Hallo Ameisenfreunde,
Heute habe ich eine Anfrage zu meinem HB erhalten und ich habe mich entschlossen, diese hier anonymisiert öffentlich zu beantworten, in der Hoffnung das meine Antwort auch für andere Interessenten etwas an Substanz mitbringt:
Hi,
habe grade mit Begeisterung deinen Haltungsbericht gelesen, ich werde nächste Woche selbst stolzer Besitzer von einer Gyne mit ca zehn Arbeiterinnen.
Dazu eine ca 30x20x20 Arena und ein ytong Nest ( das werde ich erst anbieten wenn die Kolonie größer ist ).
Hast du irgendwelche " Must Haves" die mir das Leben erleichtern ? Oder Tipps die ich zu beachten habe ?
Hi,
Formica fusca, da hast du schonmal alles richtig gemacht
. Sie gehören definitiv zu meinen All-Time-Favs, und auch nach mehr als drei Jahren Haltung ist dieses Statement noch wahr. Ihre Farbgebung, ihre Aufgewecktheit und das ausgeprägte Sozialleben dieser Art bringen zahlreiche Momente der Spannung für den aufmerksamen Halter mit sich.
Aus meinen Erfahrungen mit der Haltung dieser Art leite ich drei große Besonderheiten ab:
1.
Formica fusca sind wahnsinnig schreckhaft. Dies ist vermutlich darin begründet, dass sie sich in der Natur häufig Überfällen von Arten wie
Formica sanguinea ausgesetzt sehen. Die Ãœberlebensstrategie der
F. fusca besteht darin, sofort die Beine in die Hand zu nehmen und massenhaft aus dem Nest zu flüchten, dabei so viel
Brut in den
Mandibeln wie möglich, um bald einen Neuanfang zu realisieren.
Dieses Verhalten zeigen sie in der Haltung allerdings schon bei kleinsten Erschütterungen.
Daraus ergibt sich die Empfehlung, einen möglichst ruhigen Platz für sie zu finden, weit weg von Musikanlagen und mit Abstand zu Türen oder Gängen die oft und hektisch von Leuten im Haus belaufen werden.
Da es ein ganz natürliches Verhalten von
F. fusca ist, würde ich es aber auch nicht als besonders schädlich einschätzen, wenn sie hin und wieder mal kollektiv durch die Anlage pacen. Vollständig vermeiden lässt sich das eh nicht.
2.
Formica fusca sind sehr lauffreudig. Sie foruagieren auch schonmal gerne solo, und legen schnellen Schrittes große Strecken zurück. Das habe ich viele Male bei Exkursionen in den Wäldern unseres Landes beobachten können.
Diesem Verhalten in meiner Anlage Rechnung tragen, das konnte ich bisher leider nicht. Das liegt einfach daran, dass sich momentan beruflich viel bei mir tut und ich wie ein Nomade von einer Wohnung in die Nächste ziehe, und ich bin schon mehr als froh, wenn ich einen Platz habe wo ich ein paar Becken hinstellen kann.
Wenn die Möglichkeiten bestehen, empfehle ich für
Formica fusca schön viel Auslauf, gerne auch auf sandigen Flächen.
Bei einer Gründerkolonie wird das natürlich nicht nötig sein, dein Becken reicht für den Anfang absolut aus. Und meine recht kompakte Anlage beweist, sie lassen sich auch auf wenig Platz dauerhaft erfolgreich halten. Ich träume davon, irgendwann ein riesiges Fütterungsbecken mit einer großen Sandfläche anschließen zu können. Mit Versteckmöglichkeiten nur im peripheren Bereich, so dass sie bei Fütterung in der Mitte des Beckens ihr natürliches Verhalten zeigen und durchs Becken flitzen, um sich nicht lange im offenen Gefahrenbereich aufzuhalten.
3. Wie auch in der Literatur zu lesen, ist
Formica fusca ein Meister darin, kurzfristig Nahrungsquellen zu nutzen, und dabei Konkurrenten zuvorzukommen. In der Haltung ist dies immer wieder gut zu beobachten; es findet eine schnelle und effektive Rekrutierung statt. Sie lassen sich nicht lange bitten und bringen die Schafe ruck-zuck ins Trockene.
Soweit zu den Besonderheiten.
Du fragst nach "Must-Haves". Da sie recht gut klettern können an Glas, und auch den Ausbruchschutz auf Schwachstellen absuchen, würde ich sie nicht ohne gut sitzenden Deckel halten.
Ansonsten sind sie recht pflegeleicht und die perfekte Anfängerart. Was Bodengrund und Nestart angeht bleiben weitgehend alle Möglichkeiten offen. Wie bei allen anderen Arten auch ist eine Wassertränke das Wichtigste. Diese sollte immer gefüllt sein!
Im Nestbereich müssen sie es nicht allzu feucht haben, die Imagines lieben es als termophile Art warm-heiß und trocken. Die
Larven lagern sie aber auch gerne in feuchten Nestbereichen. Auf Dauer ist daher ein Feuchtigkeitsgefälle im Nest, bzw. die Kombination von trockenen und feuchten Nestbereichen sinnvoll.
Und
Formica fusca sind ausgeprägt
zoophag, also ist Nahrung in Form von Insekten Pflicht, damit die Kolonie floriert. Für wen das nicht in Frage kommt, der sollte von dieser Art lieber Abstand nehmen. Sie nehmen massenhaft Insekten an und können nicht genug davon bekommen. Zu Beginn würde ich sie nicht überfordern, und Stubenfliegen oder Goldfliegen verfüttern. Die Arbeiterinnen sind i.d.R. stark genug um diese auf sich allein gestellt ins RG zu ziehen. Bei größeren Kolonien können problemlos hartschalige Insekten wie Mehlkäferlarven verfüttert werden. Wer es den Ameisen einfacher machen will, kann solche Insekten auch anschneiden/zerteilen, zwingend notwendig ist es nicht.
"Must-Have" ist für mich auch eine Federstahlpinzette, um einzelne Arbeiterinnen verletzungsfrei einfangen zu können.
Ob ich Tipps habe...ja, sorg dafür, dass sie immer Wasser zu trinken haben.
Und wirf sie mit Insekten zu.
Formica fusca kann bei guter Versorgung rasant erstaunliche Mengen
Brut aufziehen. Das braucht natürlich erstmal eine gewisse Anlaufzeit, aber sobald dann auch genug Brutpflegerinnen da sind explodiert das Wachstum der Kolonie.
Letzter Tipp, gönne ihnen eine vernünftige
Winterruhe. Eine gute und lange
Winterruhe ist der Garant für eine erfolgreiche Saison. Auch wenn es viel Geduld erfordert, die Kolonie solange nicht beobachten zu können. Dafür rocken sie dann das Sommergeschäft, wenn sie gut geruht haben.
Ich hoffe ich konnte dir weiterhelfen, bei weiteren Fragen kannst du dich gerne melden, ob hier im Thread oder wieder anonym per PN
Ich würde mich freuen, bald von deiner Kolonie zu lesen und wünsche viel Erfolg in der Haltung!
LG Maddio