe zu teilen.

Diese Fragestellung möchte ich besonders aufgreifen und an alle Halter richten.

Die Winterruhe, wenn ich es richtig verstanden habe, wird für einheimische Arten als nötig betrachtet, damit sich die Ameisen regenerieren können.
Weiter aus dem Zwang heraus, dass es im Winter kein Futter gibt und die Temperaturen so tief liegen können, die Ameisen bewegungsunfähig machen.
Zudem dürften diese Begebenheiten dazu führen, dass keine Nachwuchsaufzucht möglich ist.

In der Haltung lässt sich an diesen, von der Natur vorgegeben Bedingungen drehen.
Die Temperatur sommerlich halten und immer Futter anbieten.
Womit einige zwingende Notwendigkeiten für eine Winterruhe, nicht zum Tragen kommen.
Zumindest für mich ein Ansatz, die Reaktion, das Verhalten von einheimischen Arten
zu beobachten, wenn die vorgegebenen Bedingungen der Natur für eine Winterruhe wegfallen.

Seht meinen Beitrag jetzt nicht als Anlass oder Aufruf, eure einheimischen Arten ohne Winterruhe durchzuhalten.
Auch wenn ich unterschiedliche Erfahrungen mit Haltungen ohne Winterruhe gemacht habe,
halte ich es weiterhin für wichtig, dass einheimische Ameisen ihre Winterruhe bekommen.

In der Vergangenheit nachzulesen, dass Halter einheimische Arten ohne Winterruhe durchhalten wollten.
Selten bis gar nichts nachzulesen, was daraus geworden ist?
Früher wurden solche Versuche und Halter, die darüber berichteten, nicht immer, ich schreibe mal "nicht unbedingt freundlich" kommentiert.
Für mich ist die Welt der User in den Foren offener geworden, was mich zu der Ansicht bringt, dass heute über Haltungen gesprochen werden kann,
auch wenn diese nicht mehr dem natürlichen Umfeld der Ameisen entsprechen.

Grüße Wolfgang

Es gibt, glaub im eusozial, einen Bericht über Lasius niger ohne WR. Soweit ich mich noch erinnern kann, kamen vermehrt Missbildungen vor und die Sterblichkeit war auch höher als bei Vergleichskolonien.

Hier gab es auch mal einen, über mehrere Jahre hinweg. Hab ihn aber nicht mehr gefunden. Da haben die Ameisen zunächst verspätet trotzdem eine Art Pause eingelegt, die sich immer weiter verschoben hat, und irgendwann sind sie ganz durcheinander gekommen.